[1]Freude daran, nichts zu denken. Morgens geträumt: Frau Goruneanu telefoniert. Scheinbar ist er nicht gestorben. Nachmittags [2]geschlafen, Tee getrunken, Spaziergang, Briefe geschrieben, die Zeit ist wie nichts vergangen, wartete auf Besuch von Jup, abends kein Wein, Mineralwasser, früh zu Bett, [3]während Duschka noch an Gilles schrieb. Behaglich, zu viel, überhaupt nichts gedacht; verliebt in Duschka, korrigierte den Nomos, Rückfall in das Alte.
[4]Dienstag, 31/8 43. Vor dem Frühstück Spaziergang auf den Saley, (Traum von: Franz Blei; Freyer und Hans Frank). Nach dem herrlichen Frühstück [5]mit gutem Kaffee viele Briefe, besonders von Ernst Jünger, der mich außerordentlich freute (Fabre-Luce hat Benito Cereno zitiert!) So wirkt sich etwas aus; Jünger [6]empfindet das als dienstlich an sich. Schrieb etwas, korrigierte den Nomos, las Briefe, besonders von Weber-Schumburg, lief zum Kasten am Bahnhof, zur [7]Post, nach dem Essen wieder geschlafen, Kaffee getrunken, regnerisches Wetter, zwischendurch eine helle Stunde, fühlte mich physisch wohl, aber traurig, weil ich nicht aus [8]meinem Trott herauskomme. Erschrak vor meinem Leben, Herr gib uns blöde Augen. Heute morgen bei Paul Ostermann in seiner Sparkasse, über mein Postscheckkonto [9]gesprochen, war ganz überflüssig, dumm, schämte mich hinterher, weiß nicht was ich tue. Kein Fortschritt. Keines praktischen Gedankens fähig. Soll ich mich [10]nicht an das Postgutachten machen? Abends wieder etwas korrigiert am Nomos, nach dem Essen mit dem Vater und Duschka Karten gespielt, dazu schlechten Rotwein getrunken. [11]Dann furchtbare Angst, es kam Alarm, ging aber gleichgültig zu Bett und schlief.
[12]Mittwoch, 1/9 43. Nachts scheußlicher Traum von Hella, ohnmächtige Gier und Geilheit, hummerrot. Um 2 ½ auf, vor dem Frühstück Spaziergang über den Saley nach Plettenberg, in die [13]Kirche, wo gerade ein Requiem gelesen wurde, ein alter Mann dient der Messe. Um ½ 11 wieder zu Hause, einige Briefe (von Schmid, Keiper, Leers, Frau Jünger). [14]Mit Duschka zum Bahnhof, um Jup und Claire abzuholen, sie kamen aber nicht um 11.48. Schön gefrühstückt, müde von dem Spaziergang, etwas notiert. Sehnsucht, die [15]innere Hohlheit zu überwinden, die in dem neuen Luftsog zum Verderben führt. Zum Bahnhof mit Duschka. Aber Jup kam erst um ½ 1. Wir aßen [16]zu Mittag, freuten uns, uns alle wiederzusehen, plauderten, Jup ist mager und nervös, erinnerte mich im Blick an Klausing. Tranken herrlichen Kaffee, [17]machten einen schönen Spaziergang auf den Saley, Ibsenstein, herrlicher Blick auf Holthausen und das Elsetal, über den Saley, Basalthang zurück. Abends [18]viel Wein und Cognac getrunken, bis 12 Uhr, Jup hat eine große Abneigung gegen Ernst Jünger, den er für eingebildet und unwissend [19]hält, meint ich sei gut herausgekommen, und so bis in die Nacht hinein, tranken immer mehr. Großangriff auf Berlin.
[20]Donnerstag, 2/9 43. Nicht gut geschlafen, zu viel Wein, morgens wieder frisch, erst um 11 gefrühstückt, zu starker Kaffee. Mit Jup [21]an die Bommecke, um ½ 1 bei Gerke gegessen, mit den 3 Damen, kümmerliches Essen, aber immerhin Essen, dünnes Bier getrunken. [22]Alles deprimiert und traurig, Nachricht vom Großangriff auf Berlin, aber nichts Näheres. Nach dem Essen geschlafen, auch Jup schlief, herrliches Wetter, aber die Zeit [23]vergeht, Tag für Tag, und ich hänge in der Luft, erschöpft und tue einfach nichts, unfähig, auch nur einen Entschluß zu fassen. Abends um 7 wieder bei [24]Gerke gegessen, erbärmlich, traurig nach Hause, Wein und Schnaps getrunken, Claire machte noch schöne Butterbrote, das war gut, mit Jup bis 12 philosophiert.
[25]Freitag, 3/9 43. Viel Post. Rührender Brief eines Soldaten Rösner, der beim Aufräumen Bergen meiner Bibliothek geholfen hat; Körnchen schickte Tocqueville [26]Historie, alles rührend, aber wie lange dauert es? Todmüde, immer geschlafen, es regnete etwas, zu Hause gegessen, nachher bis 5 geschlafen, dann mit [27]Jup bei Erich Klempe vorbei, Spaziergang am Sillberg entlang über den Friedhof zurück, herrliches Wetter. Schon wieder droht etwas: alle Jahrgänge von 84 [28]an müssen sich melden. Grauenhaft. Zum Abendessen noch Wein, nachher noch Skat mit dem Opa und der guten Duschka, noch etwas Schnaps, Ännchen mit Fräulein Geschke ins Kino.
[29]Samstag, 4/9 43. Bis ½ 11 im Bett. Was kommt, herrlicher Kaffee, wieder Angriff auf Berlin, es regnete, zu Hause mit Duschka und Jup über Ludendorff, nach dem Mittagessen [30]herumgelegen, schöner Kaffee mit Kuchen, mit Jup nach Affeln, herrlicher Abend. „Willst du umsonst gewesen sein, du selig-silberblauer Tag?“ [31]Abends schönes Essen, das Duschka gemacht hatte, mit Rotwein, sehr zufrieden, aber todmüde; etwas Skat gespielt mit dem Vater, Duschka hat [32]Unterhosen gekauft, deutliches Gefühl, daß die Situation eines Flüchtlings nicht haltbar ist, früh zu Bett.
[33]Sonntag, 5/9 43. Nachts Traum von Torzsay-Biber, Hölderlin, dann Reise mit Leuten vom Auswärtigen Amt, Möbel und [34]Akten werden verschickt. Müde, schönes Frühstück; herrlicher Spaziergang in der Sonne mit Jup, nachher Kersmecke, auf dem Rückweg [35]Streit über das Haus, Jup will sein Recht, wirft mir vor, daß ich als Jurist versagt hätte, weil ich das anders hätte einrichten müssen,