[1]wieder einmal lächerlich gewesen. Im Abteil eine weinende Frau mit auffallender Ähnlichkeit an Frau Jünger, auch in der Sprache; trotzdem aß ich meine Brötchen [2]und mein Ei. (Mischung von Frau Hahm und Frau Jünger, die Verachtung q.d.p.). In Berlin meine Koffer geschleppt, schwitzend und traurig, [3]der Gepäckträger verlangte Zigaretten, die ich nicht hatte. In der U-Bahn bis Breitenbachplatz. Dann die Brentanostraße hinauf, die schweren Koffer geschleppt. Um 2 war ich da, [4]Corrie begrüßte mich sehr nett, ich kleidete mich um, Popitz kam um ½ 8, wir aßen zu Abend, nachher tranken wir Tiroler Landwein. [5]Wunderschön, aber Popitz war müde, ich auch. Niemand konnte helfen. Nun warte ich auf morgen. Hörte in Brandenburg, daß die Firma Opel 4-5 km [6]zum Bahnhof entfernt war. Um 11 kam Fliegeralarm, jetzt hast du es, Dummkopf. Alles wurde in den Luftschutzkeller gepackt, dort traf ich auch den [7]Oberbaurat Hodler, der bei Popitz wohnt. Im Luftschutzkeller tranken wir weiter unseren Rotwein und unterhielten uns, über die „Hohlheit“ der heutigen Baukunst. [8]Sehr nett. Popitz war rührend, alle wollen helfen, aber keiner kann es. Um ½ 2 war Entwarnung und wir gingen zu Bett.
[9]Donnerstag 16/9 43. Um 8 aufgestanden, obwohl ich nicht viel geschlafen hatte. Aber aktiv, wollte etwas tun und war verbissen. Trank mit Popitz Tee, er fährt [10]nach Neuruppin zu seinem Sohn. Ich meldete ein Ferngespräch nach Brandenburg an. Telefonierte mit den Henschel-Werken, Herr Ammers war sehr nett, wollte wieder [11]anrufen, rief auch nach einiger Zeit an, aber er kann leider nichts machen, ist sogar strafbar usw. Also das ist nichts. Depressionen, warum begibst du dich in solche Lage, [12]du wußtest es doch. Bei Goruneanu meldet sich niemand; auch nicht in der rumänischen Gesandtschaft, ebenso Winckelmann, Ungewitter. Das Gespräch mit Brandenburg kam [13]endlich, ein Herr Frey, wollte heute Nachmittag nochmals anrufen, also auch das nichts, dann ging ich zum Alten Krug, sah die guten Möbel, Bücher usw. und war [14]ziemlich gleichmütig; muß eine Erlaubnis haben, um an die Sachen heranzukommen. Ging dann Nahm mir den Diskriminierenden Kriegsbegriff mit, ging [15]zur Kaiserswerther Straße, sah das zerstörte Haus, holte den Nolde heraus, ging durchs zerstörte Zimmer und schleppte den Nolde und den verlorenen Sohn von [16]Bosch nach der Brentanostraße; das Haus von Werner Weber ist auch stark beschädigt, besonders das Eßzimmer. Der Schlag gilt mir; ich bin der verlorene Sohn, [17]das Bild von Bosch wird immer schöner und entzücklicher. Aß mit Corrie zu Mittag, schlief dann gut bis 5, trank Tee und ging mit dem Oberbaurat zum Alten Krug, [18]besahen die Sachen, ging zu meiner Wohnung, holte noch den Brief, den ich Duschka am 17/9 23 geschrieben habe (aus Westfalen, über Grabbe und Bojić), durch den [19]guten Oberbaurat wieder etwas getröstet und gestärkt. Nach dem Abendessen Moselwein getrunken, um 11 war wieder Alarm, im Luftschutzkeller, [20]um ½ 1 war es zu Ende. Corrie war entzückend, aber ein wenig überdreht, überbelichtet.
[21]Freitag 17/9 43. Morgens herumtelefoniert, der Oberbaurat ist zum Bezirksamt Zehlendorf gegangen und hat die Erlaubnis bekommen, meine Möbel [22]zu besichtigen. Damit war mir ein Gang abgenommen. Ich fuhr mit einem Koffer zur Huttenstraße und holte dort, 4 Treppen hoch, die gereinigten Kleider für Duschka [23]ab. Schleppte mich ab; rührend diese fleißigen Leute; die 56 Jahre werden eingezogen. 2 Franzosen, wie in Paris aufgemacht, in dem zerstörten Moabit. [24]Mit dem Autobus T zurück, um 1 wieder zu Hause und mit Corrie zu Mittag gegessen. Dann geschlafen, inzwischen ist Frau Hahm gekommen. Um ½ 5 zu ihr, sie war nett, [25]aber dann wird sie wieder zu laut und aktivistisch, herrlicher Kaffee, sie erzählte von Jelena als Diebin, aber es ist nichts geschehen, ging dann mit ihr zum Autobus; [26]fuhr nach dem Wilden Eber, in der Amselstraße, wo Weber-Schumburg mich abholte. Die Bücher liegen in dem Keller von Holler (ein herrliches Haus, aber auch [27]Höhle!). Im Keller, leider ist die Korrespondenz ganz sinnlos (er sagt, Frau Hahm hätte bereits alles eingepackt gehabt, als er kam). Die Sachen [28]von dem dummen Sobotta gerettet! Nichts von Jünger, nichts vom Nomos usw. Unterhielt mich mit Weber-Schumburg, der müde und traurig ist (Waffenstillstand mit Westländern), [29]Verhaftungen, zeigte den Brief von Jünger. Dann zurück, zu Abend gegessen, mit dem Baurat eingehend erörtert, wie der Transport stattfinden soll. [30]Er ist ganz rührend. Eingepackt, dann mit dem Gast von Popitz, Langbehn, humanistische Bildung, über Bilder unterhalten, der Flötenspieler heraufgeholt, den Nolde, große Diskussion [31]über Malerei, schöner Rotwein dazu. In herrlicher Stimmung zu Bett und wunderbar geschlafen. Den Alarm überhört, aber um ½ 3 trommelte [32]Popitz mich aus dem Bett und wir mußten wieder für eine Stunde in den Luftschutzkeller. Halb im Schlaf, Corrie lernte hic haec hoc. [33]Las Goethes Römische Elegien. Scheußlicher Priap..