[1]Sonntag 12/9 43. Lang geschlafen, nach dem Frühstück herrlicher Spaziergang mit Jup über den Eschen, Blick auf die Wilde Wiese, über den Saley und Basaltgrube zurück. [2]Schöner Rehbraten, nachher geschlafen, schöner Kaffee, (mit Lang, der Frau von Schwiegermutter von Otto Schmitt, die das Kind brachte und dem Urgroßvater zeigte). [3]Dann wieder Spaziergang den Eschen herauf. Abends gut gegessen, zu viele Preiselbeeren. Telegramm von Georgescu (französisch, danke).
[4]Montag 13/9 43. Scheußlicher Durchfall, wieder ganz deprimiert, Gefühl, nach Berlin fließen zu müssen. Schade wegen Siedlinghausen. Vormittags [5]im Bett, meine neuen Schuhe angezogen und mit Jup etwas über den Eschen, die Schuhe sind schön. Nach dem Essen wieder geschlafen, [6]um 5 kam Frau Pfeiffer und beklagte uns und die Zeit; sehr nett und auch sympathisch. Dann aufs Abendessen gewartet, Ännchen spendierte [7]eine Flasche Rotwein, die mich kurierte, Jup nach dem Essen eine Flasche Cognac. Ob die Bulgaren sich für Deutschland entscheiden? Brief von Niedermayer, [8]heute morgen von Popitz, der wegen der Kisten mahnt. Duschka war bei dem Vertrauensmann von Schadeund besorgte eine Fahr[9]gelegenheit. Rührender Brief von der früheren Köchin Martha.
[10]Dienstag 14/9 43. Es ging besser, aber ich muss nach Berlin. Traurig und deprimiert, Verhandlungen mit der Fahrgemeinschaft, [11]entsetzlich; furchtbare Angst. Hatte mich schon für die Reise nach Siedlinghausen heute Mittag angezogen. Sehe die lächerliche [12]Lage eines Menschen, der nach seinen Möbeln jagt. So endet es doch immer, trotz aller Tüchtigkeit Duschkas. Völlig wehrlos und [13]zum Untergang verurteilt. Mit Jup Spaziergang, an der Sparkasse vorbei, über den Graben, bei Ostermann Bier getrunken, nach dem Essen wieder geschlafen, immer deprimiert. [14]Um 4 mit Duschka zur Post und zur Sparkasse; bei Frau König noch ein sehr schöner Hut, das freute mich und tröstete mich; am Bahnhof Zigarre bei Frau Neuhausser, [15]zu Hause schöner Kaffee, munter, einige Briefe geschrieben und Postkarten (an Bodin, den durchgefallenen Juristen; an Friedensburg, Gratulation zur Vermählung, [16]Karten an Frau von Schnitzler, Paul Adams, Werner Weber), an Janssen nach Bremen, so schnell gerät man wieder in den Betrieb. Schäme dich, Schwätzer. [17]Mit Jupp noch zur Post, bei Ostermann ein helles Bier getrunken, Gespräch mit Karl Ostermann, der Finanzamtsvorsteher in Saybusch gewesen ist. [18]Ein sympathischer Junge und seine westfälische Charakterfestigkeit. Zu Hause eingepackt 30 rumänische Kinder sind hier Raum, nach dem Essen hatte Ännchen Wacholder besorgt, den wir zusammen tranken, Aufstand in [19]Jugoslawien. Duschka schrieb noch an Frau Hahm. Ging um 12 zu Bett und konnte nicht einschlafen. Traum von Popitz und den Sowjets.
[20]Mittwoch 15/9 43. Erst gegen Morgen eingeschlafen. Traum der Zerstörung: wohne mit Duschka und Anima in einem Mietshaus im 4. Stock [21]hoch oben, überall rings Ruinen, unsere Wand bricht zusammen, der Zimmerboden hält nicht mehr. Nachher Traum: Zigeunerzirkus, man [22]fasst mich an die Geschlechtsteile; um 6 ½ aufgestanden, ziemlich frisch durch den Kaffee, mit Duschka, Üssie, Jup und Anni, Irina zur Bahn, herrlicher [23]tröstlicher Lauf auf den dunkelgrünen Bergen und hellgrünen Wiesen. Beschwor die Geister dieses Tales und dieser Berge und Wälder. Erzählte auf dem Weg zur Bahn Jup: [24]wie trübe Illusionen usw.; bis Hagen ganz bequem, in Hagen umgestiegen, nervös, aber einen guten Platz gefunden, langweilig, Depressionen [25]der Reise, grauenhafte Situation, oft ganz deprimiert, die dummen Gesichter, das schöne Land an der Weser, alles schneidet ins Herz, die Nachricht aus [26]Salerno. Bis Braunschweig ging es gut, aber mein eigentlicher Akt beginnt erst morgen. Neurotische Schuldgefühle gegenüber Duschka. Angelus gebetet, [27]aber hilflos, nicht wie in Plettenberg. Ruinen, in Minden schon; die 30 rumänischen, vergessenen Kinder. Zwischen Braunschweig und Magdeburg wurde ein [28]Junge, der 1. Klasse nachgelöst hatte und mit seiner Mutter fuhr, ohne Pass bei der Passkontrolle gestellt. Er war [29]nicht Soldat und nicht Arbeiter; sah aus wie ein Rumäne; die Mutter sagt ihm Magdeburger Friedendie Nachtdurch. Sofort mein automatischer [30]Impuls. Alles bricht auf. Immer wieder über diesen Fall nachgedacht. Aber der junge Mann war bei der geheimen Staatspolizei, und so war mein Affekt