Tagebücher März bis September 1943

Bei dem Tagebuch mit der Archivsignatur RW 265-19618 im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv, Abt. Rheinland, in Duisburg handelt es sich um ein gewöhnliches dunkelblaues Notizbuch im Format DIN A-6 mit durchgängig karierten Seiten ohne Paginierung. Das Buch hat heute noch 108 sowie vier eingelegte lose Blätter. Wie für Carl Schmitt typisch, sind im vorderen und hinteren Umschlag wichtige Ereignisse noch einmal notiert, darunter in diesem Fall der Tod der Mutter am 27. März 1943, der im vorderen Umschlag zu finden ist. Die Eintragungen beginnen mit dem Datum des 9. März 1943 unmittelbar auf der ersten karierten Seite. Ein Titel wie „Tagebuch“, „Notizen“ oder „Diarium“ fehlt. Das Büchlein hat – anders als die Taschenkalender – keine vorgedruckte Tageseinteilung. Schmitt beginnt seinen jeweiligen Tageseintrag zwischen dem 9. und dem 18. März 1943 meist unter einem kurzen waagrechten Strich, der die Notate von zwei Tagen voneinander abgrenzt. Ab dem 19. März 1943 unterstreicht Schmitt meistens das Datum und teilt auf diese Weise die Seiten ein. Gelegentlich findet sich beides: ein waagrechter Strich ober- sowie ein waagrechter Strich unterhalb des Tagesdatums, doch ist die Variante des unterstrichenen Datums vorherrschend.

Die Seiten sind vor allem im vorderen Teil sehr eng beschrieben, der Platz auf der Seite wurde oftmals vollständig ausgenutzt. Vorherrschend ist schwarze Tinte, aber auch blaue Tinte und vor allem Bleistift sind häufig anzutreffen. Die wenigen An- und Unterstreichungen mit hellrotem Buntstift sind vermutlich erst bei späteren Lektüren hinzugefügt worden. Für die Lesbarkeit besonders heikel sind die Stellen, wo Schmitt mit Tinte Stellen überschreibt, für die er ursprünglich Bleistift verwendet hat. Die vorgedruckten Zeilen werden als Anhaltspunkt betrachtet, manche Zeilen sind aber noch enger, das ganze Schriftbild wirkt sehr gedrängt.

Schmitt verfasste grundsätzlich jeden Tag einen Eintrag in seinem Tagebuch. Es finden sich aber einige Lücken in diesem Buch. Daraus ergibt sich folgende Abfolge:

  • zwischen dem 9. März 1943 bis zum 28. Mai 1943: fortlaufende Eintragungen
  • vom 1. Juni bis zum 10. Juni 1943: sehr kurze, höchtens zweizeilige Notate
  • zwischen dem 11. Juni und dem 9. Dezember 1943: fortlaufende Eintragungen
  • zum Datumsvermerk des 9. Dezember 1943 fügte Schmitt das Datum 10. Dezember 1943 hinzu
  • es folgen Eintragungen am 11. und 13. Dezember 1943.
  • vom 22. Dezember 1943 bis zum 8. Januar 1944: fortlaufende Eintragungen
  • vom 8. Januar bis zum 20. Januar 1944 vermerkt Schmitt nur: „vgl. Kal.“, d.h. er verweist auf den parallel geführten Taschenkalender
  • es folgen Eintragungen vom 21. und 22. Januar 1944. Nach diesen Eintragungen bleibt der Rest des Blattes leer und es findet sich nur eine Notiz zum 7. Januar 1944
  • es folgt eine leere linke Seite, auf diese eine rechte Seite mit Notizen, die mit 20. April 1949 und 21. November ohne Jahresangabe datiert sind
  • nach einer weiteren leeren linken Seite sind jeweils auf der rechten Seite sechs Blätter mit Tagebuchnotaten eingeklebt. Hier finden sich Aufzeichnungen vom 8. Januar bis zum 20. Januar 1944, d. h. es handelt sich um genau jene Passage, bei der Schmitt vorher noch auf seine Taschenkalender verwiesen hatte. Die gegenüberliegenden linken Seiten bleiben frei, gelegentlich finden sich Notizen
  • ein loses Blatt mit Notizen zum 20. und 21. Dezember 1943 liegt vor dem eingeklebten Blatt mit den Eintragungen zum 17. und 18. Januar 1944
  • es bleiben einige Seiten leer, wobei mehrere Blätter herausgerissen worden sind, wohl um die Blätter für andere Zwecke zu verwenden. Die Reste lassen darauf schließen, dass diese Blätter nicht mit Tagebuchnotaten gefüllt waren, ehe sie herausgerissen wurden
  • es folgen 34 beschriebene Blätter, bei denen sich undatierte Notizen und Exzerpte mit datierten Tagebucheintragungen abwechseln. Vorhanden sind Notate zum 3./4. Januar 1944, 29. Dezember 1943, 31. Dezember 1943, 18. und 29. Dezember 1943, 25. November 1943, 22. November 1943, 29. Oktober 1943, 19. und 22. Oktober 1943, 17. Oktober 1943, 31. Oktober 1943, 4. Oktober 1943, 30. September 1943, 4. Oktober 1943, 17. September 1943, 14. November 1943, 8. und 7. September 1943, 28. August 1943, 8. August 1943 und 13. Juli 1943
  • zwischen diesen 34 Blättern liegen drei lose Blätter mit Tagebucheintragungen vom 13. bis zum 20. Dezember 1943, wobei diese losen Blätter nur einseitig beschrieben sind.

Es ist deswegen nicht ganz eindeutig zu bestimmen, welches der letzte Tagebucheintrag in diesem Büchlein ist. Dieser Handschriftenbefund stellt die Editoren vor besondere Herausforderungen, da die Notate gegen Ende unzusammenhängend werden und damit die Zuordnung massiv erschwert. Zur besseren Orientierung sei deswegen auf die Digitalisate verwiesen, anhand derer man sich einen Eindruck vom Original machen kann.

Die Eintragungen in diesem Buch sind überwiegend in Schmitts Gabelsberger Stenographie verfasst, durchsetzt von ausgeschriebenen Namen und Zahlen. Durch die gedrängte Schrift und vor allem bei den Überschreibungen von Bleistift mit Tinte erweist sich die Entzifferung als außerordentlich komplex und zeitaufwendig.

[1]Nordrh.-Westf. Hauptstaatsarchiv
[2]RW 0265
[3]Nr. 19618
linke Seite

[1]Ahlmann [2]26/4/43

[3]Josef Wagner [4]28/4/43 (Spazieren im Grunewald[)]

[5]Grewe 4/1 44

[6]Hinten [7]Brief an Reifenberg [8]21/7 43 [9]über den Leviathan

[10]Smend 17/7 43 [11]Wieacker 18/7 43 [12]Baeumler 19/7 43 [13]Besuch Ahlmann, Freyer [14]18/7/43

[15]Samstag 17/4/43 [16]Besuch Zehrer [17]Lektüre Walter [18]Benjamin [19]Deutsches Trauersp

[20]26/4/43 Popitz [21]8/12/43 Popitz [22]13/12 43

[23]Und herrlicher Brief [24]/07/43

rechte Seite

[1]9/3: 1943 [2]20/1: 1944

[3]Dienstag 24/8/43 [4]Morgens 1.20 [5]großer Sprengbombenangriff in [6]Dahlem

[7]12/1/44 [8]Geburtstag Göring, [9]Popitz traurig.

[10]Hochzeit Kličković [11]20/06/43

[12]Tod der Mutter [13]27/3/43

linke Seite
rechte Seite

[1]. [2]„Vous êtes démodés“ (sagte Cocteau zu Valentiner; ich wollte eine [3]Frau zwingen, hohe Brüste zu tragen usw.), Rülpser des 19. Jahrhunderts (Spaziergang mit Valentiner). [4]Begegnung mit Oetinger, Selbstbiographie, er hat einen Schüler singulariter [5]delectus; das ist für mich Barbul, radikal nur seine snobistische geschmackvolle Einrichtung, [6]seine Freude an der grape fruit.

[7]Die Sammlung vor dem Schlafengehen, Platon wußte das; einige Stunden solcher Sammlung in der Einsamkeit, weil meine [8]Frau und meine Tochter weg sind. Gefühl der Auserwähltheit ohne Gefühl der Sicherheit, wunderbar. Das gibt einem gewaltige Stiche ins Herz. [9]Will einmal diesen Hopper nachsehen.

[10]Sicherheit ist doch nur die zweifelhafte Vorteil Annehmlichkeit des Nicht-Sehen-Brauchens, Nicht-aufmerksam-zu-sein-Brauchens; [11]Nicht-gespannt-zu-sein-Brauchens.

[12]Stimson (in seiner Rede vom 9/6 1941 zu den Kadetten von West Point): [13]„Unsere Welt ist zu klein für zwei entgegengesetzte Systeme.“ [14]Ich: Unsere Welt ist groß genug für 5 Großräume.

[15]. [16]Morgens wurde mir die Situation plötzlich klar, der arme Benito Cereno mußte sich doch sagen (wenn er überlegt, was [17]besser ist, von einer Fliegerbombe getroffen zu werden): ‚Besser durch sie sterben als für sie.‘ [18]Großes Warten, dessen Erfüllung ich nicht fähig bin. Vielleicht reife ich davon? Bereits Taciteische Zuspitzungen.

[19]Abends 7 Uhr, bei einer Flasche Ungarwein, merkwürdig wie dieser Mensch sich jetzt äußert, dabei sieht er physiognomisch seinem [20]entthronten Greifzahn doch immer noch sehr ähnlich; immer wieder Nietzsche, Übermensch, Gott sein wollen, [21]und die letzten noch vernichten, damit sich der Pöbel dieser Zeit als einer schönen Zeit erinnert, weil es später [22]natürlich noch viel schlimmer kommt, wie sonderbar, Verständnis dafür, daß es nur ein Schnittpunkt von Ausstrahlungen [23]ist, die lächerlichen Deutschnationalen, die Schuld der deutschen Intoleranz (hier dachte ich an Hugo Ball und [24]meine eigene Rolle), eine Ausschwitzung von Ludendorff, Kirdorf und anderen Geschwüren, ein Geschwür ist diese [25]Schwurgemeinschaft. [26]Nachgeschmack am anderen Tag Morgen: voyons; schimpft, weil er herausgeschmissen wurde; ist aus der Kirche ausgetreten. [27]Projiziert seine eigene Seele? Immer wieder Nietzsches Wille zur Macht, Vergötterung, erzählte ihm von Besitzaskese.

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[1]. In Erwartung der Rückkehr Duschkas und Animas aus Plettenberg. Die Iden des März. [2]Nachts Brief an Jünger entworfen: Fabelhafte oder fatum Situation: die S. Dominick im Maelstrom. Benito Cereno sagt sich: Besser durch sie sterben als für sie. Solche taciteische Zuspitzungen lassen Schulworte wie ‚existenziell‘ weit hinter sich. Denken Sie an ihren Gruß ihres Cereno. [3]Die Uhr schlägt 2; der Hunger schlägt zu.

[4]Schlug morgens auf: Hiob 24,14 (an H. unter dem Einfluß von Oetinger). [5]Vormittags: Sonderbarer, freudiger Schock durch den schönen Brief von Bruno Brehm zu Land und Meer; sah plötzlich wieder eine Wirkung und [6]Wirkungsmöglichkeiten, Illusion, aber vielleicht das erste Mal, seit meiner publizistischen Tätigkeit, daß ich eine ganz freie Wirkung erlebte; [7]alles bisherige eingezwängt im Fachlich-Beruflichen. Alter Knabe, fängst du dein Leben an? Rührende Illusionen, [8]Begleiterscheinungen des Endes. Schön der Satz: „Warum erzählt Schmitt das einem Mädchen und nicht uns Männern?“ [9]Nachmittags holte ich Duschka und Anima in Potsdam ab (17.24). Sie kamen pünktlich an, bei herrlichem Wetter, das mich an Plettenberg erinnerte. [10]Abends tranken wir spanischen Cognac und aßen rumänischen Käse. [11]Der Berliner, der auf den Käse paßte, woraufhin die Berliner Snobs diesen Käse besonders delikat fanden, [12]das ist das Symbol; was sie heute an Begriffen und Schlagworten fressen, ist noch viel schlimmer.

[13]. Ohrenziehen, Grillenzirpen im Ohr und im Gehirn; Sommerwiesengeräusche. [14]Morgens 5 Mos. 18.22(Der Prophet) (dachte an die Rede, die Jup immer bei sich führt, neulich in Plettenberg und daß keiner die ‚Historie‘ heute liest!) [15]Der General Marcks rief an, ich war zu befangen. Bereitete eine Tischrede für Werner Webers Abschiedsessen vor, über den Lehrstuhl als eine geschichtsfähige Einheit der Wirkungsstätte; [16]bei der Abschiedsfeier für Werner Weber hielt eine freudige Tischrede, wobei etwas zu subjektiv, [17]sprach mit Hettlage, der mir gut gefiel, und seiner Frau; Impulse aus Westfalen, ich sprach über die Kontinuität des Lehrstuhls, [18]mein singulariter dilectus kam nicht zum Zuge. Ist wohl auch falsch gewesen. Traurig, alt und [19]einsam nach Hause, früh zu Bett.

[20]. Herrlich: 4 Mo 11.12. Marcks erzählte, er habe, als Charkow gefallen ist, Buch 34 die Hölle von Dante aufgeschlagen: vexilla [21]regis prodeunt inferni! Fabelhaft; schönes Gespräch über den κατέχων; die gute Frau; [22]wunderbar die Frau: ‚Wilhelm I. war der κατέχων, Bismarck der Böse!‘ Das sagt die Schnur des Bismarck-Historikers! Schuld. [23]Die Wiedertäufer in Münster, die Mystik; Anima brachte ihm noch Land und Meer. [24]Nachmittags Goruneanu, der den Römischen Katholizismus großartig fand, von Mihai Atonescus Bedeutung, daß in 2 Jahren niemand [25]mehr von ihm sprechen wird, ein ‚irrelevanter‘ Mensch; ich liebe ihn sehr; er und Barbul sind wohl eher die singu[26]lariter dilecti. Spaziergang durch den Park zum Grunewald, darüber daß man sich nicht bestechen lassen darf, nicht billig verkaufen, daß der Wille zur Macht [27]Wille zum Soldaten- und Königtum im Termitenstaat ist und weiter nichts; abends Frau Hahm weinend, weil ihr Mann stirbt; begleitete sie nach Hause.

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[1]. [2]Brief von Jünger: Daß die Abnahme der Nervenkraft mit der Steigerung der Vernichtungsmittel in einem direkten Verhältnis steht; [3]einfacher: das Vakuum, das die Voraussetzung solcher Vernichtungen ist und innerhalb dessen dieser Verbrennungsprozeß [4]allein möglich ist, nimmt immer noch zu. Liest täglich mehrere Male Leon Bloy.

[5]Brief an Bruno Brehm: Sehr verehrter Herr Bruno Brehm! Die Frage „Warum schreibt Schmitt das für ein Mädchen und nicht für uns Männer“ sticht [6]mich gewaltig ins Herz. Das ist aber kein Thema für eine schriftliche Darlegung, am wenigsten bei mir, da mir (je länger, je mehr) [7]der Weg vom gedachten Wort zum geschriebenen Buchstaben immer länger und abwegiger wird. Daher habe ich den lebhaftesten Umso lebhafter ist mein Wunsch, Ihnen im [8]Gespräch zu antworten. Vor 12 Jahren sind Sie mir durch Ihren Roman Apis und Este begegnet, zu dessen eifrigen Verbreitern ich mich zählen [9]darf. Gerade in den letzten Tagen hatte sich jene Begegnung aufs Stärkste erneuert, infolge durch die Lektüre der Akten des Saloniki[10]prozesses, die Prof. Uebersberger 1933 veröffentlicht hat; er hat vor kurzem auch den authentischen Text Wortlaut der Schlußrede des [11]Obersten Dimitrivić entdeckt). So traf Ihr Brief vom 11. März nicht eigentlich auf einen Unbekannten Fremden. Aber ich kann trotzdem nur [12]damit antworten, daß ich den Wunsch ausspreche, Sie persönlich zu sehen. Je weniger heute – scheinbar – das Menschenleben gilt, umsomehr [13]gilt mir eine Bekanntschaft unter contemporanen Erdgenossen, wenn das leibliche Auge, die retina, das Bild eines [14]Menschen und das Schneckengewinde im Ohr seine Stimme aufgenommen hat, und je mehr phantastischer sich die technischen Kommunikationsmittel steigern und, wie man behauptet, [15]Raum und Zeit überwinden, umso mehr halte ich mich an das hic et nunc einer ganz primitiven räumlichen Präsenz von Mensch zu Mensch. [16]Ich weiß auch nicht recht, wie ich Ihrem Wunsch, Bücher von mir zu nennen, entsprechen soll. Verzeihen Sie, daß mir da etwas schaudert vor [17]meinem eigenen opus operatum. Soll ich Ihnen, Bruno Brehm, in juristisch-fachlichen Verpanzerungen entgegentreten, [18]die anderswo sehr zweckmäßig sein mögen? Nein, ich hoffe auch in dieser Hinsicht auf eine freundliche Fügung, die uns bald zu einem guten [19]Gespräch zusammenführt. [20]Die Empfehlungen an Anima habe ich bestellt; sie war darüber sehr stolz und hat sich ganz außerordentlich gefreut. Ich erwidere ihre Grüße in herzlicher Dankbarkeit bestens [21]ihren Brief und bitte Sie, mich aufzusuchen, wenn Sie einmal nach Berlin kommen, ebenso wie ich mich bei Ihnen [in] Wien melden werde. Ich bin stets [22]mit herzlichem Dank für Ihren Brief stets Ihr aufrichtig ergebener Carl Schmitt. Widmungen der Positionen: an Barbul: [23]In nova fert.[24]an Mihai Antonescu: vitori, [25]beide nahm Goruneanu mit. c. furore.

[26]. Sirach spricht: „Überfülle dich nicht mit leckerem Essen usw.“ [27]Gehirntraum; morgens Nachricht vom Tode Hahms. [28]In 10 vollen Jahren kein Wechsel der leitenden Männer, keine Ministerveränderung; welche Unfehlbarkeit in der Auswahl der führenden Schicht, [29]welche stupide Dreistigkeit nicht nur gegenüber den Unterworfenen, sondern gegenüber der übrigen, noch nicht unterworfenen Welt; les [30]bureaux s'en vont, les ministres restent; [31]Lasch wird totgeschossen, Frank bleibt; und wenn sie nicht gestorben sind, sind sie heute noch Minister. (‚Die Apostel, die hängen zusammen‘, >sagt Ahlmann.) [32]Gespräch mit Brinkmann über Bruns und Höhn, Terrorismus; der Zusammenhang von Terror und Rhetorik (oder ist der nur der bürgerliche Terror?[)]

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[1]Las die Rede des Generalpostmeisters Heinrich Stephan über Weltpost und Luftschifffahrt aus dem Jahr 1874. Dieser [2]Mann gilt nun als besonders gebildet: Technischer Maschineneifer, historische Akademiearbeit und autodidaktisch bei geschichtlichen Kenntnissen, banaler humanitärer Fortschrittsglaube, Tüchtigkeit und Solidarität als ererbte Qualität, ein trauriges Bild; ich dachte [3]an meinen armen Vater, der als braver und frommer kirchengläubiger Mann, vor dieser ekeligen Auflösung bewahrt blieb. [4]In dem Vortrag ist nur von technischen Dingen die Rede. Der Schluß lautet: „Jenes Gefühl, von welchem die Dichter singen: ‚Doch ist es Jedem eingeboren, [5]daß er hinauf und immer vorwärts dringt, wenn über uns im blauen Raum verloren, ihr schmetternd Lied die Lerche singt!‘ Wird nicht immer unerfülltes [6]Sehnen der Menschheit bleiben. Unsere Kinder werden seine schöne Verwirklichung erleben (jawohl, wir erleben die schöne Verwirklichung [7]des Flugwesens, heute in Berlin, März 1943) und der Früchte derselben sich zur Vervollkommnung [8]ihres Daseins erfreuen.“ (Nun erinnere Dich noch der ‚Vervollkommnungstheorie‘ des guten Fritz van Calker!!). [9]Habt Salz in euch zum Frieden, sagt Oetinger [10]oder ihr werdet mit einem anderen Feuer gesalzen werden; sic [11]„Sacer intra nos spiritus sedet, malorum [12]bonorumque observator et custos; hic [13]prout a nobis tractatus est, ita nos ipse [14]tractat,“ Sen. Ep. 41. (Und umgekehrt: Das ist meine Rolle auf diesem Piratenschiff) [15]Leges non sunt scitum populorum, [16]sed aeternum quoddam, quod universum mundum regeret sapientia imperandi et prohibendi, Cic, de leg. c. 2. [17]Oetinger (in seiner Selbstbiographie): „Es ist nöthig, die Triebfedern des Geistes der Finsternis, wie für [18]jedes Seculum, so auch insonderheit für diese Zeit, da der Drache reden wird, wie das Lamm, zu erkennen.“ (Die Iden des März glücklich vorbei?) Sah, daß das Alte Testament diesseitig stärker ist als das Neue.

[19]. [20]1 Chr. 17.22. [21]Eifer: Oetingers, Das Geheimnis vom Salz, Stuttgart 1770, kennenzulernen. Schrieb an Jünger, [22]und teilte ihm das mit; zugleich mit Oetingers Satz vom Salz zum Frieden und der Notiz aus der Nacht vom 11/12 3/43 (besser durch sie als für sie! Benito Cereno) [23]tempestatibus maturesco ist besonders passend, weil es Pflanze und Luft im Auge hat; ich würde für mich diese Gedanken [24]mit dem Vers: „Reif sind in Feuer gekocht“ usw. verbinden, oder gar mit des großen Oetingers Satz: „Habt Salz in euch zum Frieden, oder ihr werdet mit einem anderen Feuer gesalzen werden.“ [25]Fragte ihn nach Bruno Brehm. Ob Oetinger wohl vom Salz der Erde (zum Unterschied von Meer oder Feuer[)] spricht?

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[1]Nys weist in seiner Einleitung zu Vitoria darauf hin, daß Vitoria gesagt habe: Der Satz quidquid delirant reges, [2]gilt für heidnische Völker, nicht aber für Christen. Sehr schön und wichtig: Bei christlichen Völkern müssen die Regierenden selber für das einstehen, was sie getan haben. [3]Denke an meine Rede, von der Jup sprach, kann man gar nicht übersetzen, keine andere Sprache hat so viele Ansatzmöglichkeiten für Schmutz und Dreck. Wo keine andere Sprache ist, ist solche Veränderung und boshafter Fluch.

[4]Zimmermann war abends da (mit Valentiner und Hans Kuhn), grauhaarig-dackelhaft, freundlich, etwas süßlich, herb-säuerlich-schwedisch-fürchterlich, kam mir zu nahe entgegen, [5]war wieder zu wenig abweisend, halb und halb einverstanden, merkwürdige Verbindung, erzählte mir, daß Giselher Wirsing Land und Meer [6]voller Bewunderung gelesen hat; macht mich dadurch weich. Dabei sind wir situationsmäßig verbunden und die Dinge kommen wieder an uns heran, wie vor [7]12 Jahren. Nimm dich in Acht. Hans Kuhn war sehr lieb, sprach sehr vernünftig, rühmte die Begabung Animas, die verlegen darin Farben nuanciert, was sonst [8]kein Kind kann. Die schöne Bemerkung von Giono: „Wenn einmal die Wildschweine aus den Schächten der Untergrundbahn hervorbrechen werden.“ Zeitung meint, ich muß die Geschichte des 19. Jahrhunderts schreiben. [9] 10-jähriger Personalbestand. Wie will man sich das erklären? Es ist ein Göring und keine Regierung. [10]Fing Abends im Bett an, Précepteur von Thomas zu lesen, erst sehr angetan, dann wurde es klein und langweilig, aber neugierig auf seine Frau (il est si doux).

[11] Sirach 14/14 14/12): Tue Gutes deinem Freund vor deinem Ende (denn der Tod säumet nicht und du hast keinen Bund mit dem Tod geschlossen).[12]Traum von Würzburg, Giselher Wirsing, im Untergrund die erotischen Erinnerungen an Lola. Das also bleibt vom Leben, dabei sind gerade die problematisch-zerrissenen [13]Beziehungen zu Frauen die süßesten und nachhaltigsten Süßen, unendlich nachklingend. Morgens kam ein Brief aus Würzburg, ich soll im Sommer dort den Vortrag halten, will es tun. [14]Die das Maß verloren, unsre Väter. Der Pietismus mit seiner Trennung von Innen und Außen; damit war das Maß verloren; darauf muß sich auch Hölderlins Vers beziehen? Damit der große [15]Bismarck schön getroffen. „Der Glaube ohne Werke führt zu Werken ohne Glauben.“

[16]Nachmittags 4 bei der Leiche Hahms; er sieht völlig abwesend aus, friedlich insofern er mit uns nichts mehr zu tun hat, hat sich in Sicherheit gebracht vor uns, der [17]alte Fuchs und Taugenichts.

[18]Las den Precepteur von Thomas; erinnert mich zu sehr an die schreibenden Produkte der collèges, aber ein echter Ansatz: Die Typizität der existenziellen Wirklichkeit, immer die gleiche Situation, keine Annäherung, sondern nur verschiedene Kreise um das Zentrum; das [19]Zentrum aber ist die typische Situation: Hier: Der von einem anständigen Menschen auf dem Rücken davongetragene, furchterregende Schwächling.

[20]Röhrig rief nachmittags an und kungelte gegen Ritterbusch, Brinckmann; seine große Idee, daß das mittelalterliche Reich keine ‚Weltherrschaft‘ war, gegen die Geistesgeschichte usw. [21]Thomas bestärkte mich in meinem Vertrauen darauf, daß man nichts wollen soll.

[22]. Wieder Sirach: 21,6 (Wenn der Elende ruft, so höret's Gott, und die Rache wird eilend kommen).[23](Dasselbe in der Hand, ganz aus der Übung: Immer die Mitte; der Bibelaufschläger bekommt allmählig die Einteilung in die Hand und kann dadurch die Auswahl beeinflussen!) [24]Mittags holte mich Gremmels in der Universität ab, mit seiner Frau, wir aßen bei mir zu Mittag und brachten um 4 die Frau zum Bahnhof Lichterfelde, [25]abends kam noch Frau Tula Huber, wir tranken meinen letzten Cognac, und aßen schön zu Abend. Immer wieder meine typische [26]Situation, sich Freunde schaffen zu wollen mit dem ungerechten Reichtum, aber das nützt nichts bei einer so kalten Streberin wie Frau Huber [27]nicht viel, erzählte Gremmels vom κατέχων; er schien viel Verständnis dafür zu haben, hatte das Gefühl der geistigen Zeugung. [28]Wiederbegegnung mit einem Buch von Benn, aus dem Jahr 1932, mit Hugo Ball; [29]Schluß von den Folgen der Reformation: Er wird 'originell'; er verfällt der Erbsünde des Protestantismus. Und er gerät in immer engere Sympathieallianz [30]mit dem preußisch-protestantischen Pflicht- und Soldatengeist. Statt die mittelalterliche Weisheit zu exaltieren wie Schopenhauer es tat, hält er ihre Ideen für erschöpft [31]usw. (Über Nietzsche: „Bei vollem Bewußtsein und im Gefühle seiner Verantwortung untergräbt er Schritt für Schritt, und immer prinzipieller seine [32]eigene Basis, gegen sein Empfinden, gegen seine Nerven, ja gegen seine Einsicht, und je mehr er sich isoliert, desto lauter [33]nennt er diese Isolation seinen neuen Heroismus.“ usw.[)]

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[1], 5 Mos 16. Traum: Ernst Jünger ist mir fremd, das sagt mir ein junger Mann, der aber selber Jünger ist, der jüngere Jünger. Brief von Admiral Lützow, der einen Aufsatz über See haben will, unter Berufung auf Land und Meer. Freute mich einen Augenblick, aber die Distanzierung ist schon da. [2]Besuch von Gremmels, Spaziergang mit ihm, riet ihm eine Habilitationsschrift über J. A. und J. V. zu machen.. Nachmittags kam auch Valentiner; ich war tief gerührt davon, daß Pierre Linn [3]mir ein großes französisches Buch über die geschickt hatte und bat Valentiner, ihm Petersons Märtyrer mitzunehmen und ihm zu danken. Wir begleiteten Gremmels zum Bahnhof Lichterfelde West [4]und machten noch einen schönen Spaziergang zu Valentiners Wohnung; Gespräch über die typischen Situationen des Lebens, die sich wiederholen; er erzählte davon, wie er bei der Aufführung [5]des Hitlerjugendfilms Quex austreten mußte. Abends müde früh zu Bett. Zwischendurch Ball gelesen, erdrückt, wie klein ist er und wie viel Richtiges trifft er. Davor muß ich [6]mich hüten. [7]Lévy-Bruhl: Die rationalistische positivistische Methode gibt keinen Ersatz kein Äquivalent für das, was sie eliminiert. Lass dich nicht betrügen von diesen episierenden und [8]philosophierenden Physikern, wie Max Planck, Heisenberg und Weizsäcker! Sie führen nicht aus diesem Gefängnis heraus. So wenig wie die Romantik [9]aus dem der Renaissance und der Klassik, aber sie spiegeln dir einige Befreiungen vor. Heute Mittag Beerdigung Hahms auf dem Waldfriedhof, während ich mit Gremmels [10]spazieren ging.

[11]. War nicht imstande aufzuschlagen; versagte sich mir. Man lernt ein Buch zu schnell manipulieren. Damit wird die unsichtbare Hand, die uns führen muß, verdrängt und vergrämt. [12]Winckelmann (an Usteri 15.1.1763): „Es schauert mich die Haut vom Wirbel bis zur Zehe, wenn ich an den preußischen Despotismus [13]und den Schinder der Völker denke (Schinder der Völker!), welcher das von Natur selbst vermaledeite und mit lybischem Sand bedeckte Land zum Abscheu der Menschen [14]machen und mit ewigem Fluche beladen wird.“ Also: Wer brachte den Fluch?! Hier haben wir einen Fluch des Bruders von Hölderlin! [15]Entdeckte in Balls Folgen der Reformation die Stelle über die Vernichtung der Bildkraft, als Folge der Reformation. [16]Ferner seine Äußerung über Bruno Bauer. Er hat ihn also bemerkt, weiß aber nichts von seiner weiteren Entwicklung; immerhin stellt er ihn mit Marx gleich, und wittert hier etwas [17]Wichtiges. [18]„Lasst euch das Herz nicht entsinken“, schrieb Thomas Münzer; „es ist das gerechte Urteil Gottes, daß die Tyrannen so jämmerlich verstockt sind; denn Gott will sie [19]mit der Wurzel ausreißen.“ [20]Jetzt aber sagen sie Europa, und nisten sich in diese Ruinen ein, wie es sich für niedrige Dämonen gehört; Kadaververwertung und Ruinen-Raumverwertung. [21]Die Keim-feindschaft (aus der Vermischung feindlicher Rassenräume gehen die Genies hervor, finde ich bei Benn (1931)[)]. [22]Alle Kreter lügen; wie kommt einer dazu, das zu sagen; nun, das erfahren wir Deutschen ja jetzt selber. Denke ich an einen Eugen Fischer und andere brave Männer, so habe ich [23]keine Lust, ihnen etwas zu glauben, das sind nicht individual-psychologische Angelegenheiten. Lügen ist ein Rassenproblem, sehr gut; der Genotyp lügt, das ist [24]schlimmer als aller reizender Schwindel des Phänotyp. (Die Unterscheidung von Johannsen, dem großen dänischen Erbforscher); [25]Es gibt nur den Einsamen und seine Bilder, seit kein Manitu mehr zum Clan erlöst. (Benn); die [26]mystische Partizipation (saughaft und getränkehaft genommen) Lévy-Bruhl: Das logische (?) Denken liefert kein Äquivalent [27]für die Elemente, die es eliminiert! Es kann daher niemals der Erbe der prä-logischen Denkweise sein; verglichen [28]mit der Participation, die das prälogische Denken realisiert, ist dieser Besitz immer nur unvollkommen, unzureichend und [29]äußerlich!! Die Seele trachtet nach Tieferem als nach logischer Erkenntnis usw. Dieser großartige Jude! [30]Wer träumt den Traum? (fragt Benn) Das Ich ist nur eine späte und flüchtige Stimmung der Natur; [31]Innen und Außen sind spät geschieden und für gewisse selten kontrollierte Schichten nicht einmal exakt; T [32]T Dieses Termiten mit Raum-Neurose (Benn). [33]Schrieb vormittags an Verdross zu seinem Aufsatz über Heraklits Rechtslehre, νόμος ist Landnahme, ist der Bauer, der König und Ernährung; Krieg ist [34]πόλεμος und nicht άγων. Wie sinnlos, solche Briefe, aber es trieb mich etwas dazu, nicht der Geist, sondern die falsche Anarchie des [35]Gutausgeschlafen- und Gutgefrühstückthabens. Denke an den Ausspruch Goethes von seiner italienischen Reise: Er habe Diät [36]gelebt, damit nicht er die Dinge steigert, sondern daß Dinge ihn steigern können! [37]Dachte an den mickrigen Hegel, als ich bei Ball las: „Sie graben unterirdische Schächte und Gänge nach allen Seiten; aber sie nützen sie nur für die Ausflucht, [38]wenn sie den geraden, den aufrechten, den menschlich logischen Weg gehen sollten; nur wenn es, selbst um den Preis der Zerstörung, ihre Freiheit betrifft. Ich spreche von der [39]Versklavung selbst (von der Musik, dem Glanze unserer Versklavung), von jenem abgeblendeten, verkrochenen, unheimlichen Wesen, das unter der albernen Oberfläche eines

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[1]konzilianten, bieder schmunzelnden Optimismus die böswillige Rache derer übt, die, lange verderbt, ihr aufrechtes Manntum eingebüßt haben.“ [2]Nachmittags zum Tee bei Brinkmann, Frau Jessen und Popitz waren da, beiden war ich fremd. Traurig auf mich zurückgezogen, der liebe gute Carl Brinkmann mit seiner großen Belesenheit [3]und seinem unendlichen Wissen. Ich sprach über das Postministerium. Popitz war feindlich gegen mich, worunter ich sehr litt. Wohin gehöre ich denn, einsames Mückchen. [4]Brinkmann ging mit zum Nürnberger Platz, wir waren immer in Erwartung eines Fliegeralarms. Erzählten von der Elite, von den Gerüchten über die Milderung der Judenbehandlung. [5]Ich las den Aufsatz von Grewe über die Epochen des Völkerrechts. und lebte zuhause etwas auf, trank einen Cognac und war wieder beruhigt. Grauenhafter Zustand des Zurückgeschleudertwerdens. [6]Ganz armer Teufel, poltere, auch gegenüber Jünger, der sich einen Hof im Spreewald kauft. Arbeitsunfähig, früh zu Bett; zerschmettert.

[7]. 2 Makk 8,7. Das alles trieb er am meisten des Nachts (den Feind schaden). Schrieb an Jünger zum Geburtstag, den Psalm 42, über [8]den Précepteur von Thomas (Sehr gut hat mir die Wiederholung der typischen Situation gefallen: Der Schwächling, der den Terror auszuüben verstand, [9]wird ohnmächtig davon getragen; das ist eine symbolkräftige Auflösung der Angstsituation, freilich etwas zu prompt und leicht. Auch die sensuelle Gewichtslosigkeit des Buches stört mich [10]nicht; vielleicht steht er unter einem luftigen Zeichen (Waage?). Es wäre wunderbar, wenn die Franzosen als Moralisten das befreiende Wort für die heutige Situation fänden.) [11]Mein Vater erinnerte sich in der Tischrede, die er an seinem 90. Geburtstag hielt, daran, daß er als Kind einmal den Ausspruch gehört habe: „Die Märzfohlen halten sich am besten. [12]Das ist ein biologischer Trost in diesen harten Zeiten des Tieres.“ Um 11 Besuch von Gefreiter Moser aus Brüssel Grüße von Rehkopp. [13]Es gibt ein heiliges Land, terra sancta, aber kein heiliges Meer. Das Meer ist weder heilig noch gerecht. [14]Ahlmann zu Mittag: Die Engländer segeln hoch im Wind. Die U-Boote gehören nicht dem Meer an, sondern sind eine Rache des Landes an die See. [15]Der englische Kapitän will im Ruhestand das Meer nicht mehr sehen, er pflegt seinen Rasen und kauft sich mitten im Land ein, (ich soll Grewe einmal zitieren). Er meint, Benito Cereno würde Ostern abschrecken. [16]Nachmittags der Geburtstag des Patenkindes von Duschka, Axel Weber. Schreckliches Kollegengespräch mit Weber über Berber (den Grewe für einen durch und durch [17]korrupten Menschen ernennt nennt) über den schleimigen Huber, den giftigen Heckel, die gute Leipziger Fakultät. [18]Abends erzählte Duschka von dem Brief der serbischen Bäuerin, fremde Vögel sind gekommen und haben unsere Hühner vertrieben, die Schnecken sind davongekrochen usw. Tief gerührt von [19]dieser slawischen Seele, der ich ganz anheimgegeben bin. Traurig und verzweifelt zu Bett.

[20]. Ap. 20,18 f. („werdet mein Antlitz nicht mehr sehen, alle die, bei welchen ich, sehr tröstlich.) Sah im Traum eine lateinische Vorrede von Hobbes, mit den Worten: etiam veritas, justitia [21](außerdem noch ein drittes, das ich vergessen habe) Warnung mit dem Sinn: Das alles wird hier zerstört. [22]Gerührt von der anständigen Art, mit der mir Professor Koehler für Land und Meer dankte; den guten Stil, die unheimliche Gelehrsamkeit und die unbefangene Diktion rühmte. [23]Abends zu Weber-Schumburg und Blötz, im Bristol schön gegessen, mit einem 39-er Niersteiner dann noch in seinem repaire, sehr guter Niersteiner 32er (Ölberg [24]und Rehbach) über Kaspar Hauser und Esperanto gesprochen, über die Lüge und den unfaßbaren Betrug der Zeit, rührende Gastfreundschaft, immer etwas in Angst vor einem Fliegeralarm, [25]um 11 mit der S-Bahn nach Hause und sehr müde von dem vielen, schweren Wein. Blötz sagte mit Recht: Diese braven Leute, die herumfahren und bestimmen, wer in den Zuchthäusern nicht mehr lebenswert [26]ist, wissen gar nicht was sie tun, daß sie das Prinzip der Justiz selbst verraten. Mir fiel ein: Wie muß doch die machtlose Überlegenheit des Richtertums steigen mit der technischen [27]Machtsteigerung der Nichts-als-Machthaber; der Machthaber als Rechthaber in einer Person; das muß ja auseinanderbrechen. Damals in der Völkerwanderung brach es nach [28]Kaiser und Papst auseinander; das ist das Geheimnis der römischen Kirche. Wäre ein schöner Buchtitel: Das Geheimnis der römischen Kirche: die auct.auctoritas [29]neben der potpotestas. Die Menschen kommen flehend gekrochen und bitten um das bißchen Recht, ohne das der Mensch nicht leben kann. Warum muß das der Priester geben, [30]der es sofort wieder zu neuem Recht benutzt? Wäre das nicht die große Rolle des Legisten? Des Rechtswahrers? Wenn er nicht unser Rechtsschöpfer sein müßte? [31]Der Frühling ist wieder da und es wird noch lange dauern. [32]Dachte an die Verantwortung der Leute des Jahres 32, von der Ahlmann sprach; sie trifft Ott mehr als Marcks. [33]Immer wieder Hugo Balls Bild von der Chloroform-Maske, wird der Nation übergeworfen, damit die Vergewaltigung widerstandslos vor sich geht. [34]Das wäre profond.

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[1]. Jes. 32,16: „Und das Recht wird in der Wüste wohnen, und Gerechtigkeit auf dem Acker hausen, und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Gerechtigkeit Nutz wird ewige Stille und Sicherheit [sein].[2]Vielleicht wird dann das Recht sogar auf dem Meere wohnen! [3]Von dem Wein heftige Kopfschmerzen, auf den Augen und oben im Scheitel, daher Angst, das Schicksal des armen Hahm zu erfahren. 2 Soldaten brachten Fett aus Serbien von der Schwester [4]Duschkas. Ich besorgte einige Kleinigkeiten und dachte darüber nach, daß ich schon 10 Jahre Professor in Berlin und Staatsrat bin; die 10 Jahre 23 – 33 waren viel schöner. Mit Kopfschmerzen zur Bibliothek, [5]Gottfried Benns Aufsätze geholt, Eifer sie Jup zu schicken, tat es aber nicht. Vorlesung gut, freute mich darüber. Benn gelesen, oft mit Bewunderung dann wieder mit Abneigung; [6]er saß doch tief im Schmutz. Rief nachmittags bei ihm an und fragte, ob ich ihm etwas an die im Telefonbuch genannte Adresse schicken kann, eine nette Frauenstimme antwortete. Schickte ihm [7]Land und Meer mit der Widmung ωρ αειζω. [8]Entdeckte bei ihm einen Satz über den Schmerz, der vor Jüngers Aufsatz ist; (der Schmerz als Entlarver[)]. [9]Das große Datum 23.7.1847, Helmholtz entwickelt in der Berliner Physikalischen Gesellschaft dasRobert Mayers Gesetz von [10]der Erhaltung der Energie, mechanisch begründetes, allgemeines Naturgesetz; damit beginnt die volle Begreiflichkeit der Welt als Mechanismus. [11]Das andere Datum 1859: Erscheinungsjahr von Darwins Theorie; der Mensch der hochgekämpfte dicke Affe. Aus diesen beiden Daten entstand [12]der Montage--Typ, jeder Vorstellung einer menschlichen Schicksalshaftigkeit zynisch entwachsen (Nach dem Nihilismus 1932). [13]1885/6 Nietzsches Wille zur Macht, dessen 1. Buch den Untertitel führte: Der europäische Nihilismus. Geburtsstunde des Wortes März 1862, als Turgenjews [14]Väter und Söhne erschien. Weiter können auch russische Geschichtsforscher diesen Begriff nicht verfolgen. (So?) [15]Nietzsche sieht den Übermenschen noch biologisch positiv; wir sehen ihn bionegativ; aus Werten, die die Rassen schädigen, entwickeln sich die [16]Genialität und Differenzierung des Geistes; der Geist ist dem Leben übergeordnet, der konstruktive Geist. Er sieht nicht, daß der Mensch im Ganzen, auch der animalische, biologisch ist. [17]1882 Dubois-Reymond in seiner Berliner Rektoratsrede Goethe und kein Ende: Shakespeare, Molière, Schiller blieben schaffensfreudig [18]bei der Stange. Goethes Arbeiten über Naturwissenschaft sind totgeborene Kinder eines Dilettanten usw. [19]1808 gegnet die moderne Naturwissenschaft: Begriff des Atoms bei Dalton. [20]Entzückend Goethe an Jacobi über Bacon: Dieser kommt mir vor wie ein Herkules, der einen großen Stall von dialektischem Mist gereinigt hat, um ihn mit [21]Erfahrungsmist zu füllen. [22]„Wer mit der Zeit mitläuft, wird von ihr überrannt; [23]aber wer stillsteht, auf den kommen die Dinge zu.“ (Benn)

[24]Las des Nachts den Aufsatz von Wittich über Kaspar Hauser (Hochland 30). [25]Die Besprechung, die Steinbömer von dem Buch Masurs über Stahl gemacht hat: der jüdische [26]Jüngling (Stahl!), nobel gekühlt, sic. Aber auch vieles sehr schön, [27]besonders das Zitat Stahls: „alles Wissen ist Geschichte und wird wieder Geschichte, wenn es Weisheit wird“.

[28]. Dan. 11, 37/8: „Die Götter seiner Väter wird er (der König) nicht achten, er wird weder Frauenliebe noch einiges Gottes achten, denn er wird sich wider alles aufwerfen. Aber an des Statt wird er den Gott der Festungen ehren.“ [29]Müde, Kopfschmerzen, ohne Kaffee; Brief von Jup, der sagte: Nicht Mars regiert die Stunde, sondern das Böse im Menschen, und das ist nicht Schicksal, sondern [30]menschliche Schuld, wenn es auch Feigheit ist. Erschrak vor dieser Kraft und [31]Sicherheit meines Bruders und schämte mich. Schwankte immer noch wegen Benn, schickte aber den Brief ab. Hielt mühsam meine Vorlesung Völkerrecht, nett mit Blötz, dem ich meine Strafprozeß-Denkschrift [32]gab, müde nach Hause und wie tot geschlafen. Abends Gespräch mit Brinkmann (über Emge, Hahm), Meerkatz (ich als preußischer Landadeliger, gegen den [33]Snobismus der spanischen Aristokraten wie Alba), Keiper (über Oetinger), Besuch von Fräulein Petrović und Klićković, nett über das Buch von Fried Soziale  [34]Revolution gesprochen. Todmüde zu Bett. Brief von Herbert Krüger, unangenehmer Eindruck eines Strebers und Schlaumeiers. Harold Nicolson, Sohn einer Irin.

[35]. Jo 9.25 („Eines weiß ich, daß ich blind war und bin nun sehend“). Hörte Nachts das angstvolle Krähen des Hahns, glaubte, daß[36]er sich gegen eine Ratte wehrt. Rattenkomplex: Gau, Kreis, Ort.Ratte. Unterschied zwischen Cicero und Tacitus: beide in einer gefährlichen Situation, [37]aber der erste machte noch schöne Perioden, das heißt es gibt noch eine Öffentlichkeit und , bei Tacitus dagegen schon geheime Signale und Zinken,Cassiber, die man sich im Geheimen schickt und zusteckt. Parallel: 1932 – 1942.

[38]Müde um ¼ 7 auf, zum Prüfungsamt Assessor-Examen, halb im Schlaf, neurotische Angst um Anima, Wutanfall wegen der Möglichkeit, zur Völkerrechts-Tagung (morgen und übermorgen) eingeladen [39]zu werden. Verehrung und Bewunderung für Benn? Bewunderung kann im Deutschen nur ironisch sein; ich kann mich verwundern, aber einen anderen be-wundern, ist doch komisch.

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[1]nihil scimus nisi quod memoria tenemus (Cicero). [2]Der feine Minister: Wollen die Herren noch etwas dazu sagen oder fühlen sie sich schon zu alt; Tretjatöpfe; Der arme , kein freier Mensch mehr möglich. [3]Progressive Zerebralisierung (statt Rationalisierung, occidentale Zerebration) von Benn. Vormittags Assessor-Examen, Kriegsexamen, unter Kreuzfeld, der nette Kirchhof. [4]Mittags fing Marie die Ratte; dank der Klugheit von Duschka, die sich die richtige Methode ausgedacht hatte. Sehe darin ein beruhigendes Symbol. [5]Traf mittags vor dem Justizministerium Schöpf und freute mich darüber. Nachmittag rief Gerhard Hess an, das freute mich ebenfalls, es kamen 25 Flaschen [6]Wein von Weber-Schumburg. Großartig. Fühlte mich behaglich und nur durch den Gedanken an die morgige Völkerrechts-Tagung gestört. Aber ich schlug auf [7]Jes. 15.8. den offenbarlichen Verderber, vastator meridie. [8]Abends sehr schön Schmoller, (über seinen Aufsatz Gleichgewicht der Großräume, die wirtschaftliche Selbstverwaltung als einziger Damm gegen eine bolschewistische Zentralisierung [9]der brave Hocker und der kluge Carl, über Inama Sternegg Tendenz zur Grossstaatenbildung) und Goruneanu; dieser war wieder entzückend, brachte Kaffee mit, [10]gab ihm Benito Cereno. Schöner Bordeaux und herrlich slowakischer Weißwein (Bösinger). Um ½ 11 gingen sie schon.

[11]. 5 Jes 23/24: („Wehe denen, die den Gottlosen gerecht sprechen und das Recht der Gerechten von ihnen wenden! Wie des Feuers Flamme Stroh verzehret, wird ihre Wurzel verfaulen.“)[12]Traum: In den frühen Morgenstunden: Die Juden veranstalten eine Luxusaufführung von Benito Cereno; ich sehe reich gekleidete jüdische Mädchen mit maliziösen Gesichtern, die [13]arrivierten Typen von Rechtsanwälten wie Oppenheimer, Salander usw. Großes Fest, Tante , manches wie der Film Jud Süß. Schließlich geht ein sinkender, bereits mit [14]Wasser überlaufender Salondampfer namens Heinrich Heine ab; eine dreiste Jüdin ruft: Sie sind die deutschen Pastorentöchter, Sie hassen uns und [15]tun uns Schweine ins Gesicht. (Im Traum Nachwirkungen des Anblicks eines sehr frechen Lümmels in der U-Bahn, der mir jüdisch vorkam; Angst auch weil [16]ich Goruneanu Benito Cereno gab) B.C = Benito Cereno. [17]Brief von Verdross, aus dem ich entnahm, daß die Völkerrechts-Tagung stattgefunden hat; Wut auf Edmé, derer ich mich aber schäme. Schönen Kaffee getrunken, den Goruneanu mitbrachte, aber [18]nicht mehr die alte viehische Freude daran. Brief an Schmoller über Inama Sternegg. Meiner Erbärmlichkeit bewußt. Überschattet von dem Zwang, heute oder morgen auf der Straße sammeln zu müssen. [19]Grauenhafte Depressionen, einsam, abgeschottet, aufgeschmissen, erledigt, fertig, zerschmettert. Mit Füßen getreten, usw. Erkannte aber den neurotischen [20]Charakter dieser Art Gefühle, allerdings auch ihren pädagogisch-biologischen Sinn (der Selbstanstachelung). Schrieb einige Briefe; die Frühjahrsmelancholien; [21]die Stare pfeiffen wie Galbeck, Benn.

[22]Fragte Wieacker (brieflich) nach der These von Georgescu factum = extra jus (civile) Doppelsinnigkeit dieses extra! als geschlossener [23]sakraler Raum; ferner der Name Rom ein uneigentlicher Name, der wahre Name ist aus sakral-herrischen Gründen unbenannt und unbekannt! [24]"Das Problem jus und factum interessiert mich besonders, weil es sich dabei um die Verhältnisse der Okkupation der agri [25]occupatorii handelt, an denen es ursprünglich kein Eigentum im Sinne des jus civile gab; die possessio [26]an ihnen war factum, weil es kein jus ist. Das ist eine auch völkerrechtlich sehr fruchtbare Erkenntnis, wie ich überhaupt immer [27]mehr dazu komme, die alte, naive These der Juristen des 16./17. Jahrhunderts antik zu verstehen: Das Völkerrecht = römische Rechte [28](und der wahrhafte Raum des römischen Rechts das Völkerrecht) ist. Extra Europam nullum jus gentium. So wie extra muros kein jus civile. [29]„O, wie bin ich vernichtet.“ Anruf des Habilitanden Hahn (von Ritterbusch und Höhn) einerseits zurückgesetzt, andererseits froh, überhaupt angesprochen zu werden. Gibt [30]es denn keine Erlösung? [31]Anima lachte sehr lustig über den Salondampfer Heinrich Heine.

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[1]. Jes. 42, 24/5: Sie wollten auf seinen Wegen nicht wandeln, und gehorchten seinem Gesetz nicht. Darum hat er über sie ausgeschüttet [2]den Grimm seines Zorns und eine Kriegsmacht; und hat sie umher angezündet, aber sie merkten's nicht. [3]Die alte Verzweiflung, dann wieder Behagen des Frühstücks. Brief von Ännchen, daß die Mutter schwer krank ist. Telefonierte mit dem Admiral Lützow, machte nur einige Notizen zum Nomos [4]und bekam wieder Freude an der Arbeit. Mit Siebert telefoniert, schickte ihm Land und Meer. Maiwald kam und brachte eine Arbeit, er will morgen nach Schlesien reisen, gefiel mir gut und sprach sehr nett. Ohrenzwitschern. Nach dem Essen geschlafen, [5]müde, um 5 eine Viertelstunde gesammelt, ging wie im Traum und wie nichts, dann am Schreibtisch gesessen, wie in der Kinderzeit, an die gute Mutter gedacht, die Lungenentzündung hat. Dachte [6]daran, daß sie vielleicht stirbt, und all die alte Liebe und Anhänglichkeit erwachten. Wie streng und richtig hat sie uns erzogen, wie hat sie gespart. Wie hat sie sich in mein Herz geprägt: [7]Noch heute denke ich mit aber meiner den stärksten Gefühlserinnerungen daran, daß ich in den ersten Jahren in Attendorn, im Konvikt, Heimweh hatte und mir auf meine Taschenuhr einen kleinen [8]Papierzettel anbrachte: Mon fils, tâchez-vous d'être toujours appliqué. Die große sehnsüchtige Traurigkeit des Konviktoristen erwachte. Ich sehe mich in meiner lächerlichen [9]billigen Kleidung, später in meiner bei Löwental gekauften landesüblichen Tracht einlaufen, der Spott der häßlichen und brutalen Kameraden, der dünkelhafte Praeses und alles das. [10]Abends riefen Brinkmann an (der morgen kommen will) und Kohlrausch wegen der Habilitation Hahn und der Dissertation von Schroer. + Tod der Mutter. [11]Abends etwas Vermut getrunken, um 10 - 4 Fliegeralarm, große Aufregung, Marie besonders ekelhaft, dauerte im Luftschutzkeller bis 12 Uhr; nicht so fürchterlich [12]wie am 1/3; immerhin große Störung und Herzbeschwerden. (Wer diesen Krieg auf dem Gewissen hat, der muß wirklich in der Hölle braten). Beherrscht, Seneca-Zitat begriffen, [13]„du hast nichts als dich selbst; du darfst nicht fürchten, was du nicht ändern kannst usw.“

[14]. Notierte mir morgens um 6: Sie schließen das Wesentliche aus und stellen einen leeren, immer wieder in sich selbst zurücklaufenden [15]Kreislauf her; sie geben kein Äquivalent für das, was sie ausschließen, dafür aber eine Beschleunigung der Umlaufsgeschwindigkeit. Das ist das [16]Gesetz von der Erhaltung der Energie, oder die ewige Wiederkehr des Gleichen, oder die Lückenlosigkeit eines durch zuständige Gerichte geschlossenen [17]positivistischen Gesetzessystems. Sie kennen kein non liquet, weder tatsächlich noch rechtlich, aber auf dem Hintergrund eines [18]ignorabimus. Welch Unanständigkeit gegenüber dem Recht und gegenüber den Tatsachen. Eventuell die Klage abweisen, das heißt, ein Unrecht [19]bestätigen oder ungesühnt lassen, und es dadurch zu sanktionieren. [20]Hörte die Signale der Feuerwehr und erinnerte mich des Verses von Jesaja vom vorigen Morgen. Warnung des Gottes Abrahams. [21]Schlug auf: Esr. 4,1-3: Die Kinder des Gefängnisses bauen den Tempel; als das Volk im Land mitbauen will, antworten sie: [22]„Wir wollen allein bauen.“ [23](So sprechen die zurückgekehrten Migranten zu den im Land Gebliebenen! Das ganze Buch Esra eine Geschichte der zurückgekehrten Migranten, einschließlich ihrer [24]Rassegesetzgebung! Überaus lehrreich und beispiellos in der übrigen Weltliteratur; großartiges Buch, das Alte Testament). [25]Hatte etwas Vogelbrennen; arbeitete an dem Aufsatz über den Nomos, frühstückte (mit mißglücktem Kaffee), da kam um ¼ 10 [26]die Post und das Telegramm vom 27/3: Mutter 18 Uhr gestorben; Vater. Also gestern, als ich von ihr erfüllt war und am Schreibtisch [27]saß. Ruhig und vertrauensvoll. Du liebe Mutter, ich war doch dein bevorzugter Sohn. Duschka weinte, wir beschlossen morgen zusammen zur [28]nach Plettenberg zu reisen. Um ½ 11 holte mich Carl Brinkmann zu einem Spaziergang ab, wir gingen zum Grab Hahms und der Frau Popitz; [29]unterwegs wunderschön unterhalten über die häßliche Absurdität von Nietzsches Übermensch, die Geschmacklosigkeit eines solchen Wortes, die Ironie, mit der es bei [30]Goethe gebraucht wird, politische Verbrechen, schließlich über Großraum, Autarkie, Anarchismus und Nihilismus, Großraum nihilistischer als die Welteinheit. Um 12 fuhr er mit der U-Bahn [31]zurück. Begleite Duschka zur U-Bahn, sie fuhr zu Frau . Dann mit Anima zu Mittag gegessen und allmählig immer trauriger, [32]wegen des Todes der Mutter. Die Steuererklärung schnell erledigt. Vorlesungen abgesagt; [33]Mittags schlecht geschlafen, nervös, arme Mutter; träumte von Ott: Ich gehe mit ihm spazieren, er wohnt bei mir, es kommt ein heftiges Gewitter, währenddessen [34]ich die Worte hörte: ‚repraesentatio humanitatis‘. Er wohnt bei mir und ich überlege, ob ihn das nicht kompromittiere. [35]Nachher an Frau Jünger geschrieben: Ich habe die Stunde (des Todes meiner Mutter) mit exakter Deutlichkeit gefühlt und der Abschied war wie eine Zusammenfassung [36]der vielen Erinnerungen, die eine Mutter mit ihrem Sohn und einen Sohn mit seiner Mutter verbinden. Die Zukunft dieser Verbindung ist dabei ebenso [37]wirklich, wie die Vergangenheit.

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[1]. 2 Kö 25 27/28 (Erhöhung des jüdischen Königs durch den König von Babylon)[2]Eingepackt, telefoniert, zur Bahn, alles klappte, aber die Flasche Moselwein lief aus; sie war mir nicht vergönnt (Mahnung der Mutter?). Bequeme Fahrt mit Duschka bis [3]Hagen, die Dissertation von Hahn über Lorenz von Stein gelesen, schlecht; auch von der Arbeit von Maiwald enttäuscht (über Prisen und Kriegsbeute). [4]Duschka war ruhig und ernst. Ich trank eine Flasche Bordeaux. Meine einzige Ablenkung ist wissenschaftliche Arbeit, aber was bin ich; alles unsolide, nicht im Kontakt mit der [5]Wirklichkeit und dem besten Material. Sehr glücklich über den Brief von Gottfried Benn zu Land und Meer, besonders über das Wort: herodotisch. [6]Er bewundert den Satz, der auf Konrad Weiß zurückgeht. Furchtbare Fahrt von Hagen nach Plettenberg die Lenne herauf (tiefer Eindruck des durch Bomben zerstörten [7]Paderborner Bahnhofs: Damals sangen wir: O Maria hilf). Um 11 in Plettenberg, von Ännchen und Üssi abgeholt. Aßen noch zu Abend, sprach mit Käthe, [8]sah die Mutter nicht mehr; sie ist in dem Verandazimmer aufgebahrt. Schlief im Zimmer mit dem Vater. Die Wirkung Plettenbergs trat ein: weit weg, in Sicherheit. [9]Die gute Mutter betet für mich.

[10]. 4. Luk. 35 (Verstumme, sagt Jesus dem bösen Geist). Bezog es auf mich. Gut ausgeschlafen, das Behagen,[11]an der Bahre der Mutter, sie sieht sehr schön aus, das herrliche Gesicht, mit der sicheren Nase. Hatte den Drang, ihr etwas in den Sarg zu legen, einen Zettel [12]mit der Aufschrift: mon fils tâchez d'être usw. Mit dem Vater gesprochen, es regnete, sodaß ich keinen Spaziergang machte. Was bedeutet [13]der Tod der Mutter? Das Ende der Geborgenheit? Die eigene Geburt? Das alles während eines Erdbebens und der Leichenfledderei und Kadaver-Verwertung. [14]Orgie einer Gangsterbande. Angst vor der Habgier Ännchens. Wartete auf Jup. Emmi Achterrath war vor einiger Zeit da, einen Augenblick wieder dies kindische [15]Bedürfnis, aber schnell erholt: Verstumme. Jup kam um 5 mit Claire, er hatte große Angst, wegen etwas, was er heute Morgen im Sender gehört hatte. (40 Beamte Art bewirtschaften[)]. [16]Mit Jup eine Flasche Cognac. Traum morgens: Anima spielte Klavier in dem Zimmer, in dem die Leiche der Mutter liegt, ich bin empört, sie sagt das ist doch nur eine Puppe (Wachspuppe); ich ohrfeige sie. [17]Abends mit Jup Skat, über die Mutter, ihre Einsamkeit. [18]Des Nachts lauerte der sauerländische Wind. Der Wind der Förster der Erde. Allein dies war der 30.3.

[19]. 2 Kö 11.14: (Und Uriah baute einen Altar) Empfand das als eine Aufforderung der Mutter. [20]¼ 7 gingen wir zur Kirche und hörten das Requiem für die Mutter, das schöne Dies irae und Miserere, nahm mir vor, [21]alles Polemische abzustreifen (empfand, daß im gregorianischen Gesang mehr Musik ist als im Kunst-Gesang; Fluch über Kunst und Kultur). [22]Nachher geschlafen, mittags 12 kamen Johanna, Major Heiber und Luischen. Gerührt. Der brave Major Heiber. Heftiger Wind und Regen, [23]das Sauerland als der Übergang und Grenzscheide von Land und Meer. Freute mich dieser Entdeckung. Der liebe Jup mit seinen ironischen Bemerkungen. Die gute Mutter. [24]Wie ein junges Mädchen, der Tod als Erlöser, die Jungfräulichkeit, die der Tod bewirkt. [25]3 Uhr Beerdigung der Mutter, großer Leichenzug, viele Kränze, der Regen hörte auf, aber heftiger Wind. Schöne, würdige Leichenfeier. [26]Nachher Kaffee getrunken und schön mit Luischen und Johanna. Heiber überaus sympathisch. Erzählte die Geschichte von Eltz von Rübenach. Um 6.50 begleitete ich [27]sie zum Bahnhof. Jup dachte: Man kann ebenso gut hinter einer leeren Puppe hergehen. [28]Abends mit dem Vater im Musikzimmer, 1 Flasche Moselwein, dann etwas Münsterländer Korn; der Vater behaglich unter den Seinen; hat vielleicht Angst vor der Einsamkeit.

[29]. 1 Ko 6,7 (Es ist schon ein Fehler, wenn ihr miteinander rechtet; warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun).[30]Gut ausgeschlafen bis ½ 11, schön gefrühstückt; Schock als ich hörte, daß Ännchen Anima nicht im Haus haben will. Wie traurig ist das. Konnte aber nicht mit ihr sprechen. [31]Es hat wohl auch keinen Zweck. Freute mich über Jup, über die Weltlage gesprochen, lieber Junge. Ich ging nach Plettenberg spazieren. An der evangelischen Kirche und Klumpe vorbei. ½ 7 zu Mittag gegessen, Jup Krach mit Ännchen (die von Klara-Luischen verlangt hatte, daß sie den Rektor bittet, [32]den Kindern mitzuteilen, daß der Musikunterricht ausfällt). Mit Jup zur Bahn, der Zug fuhr später, wir tranken ein Glas Bier, traurig. Ich fuhr mit [33]Jup nach Attendorn; dann zu Fuß nach Heggen; den alten Weg, in Heggen auf den Zug gewartet. Die Furcht fällt ab, [34]die Umwelt verwandelt sich, erkenne meine Nichtigkeit, meine lächerliche Abhängigkeit, vom Eindruck auf die Menschen. [35]Fragte Jup, wo die Freiheit besser aufgehoben: Im universalen Weltreich, oder in einem der 4-5 Großräume. Er meinte auch, im [36]Weltreich. Sein Bedürfnis sich zu verdrücken (auf der Bahn zwischen Finnentrop und Olpe 3. Klasse war man in Sicherheit).

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[1]Kindischer Trost. Die Mutter will ein Zeichen geben. Wie die schöne Stille am großen Meer unterstrichen [2]vom Farbenbogen. Heute morgen wollte ich Jup mein Testament mitteilen: Er fand, daß die Liste zu schmal war -; er lachte zerstreut und drehte am Sender. Bei Frau Pfeiffer vorbei, aber nur Annemann getroffen. Zuhause erzählte der Vater von der Firma. Wie ein ahnungsloser [3]Schmetterling bin ich durch diese kapitalistischen Zeiten geflogen. Die beruhigende Wirkung Duschkas. Abends noch [4]das Geld der Mutter gezählt, zu viert. Schlecht geschlafen (Herzbeschwerden, war der Weg nach Heggen zu anstrengend?)

[5]. Nachts Herzbeschwerden, um 7 auf, Traum von Oppen (ist mit jungen Leuten eingeladen, wir suchen noch einige Flaschen Wein [6]zusammen, im Keller noch schöner Kuchen, tut mir leid, ihn zu geben, der schöne Kuchen). 7.49 von Plettenberg abgereist, von Claire und Ännchen begleitet. [7]Mit einigen landwirtschaftlichen Lehrern im Zug bis Hagen, einsam; der gute alte Redlich kam in mein Gedächtnis zurück, wie rührend sagte er mir: Gott [8]schütze Sie. Weder vor diesen Sakramentalen und noch vor (den) Samaritern, wohl aber vor diesem alten Juden schäme ich mich; wie schön: wir erleben den Bankrott der id. gé. [9](das hast du vor diese Säue geworfen); wie lustig sein ignorabimus; wie richtig sein Ansatz local gov; wie [10]weise sein unter uns staatsrechtlichen Auguren. Wie schmutzig auch die Juden sind, noch schmutziger ist der Judenfeind. [11]1 Kö 13,15: Er spricht zu ihm: Komm mit mir heim und iß Brot; (kurz nachher: du sollst nicht wieder gehen den Weg den du gegangen bist).[12]Auf der Reise von Plettenberg nach Berlin: Erschrak vor den unhöflichen, neidischen Mitreisenden; im anderen Abteil viele sympathische Mitmenschen, die nette alte Psychologin, von Herrn Lersch, der Chemiker Claus [13]Böhme; Pantrofil; Reinsalzflasche; Richard Kuhn; die Arbeitspsychologin aus Beuthen gab mir Lersch [14](Schülerin Poppelreuters). Duschka schlief in ihrem Abteil. Erfuhr etwas über die chemischen Mittel zur Zerstörung der Reblaus, schauerlich; will alle Farben für Lebensmittel verbieten. [15]Jetzt sind wir um ein gutes Herz ärmer, sagte Duschka von der armen Oma. Trank Abends eine Flasche Mosel (aber zu viel Chemie!); typisch. [16]Mit dem Programm, um die Reblaus zu töten, tötet man den Wein; den Juden zu vernichten, vernichtet man das deutsche Volk; ungeheuerliches Symbol! Der Geist verbindet, das Bewußtsein trennt (Hartmann,Spranger) ha, ha. [17]½ 11 müde und traurig zu Bett. Frau Schmitz in Breslau ist krank, Nerven und Seele zusammengebrochen.

[18] Off. 2,3 (Gedenke, wovon du gefallen bist, und tu Buße, und tu die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich dir kommen bald und [19]deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Buße tust). Die ersten Werke bezog ich auf die[20]Übungen meiner Kindheit und Kinderzeit, dachte an die gute Mutter. Die ersten Werke sind aber auch die [21]ersten richtigen Taten des freigewordenen Menschen. Von der Mutter habe ich die Fertilität [22]meiner Intelligenz; vom Vater nur die Intelligenz. [23]Ziemlich frisch und unternehmend zur Universität gefahren, das Colloq. Hahn, über Konkretes Ordnungdenken im Völkerrecht und Lorenz von Stein. Ritterbusch [24]war gemütlich, Höhn eifrig, Emge geradezu scheußlich (über den Begriff der Norm, des Abstrakten, des Konkreten, wenn ein Lausbub dem anderen etwas befiehlt, ist das eine Norm [25]usw.) Hahn gefiel mir gut, er gab die vernünftige Antwort: Neutral betrachtet kann man immer fragen. Sah wie anpassungsfähig Ritterbusch ist, nachher mit Höhn über die Bewegung der Freiheitskriege und ihre Art Nationalismus, von der bis 1871 alles gelebt hat. Das gefiel mir gut. Hatte ihn wieder gern; er [26]scheint sich einsam zu fühlen. Meinte, Ritterbusch arbeitet zu wenig wissenschaftlich. Ging einsam nach Hause und schlief nachmittags. Schöner Spätnachmittag am Schreibtisch, aber [27]hörig und im Grunde verzweifelt. Merkwürdiger Gleichmut. Frau Jünger will Mittwoch kommen. Las Walt Whitman über Frankreich: pale symbol [28]of my soul, its dearest hopes. Herrlich der Vers: Sure as the ship of all, the Earth itself! [29]Abends einsam, in Erwartung des Schicksals, an Höhn die Abschrift meiner Stellungsnahme zu Roger Dieners Habilitation. Mit Duschka zur Kaserne. [30]Duschka wurde auch nervös und stöhnt, klagt über Herzbeschwerden. So geht alles seinen Weg. Ich trank eine Flasche Rotwein zum Abendessen und  [31]ging um 11 zu Bett. Lese im Bett noch den Aufsatz von Zweigert über ausländische Zahlungsverbote; das sind schlaue Positivisten, sie wollen die Struktur der [32]Sache nicht sehen; sie sind aber als echte Attentisten überlegen: die Attentisten und Adiaphoristen.

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[1]. Durchgeschlafen, aber doch sehr traurig wachgeworden. Habak. 1,13 (Deine Augen sind rein, daß du des Übels nicht sehen magst und dem Jammer kannst du nicht zusehen) Dachte an meine Mitleidsneurosen.[2]Ankündigung von 10.000 Mark vom Postministerium! Das ganze Kapital wollte ich Jup gönnen. [3]Dachte an die gute Mutter, wie sie die Geschke aufgenommen hat, aus lauter Gutmütigkeit, und nachher schlecht behandelt wird. Ihre Isoliertheit, das ist mein Schicksal. [4]Jetzt aber beginnt eine neue, mutterlose Zeit. Telefonierte mit Goruneanu und lud ihn für Donnerstag und für Orpheus und Euridike ein. Korrigierte an meinem [5]Nomos-Aufsatz, auch noch etwas nach dem Mittagessen, dann wieder länger geschlafen, dann lange Telefongespräche mit Benn (war viel zu eifrig, sprach vom κατέχων [6]und vom Nihilismus, fand einen snobistisch-warmenweichlichen Klang in seiner Stimme, der mir nicht gefiel, er ist kein Historiker) und mit Fränger, der anrief und [7]von dem großartig durchkonstruierten Buch Land und Meer sprach; besonders was mich sofort wieder belebte; er bat um Tolnay, den ich ihm versprach; er will mir etwas über Ensor schicken [8]und Donnerstag Nachmittag kommen. Sorge wegen der Flieger, um ½ 9 zu Fuß zu Popitz, dort schönen Wein (Rauenthaler 37, wohl derselbe, den Jessen mir geliehen hat, also [9]bringt er ihn von Popitz). Corrie war dabei, nett unterhalten, Popitz über die Schuld der Engländer am Kriege (weil sie gegenüber Polen oft mehr mitgemacht haben!), ich spreche dumm [10]und viel zu viel; um ½ 12 telefonierte es: Voralarm. Nach Hause gerannt, Herzklopfen und geschwitzt. Duschka war auf und schrieb Briefe, ich wartete noch, aber es kam kein [11]Angriff, um ¼ 1 zu Bett. Viel an die Mutter gedacht, aber wo ist sie jetzt?

[12]. Jes. 3,6 (Dann wird einer seinen Bruder aus seines Vaters Haus ergreifen: Du hast Kleider, sei unser Fürst, hilf du diesem Einsturz.) Diese Stelle schlage ich jetzt[13]zum 3. Mal auf (27/9 39, 1/4 43). Anruf vom Institut, daß ich der Bücherei Lamaire zurückgebe. Stand auf, badete [14]ganz kalt und ging zum Institut. Unterwegs in der Bahn 2 Verleger, die davon sprachen, daß Vorwerk in Basel ist. Ich hörte nicht weiter hin. Am Institut [15]bis 3 Uhr gearbeitet, über Monroe-Doktrin, langes Gespräch mit Mosler über Großraum, Intervention, das römische Recht, hörte, daß die Völkerrechtsausschuss-Sitzung [16]also doch am 26/27 März stattgefunden hat und ich nicht eingeladen war, blieb aber ziemlich ruhig. Es wird nicht viel gewesen sein. Die Arbeit tat mir gut; bin ich schon abhängig von [17]den Theologen? Traurig mit der U-Bahn nachhause. Herrliches Wetter. Gegessen, geschlafen, bis 8 Uhr; über Ensor gelesen, von Fraenger, das deprimiert mich [18]noch mehr. Was bin ich überhaupt? Wirklich: Nihilismus, das heißt, vor dem Nichts und aus dem Nichts. Zum Abendessen eine Flasche Bordeaux, nachher ein Spaziergang mit Duschka, [19]schöner, klarer Sternenhimmel. In Erwartung eines Luftangriffs. Ensor vom Meer bestimmt. Aber ich finde ihn zu nervös; Fraenger deutet ihn ganz psychologisch-[20]subjektivistisch vom Menschen: Masse, Maske; Raum. Abends noch spazieren gegangen, wollte den Orion sehen und die Plejaden, waren aber schon [21]untergegangen. Müde, traurig zu Bett, um ½ 12. Duschka fand Ensor zu viel Literatur, mit Recht.

[22]. 2 Sam. 24,17 (Siehe, ich habe gesündigt, ich habe die Missetat getan; was haben diese Schafe getan? Lass deine Hand wider mich und meines Vaters Haus sein).[23]Fühlte den Trieb, zum Institut für Völkerrecht zu gehen und zu arbeiten, tat es aber nicht; es regnete, schöne Post (Brief von Benn. Von Zehrer: Ihr [24]naht euch wieder!). Freude an der ersten Morgenstunde am Schreibtisch. Mit großem Interesse die Biographie von Benn gelesen, der entzückend ist und entflammt mich. [25]Sorge, weil der Oberleutnant Buchholz für Berlin schlimme Dinge ankündigte; Luftgelage. Korrigierte das Manuskript über die westliche Hemisphäre. Telefonierte mit [26]Frau Giese, Bormann, Pfeiffer; Zweigert, ein wunderschöner Brief von Hauptmann Grüninger (die neue Art Mensch: der Schlammtreter; die Abschiedsbriefe des Oberst Crome: erziehe unser [27]Kind im Glauben an Gott und Jesus Christus); ergriffen und erhoben. Brief von Zehrer; will ihm telefonieren. So wurde es Mittagszeit. Hörte von Bornhak, daß die nette alte [28]Dame eine Frau Professor Moers ist. Unerhörtes Behagen, diese Stunde gerettet, glückliches Gefühl des Augenblicks, Mückenglück in der Abendsonne. Wieder gut  [29]geschlafen und das Gefühl des Beiseitegesetztseins. Las Benn, es ist doch nicht viel, seine Begeisterung 1934 ist unsympathisch. Sein Lob auf George dumm; eben doch der Pastorensohn; nimm dich in Acht. Um 7 mit Klicković einen Spaziergang, war müde und schweigsam, er ist ein lieber [30]Kerl. Sprachen über die Schwierigkeit, sich mit Naturwissenschaftlern zu verständigen, trank zuhause eine Flasche schlechten Moselwein von Uhle, herumgesessen bis 10 Uhr, [31]traurig und leer zu Bett.

[32]. Traum: In München, eine moderne Etagenwohnung bei einer Frau, die sich für mich interessiert, gepflegt, aber nicht hingerissen, vorher war ich auf einem [33]kühlen Berg und suchte einen Baum zu pflanzen, der kühlen Grund fand. Später kam der Mann der Frau, ein etwas resigniert, gebildeter Mann von süddeutscher Vornehmheit. [34]Erotischer Traum. Behaglich den ganzen Morgen im Bett gelegen. Frau Hösel? Frau von Quednow auf münchnerisch? Der Mann spricht davon, daß er Graf von Bruck [35]kennt, der ein Weinreisender geworden sei. [36]Zus. zu Esther 7.Kap. Die Auslegung des Traums von Mardochai von den 2 Drachen. („Der eine bedeutet die Heiden, so zusammenkamen, und den [37]Namen der Juden austilgen wollten“). [38]Benn im Gespräch am Sonntag: Alle Kunst ist die Generation? Überwindung? des Nihilismus; alle Produktion ist nihilistisch (Ich sagte: also creatio ex nihilo. Solche Fragen versteht er gar nicht, das ist theologisch). [39]Die formfordernde Gewalt des Nichts; das gefiel ihm besonders gut und fand er großartig; er wollte mit für [40]Hindemith einen Text texten über die Mönche von St. Gallen und ihre Musik. [41]Ich: Die Affenschaukel unserer Tonalität; laufe auf Schienen; verletze mein Gehirn. Warum gehe ich dahin? Warum bleibe ich nicht bei meiner Arbeit? Berufsarbeit? [42]Hat die Mutter mich verlassen? Stolz auf den schönen Brief von Grüninger, aber das ist ja alles nichts, du stehst beiseite.

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[1]Kam nicht zum geplanten Briefschreiben an Buchholz und Grüninger, sondern telefonierte lange mit Brinkmann (über Alfons Adams, den er als einzigen Menschen unter bürokratischen [2]Larven rühmte[)]. Der böse Wille dieser Bürokraten, die einem gar nicht helfen wollen, sondern sich freuen, wenn man in die den technischen Schwierigkeiten hängen bleibt. [3]Dann mit Diener, über seine Habilitationsschrift, über die schikanöse Methode des Neukantianismus bei Emge, die fürchterlichen nationalliberalen Historiker, die die Bewertungspositionen [4]des Kulturkampfes in das Problem Reich und Kirche hineinprojizieren, besonders durch das Stichwort Canossa, als ob diese wildfeudalen Räuber preußische [5]Beamte und die großen Päpste Centrumspfaffen gewesen wären. [6]Aller Handel ist frei; Beweis, wenn die Freiheit aufhört, hört auch der Handel auf und werden die Kaufleute zu Verteilern. [7]Nach dem Mittagessen ausgeruht, schön gebadet, Neuss kam um 4 Uhr, trank mit uns Tee, war nett und rheinisch-menschlich, erzählte von seinen Vorträgen in [8]der Ludwigskirche, über Papst und Kaiser im Mittelalter, fragte ihn nach dem κατέχων; er will auch Dempf und Peterson fragen, sprach von Rupert von [9]Deutz, wie man seine Spanienreise sabotiert hat; gab ihm Land und Meer. Um 5 kam der Admiral Lützow, wegen des Aufsatzes in der [10]Marine-Rundschau, reizend, sympathisch, wir sprachen über die angelsächsische Seeherrschaft, versprach ihm einen Aufsatz für den 1. Mai; Ende des Prisenrechts usw. Rühmte unsere Brombeer[11]marmelade, begleitete ihn zum Haustor (im Schnee) angenehm berührt von diesen guten Seeleuten. Dann mit Anima den Zauberlehrling vorgetragen. [12]Erschrak vor der Magie dieses Gedichts, große Freude daran, aber doch traurig und dämonisch, bis 7 Uhr. Frau Jünger hat ihre Reise verschoben. Fror [13]im Zimmer, las die Lebensgeschichte Anselms von Canterbury. Einiges sehr schön, wunderbar merkwürdig, dieses Kloster des frühen Mittelalters.

[14]. 1 Sam. 9/10 die Geschichte von den Eselinnen und der Königsalbung gelesen: (Und der Geist des Herrn wird über dich geraten, daß du mit ihnen weissagest; da wirst du ein anderer Mann werden).[15]Etwas erkältet. Verzweifelt in die Berufsarbeit hineingegangen (das Gutachten über die Habilitationsschrift von Hahn Lorenz von Stein und die Rechtswissenschaft). Schöner Kaffee zum  [16]Frühstück und glücklich über die schöne Post, besonders den Brief von Wieacker über Georgescu, schrieb an Wieacker; Extra jurisprudentiam [17] et scientiam, Romam nulla prudentia, wenigstens nicht im Völkerrecht; und gibt es [18]wissenschaftlich noch ein anderes Recht? Der legalitäre Funktionsmodus einer staatlichen Bürokratie hat doch damit nichts zu tun. (Dank für Kaslers.) [19] Schenkte ihm Land und Meer und schrieb ihm die Widmung (j. tellus) hinein und schrieb dazu: ‚Eine Reise- und Sonntags-Nachmittagslektüre nach Art einer [20]herodotischen Erzählung. Auch wenn wir armen Träger und Opfer des occidentalen Rationalismus keiner mythischen Wirklichkeit mehr fähig sein sollten, ist vielleicht [21]doch der Versuch einer nicht-romantischen Annäherung an diese Wirklichkeit für Sie ein Schauspiel, dem Sie eine freie Stunde widmen mögen.‘ Nach dem Mittagessen [22]ausgeruht und gebadet, mit großer Aufregung einen Vortrag über Kopernikus und Kepler gelesen. Um 5 kam Fränger, erklärte mir den Garten der [23]irdischen Lüste, an der Hand des Verses „wachset und mehret euch“, Unterschied von Cap 1 und 2 der Genesis. Sehr schönes Gespräch, über Jünger (zu schmale Bildungsbasis, könnte [24]sonst ein Kirchenvater sein, so aber holzig und Laubsägearbeit), erwartet einen Ausbruch des Christentums, Heilung der Blindgeborenen gegenüber der Farbenblindheit [25]dieser Zeit, hatte einen starken Eindruck von ihm, wir sprachen darüber, ob der Garten der Lüste bei Bosch ein Paradies oder eine Utopie sei; es ist die abstrakte Lust, mehr nicht. [26]Um ½ 8 kam Goruneanu, wir aßen zusammen zu Abend mit Fraenger, hatte den Eindruck, daß Goruneanu traurig und enttäuscht ist. Wir tranken guten Wein, Fraenger bedauerte, daß die [27]Hedwigskirche getroffen ist, erklärte mir sehr schön Bosch, schwärmte von meinem Land und Meer, die Kontrapunktion des Buches, dem eiligen Schluß, wenn die Flammen [28]des Krematoriums anfangen zu brennen, die Schilderung Deutschlands zwischen Calvinismus und Jesuitismus. Begleitete beide um 11 zur U-Bahn und ging zufrieden ins Bett. Vatikan der letzte κατέχων.

[29]. Nachts im Traum: Ein (schwarzer?) Mann hinter mir er kommt mir zu nahe; dann Traum von der Schweiz; Reisetraum. [30]Si. 37,21: Gut oder Böse, Leben oder Tod, dies alles regiert allezeit die Zunge. [31]Vormittag am Schreibtisch das Gutachten über der Habilitationsschrift von Hahn (Lorenz von Stein), nach dem Essen zum Institut für Völkerrecht, fand aber den Mackinder nicht, den ich (auf Empfehlung von [32]Lützow) lesen wollte; las einiges andere, tiefer Schatten tiefster Verzweiflung, überflüssig. Duschka zum Arbeitseinsatz aufgerufen, hoffnungsloses Versinken. Mit der Untergrundbahn zurück, [33]zu Hause herumgelegen, eine Flasche schlechten Moselwein mit Duschka und Anima in der Küche; bis 16 gewartet, ob Alarm kommt, traurig zu Bett und Bernanos Landpfarrer [34]gelesen.

[35]. Traum: Die Straße in der Richtung südlich von Plettenberg (grüne?), was ich ja unbewußt als nördlich empfinde; schöne, saubere, geschmackvolle Villa, aber von Bomben beschädigt, [36]zwangsweise bewohnt. Die Bilder von Bosch wurden mir klar: Auf keinen Fall wachset und mehret euch, wie Fraenger meint. Mit Alfons Adams wegen Spanien telefoniert; . [37]5 Mo. 23,22. (Das Gelübde mußt du halten) Sehr traurig und zerrüttet aufgestanden.

[38]Schöner Brief von Jünger, der mir gut tat. (Bismarck bei Fontane der Forstmeister, der seine Angestellten betrügt; meine Notiz vom 12/3 43: Er sieht darin eine Verbindung des Individualis Weltbildes von Poe [39]mit dem politisch-gesellschaftlichen von Melville. Schickte mir die französische Übersetzung des Abenteuerlichen Herzens); schöner Aufsatz von Brinkmann über Max Weber, der mich sehr freute und zu Identifikationen [40]veranlasste. Behaglich schöner Kaffee und am Schreibtisch, in Erwartung der Oper heute Nachmittag. Mittags ausgeruht, gebadet, über die Unpünktlichkeit Duschkas geärgert, um ½ 4 zur Oper. [41]Goruneanu war da, kam mir aber schlangenhaft und zu zigeunerhaft vor; im übrigen hatte ich ihn sehr gern und fand ihn sympathisch. Die Oper war schön, Orpheus, aber das [42]Ganze eines solchen 18. Jahrhunderts ist streit stilwidrig, während Frauen und alte Männer zur Munitionsfabrik getrieben werden, sind diese Tänzerinnen kriegswichtig. Herrlich die Arie der Eurydike im Engelsflug [43]der Seligen. Goruneau traf W. Otto aus Königsberg, unruhiger Bruder und selbstbewußter Schlaumeier. Gingen nach Hause, Goruneau kam nicht mit, weil er zu den Kroaten ging. Zuhause [44]eine Flasche Trarbacher, mit Duschka überlegt wegen des Arbeitseinsatzes, sie muß sich melden. Freute mich über ihre Ruhe und ihre Klugheit. Sehe aber, daß sie auch schon angegriffen [45]ist. Der Schinder frisst uns, wie ein junger Sperber die Würmer frisst. Tieftraurig, verzweifelt, aussichtslos, ausweglos. Deus in adjutorium.

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[1]. Schlug 2 Mos über den Bau der Stiftshütte auf. War völlig zerschmettert, wie in den schlimmsten Stunden der Jahre 15/17. Gott hat uns in die Hände der Mörder gegeben. Schlief [2]aber gut aus, trank Kaffee und war eine Stunde am Schreibtisch beschäftigt. Um 11 kam Werner Weber und verabschiedete sich, erzählte von Neuss und [3]dem Prozeß, der zu der Rede vom 26/4 42 geführt hat (Körperverletzung), daß 50 Anwälte in Leipzig eingezogen sind. Wir tranken ein Glas Wermut. Um ½ 1 kam [4]Pfeiffer, der bei uns zu Mittag aß. Nachher über Bilfinger, Völkerrecht, usw. unterhalten. Begleitete ihn zur U-Bahn, er ist ein besonderer Mann. Einsam zurück. Todmüde [5]und erschöpft eine Stunde ausgeruht, als ob ich den ganzen Tag gearbeitet hätte. Um ½ 6 aufgestanden, mit Anima und Duschka herumgeplaudert, nichts getan, Wagner und Beck angerufen. [6]Um 7 kam Klicković, kleinen Spaziergang mit ihm, dann eine Flasche schlechten Moselwein zum Abendessen. Nachher kamen Frau Hahm und Frau Hoffmann. [7]Letztere, die mir früher so gut gefallen hatte, fand ich sentimental, romantisch, kitschig, sie kam wegen ihres jüdischen Mannes und Duschka war gleich hilfsbereit. [8]Mir ekelte. Anima führte mit Klicković den Zauberlehrling auf, mit großer Begeisterung. Da liegt offenbar ihr Interesse und ihre Begabung, traurig darüber. [9]Voller düsterer Depressionen einsam zu Bett. Besah Bosch und fand einen sonderbaren Trost darin. In Erwartung der Zwangseinquartierungen.

[10]. 1 Chron. David erstürmt Zion. Telefonierte mit Fraenger, der anrief und den Tolnay nochmals haben will; er findet deutet den Garten der Lüste als eine [11]spiritualistische-joachimitisch-adamitische ParWelt. Das scheint mir richtig zu sein. Frühstückte, mit dem letzten Kaffee, traurig. Paul Adams kommt erst Anfang [12]Mai. Schrieb einige Briefe (an Oberleutnant Buchholz, an Hauptmann Grüninger) schickte das Manuskript meines Gutachtens über Hahn zu an Frau Giese, Fraenger schickte den Neuß zurück und holte den [13]Tolnay (über die katalanische Bibelillustrationen sehr schön: Das ist das Tremendum selbst; wie gegenüber Glocken akustische und metallurgische [14]Untersuchungen aufhören? Stimmt nicht ganz). Der Tag verging in einer sonderbaren Isoliertheit und Abgeschiedenheit. Anruf vom Auswärtigen Amt (Kanzler Schmidt wegen der Spanienreise, glücklicherweise auf den Herbst [15]vertagt). Käme ich nur einmal zu mir selbst. Nach dem Essen tief geschlafen, vor Erschöpfung. Das tat mir gut, las einen Aufsatz von Wengler (über das Bodenrecht der Eingeborenen) mit großem [16]Interesse, dachte etwas über das Postministerium nach, trank den Ersatzkaffee und wartete auf Appel, der Anima Stunden gab. Unterhielt mich nett mit ihm, er erinnerte mich immer [17]an Onkel André und einen typischen Elsässer, ist egoistisch-bürgerlich-gescheit und im Grunde wohl nur auf seinen Vorteil bedacht. Er ist grippekrank, reist diesen Abend [18]nach Hause, blieb aber zum Abendessen und vertagte die Reise auf morgen. Bis 10 Uhr mit ihm geplaudert, wozu ich eine Flasche Moselwein trank. Duschka brachte die Tante Luise [19]zur Bahn, die angstvoll wegen ihrer Wohnung jammerte. Erzählte von Pétain (à la guimauve), von Afrika, von seiner Familie, aber die unsympathische Undurchsichtigkeit des Elsässers blieb.

[20]. Luk. 4.38 (Gebot dem Fieber und es verließ sie).[21]Herrliches Wetter, sodaß ich mit Anima einen Spaziergang machen wollte. Telegramm aus Lissabon, was mich sehr freute, soll dort einen Vortrag halten. Armes Vögelchen, flieg dorthin. Sprach [22]mit Alfons Adams, machte mit Anima einen Spaziergang, wir fuhren nach Krumme Lanke und gingen durch den Wald zurück, unterwegs ins Wasser gefallen, von einem kleinen Floß, [23]das am Ufer stand. Große Liebe zu Anima, am Grab von Hahm auf dem Waldfriedhof, Engel des Herrn gebetet, ein Vaterunser am Grab von Frau Popitz. Nach dem Essen schön ausgeruht. [24]Um 5 kam Josef Wagner, tranken Kaffee, machten einen Spaziergang, trank nachher noch eine Flasche Trarbacher, meine letzte. Er sprach nicht von seinem Angebot, mir Wein zu [25]besorgen; will in die Privatwirtschaft, wollte mit Schnitzler sprechen, sonderbare Mischung von Interesse, Identifikation sogar, und abstoßende Nazihaftigkeit. [26]Um ½ 8 mit Duschka zu Popitz, dort schönes Abendessen, Rotwein, mit Corrie über ihren Plan, eine Dissertation über die Zeit von 1850-66 [27]zu machen, Spielhagens Problematische Naturen, Gutzkows Ritter vom Geist, Popitz war lieb und freundlich und besonders gegen Duschka rührend. Bestätigte die Erzählung [28]Heibers über Eltz von Rübenach. Um 1 nach Hause, zu Fuß. Traurig zu Bett.

[29]. Jerem. 5,19: Wie ihr mich verlasset und fremden Göttern dienet in eurem eigenen Land, also solltet ihr auch Fremden dienen in einem Land, das euch nicht gehört. [30]Nicht ausgeschlafen, aber schöner Kaffee, schöne Post (Gremmels, Dank von Antonescu, Einladung zu Aufsatz und Vortrag usw.) Schickte dem Dekan und Popitz meine [31]Stellungsnahme zur Dissertation von Hahn über Lorenz von Stein. Erledigte ein paar Kleinigkeiten und fühlte mich bei dem herrlichen Frühlingswetter wohl,  [32]nachdem es mich morgens im Bett tieftraurig gemacht hatte. Große Liebe von Anima. Ärgerte mich über meine Nachgiebigkeit und Schwäche, Wagner gleich meine Hilfe bei Schnitzler zu [33]versprechen, wie dumm. Schlechter Nachgeschmack dieses Besuchs. Nach dem Mittagessen geschlafen, aber nicht erfrischt. Müde und willenlos herumgelegen. Wunderbares Frühlingswetter. Wartete auf Klicković. [34](Totaler Staat = ohne leeren Raum, ohne Freiheit und ohne Bewegung), Masse der Begriffe der Nation: Liberalismus, Sozialismus, das ist die Originalität der Deutschen; Bismarck. Abends Entsetzen über eine Flasche Rotwein [35](mein letzter!) Traurig und müde zu Bett.

[36]. Luk. 5.21 (Der Pharisäer sagt: Wer kann Sünden vergeben denn Gott?) Traum: Ahlmann 15000, Eisenbahnfahrt. [37] Recht, Nachruf auf Freytagh-Loringhoven (Man müßte über solche Todesfälle stundenlang nachdenken, gemeinschaftlich, dann würde man sein eigenes Schicksal deutlicher sehen: [38]Wenn einer deiner Bekannten stirbt, Kollegen, Verwandten, dann stirbt ein Stück von dir selbst; überlege was das heißt.[)] [39]In der Jägerstraße im Reichsbankgebäude die Tafel vom 18/3 48: Der Grenadier Theyssen aus Cochem fiel durch Meuchelmord bei der Revolte; Freundchen, diese Sprache und [40]diese umkurvenden Historikertöne kenne ich doch, das klingt mir ja seit Jahren in den Ohren; diskriminierender Krieg heißt Bürgerkrieg, und nichts anderes. [41]Das mühselige Werk der objektiven Vernunft, das sich im Staats-begriff äußert, ist zerstört. Im Institut Moreau de St Mery, französisches [42]Kolonialrecht des 17/18 Jahrhunderts gelesen, mit Wengler über seinen kolonialrechtlichen Bodenaufsatz gesprochen (Staatseigentum, Staatsland, domainep.). [43]Wengler über Bruns (über Freytagh-Loringhoven: Er deutet jeden Wunsch als Ultimatum und hat dann das Recht, ihn abzulehnen oder einfach zu schweigen;

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[1]So wie er es in der Fakultätssitzung macht: Schon die Ablehnung der Vorträge ist ein politischer Affront!) Herrliches Wetter, müde nach Hause, todmüde und erschöpft eine Stunde ausgeruht, [2]mit Duschka zu Jessens, 2 Flaschen Wein zurück, von Uwe verabschiedet, der zum Arbeitsdienst kommt, über sein Abitur unterhalten (Geschichtsvortrag über [3]die Reichskanzler 1890–18), Frau Jessen erzählte, ich sehe den Klassengegensatz, der stärker ist als der der Rasse? Vielleicht bei den Deutschen. Traurig [4]nach Hause zurück. Duschka ging krank zu Bett (arme Duschka, ich habe ihr die Nummer der Wehrmacht mit den Bildern der serbischen Truppe und Mihajlowitsch gekauft, Angst, [5]daß die Anni das sieht), ich aß mit Anima, große Liebe zu dem Kind, Freude an seinen schönen Bewegungen, seiner Vernünftigkeit und Reife. Um 10 Duschka ein Butterbrot gebracht [6]und ein Glas Wermut. Es ging ihr wieder besser. Traurig und müde zu Bett. [7]Um 5 hat Adams angerufen; 2 dringende Telegramme aus Madrid: Verlängerung meines Vortrags untragbar, unerwünschte propagandistische Wirkungen usw. Erpressung und [8]Zwangslage. Wollte erst nachgeben, nachher tat ich es nicht. Morgen Früh soll Geheimrat Rothanrufen. Das macht mich nervös.

[9]. Joel: 1,15 „O weh des Tages, denn der Tag des Herrn ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen.“ [10]Brief von Brinkmann wegen des Oetinger, dieser war nur in der Landesbibliothek in Stuttgart, gleichzeitig morgens Nachricht von dem großen Flugangriff auf Stuttgart. [11]Telefonierte mit Margot von Quednow, die heute mittags nach München reist. Habe sie also doch noch erreicht. Dann rief Geheimrat Roth vom AA an; höflich aber dringend, [12]ich gebe nicht nach. Will sehen, was es gibt. Herrliches Wetter. Die Köchin Ann hat Geburtstag. Meldete mich beim Rektor an, arbeitete etwas herum über Nomos, [13]herrliches Frühlingswetter, nach dem Essen etwas geschlafen, munter auf, um 5 Kaffee zu Ehren der Köchin, Frau Weber kam auch, schöner Kuchen, um ½ 7 kam Wirsing, er hatte Geburtstag 1907. [14]Vorher wurde ich zu Six gebeten, für Dienstag 11 Uhr. Angenehm erregt dadurch, aber doch ziemlich gleichgültig. Mit Wirsing nett unterhalten (Erstarrung, keines Wandels [15]mehr fähig, Loths Seele, nicht vorwärts und nicht rückwärts; die Wehrmacht als κατέχων, über Amerika war nicht viel von ihm herauszuholen, er ist nett, aber in Gegenwart [16]anderer tückisch, verdrückt, unangenehm, knautschig). Gewartet auf Buchholz mit großer Freude, er kam um ½ 9, wir aßen zusammen zu Abend, sehr nett, [17]aber Wirsing störte doch sehr. Duschka sprach von Kroatien und Serbien, er war frisch, schien aber doch irgendwie befremdet. Begleitete die beiden zum U-Bahnhof Thielplatz. [18]Erzählte Buchholz noch von Rumänien, dann einsam nach Hause und traurig zu Bett. Meine grauenhafte Schwäche und Nachgiebigkeit, Unfähigkeit etwas durchzusetzen, wie [19]schrecklich ist das alles.

[20]. Nehemia 13,18 (Ihr macht des Zorns über Israel noch mehr, die ihr den Sabbat brecht).[21]Fräulein Stumpfe von der Schriftleitung vom Wille und Macht rief zum 2. Mal an wegen des Leviathan und wollte den Eisenmenger aus meiner Bibliothek haben. [22]Dumm und frech. Traurig durch das herrliche Frühlingswetter. Du partizipierst nicht mehr an den ontischen Wesenheiten. Empört über die Begriffs-Quetsche im Deutschen, besonders des [23]Eigentums, das verpflichte. Deprimiert beim Anblick des Vorlesungsverzeichnisses und der Namen der Professoren, übler Nachgeschmack von gestern Abend. Zum Tode [24]verurteilt. Schlachtvieh auf dem Schlachthof in Erwartung des Metzgers. Trost in numinosen Werten, wie in einem Jenseits. Die Tür zum Jenseits will man schließen. [25]Die Schande bindet uns auch noch fest. Heftige Herzstiche bringen Gedanken an den Untergang, die Politisierung, die Zwangseinquartierung. Wer weiß, wieviel Reicke dadurch bewahrt geblieben ist, [26]daß seine Wohnung eingeäschert wurde. Müßtest du dir denn nicht sagen, daß du ja auch nicht weißt, wovor du bewahrt bleibst, wenn dir jetzt neue Schikanen begegnen? Schickte Adams den Valery Mauvaises pensées, schrieb etwas an dem Aufsatz für Lüzow. Wie lächerlich, wie lächerlich die Situation [27]Wirsings und bist du besser dran? Was treibt uns alle und was treibst du selbst? Ich fürchte ja nicht die Trennung, nicht das Nichts, ich fürchte die schmutzige Berührung mit fremden Menschen. [28]Du wirst aus deinem Märchen vertrieben, Idylliker, mach daß du herauskommst, die Feinde lachen dich aus mit deinem Sekuritäts- und Ruhebedürfnis, geh doch endlich [29]weg, tritt ab, folge deiner Mutter, die Recht gehabt hat, jetzt zu gehen. Füllte mit Duschka das Raumbewirtschaftungsformular aus. Grauenhafte Angst. [30]Nach dem Essen konnte ich nicht schlafen, badete um ½ 5, um 5 kam Zehrer, sieht jüdisch aus, zu gut gekleidet, eleganter, wie ein jüdischer Korpsstudent und Reserveoffizier im 3. Grad der Assimilation; [31]erzählte davon, daß die Ideen von 1932 wieder zum Zug kommen, will eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, spricht über Neutralisierungen, ich erzählte von Bruno Bauer, er sagte: nicht einmal den [32]Antisemitismus haben sie uns gelassen); ich sprach etwas forciert frei; um 6 kam Frau Jünger mit Carl Alexander, wir tranken schönen Kaffee und plauderten; Zehrer ging um 7; ich [33]hatte das Gefühl, daß der Besuch überflüssig war, obwohl ich mich gut unterhalten habe. Er sieht eine ungeheuerliche Reaktion voraus; erzählte vom Ammersee, der Überlegenheit der katholischen Kirche usw. [34]Wir aßen zu Abend, tranken eine Flasche teuren Rotwein, nachher noch bis 12 zusammengesessen und geplaudert; tranken bulgarischen Sliwowitz, ich hatte Herzbeschwerden, [35]war dem Tode nahe; las Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels; das beruhigte mich und lenkte mich ab. Fühle mich arm und als Proletarier, während Jünger ein Haus kauft.

[36]. 1 Macc. 12,43 (Jonathan läßt sich betrügen und ließ sein Volk heimgehen). Der Sliwowitz hat mir gut getan, einen Augenblick[37]frisch und mutig, Hella schickt mir zu Ostern das Buch über Philip II von Reinhold Schneider. War doch etwas gerührt. Sonderbare Bindung an diese Betrügerin. Mitleid mit [38]meiner eigenen Lächerlichkeit. Mit Frau Jünger beim Frühstück geplaudert, Carl Alexander spielte mit dem Bogen, Anima ist in der Kirche, ich hatte Herzbeschwerden und wurde erdrückt von der [39]Gemeinheit des Lebens. Der Makler kam zu Frau Jünger wegen des Hauses in Döbbern. Wir aßen schön zu Mittag, nachher schlief ich fest bis 4 Uhr; schöner Kaffee [40]und Kuchen. Mit den beiden Kindern durch den Park spazieren, in einem kleinen Blockhaus gespielt, Erstürmung und Verteidigung, sehe wie alt ich bin und keines Widerstands mehr fähig. [41]Dann zu Hause auf Duschka gewartet, große Angst um sie, sie war bei Vater Johann. Ahlmann rief an, aber ich war durch meine Sorge um Duschka abgelenkt. Endlich kam [42]sie um 8 Uhr, schön in der Küche zu Abend gegessen, die schöne Salamiwurst aus Rumänien, Sliwowitz dazu getrunken, nachher ich noch eine Flasche herrlichen Bordeaux, [43]der sehr teuer und sehr gut war. Frau Jünger spricht nur von ihrem Hauskauf, sie hat mit Spengler nach Hamburg telefoniert. Ich fühlte mich beiseite und abwesend, in einer lächerlichen

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[1]Rolle. Las im Bett noch etwas, Wirsing und Reinhold Schneider über Philip II, beides nichts. Dieser Schneider besonders scheußlich mit seiner Pseudodramatik, Pseudolyrik, Pseudopsyche.

[2]. Weish. 15.4 (Der Maler unnütze Arbeit). Im Bett noch Schneider über Philip II gelesen. Ergriffen von dem Tod dieses Mannes; schönes [3]Frühlingswetter; traurig gefrühstückt, beim Friseur angemeldet. Völlige Leere und zerschmettert. Oft Sorge wegen der morgigen Besprechung mit Six. Gemütlich zum Hotel Bristol, Haare [4]schneiden bei dem guten Bühler, gleich wieder zurück, mit der Frankfurter Zeitung und meinem Manuskript über den Nomos. Es ist lächerlich. Die völlige αβουλία. [5]Nach dem Essen wieder geschlafen, erschöpft, dann mit den Kindern in den Park, trojanischen Krieg gespielt, Anima ermahnt, durch die Nase zu atmen, zum Abendessen eine Flasche Bier, auf Frau Jünger [6]gewartet und neugierig, was es wird. Der kleine Carl Alexander sagte heute morgen beim Frühstück, lieb und ruhig: Ich habe geträumt, daß es nichts wird mit dem Kauf des Hauses, [7]und war darüber im Traum sehr wütend. Todmüde nach dem Abendessen auf der Ottomane gelegen, in Erwartung eines Fliegerangriffs. Um 11 kam Frau Jünger zurück. Erzählte von der lächerlichen Gesellschaft [8]in Döbbern , dem Notar als Schwerenöter und Kunstverehrer (Sektkelche geleert, Jünger von Jünger usw.). Sie erzählte nur von sich. Ich ging um 12 zu [9]Bett. Traurig. Gehöre nicht dazu. Aber daß dieses deutsche Bürgertum zum Tode verurteilt ist, kann ich mir gar nicht mehr anders denken. Habe ich es nicht schon 1912 gewußt? [10]Wie lange dauert das? Langmut Gottes vor allem mit mir. Las über Saint-Simon, das neue Christentum. Traurig über den Egoismus von Frau Jünger; Gefühl, daß alles abgekartet und gestellt ist.

[11]. 5 Mos 29.1. Furchtbare Flucht, großartigste Volks-Geschichte (nicht Welt-Geschichte!): Ihr habt gesehen alles, was der Herr vor euren Augen getan hat in Ägypten dem Pharao und allen seinen Knechten. [12]Traum: Mit Hella, sie war zudringlich, ich bin dumm und schwach, will mich drücken, gehe nicht mit ihr in den südlichen Teil des Kurfürstendamms. Komme an eine Straße oder Platzende Charlottenburg, [13]die Deutsche) Reichsstraße heißt; Leute, tingelte , trauriger Betrieb, wo früher die Autos fuhren. Ich sage ihr sadistisch: Ich will Dir einmal richtig weh [14]tun. Durch eine gehemmte, verwirrte, unsicher geworden Geilheit. (Erinnerte mich an Turel: Staats-Masochist, Sexualsadist). [15]Abschied von Frau Jünger und Carl Alexander, die heute Mittag abreisen. Schöner Brief von Bruno Brehm, der mich glücklich machte (die Prophezeiung von 1880, daß im Jahr 1940 [16]alles voll Radfahrer wäre!) Will ihm Leviathan schicken und freute mich darauf, sympathischer Brief von Jup, von Sobotta (ohne mir!) Flaggenbefehl wegen des Geburtstages. [17]Regnerisches Wetter, zum Glück. Um 10 mit der U-Bahn zum Kurfürstendamm gefahren wegen meiner Spanienreise. Entschlossen nicht zu fahren, wäre nicht sicher genug. Bereitete etwas  [18]Aufsehen; er ist nett, will nach Madrid telefonieren, er sprach gegen Heidegger, ich ging nicht erleichtert, aber doch mit dem Gefühl einer Vertagung weg. Hinterher [19]Benito Cereno. Gefühl sehr deutlich. Zur Universitätsbibliothek, Davenport nachgesehen, einen Bund Zeitschriften für Völkerrecht nach Hause genommen. Nach dem Essen geschlafen, bis 5 [20]und aufgeräumt. Das Wetter klärt sich schon auf. Den Leviathan an Bruno Brehm geschickt (mit Ostergrüßen). Mit Anima zum U-Bahnhof Thiel-Platz, um Blötz und [21]Weber-Schumburg abzuholen, die aber mit der S-Bahn gekommen waren. Schönes Abendessen mit gutem Wein, eine Flasche Bösinger hatte Weber-Schumburg mitgebracht. [22]Gut unterhalten, über die Briefe von Brehm, über das Ende der Justiz, über Rotenberger (das liegt ihnen allen am meisten am Herzen), gab Blötz Benito Cereno. Um 12 [23]gingen sie weg, kurz nachher war Luftalarm, als wir noch im Zimmer saßen, sie kamen zurück, wir warteten im Luftschutzkeller bis 2 Uhr, [24]tranken einen Cognac, erzählten über Brehm (dem Blötz nicht traut, Duschka findet ihn ). [25]Nachmittags sprang mir der Vers Dan. 5.30 mitten ins Gesicht.

[26]. Ap. 6.10 (Weisheit und Geist des Stephanus, der gegen Moses und das Gesetz spricht). Herrliches Wetter, alles in Blüten;[27]Ap. 7,24 (Moses sah einen unrecht leiden). Gleichgültig in Erwartung der spanischen Reise, glücklich, nicht in spanischer Sprache[28]sprechen zu müssen, sehr behaglich. An dem Aufsatz Über die westliche Hemisphäre korrigiert. Aber doch müde und abulisch. Nach dem Essen etwas geschlafen, den Vortrag [29]für die Säkularfeier abgesagt, auf Goruneanu gewartet. Hoffentlich bringt er Kaffee. Das tat er zwar nicht, aber er war nett, zügelte seinen pro-amerikanischen [30]Affekt, rührend (‚vor ihnen spreche ich, wie vor der Ewigkeit‘), tranken eine Tasse Kaffee. Blieb bis gegen 7 und gab mir für morgen abend 3 Karten. [31]Das Gespräch regte mich an. Korrigierte noch etwas über Freundschaftslinien. Nach dem bescheidenen Abendessen herumgelegen, mit Duschka [32]geplaudert, die sehr müde war, überlegt, wen man für Ostersonntag Mittag einladen kann. Um 10 müde zu Bett; Léon Bloy über den Märtyrertod des guten Edmond; tröstlich. [33]Duschka fand Wilhelm Neuß sehr pfaffisch. Ist er auch; Bruno Brehm: monoman.

[34]. Dan. 11, 15ff. (Er wird einen Wall aufschütten; ein Fürst wird ihn lehren aufhören mit Schmähungen, daß er ihn nicht mehr schmähe.) 12, 12, die 1335 Tage.[35]Stand um 6 einen Augenblick auf, unternehmend, Freude an meinem Aufsatz und Vortrag. Dann wieder zu Bett, Traum von Hella. Sehe ihr [36]Gesicht wie im Krampf als ein Stück schwarzen schimmligen Grauens und verkohlten Holzes; dann geil, so will sie zurück ins Bett kommen. Heftige [37]Erektionen. Guter Einfall. Das Geheimnis von Heines Ballade die 2 Grenadiere: Die geschichtliche Bindung der Juden an den Cäsarismus, seitdem sie gerufen haben: [38]‚Wir haben keinen anderen König als den Cäsar‘.

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[1]Holte für Duschka, die in die Kirche ging, auf der Bank 250 Mark und schrieb an Stapel. Die großen christlichen Feste erhalten neue Kraft und bringen einen mit guten Menschen mehr zusammen. So denke [2]ich dann in diesen Tagen in treuer Freundschaft und Verehrung an Sie und erinnere mich noch in lebhafter Dankbarkeit ihres 60. Geburtstags und der schönen Feier, bei der ich Albrecht Erich Günther [3]zuletzt gesehen habe. [4]Dann zu seiner Repräsentation S.184/5 StaatsVolk, teils besichtigend (das Zittern, Charakter des Begriffs ist großartig gesehen), teils fragend (vergessen sie nicht, [5]daß Nicolaus Cusanus es introduziert und inauguriert hat. Dann zu der Heinischen Ballade die 2 Grenadiere, von der er sagt, S.262, sie enthalte keinen [6]Zauber, sondern nur hinreißende Formulierung), offenbar ist noch mehr drin als Formulierung. Die Gewalt, mit der der Grenadier am Schluß aus dem Grab hervor [7]steigt und mit der zweimal das Wort Kaiser ertönt, ist ungeheuerlich und jenseits aller ästhetischen oder literarischen Kategorien. Was ist das Geheimnis dieser [8]Ballade? Es ist, wie die ganze ‚Judenfrage‘ nur vom Christentum her zu begreifen. In der Napoleon-Verehrung Heines bricht der im Karfreitag konstruierte [9]unlösliche, weltgeschichtliche Zusammenhang von Judentum und Cäsarismus auf, ein Zusammenhang, der sich für den ganzen christlichen Äon knüpft, als die [10]Juden riefen: ‚Wir haben keinen anderen König als den Cäsar‘ Joh. 19.15. [11]Mit Pfeffer nett telefoniert, wegen meines Vortrags über die Md. Alfons Adams ist bis 3/5 verreist. Fröhlich an die westliche Hemisphäre gedacht. Nachmittags gebadet, arbeitsunfähig, [12]um 6 mit Anima in die Vorlesung rumänische Gedichte von Asta Südhaus, für die Goruneanu uns Karten gegeben hatte. Duschka kam krank aus der Kirche zurück und [13]erbrach. Wir fuhren zur Fasanenstraße, trauriger Saal, den Gesandten Stansker, den Rektor usw. Der Saal war ziemlich leer. Der nette Horneuer. Angst vor den Menschen. [14]Die Vorlesung war gut und rational, hatte aber nichts mit rumänischer Lyrik zu tun, außer, daß die Verfasser Rumänen waren. Die Erzählung vom Nussbaum erinnerte mich an meine eigentliche [15]Unterlegenheit unter Duschka, und meine Erwartung des neuen sozialen Zusammenbruchs, wie er meinem Großvater widerfahren ist. Anima war aufmerksam und klug, hatte sie sehr lieb. [16]Wir eilten um 9 nach Hause. Duschka schlief schon, Anima kochte zu Abend, sehr anständig und tüchtig, was mir gut gefiel. Aßen in der Küche und gingen müde [17]um 11 zu Bett. Ich las noch Bruno Bauers Evangelien-Kritik von 1850; das ist doch ganz scheußlich und minderwertig; wie Schuppen und Krätze, [18]wie Hitler und Goebbels, widerliche Schulmeisterei, Rechthaberei an der Hand einer ‚ideal‘ konstruierten Urschrift. Großer Ekel, Bedauern, [19]daß meine Freude an Bruno Bauer zusammengebrochen ist. Aber vielleicht war das bei ihm nur ein Durchgangsstadium zur Vernunft.

[20]. Nachts wüste Träume, von Bosch, Garten der Lüste, mit Reisetraum, Hotelzimmer, einpacken usw. [21]1 Kö. 16,9. (War trunken, war trunken und Simri kommt hinein und schlägt ihn tot.) Ein paar Ostergrüße geschrieben (an Fraenger, Oberleutnant Buchholz, Jup, Schroer, Frau von Schnitzler. [22]Am Schreibtisch. Angst, weil Duschka sich für eine Serbin einsetzt und sogar Ostersonntag nach Falkensee will. Flucht in das Manuskript, Vortrag für Spanien vorbereitet. Horst Kube [23]und Franzen riefen an. Brief zum Kasten, das herrliche Frühlingswetter. Schrieb an Frau von Schnitzler eine Karte mit der Unterschrift Cerenos. Nach dem Essen nicht lange geschlafen, mit Duschka [24]und Anima Kaffee getrunken, Anima war lieb und färbte die Ostereier, malte einige wunderschön an. Ging nicht zur Kirche. Abends Grotius und Pufendorff über Landnahme [25]gelesen, gesehen wie viel mir noch fehlt, bis 2 Uhr Nachts. Duschka schrieb an den Vater, führte große Gespräche wegen der bosnischen Frau, der sie helfen will gegen den [26]kleinbürgerlichen Ingenieur, traurig und auf alles gefaßt. In Erwartung der Frühjahrs Sommeroffensive gegen Rußland, 3 ½ Millionen sollen sterben. Anima hat Ohrenschmerzen, [27]Angst vor Mittelohrentzündung. Traurig und müde zu Bett. An die gute Mutter gedacht, die jetzt 4 Wochen tot ist. Wiederbegegnung mit dem guten Bruno Bauer.

[28]. Mal. 3,6 (Es soll mit euch Kindern Jakobs nicht gar aus sein). [Vers] 19: Dann siehe, es kommt der Tag, der brennen soll wie ein Ofen. [29]Schrieb vormittags am Schreibtisch, telefonierte sehr lange mit Körnchen über Bruno Bauers Christentum und Judentum, war etwas produktiv und ging nicht zur Kirche. Nach dem [30]Essen ausgeruht, nachmittags mit Grünberg telefoniert, der nächste Woche kommen will, über Höhns großartigen Aufsatz spricht (insbesondere vielartiger Stil) Horst Kube kam nicht, will morgen [31]vormittag kommen, ich brachte ein Paket zur Post für Claireluischen und las in der Dahlemer Kirche noch etwas die Karsamstag-Liturgie: „in israelitia [32]dignitudem plenitudo totius legisSchmitt zitiert hier - wahrscheinlich aus dem Kopf, was die Fehler erklären könnte - aus der Oration nach der vierten Lesung (Ex 14) der Ostervigil bzw. Osternacht, die damals noch am Karsamstagmorgen gefeiert wurde. usw. Müde nach Hause, Anima liegt wieder mal zu Bett, Frau Hahm war da, [33]ich trank mit ihr ein Glas Wermut (aus bloßer Schwäche und Nachgiebigkeit, armer Glückspilz, wie lange noch) sie erzählte immer wieder dieselbe Geschichte, von ihrem [34]Mann, von dem scheußlichen Schwager (der Brief an den Sohn: Deine Mutter will dich sterilisieren lassen); alle geisteskrank, wahrhaftig, Glück diesem Psychopathen entgangen [35]zu sein). Aß zu Abend für mich, las Häuser über den Rheinbund, die vielen Anzüglichkeiten. Duschka kam aus der Kirche und erzählte von den [36]armen russischen Kindern. Hatte große Lust zu trinken, den letzten Wein, tat es aber nicht. Um 11 ins Bett. Völlig unfähig zu jeder Arbeit; auch der [37]spanische Vortrag wird nichts.

[38]. 2 Kö 4,16 (In einem Jahr sollst du ein Kind herzen). Um ½ 7 aufgestanden, mit Anima zur Kirche, ärgerte mich über ihre schlechte Haltung, den vorgestreckten Kopf, die dicke Nase, ihre Unfähigkeit, richtig zu atmen. [39]Sehr traurig. Müde etwas am Schreibtisch geschrieben. Was soll das alles. Die anderen triumphieren ja doch, die Neutralen, Bruns und Emge, die Dilettanten und Zauderer oder die nationalliberalen Dummköpfe. [40]Wir warteten auf Duschka, die in der Kirche war und erst mittags kam, frühstückten schön, ich schrieb dann einige Zeilen über Landnahme. Mittags kam Haugg vom Kirchenministerium und [41]Goruneanu; sehr nette Unterhaltung über Musik, über (erzählte Haugg die Sache von Gesetzestheorie, Duschka erzählte uns von ihren Sorgen, ich sprach mit [42]Goruneanu nicht über Benito Cereno. Schönes Mittagessen mit Himbeersaft, war viel schöner als mit Wein. Goruneanu brachte ein Pfund Kaffee, was uns alle tief rührte.

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[1]Ich machte einen Spaziergang mit ihm (wie wäre die Freiheit am besten gewährleistet, in einem Einheitsreich oder in mehreren Großräumen). Er ist gescheit, hat eine Zigeunerin zur Amme. [2]Hielt offenbar den Amerikanismus für unwiderstehlich und unschicksalhaft. Wir tranken herrlichen Kaffee. Erklärte Goruneanu Beethoven als humanitäre Freimaurer-Musik, er hörte [3]aufmerksam zu und ich fand ihn wunderbar. Begleitete die beiden zur U-Bahn Thielplatz, arbeitete noch etwas, aber langsam, abends schönes Abendessen. [4]Hätte beinahe den serbischen Wein getrunken, aber ich tat es doch nicht. Nett mit Anima und Duschka unterhalten, um 10 müde ins Bett.

[5]. 1 Chron. 28.8: So haltet alle Gebote des Herrn, eures Gottes, auf daß ihr besitzet das gute Land und vererbet auf eure Kinder nach euch ewiglich. [6]Grauenhaft frömmlerisch, ist das alles; unchristlich. Aber wir sind die wahren, modernen Juden, posthumes Judentum, [7]alles posthum. [8]Gut ausgeschlafen und schön gefrühstückt, behaglich mit dem Kaffee von Goruneanu. Es ist doch erstaunlich, daß seit 3 Jahren immer wieder im letzten Augenblick etwas Kaffee kommt. Ordnete meinen [9]Schreibtisch, das machte mir Freude, allmählig wächst auch das Ms. des Nomos der Erde. Duschka war mit Anima nach Falkensee gereist, zu dem Sklavenschinder, [10]der dort eine arme serbische Bäuerin schikaniert. Sie kamen ½ 3 zurück. Schönes Mittagessen, dann ausgeruht. Um 5 kam Ahlmann sehr pünktlich, aber das Gespräch kam doch [11]nicht recht in Fluß. Er sprach von Freyer, von Friedensmöglichkeiten, Personalwechsel. Um ½ 7 kam Popitz mit Corrie, tat mir leid, daß er Zahler nicht mitgebracht hatte. [12]Er schenkte mir 5 Flaschen Wein (Banbirger und Heppenheimer). Schönes Abendessen, aber ich war doch irgendwie zu abwesend. Streit über Beethoven als Freimaurermusik, [13]Bedeutung von Tonika und Dominante (die schöne Sonate in F moll op. 10,2), nachher erklärte ich noch Heines Grenadiere. Du armer Dummkopf; am Abend Corrie [14]viele Bücher mitgegeben. Um 1 gingen sie, wir begleiteten Popitz und Corrie nach der Brentanostraße. Todmüde zurück, um 2 Uhr zu Bett. Tieftraurig. Große Liebe zu [15]Popitz und seinen Plänen (Sozialversicherung).

[16]. Luk. Das Gerücht und sein Name wurden größer. Brief von Schmoller, Hermann Walz; Nebel rief an; für Freitag verabredet. [17]Kopfschmerzen, etwas geschrieben, aber fast nichts, so vergeht die Zeit. Der Admiral Lützow telefonierte wegen meines Aufsatzes, den ich Ende Juni abliefern will. Die arme [18]Frau Sombart fährt krank nach Ostpreußen zu ihrem Sohn Nikolaus. Kaltes Wetter. Rheumatische Schmerzen im rechten Hinterkopf. Mittags ausgeruht, um 5 kam [19]Franzen, erzählte vom Osten, politisierte über die Möglichkeit eines Friedens mit England, seine Ernennung zum in Nürnberg, ging um 7. Blieb [20]traurig zu Hause zurück. Nach dem Essen mit Anima furchtbar gelacht über ein Mensch zu sein von Sarastro. Duschka liegt zu Bett. Arbeitete noch bis ½ 12 an meinem [21]Manuskript und geriet etwas in Arbeitseifer, über Landnahme und Nomos. Wie mühselig entsteht bei mir ein einziger Satz.

[22]. Marc. 2,9: Was ist leichter zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben oder steh auf und wandle? [23]Traum: in einem Zimmer mit Lammers, Krawitter steht dabei (ich sage mir: Es ist doch schön in Berlin zu sein, wo man die maßgeblichen Leute trifft.) [24]Laufe zu einer Vorlesung einem Vortrag, Lammers geht mit mir, sucht eine elektrische Bahn, verabschiedet sich, sieht mich dabei freundlich an und sagt: Wir verbleiben. [25]Ich sehe seine blauen Augen, sympathisch, wenn auch etwas schiefer Blick, renne davon, um noch rechtzeitig zum Vortrag zu kommen, komme aber doch zu spät, der Vortrag [26]ist irgendwie ausgefallen. [27]Um 9 auf, Karte von Frau von Schnitzler. Es regnet und ist kalt. Karte von Frau von Schnitzler (Laotse reitet auf dem Tier, um schneller vorwärts zu kommen). Anima ist erkältet und drückt sich herum. [28]Mit großem Eifer das Manuskript über die westliche Hemisphäre korrigiert und für Frau Giese zurecht gemacht. Nach dem Essen ausgeruht, um ½ 5 zu Wagner, zum Grunewald, Spaziergang von 2 Stunden [29]durch den Grunewald (Überläufer, der ausgepackt hat, über meinen Aufsatz aus dem Jahr 1934, die Stärke der Russen, den Gottmenschen, den Plan einer Opferung, Morrelles Äußerungen, den Terror und [30]das Giftgas), sonderbare Mischung von Sympathie und Widerwillen für diesen Typ, der das doch alles mitgemacht hat und jetzt so spricht; dabei offenbar von ihm geprägt ist. [31]Müde nach Hause, bin doch krank und erschöpft. Trinke eine Flasche Heppenheimer, die mir Popitz geschenkt hatte. Bekam mir aber nicht recht. Früh zu Bett. [32]Schlecht geschlafen.

[33]. Der Geist war willig, aber das Fleisch ist schwach. Ja leider. Spät aufgestanden, wenig getan, müde, über das königliche , [34]was soll das alles, dachte an Ofentrop, telefonierte mit der Fakultät, es wurde schnell Mittag, nachher geschlafen, nur noch müde, 5 – 7 [35]mit Hermann Walz über seine Dissertation, netter sympathischer Typ, evangelischer Theologe aus Tübingen. Wir aßen in der Küche, weil die Köchin Ausgang hat. Mit [36]Duschka und Anima. Sehr nettes Gespräch mit Ahlmann, der Nebel Land und Meer gegeben hat. Todmüde herumgelegen, nicht zum Aushalten, Abulie. [37]Um 11 zu Bett. Große Liebe zu dem Kind. Tacitus Annalen. Paradigmatik, die Prototypik dieser [38]Situation. Notierte es Nachts: Ludendorff, Kirdorf, Wilamowitz-Moellendorff. Anima hat Blumen zu Corrie gebracht (Todestag der Frau Popitz).

[39]. 5. Mos. 29,3: Der Herr hat euch gegeben Ohren Augen zu sehen und Ohren zu hören. [40]Sehr tröstlich. Besser ausgeruht, weil ich keinen Wein getrunken habe. Eine Stunde sehr schön und [41]eifrig am Schreibtisch über westliche Hemisphäre (Dank dem Kaffee, in Erwartung Nebels. Um zur U-Bahn, mit Anima, dann

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[1]Bei Keiper, 30/4 43, mittags.

[2]Wie nach Krieg und Brand [3]Gottes Segen kommt ins Land [4]steigt auch einmal wieder [5]Deutschlands Retter aus der fernen Höhe nieder. [6]Berlin 8. Ap. 1852 Jacob Grimm. [7]Dieser Retter kam also immer wieder, und aus immer tieferer Tiefe. Arme Deutsche!

[8]Das war also [9]der plötzliche Segen dieser bürgerlichen Märchensammler; [10]Wir gehören nicht dahin! Das ist von der [11]Leyen!

[12]Zu Keiper, traf vor der Tür Professor Schuster, wo ich von der Leyen traf, sehr interessant, er schenkte mir die Rektoratsrede Moellendorffs von 1900! Erschrak vor dieser [13]prompten Begegnung. Wir sprachen über die Proteste, Selbstbiographien, Körnchen kam um 12 Uhr, hat aber etwas Störendes, so lieb und nett er ist. [14]Vielleicht zu sehr auf Bruno Bauer versessen. Freute mich sehr an Keipers Eifer und Klugheit; vielleicht gibt er die Vorlesung von Schelling 41/2 heraus. Fröhlich [15]zurückgefahren; angeregt durch das Gespräch und den guten Cognac, den die Frau Keiper uns gegeben hat. Wartete voll Spannung auf Nebel, der um 5 kam; netter Junge. [16]Sieht gemütlich aus, wie Onkel Fritz, der Dachdecker, oder ein Bar-Keeper, mit rheinisch schlauen Augen, ein wenig taktlos, aber nett, rheinisch. Wir [17]unterhielten uns sehr gut, über Land und Meer, über die Elemente, von denen er sprach (Feuer des Hephaistos ein anderes als das des Prometheus); um 7 kam auch Gilles, [18]nachher Goruneanu. Leider konnte Nebel nicht bleiben, weil er eine Verabredung hatte. So wurde aus dem geplanten und mit großem Essen vorbereiteten Abend nichts. Wir tranken [19]eine Flasche Brauneberger und aßen Brot mit Salami dazu. Verabredeten uns für Sonntag abend. War müde und traurig, trank noch eine Flasche Heppenheimer, wußte nichts Rechtes [20]mit dem netten Goruneanu anzufangen, der 3 Päckchen Tee mitgebracht hatte. Gilles erzählte in seiner Art. Wir saßen am Kamin, bis 11 Uhr. Fräulein Petrovic war [21]auch da, braungebrannt und etwas südöstlich. Goruneanu brachte sie nach Hause. Um 9 rief Grünberg an, verabredete mich für morgen um 6 in den Russischen Hof, [22]dummerweise, obwohl wir zu Jessens wollen. Entsetzlich schwach und nachgiebig. Saß noch mit Duschka am Kamin bis 12. Dann müde zu Bett, [23]konnte aber nicht einschlafen. Las Schweigger und Tacitus, Annalen.

[24]. Scheußliche Nacht, grauenhafte, halbbewußte, halbgeträumte, ekelhafte, zerstörende Ejakul. Zwischendurch Ann. XV gelesen, scheußlich. [25]Wagtenicht die Bibel aufzuschlagen, so beschmutzt fühlte ich mich. Stand erst gegen 10 auf, frühstückte, sprach mit der guten Duschka, hörte, daß Hammerstein gestorben ist, mit 65 Jahren. So [26]geht alles dahin. Am Schreibtisch etwas erholt; einzige Freude, diese Papierbemalung und Begriffs- und Wort-Protzerei. Nachmittags um ½ 5 zu Frau Jessen zum Tee, Popitz und Corrie [27]waren auch da, nette und herrliche Unterhaltung, Popitz behauptet, Fontanes Irrungen und Wirrungen seien der größte deutsche Roman. Unbeschreiblich. Fuhr um ½ 6 zum Russischen Hof, [28]traf dort Grünberg; mit dem ich mich aus lauter Nachgiebigkeit verabredet hatte. Wir liefen bis 7 Uhr durch die Straßen und fanden kein Lokal, in dem wir uns hinsetzen konnten; schließlich [29]am Anhalter Bahnhof, und von dort zu mir nach Dahlem. Duschka war zu Hause und von einer überwältigenden Selbstverständlichkeit als Gastgeberin. Grünberg aß bei uns zu Abend, [30]nannte Eschmann einen Schuft, erzählte von dem Bischof Peter, der Hauptmann ist und politisiert; über die Bunling, aber was soll das alles. Ich glaube ihm nicht und er wird nichts [31]ändern. Besser durch als für. Begleitete ihn um 10 zum U-Bahnhof Thielplatz, nach Hause zurück und bald zu Bett. Im Bett Fontane Irrungen gelesen, das ist ja hübsch, [32]besonders die Frauen kann er sprechen lassen, das beste ist die Baronesse, aber welche Problemlosigkeit, wie widerlich diese edlen, treu biederen Figuren aus Berlin, [33]kein Problem kein tiefer Konflikt, alles vernünftig neutralisiert, Klassengegensätze, moralische Probleme, Schuld und Sühne, alles halb so [34]schlimm, in sentimentaler Nettigkeit und Anständigkeit geht alles unter. Das ist also nach Popitz der größte deutsche Roman. Erschrak.

[35]. Ziemlich frisch; wieder etwas erholt; 2 Sam. 3.14 (Gib mir mein Weib Michal, die ich mir verlobt habe mit hundert Vorhäuten der Philister),[36]der 30. Juni in Israel; schöne, lehrreiche Geschichte. Stand um 9 auf, trank schönen Kaffee, freute mich über das Manuskript meines Nomos, [37]das Frau Giese geschickt hatte, mit Duschka zum Schauspielhaus, Morgenveranstaltung Kayssler, über Goethe, die Schauspiellust, immer dieselbe deutsch-idealistische Synthese [38]über Prediger, Professoren, Schauspieler, mit Goethe-Maske; säkularisierter Protestantismus; das ist alles die Vorliebe von Popitz. Popitz hielt eine einleitende Ansprache. [39]Über Theatergeschichte als Gegenwort. Ergreifend war nur der Augenblick, in dem Kayssler von seinen Erinnerungen an das Stanislawski-Theater sprach,

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[1]von der Größe dieser russischen Schauspieler, die die böse Dynastie kennen als einen Zwang. Duschka fand die ganze Sache fad. Mitleid mit Popitz. Wir fuhren um 1 zurück, [2]aßen schön mit Fräulein Petrovic zu Mittag, nach dem Essen etwas geschlafen, gut ausgeruht, Winckelmann für den Abend eingeladen und etwas an meinem Manuskript gearbeitet. [3]Bin ich einen Schritt weitergekommen, als in meiner Kindheit. Um 5 nett mit Duschka in der Küche Tee getrunken, etwas gearbeitet, um 7 kam Nebel, mit dem ich mich nett [4]über Seneca und Stoa unterhielt, in dem schönen Garten unter den herrlichen Blütenbäumen; dann kam Winckelmann mit seiner Frau. Die Frau war besonders entzückend und rein désinvolture. Wir aßen sehr schön [5]zu Abend, Winckelmann hatte eine Flasche Thierbacher mitgebracht; Winckelmann sieht schlecht aus, hat Nervenentzündung, mir tut das Herz weh, wenn ich diesen anständigen Menschen zugrunde gehen sehe, ganz verletzt. [6]Er brachte mir einen Brief mit, wir waren einig: Besser durch als für. Über den Begriff des Politischen (Zeit dieses Begriffes vorbei), über „Lotte in Weimar“ als besten deutschen Roman, [7]die furchtbaren Gräuel und sadistischen Gemeinheiten, das kommende Giftgas; Nebel sprach davon, wie schön sein Urlaub hier gewesen war, wie ihm alles zugekommen sei für . Wir hatten ihn sehr gern und blieben bis [8]Mitternacht am Kamin. Begleitete ihn noch ein paar Schritte und verabschiedeten uns sehr nett. Hörte, daß Jünger ihm erzählt hat, wie Blo. rasiert wird.

[9]. 1 Chro. 25,23. Das 16. Los fiel auf Hananja samt seinen Söhnen und Brüdern (Verteilung der Ämter der heiligen Sänger). Etwas Kopfschmerzen, [10]schöner Kaffee, genoss den letzten freien Vormittag vor Beginn der Vorlesungen. Wurde von Sperlich angerufen, wegen des Vortrags im OKH. Schrieb einen Beileidsbrief an Walz. Schöner Brief vom [11]Vater über die Mutter, rührend. Korrigierte etwas an meinem Manuskript über Amerika. Schlief wieder nach dem Essen. Grauenhafte Willenlosigkeit. Wunderschönes Maiwetter. [12]Am Schreibtisch etwas über die westliche Hemisphäre gearbeitet; fast nichts abgetan. Nachricht vom Tod (einem Freund von Wagner). [13]Abends kam Appel, gab Anima und Duschka Französischstunde; fader Elsässer, fand ihn im Grunde scheußlich; schwächliches Bedürfnis bei Menschen zu sein, [14]nachts noch J. Treibel, von Fontane gelesen; viel besser und echter als Irrungen und Wirrungen; der arme Popitz.

[15]. Matth. 26,56. (Sie verließen ihn und flohen, Petrus aber folgte von Ferne).[16]Morgens Wirr-Traum (auf zerstörten Gefäßen Wirrungen, wie wenn man Schallplatten durcheinander spielt): Ich bin noch einmal in Attendorn, soll noch 1 ½ Jahre [17]dort sein, obwohl ich das Abitur gemacht habe, scheußlicher Zustand (wie in einer Kaserne? Halb Hotel[)], in einem Wort: Grauen der Gemeinschaft. Dazu [18]höre oder sehe ich immer wieder Churchill. [19]Ohne Erquickung wach geworden. Beim Frühstück schöner Brief: Golombek, Lohmann, Adams (die Schrift Oetingers vom Salz, das belebte mich). [20]Las bei der Lektüre des Briefes von Lohmann (Kasernenerinnerung): Treiben uns lächelnd hinaus die Götter. Zur Universität, nett mit Dekan Siebert, über meine [21]spanische Reise, nachher die erste Vorlesung, sehr gut besucht, verlief schön (Verfassung, Wortbedeutung, Inhalt), zufrieden nach Hause, ausgeruht bis 5, [22]etwas am Schreibtisch, mit Anima im Garten gespielt, sie ist wunderschön, um 7 kam Löhrs, wir aßen zu Abend, er war lieb und anhänglich, aber [23]er rühmte sich, im koellreutterschen Verwaltungsarchiv aus Rache für die schlechte Besprechung durch Claudius von Schwerin „das Gas abgedreht“ zu haben. Reizende Leute. Wir begleiten [24]ihn zum Harnack-Haus, wo er den Ägypter Farkussel besuchen wollte, aber nicht traf. Noch etwas in der Kälte, aber schön Abend spazieren gegangen, über den κατέχων [25]gesprochen. Dann zu Hause. Wir hatten keinen Wein mehr, obwohl ich unwiderstehlichen Durst hatte. Duschka kam von ihren Besuchen bei Ungewitter und [26]Frau Sombart. Ging einsam zu Bett. Las Maiwalds Arbeit, um mich etwas vorzubereiten.

[27]. Dan. 12.12 letzte Verse (Wohl dem, der da wartet und erreicht 1135 Tage).[28]Mit Adams telefoniert, das tat mir gut, er will alles für die Spanienreise übernehmen. Nebel rief an, er war beim General [29]Knaus, soll dort vielleicht ankommen, ich soll dort einen Vortrag im engsten Kreise halten. Hebt mich natürlich wieder. Fuhr zur Universität, las noch mein [30]Manuskript, hielt eine sehr gute völkerrechtliche Übung vor 20 Menschen. Nachher mit Wasse, der mir nicht gefiel, aber mein neuer Assistent ist, und mit  [31]Maiwald, der sehr nett erzählte. Er hat mit Ziegler gesprochen, wegen der Drucklegung seiner Arbeit. Fuhr nach Hause und ruhte nach dem Essen aus. Hella hatte angerufen. [32]Ich fuhr um 5 zum Bristol, ließ mir die Haare schneiden, traf dort Seldte, im Frisiersalon, der mir auf eine rührende Weise guten Tag sagte; dann [33]traf ich Hella, trank den Kümmel-Wermut im Teeraum des Bristol; trauriges Gespräch, ich wollte höflich sein, es ging einfach nicht, sie  [34]erzählte von Posen, von Hansel und (der mir widerlich wird), berühmte pessimistische Politisiererei, ohne jede Verantwortung, ging schließlich [35]um 7 Uhr weg und fuhr nach Hause. Glücklich Anima zu sehen. Bei Duschka waren Serben, denen sie geholfen hat. Tief bedrückt von [36]der Nachricht, daß Dortmund von Flieger angegriffen und beschädigt ist, dachte an die gute Johanna. So wird unsere Jugend zerstört. Auch daraus „treiben [37]uns lächelnd hinaus die Götter.“ Traurig, als ich hörte, daß Gutjahr an Hella geschrieben hat, daß er Hauptmann und Bataillons-Führer geworden ist. Ich gehöre [38]so mehr zu den . Die arme Frau Ott will mich besuchen, wegen ihres Prozesses. Tief deprimiert. Immer an Dortmund gedacht, den schwierigen Terror, die Zerstörung der Justiz. Den heftigen [39]fast bis physischen Weindurst nicht befriedigt. Mit Anima englisch gelesen, Dickens, wie schön; Gespräch mit Winckelmann über Max Weber. Um 10 zu Bett. [40]Noch J. Treibel von Fontane gelesen, mit großem Vergnügen, Angst vor Hella. Nachts Treibel zu Ende gelesen, noch etwas Maiwald-Arbeit über Seebeute.

[41]. Est. 1.14 (Die 7 Fürsten, die das Angesicht des Königs sehen). Schlecht geschlafen, Gefühl der Arterienverkalkung im Schädel. Trauriges Bewußtwerden;[42]mit Widerwillen, Ekel, Verwunderung und einer gewissen Angst an die gestrige Begegnung mit Hella gedacht. Wie sonderbar, daß ich einfach weggegangen bin; das mußte also wohl so sein.

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[1]Telefonierte mit Oyazabal; für Samstag verabredet; überlegte meine Vorlesung, schrieb an Golombek und fuhr zur Universität. Schöne Vorlesung im überfüllten Hörsaal über Verfassung. Schnell nach Hause mit der S-Bahn, [2]ausgeruht, um 6 kamen Otts zu dritt, arme Leute, falscher Prozeß gegen das Reichsarbeitsministerium, Dummheit des Anwalts Wiedemann (Feststellungsklage!), der Vater daraufhin verhaftet. Aber wie leid [3]tut mir das alles. Trank mit Duschka Tee, freute mich über Anima, die Klavierlehrerin, Gräfin Strüve, ist mit ihr zufrieden, sie ist klug und verständig, erschrak tief vor Mitleid. Dann [4]wieder einen Augenblick gearbeitet. Abends noch mit Anima Dickens gelesen, das war wunderschön. Nach dem Essen an meinem Vortrag für Madrid korrigiert, mit Duschka in einem Zimmer, [5]die Rechnungen ordnete. Um ½ 12 zu Bett; Maiwald-Manuskript gelesen. Hatte Ohrenziehen. Frau von Schnitzler hat angerufen und kommt Sonntag.

[6]. Etwas besser geschlafen; Makk aufgeschlagen (Jonathan sieht die Feuer der Gegner und läßt sich täuschen). Behaglich eine Stunde ausgeruht,[7]schönes Frühstück und den Vortrag für Madrid gemacht. Anruf von Pfeifer, wegen einer gemeinsamen Reise nach Madrid; erzählte gleich auch die Sache von dem Verleger Ott. Gut gearbeitet. [8]Fühlte mich wieder eifrig, aber Druck im Kopf. 4 Tage kein Wein. Nach dem Essen wieder bequem ausgeruht, um 5 kam Frau Giese und gab ihr das Manuskript für den Vortrag in Madrid. [9]Bin ziemlich zufrieden; wir tranken nett Kaffee; um 6 kam Schmoller, wir plauderten etwas und gingen dann in den Vortrag von Grassi über die Politiker in der Renaissance. [10]Schauerliche Hysterie; hinter mir saß Goering, sehr erkältet, sah Eschmann und seine Frau, war aber angewidert von ihm, weil ich an Grüneberg dachte. Ergriffen vom Schluß, [11]als er Vicos Interpretation humare und humanitas erzählte. Mit Schmoller um ½ 9 nach Hause, dort war Fräulein Petrović mit ihrem [12]großen, dicken Onkel Petrović aus Belgrad, dicker Balkantyp, Kaufmann, nett sympathisch, ich fühlte mich schuldbeladen, weil ich ihm nicht helfen [13]kann, obwohl er meine Hilfe gar nicht braucht. Wir tranken Himbeersaft, nachher noch den Rest vom Cognac, den wir hatten, sprachen natürlich über die Zustände in Belgrad, [14]die Plünderung des Landes, die Enttäuschung über die Deutschen, die Zustände in Kroatien. Duschka sah sehr gut aus, gestriegelt serbisch. Das Ganze war für mich anstrengend, weil [15]völlig ungeistig, es war gut, daß Schmoller dabei war, der immer höflich ist. Bis ½ 11 dauerte das Gespräch, dann gingen sie zur U-Bahn. Traurig und müde zu Bett.

[16]. Jer. 51,56 (Der Verstörer wird über Babel kommen). Erst Mittags aufgeschlagen. Angefangen Spanisch zu studieren.[17]Und früh wach, meine νυκτουρία bringt mich noch um, weil ich aus dem schönsten Schlaf erwache. Aber bin frisch, es regnet und ist nicht zu warm. Durch das [18]Frühstück mit letztem Kaffee ermuntert; eine Karte von Paul Adams aus Elmau, Sehnsucht nach den Bergen und den Alpen, aber als Teil meiner Erinnerungen und Wunsch, das [19]meiner Tochter zu zeigen. Um 10 mit Gauger telefoniert, wegen Paris, soll Jünger auf seinen Vortrag hinweisen, er sprach sehr nett über das Buch des Vaters Johann [20]über Puschkin (Genialität und Frömmigkeit als 2 Pole), eilig einen Brief an Diez del Corral geschrieben, zur spanischen Botschaft gefahren, [21]in der U-Bahn traf ich Grassi, sehr nett über seinen gestrigen Vortrag unterhalten und dann den Begriff des Politischen, der bei mir dialektisch wird (Mensch – Unmensch; Übermensch – Untermensch). [22]Dann zur spanischen Botschaft an der Tiergartenstraße, bei Oyazabal, der freundlich war und den Brief an Diez besorgen will; auch einen spanischen Lektor beschaffen will, damit ich [23]mit ihm üben kann. Hatte große Lust, den Vortrag spanisch zu halten. Bei Frau von Schnitzler in der Graf-Spee-Straße vorbei, 6 Flaschen Wein geholt; sie war am Einpacken, wartete nicht auf sie. [24]In der Hitze nach Hause, froh, etwas nach Hause zu schleppen, wie diesen guten Wein. Immer aber noch mißtrauisch gegen die reichen Frauen; vielleicht ist der Wein doch schon nicht mehr gut. Beim [25]Essen eine nette Friseuse, eine Münsterländerin. Nach dem Essen gut ausgeruht; allmählig an den Vortrag im OKH gedacht. Zwischendurch immer spanisch gelernt. Im Bett [26]noch Trotzki über Amerika und Europa gelesen: Amerika sei der große Herr, der nächste Krieg wird den Gegensatz von Amerika und England betreffen!

[27]. Sir: Das Herz des Narren ist ein Topf, der rinnt. [28]Gut ausgeruht, wenn auch nicht viel geschlafen, behagliches Frühstück, das Manuskript meines Vortrages kam pünktlich mit der Post, sehr vergnügt korrigiert, sodaß der Vormittag [29]schnell verging. Um ½ 12 kam Kličković, erzählte von München; er war bei Huck, Koellreutter, Mutius, Krauss, Neeße [30]und dem Höhn-Schüler Beyer. Wunderbar Krauss: Tief ergriffen von dieser Freundschaft (bei der Wehrmacht in einem Raum, kein Universum, kein Auto, Auslandsreisen, Ausland-Telefonie), [31]Mutius fahrig und zu (die echten und die unechten, die nicht auf die Propaganda reagieren), Scheidung vor Neeße und diesem Höhn-Betrieb. Frau von Schnitzler kam darauf mit, daß [32]wir zu ihr ins Adlon kommen. Nach dem Essen geschlafen, ziemlich erfrischt, Besuch von Weber-Schumburg, sehr nett und angenehm. Über Sprache, Schwierigkeiten der Übersetzung, [33]schöner Tee und Kuchen mit Schlagsahne, über Horst Müller, sehr offen und voll Vertrauen. Begleitete ihn zur S-Bahn. Zurück, noch etwas korrigiert, dann allein [34]zum Adlon mit der S-Bahn. 2 Flaschen Rotwein; zuletzt war sie sehr müde und faselte. [35]Von Kükelhaus bis Kühlmann, Niermann, 4 ½ Millionen verdient durch Kunsthandel. Fuhr mit der [36]S-Bahn nach Hause; das ist ja alles Emmi Achterrath! Georg Schnitzler sei [37]Bismarck-Hasser. Die aufregende Sache: für den nicht Eingeweihten komisch, für den Wissenden tragisch: Die Walfische begehen massenhaft Selbstmord. [38]Zu Hause noch etwas gegessen, großer Hunger, müde zu Bett.

[39]. 2 Kö. 10 (Verehren die Goldenen Kälber).[40]Um ½ 6 wach, konnte nicht wieder einschlafen, müde um 8 aufgestanden, dann aber schnell frisch und zurechtgemacht für den Besuch bei Geheimrat Roth. Herrliches [41]Wetter, zum UThielplatz. Wie lange noch, Gottes Langmut, mein armes Kind Anima. Fuhr zum Kaiserhof, ging zur Kronenstraße, kulturpolitische [42]Abteilung, Geheimrat Roth, traf ihn um ½ 10, nettes Gespräch mit einem vorsichtigen Bürokraten, brachte ihm 2 Durchschläge meines Vortrages, sagte ihm, daß ich

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[1]den Vortrag auf Spanisch halten will, was ihn zu freuen schien. Er war höflich und zurückhaltend, aber nicht unangenehm. Ging zufrieden weg, bei schönem Wetter, zur [2]Bibliothek, holte mir einige Bücher, wollte mir den Fall Mauritius von Wassermann holen, aber der Bibliothekar Keydell gab ihn mir nur für den Lesesaal her, ich fand [3]das sehr traurig und lächerlich, daß ich einfach schweigend aus dem Zimmer herausging. Es wurmte mich noch lange; auch die Frage, ob ich mich richtig verhalten hatte. Dann hielt ich meine Vorlesung Verfassung [4]vor überfülltem Auditorium; nachher kam ein Student Hantinger? (Thüringer) und fragte, ob es denn recht sei, daß der Parteigenosse vor dem Volksgenossen privilegiert ist und [5]ob man dann noch sagen könne, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Mit Maiwald über seine Arbeit gesprochen, den Liberalismus des Prisenrechtes, den Widerstand [6]der Admirale. Er geht übermorgen in die Klausur des Assessorexamens, hat sich an den Ministerialrat Eccardt gewandt usw. Zu Hause versucht auszuruhen, [7]um ½ 5 zum Rundfunkhaus, mit Anima zum Bahnhof Thielplatz, von dort zum Adolf Hitler Platz mit der U-Bahn (was falsch war, denn ich hätte mit dem Autobus M fahren können). [8]Rumänische Musikstunde, neben Frau Sombart und dem alten Falk, der mich nicht ansprach. Lächerliche Situation, traurig diese Pseudo-Gesellschaft. Der rumänische Dirigent war [9]sympathisch, eine herrliche pastorale Stelle in der rumänischen Rhapsodie von Enescu, mioritisch. Frau Sombart war sehr hübsch und reizend. Ich war nicht zum [10]anschließenden Empfang eingeladen und fuhr um 7 einsam mit dem Autobus nach Hause. Lernte etwas Spanisch. Zu Hause war Medem. Wir unterhielten uns schön über [11]Polen (täglich 250 Tote in Polen; über Losacker, den Gehirnspezialisten in Lemberg, die deutsche Methode und die bolschewistische, Streit zwischen der inneren Verwaltung und der [12]Polizei, die hilflose Lage der besetzten Verwaltung zwischen Partei und Polizei), mit Medem schöner Moselwein (Ediger Osterlämmchen und Rauenthaler getrunken) Um 12 [13]begleitete ich ihn zur S-Bahn. Er fährt morgen nach Lemberg zurück. (Frank wollte Ehrendoktor von Modena und Bologna werden, durch unmittelbare Befehle vertreten).

[14]. Hesek. 16 (über die Huren und Ehebrecher, und will das Recht der Ehebrecherinnen und Blutvergießerinnen über dich gehen und dein [15]Blut fließen lassen mit Grimm und Eifer).[16]Gut ausgeruht, munter durch das schöne Frühstück und einen geradezu wunderbaren Brief von Lorenzoni über Land und Meer, das er in Albanien erhalten hat. [17]Tief gerührt über diese Menschlichkeit (das Buch bezeichnete er als wahres Kleinod); telefonierte wegen des spanischen Lehrers; überlegte meine Vorlesung, fuhr behaglich zur Universität, [18]hielt im neuen Aula-Gebäude vor einem sehr großen Auditorium meine Vorlesung sehr gut. Nachher mit einem Ungar Karczay; zur Klosterstraße zum [19]Atelier von Gilles; Duschka war da und der Chemiker Schmied; Popitz und Corrie waren schon weggegangen. Das herrliche Bild von Gilles, sehr merkwürdig, sympathisch [20]Schmied, der mich an Georg Krauß und Fehn erinnerte. Er fuhr uns im Wagen nach Dahlem zurück und will Donnerstag in 8 Tagen kommen. Sonderbare Bekanntschaft; sprach ihm [21]von Oetingers Geheimnis vom Salz, der pietistischen Wurzel des chemischen Entdeckens. Ruhte gut aus. Sprach mit Kličkoviċ nett über die traurige Lage der Juristen. [22]Dann mit Weber-Schumburg; Bloetz hat magna cum in Hamburg promoviert. Abends konnte ich nicht arbeiten, trank aber auch keinen Wein. Besah mit Duschka [23]die Bilder von Gilles (Hafen als Kolonne, gerührt, sehr schönes Bild), dachte über die merkwürdige Bekanntschaft mit Schmied nach (nicht ganz sicher, er war zu höflich, [24]zu schön, zu liebenswürdig, zu gebildet, fast verdächtig). Ruhig zu Bett und Trotzki über Amerika gelesen (die größere Insel).

[25]. 1 Mak. Der Hohepriester Simon, und ganz Israel war eitel Freude, jeder hatte seinen Weinberg und lebte in Frieden. [26]Froh, daß ich gestern Abend nichts getrunken hatte, ziemlich frisch, schönes Wetter, um 9 gefrühstückt, noch etwas Kaffee, meinen Vortrag für das OKH vorbereitet, ziemlich zufrieden, [27]meine Übung Völkerrecht gehalten, leider ohne meinen Willen auf das Problem des Nomos gekommen, viel zu gut, für diese Übung, welch sonderbare Schwäche [28]und Hilflosigkeit. Frecher Brief von Rabl, der mir Ekel und Angst einjagte (er will ein Dr h. mit Rücksicht auf die angestrengte Kriegslage!) [29]Sprach noch etwas mit Wasse, bin noch mißtrauisch, müde nach Hause und nach dem Essen geschlafen, vor Erschöpfung. Ohrensausen im rechten Ohr. Es ging aber vorbei, [30]als ich aufgestanden war, kam aber am Schreibtisch immer wieder. Was mag das mit der Reise geben. Etwas am Schreibtisch für meinen morgigen Vortrag überlegt. Komme [mir] immer [31]dumm und oberflächlich vor, las den Vortrag von Rotenberg bei der völkerrechtlichen Tagung und sehe, wie ich beiseite stehe. Anima übte sehr schön Gluck, Orpheus, ich war [32]tief gerührt, milde Stimmung, Jugenderinnerungen, klassische deutsche Bildung, in dieser Welt der Bestien und Moloche. Grauenhafte Angst. Heute sind 25 Flaschen Wein von [33]Weber-Schumburg gekommen. Stolzes Besitzgefühl, besonders als ich den Dhroner sah und den Pfälzer (Rheinwein zählt bei mir nicht; Spitzenwein auch, der tägliche [34]Abendtrunk!). Spielte mit Anima im Garten Florett, holten Kličkoviċ ab, lag noch herum, las etwas über Wirtschaftskrieg, im Grunde völlig [35]unvorbereitet, 11 zu Bett. Keinen Wein getrunken.

[36]. 1 Sam. 12,10: Wir haben den Baalim und den Astaroth gedient, nun aber errette uns von der Hand unserer Feinde. [37]Druck im Kopf, aber frisch, weil ich keinen Wein getrunken habe. Hübscher Einfall für meinen Vortrag (das Bild der Fläche des freien Meeres), Telefongespräch mit [38]Adams und mit Merkatz (der mich über Castiella informierte, heute abend mit Faupel nach Spanien fahren will, das spanische Völkerrecht, 1648 das [39]Unglück). Fuhr zur Universität und hielt im überfüllten Hörsaal 3 des Aula-Gebäudes meine Vorlesung Verfassung, sehr gut, sehr stolz darüber, weil ich die ganzen Hörer bis [40]zum letzten Augenblick in der Hand hatte. Schnell nach Hause, am Bahnhof Lichterfelde West eine hübsche Hörerin, Fräulein , die Volkswirtschaft studiert. Mittags geschlafen (während ich schlief [41]rief v. d. Heyden auf der Durchreise nach Holland an, Duschka wollte mich nicht wecken, er wollte später anrufen, tat es aber nicht, ob er beleidigt ist?) Ich trank eine Tasse [42]guten Kaffee, um ½ 6 kam der Fahrer, ich fuhr mit dem General v. Schickius zur Intendanturakademie in die Wilmersdorfer Straße. Nette höfliche Offiziere, der sympathische Sperlich,

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[1]Hielt meinen Vortrag Wirtschaftskrieg zur See vor den Offizieren, die mit eisernen Gesichtern dasaßen, einige mit kritischer Aufmerksamkeit. Ich war nicht sicher, ob ich Interesse fand, [2]ob ich zu hoch oder zu tief griff, zu viel oder zu wenig juristisch, Angst vor einigen Spezialisten, kurzum ich war nicht zufrieden und unsicher. Hinterher mit dem [3]Chef des Armee-Verwaltungsstabes von Wandersleben, mit Generalintendant von Buschenhagen, Sperlich, Schickius und einigen anderen noch ein Glas Bordeaux, sehr nett unterhalten, aber [4]das Gefühl der Unsicherheit auch bei diesen; was ist es? Haben sie etwas anderes erwartet, und was haben sie erwartet? Was bin ich in einer solche Umgebung; ich habe mich [5]zu sehr angestrengt. Gestiefelt und gespornt, das ist lächerlich, ich hätte in Hausschuhen auftreten müssen. Wem laufe ich nach? Welch törichte Unterwerfung. Um 8 mit Schickius [6]und Buschenhagen nach Hause gefahren. Dort sehr unzufrieden gewesen unbefriedigt, wollte alle möglichen Leute anrufen, um die Leere auszufüllen, tat es nicht, trank auch keinen [7]Wein mehr, hatte Nervenschmerzen im rechten Arm, aß mit Duschka und Anima in der Küche zu Abend, sehr nett, trotz des fürchterlichen Durstes keinen [8]Wein getrunken. Nachher noch mit Anima im Garten gespielt, um ½ 10 schon zu Bett. Um ½ 12 Fliegeralarm, aufgestanden, heftige Nervenschmerzen, [9]2 Stunden im Luftschutzkeller, es ging ziemlich harmlos vorüber. Traurig wieder zu Bett.

[10]. Dan. 6. Aber ohne Bezug auf mich; mehr schon: Buch der Richter, Geschichte der Frau, die den hassenden Feind in ihr Haus lockt, ins Bett [11]legt und ihm einen Nagel durch den Kopf schlägt. Vorbildlicher Nationalismus. Traum von Duschka: Sie sieht Hans Popitz in einem weißen Hemd fröhlich und freundlich. Er schüttelt ihr die Hand. [12]Scheußlicher Traum; Albdruck; Invasion von und seiner Schar, dicke Knulche, mit Bouillontassen, spielen Wissenschaft, ich sehe meinen großen Schreibtisch und seine braune Platte [13]ganz glatt und leer, Angst, und Bedrücktheit, invasieren gleichzeitig in mein Arbeitszimmer, mein Eßzimmer und Duschka steht daneben [14]und bügelt, geht aber stillschweigend weg vor dieser Art Besuch. (Erinnerung oder Ahnung kommender Dinge?). Durch das schöne Wetter wieder munter, [15]gefrühstückt mit dem letzten Kaffee, wollte einige Briefe schreiben und freute mich auf den freien Vormittag. Immer noch unbefriedigt von dem gestrigen Vortrag. Gehöre ich nicht dahin, [16]was ist das überhaupt? Wie ganz anders die Situation in Rumänien! Mensch, wilder, besinnlicher. Streng dich nicht mehr an, armer Teufel. Schrieb schnell 4 Briefe (an Frau von [17]Schnitzler, mit Abschrift der Briefe von Bruno Brehm und Grüninger, an Jünger, wegen Gauger, an den Dekan und Direktor wegen meiner Reise nach Spanien, und an Groh wegen seiner Mahnung bezüglich [18]Erler, Spamer und Pfeifer, brachte das alles zum Kasten. Hatte immer etwas Druck im Kopf; Arterienverkalkung? Nach dem Essen geschlafen, um 5 auf, schönes Wetter. [19]Einsam, menschenbedürftig, am Schreibtisch schon etwas gearbeitet; Gefühl der Schande (Mißverhältnis des Zusammenhangs von Schutz und Gehorsam; einer verlangt die [20]totale Unterwerfung und kann einem nicht einmal die Nachtruhe gewährleisten). Bedrückt; ob ich wohl nach Spanien komme? Wo bin ich heute in 14 Tagen? Nachricht von [21]der Beendigung des Kampfes in Tunis, als auch das als Sieg gefeiert. Abends früh zu Bett, keinen Wein getrunken. Im Bett Hamel über Staatsgebiet, scheußlicher Kerl.

[22]. Aus dem Buch der Richter gelesen: Simson (herrlicher Übergermane). [23]Morgens am Schreibtisch über den Nomos eine Seite sehr schön formuliert, milder über Hamel gedacht. Etwas Spanisch geübt, die Zeit vergeht schnell. [24]In Erwartung des Abends. Bei Popitz angerufen, auf Wunsch von Frau von Schnitzler, die ihn heute abend sehen möchte, er kommt aber nicht; tat mir leid, daß ich angerufen hatte und versuchte [25]das zu vergessen. Nachmittags nicht ausgeruht, es ist warm und gewittrig, um 6 kamen Klićković und Fräulein Petrović, um 7 Garcia Diaz, sympathisch, [26]übersetzte eine Stunde mit mir, tiefstes Mitleid mit diesem Mann, ergriffen von seiner Menschlichkeit und Höflichkeit, heftig bewegt. Liselotte kam nicht, ihre Mutter kam allein, [27]sprach mit Anima, aß mit uns zu Abend, wir tranken 3 Flaschen schönen Wein (Drohner, Ruppertsberger und den Bösinger), sprachen über die Situation, [28]über ihren Mann, erschrak vor der Situation, was geht sie mich an; erzählte ihr dummerweise von durch und für, was sie aber nicht begriff. Liselotte rief an, sie [29]war bei Goebbels in Schwanenwerder; begleitete Frau von Schnitzler zur S-Bahn Lichterfelde West. Traurig und einsam zu Bett. (Alle sind gleich, unverschämt und sadistisch).

[30]. Tröstlich; 2 Makk. 10,6 (und gedachten daran, daß [sie] vor einer kleinen Zeit ihr Laubhüttenfest in der Wildnis und in der Höhle wie [31]die wilden Tiere gehalten hatten).[32]Etwas Kopfschmerzen, erschrak vor der Aufgabe, den Vortrag spanisch zu halten, kann in Wirklichkeit nichts, ganz lächerlich. Schrieb an Hahn (wegen Lorenz von Stein) und Keiper. [33]Wut auf die jungen Leute; auf Unverschämtheit und Sadismus geschult. Telefonierte Von Gauger angerufen, der Grüße von Ernst Jünger aus Paris überbrachte. Will später wieder anrufen. [34]Wieder am Telefon, diese verkopfte Zurückhaltung und Unehrlichkeit. Wartete auf Frau von Schnitzler, die mit Liselotte zum Essen kommen will und sich natürlich verspätet. Törichter Umgang [35]mit solchen Leuten. Sie erzählte vom Tod des Prinzen Georg von Sachsen in Glienicke (ertrunken??). Die arme Liselotte sah krank aus, war rührend und nett. [36]Erzählte von Budapest, Pinders Vortrag über Dürer, sie erzählte wie ein Kind, entsetzliches Mitleid mit diesem schönen Mädchen. Man meint, sie wäre geschlagen worden. Nett unterhalten, [37]bis 3 Uhr, dann begleitete ich beide, mit Anima zusammen, zur Gelfertstraße, wo sie Herbert Göring besuchen. Zuhause ausgeruht, um 5 kam [38]Frau Marcks, geheimnisvolle Frau, mit ihrer Tochter Mirzel; wir tranken Tee und aßen schönen Kuchen; sprachen auf der Veranda über Tonika, Dominante, [39]merkwürdige Intuition dieser geheimnisvollen Frau; über Napoleon, der auch ein Mensch war; ich begleitete sie zum U Autobus; Duschka fand sie so schlecht angezogen. [40]Abends der Anruf von Trans-Ozean (Gehlig?) wegen der Verlängerung des Ges. 24/3 43; das regte mich auf; rief noch bei Popitz [41]an, der aber auch nichts wußte. Trank noch ein Glas von dem Pfälzer Wein; den Bösinger, den wir mit Frau Marcks getrunken haben; müde [42]und herzkrank; vernichtet, das Unrecht und die Schande sind zu groß. Nachts Alarm; aus dem tiefsten Schlaf gerissen, scheußlich.

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[1]. Früh aufgestanden; eine Stelle Jerem. Den letzten Kaffee, mit der U-Bahn zum Bezirkskommando, schnell erledigt, mit Hoche telefoniert, [2]für Donnerstag verabredet; offenbar freute er sich über meinen Anruf. Dann meine Vorlesung gehalten, nicht gut, aber es ging. Nachher eine Spanischstunde mit [3]Alvares Prada, um 2 zum Rektor, nett, erinnerte mich an den alten Lamberts, sehr rheinischer Typ, alles schnell erledigt, [4]mit dem Kurator noch über die Prüfung, die das Ministerium für bestanden erklärt. Dann zu Alfons Adams am Kronprinzenufer, er gefiel mir nicht; [5]zu selbstgefällig, eingeweiht, schliekenfängerisch; aber er hilft mir anscheinend gut. Tief davon betroffen, daß die ganze Fakultät und die Rektoren [6]nach Pressburg reisen, zu Tuka, um ihm den Doktorhut zu überbringen. Schieberei. Bedrückt und traurig nach Hause; aus der Reise nach [7]Portugal wird nichts. Armes Mückchen. Zu Hause ausgeruht, um ½ 7 kam Schmoller, gleichzeitig Appel, der Französischstunde [8]gab. Mit Schmoller über Wirtschaftsverwaltungsrecht, die Stellung der Verwaltung zwischen Partei und Polizei, die Wirtschaftsverwaltung und Selbstverwaltung. Sehr nett. [9]Wir aßen mit Appel zusammen, Duschka war sehr verschwenderisch mit der letzten Wurst, tranken eine Flasche Rotwein, mir war Appel tief unsympathisch, wie all diese [10]elsässischen , auf die kein Verlass ist. War todmüde und ging traurig um 10 zu Bett. Duschka hatte noch bis 11 Stunde. Lächerlich.

[11]Popitz rief an, wegen der Oper und wegen des Ermächtigungsgesetzes. Beim Reichsjustizprüfungsamt angerufen, daß ich Freitag nicht zur Prüfung kann. [12]Nett mit Präsident Kurz gesprochen und die letzen Töne zusammengekratzt. Jetzt ist also wirklich Schluß.

[13]. Salomo baut den Tempel. [14]Nachts ejakuliert, wunderschön der Blick von Frau Corina Sombart. Sehr beglückt davon; [15]Brief von Wieacker über Georgescu, der mich freute. Mit dem Reichsprüfungsamt telefoniert und für Freitag abgesagt; zu allmählig wird es ernst mit der spanischen Reise. [16]Fuhr fröhlich zur Universität, nihilistische Fröhlichkeit. Traf Ritterbusch und sprach mit ihm über Hahn (wegen der Biographie, und über Rabl über den wir uns einig waren, daß er ein [17]Windmacher ist), mit dem Spanier Alavarez Prada eine Stunde, nett, aber etwas langweilig, fand den Garcia besser und freute mich auf den Nachmittag. [18]Hielt meine Vorlesung Verfassung gut, aber es geht zu langsam. Mit einem Holländer van Doyl, den ich um Walter Schätzels Buch aus dem Friedenspalast bat. [19]Zu Hause freute sich Anima auf den Freischütz. Ich ruhte gut aus, Duschka wieder unpünktlich. Um ½ 5 ging sie zur Oper. Ich wartete zu Hause auf den [20]Ungar Karczay, der aber est um ¼ 6 kam. Nette Unterhaltung über Amtshaftung, er ist klug, erinnert mich etwas an Rabl; er blieb bis 8 Uhr. [21]Garcia kam nicht; er hat abgesagt. Zu schade. Eigentlich hat er recht. Wunderschöner Abend. Wartete auf die Rückkehr Duschkas und Animas aus der Oper. Sie [22]haben Klićković und Fräulein Petrović mitgenommen. Sie kamen um ½ 10, wir tranken noch 2 Flaschen Rotwein, unterhielten uns gut bis 11 Uhr über die Talsperren, [23]die durch Fliegerangriffe zerstört sind.

[24]. 1 Makk. [25]Kein Kaffee zum Frühstück. Es geht also auch so. Um ¼ nach 9 schnell zur Bahn, zur Spanischstunde. Kein guter [26]Nachgeschmack von Karczay. Nette Spanischstunde mit Alvarez Prada. Hielt meine Übung, viel zu eifrig. Nachher noch [27]mit Weber und Maiwald. Müde nach Hause; geschlafen. Um 5 zur Universität, mit Emge im Professorenzimmer, ein widerlicher Hund, ein Schwein, [28]die dreiste Unverschämtheit, mit der er Tuka über Spengler stellte. Das ist das 3. Reich. Duzfreund von Loesch. Hörte in der alten Aula [29]den Vortrag des Ungarn Haendel, aus Debrezin. Über den Krieg, , , trauriger Quatsch, dem man einen Luftalarm [30]gönnt. Nachher zum Adlon, mit Kohlrausch, Geheimrat Rock, Sickius, Höhn Berber, netter Wein und gutes Essen, hinterher [31]sogar Cognac und Sekt. Um 11 mit Höhn in der S-Bahn nach Hause.

[32]. Die Landnahme Josuas. Schrieb einen Brief an den Vater, zum 80. Geburtstag der Mutter (22/5 43). [33]Wieder kein Kaffee, Brief von Grüninger, der mir sehr gut tat (Untergang Karthagos). Traf Karczay im Professorenzimmer der neuen Aula, gab ihm Wasse [34]mit, der ihm das Seminar zeigt. Hielt meine Vorlesung (über Staatschef und Regierungsschef, sehr gut), eine Stunde Spanisch mit Alvarez. Währenddessen [35]Alarm, das brachte einen in die richtige Haltung. Fuhr müde und hungrig nach Hause, schlief, um 5 aufgestanden. Dann kam Garcia, [36]wir unterhielten uns, über Spanien (Conde ist , der arme Garcia mit seinen 5 Kindern). Wir aßen schön zu Abend, Duschka hatte [37]gute Kartoffeln, Anima betete (was ihn offenbar halb freute und anheimelte, halb abstieß). Dann gingen wir zu Hoche, wegen des Erlasses vom 15/5 43. [38]Guter Gumpoldskirchner, mit Dr. Möhring bekannt geworden, der über Jünger sprach und nur von sich selbst erzählte. Um 12 kam Fliegeralarm. [39]Wir gingen daher schnell nach Hause. Duschka blieb noch im Luftschutzkeller mit Anima, ich ging bald zu Bett. Jetzt weiß ich also, warum

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[1]und wie solche Erlasse zustande kommen: Bedürfnis nach Legalität.

[2]. Ps. 9 14/5 (die Tore des Todes, die Tore der Tochter Zion), sehr tröstlich; dachte an die Landschaft von Affeln; [3]auf die Sorpe-talsperre sind auch Bomben gefallen. Müde und nicht ausgeschlafen, vermißte den Kaffee, Brief von Oberleutnant Hahn, der sich mit meinem Brief gekreuzt hat. [4]Müde am Schreibtisch, allmählig Angst vor dem spanischen Vortrag. Keine gute Nachwirkung des Abends von Hoche und Möhring; dieser Möhring ist zu dick, zu selbstgefällig. [5]Ich ertrage das nicht mehr. Herrliches Wetter. Mittags zur ungarischen Gesandtschaft, Frühstück Haendel, sehr gutes fettes Essen, gute ungarische Weine, das tat mir sehr gut. Große Sympathie [6]für diese habsburgischen Typen, die mir alle wie Verwandte vorkommen. Siebert erzählte mir, daß Heinrich Lange einen seiner scheußlichen Aufsätze im Archiv für die civilistische [7]Praxis veröffentlicht hat. Fuhr mit der U-Bahn nach Hause, ruhte einen Augenblick aus, dann kam Schmid, liebenswürdig, elegant, schwärmte von Gilles. [8]Wir tranken Tee, um 6 kam auch Mutius, zu meiner großen Freude, nachher noch Peter Oberheid. Schmid wollte immer Manuskripte kaufen und kostbare Bilder. [9]Das gefiel mir nicht. Er unterhielt sich auffallend freundlich mit Peter und mit Mutius. Wir tranken eine Flasche Bösinger. Um ½ 8 ging er weg, während [10]wir zu Abend aßen. Sonderbare Sache. Bin mir nicht klar. Mutius bestätigte meine Vermutung, er kannte ihn von der Jugendbewegung her. Er hat gut über Barth und Banner [11]gesprochen, fabelhaft darüber, daß der Mensch nicht über 12 km in der Luft fliegen kann, weil sich dann alles in Schallwellen verwandelt, die Luft hart wird wie Stein. [12]Schneller als Schallwellen kann man nicht durch Luft fliegen. Mit Mutius noch sehr schön, über die 3 Dörfer, er will mich immer zum General Epp bringen. Guthjahr rief auch an, [13]konnte aber nicht kommen. Hatte am Telefon den Eindruck, daß er sich lustig macht. Begleitete Mutius zum Autobus. Peter blieb bei uns. Ging zu Bett. Um 12 Alarm, [14]stand aber nicht auf. Was ist das für ein Vokabularium: Dämon, Bann, satanisch, solarisch, tellurisch, lunar usw.? Spricht man so darüber?

[15]. Hes. 15.7: Daß das Feuer sie fressen soll, ob sie schon aus dem Feuer herausgekommen sind. Was bedeutet das? Tief ergriffen. Schlecht geschlafen, [16]scheußlich ohne Kaffee, kann überhaupt nicht mehr arbeiten, sondern döse herum. Sympathischer Brief von Johannes, kein guter Nachgeschmack von Schmid, er ist also doch wohl so, [17]wie ich dachte. Karte von Frau Jünger, daß wir kommen sollen; es geht aber nicht mehr. Schrieb an Frau Jünger und an Johannes. Todmüde nach dem Essen geschlafen, [18]es ging mir etwas besser, um 6 kam Garcia. Nette Unterhaltung, übersetzt meinen Vortrag, schade, daß ich nicht mehr Zeit habe. [19]Er aß mit uns zu Abend, Peter Oberheid war auch da, wir tranken französischen Rotwein. Um ¼ 11 ging Garcia. [20]Tat mir leid und hatte das Gefühl, ihn nicht taktvoll genug behandelt zu haben, sprach noch mit Duschka und Peter. Völlige Verzweiflung und Gefühl [21]des Endes. Wette mit Duschka, daß diese Nacht keine Flieger kommen. Um ½ 12 zu Bett. Einer brüllte draussen: Wer macht denn da Festbeleuchtung? [22]Jawohl, das ist Festbeleuchtung. Des Nachts kein Alarm, gewinne meine Wette mit Duschka.

[23]. Sach. 3.2 (ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer erettet ist?)[24]Um ½ 10 sehr müde auf, aber munter durch den Kaffee, den Peter Oberheid mitgebracht hatte, nette Unterhaltung mit Peter über Schmid und die Jugendbewegung; dann kam [25]Alvarez Prada, wir übersetzten sehr nett im Garten, bis 1 Uhr, aßen zu Mittag, er hatte Kaffee mitgebracht, wir tranken noch sehr schön eine Tasse [26]zusammen und unterhielten uns (erzählte von Macht der katholischen Kirche in Spanien, Nachricht, daß Samuel Hoare zum Katholizismus übertreten wird). [27]Begleitete ihn zum Autobus und wartete auf den Anruf von Keiper und den Besuch von Fraenger. Beides kam sofort, Fraenger las über [28]das Triptychon von Bosch vor, besonders den linken Seitenflügel, die adamitische Deutung, Konrad Kannler [29]aus Eichstätt, zwischendurch rief jemand für Fräulein Anna, die Köchin an, eine entzückende weibliche Stimme, wie die junge Frau von Schnitzler, [30]es war, wie sich herausstellte, Anima; ich war beglückt, über diese Stimme und Fröhlichkeit meiner Tochter. Aßen zu Abend mit Fraenger, Kliĉković, [31]Fräulein Petrović, Peter Oberheid, sehr nett, eine Flasche Moselwein; Fraenger erzählte auch von Samuel Hoare und bindet [32]die Bilder von der aus Passau, die Niermann entdeckt hatte. Um 11 müde zu Bett, konnte nicht einschlafen; spanisch gelernt, aber ohne [33]Hoffnung eines Erfolgs, in Erwartung des kommenden Endes.

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[1]. Nachts: Jud. 12 (Ich darf noch nicht essen von deiner Speise)[2]Konnte nachts nicht einschlafen (der Kaffee?), dachte an meine Mutter; hatte Nervenspannungen, das Bild von Bosch, das Fraenger erklärte, verfolgte mich, scheußlicher [3]Jeck. Müde aufgestanden. Brief von Ännchen aus Plettenberg, auch das ist zerstört. Der arme Vater. Traf Unter den Linden Weber-Schumburg, sprach [4]ein paar Worte mit ihm, begleitete mich zur Universität, erzählte, daß Blötz verreist ist. Verabschiedete mich von ihm. Traf Groh in der Universität, [5]der über den Mangel an Nachwuchs klagte, in Berlin 5 Professoren des Öffentlichen Rechts, von denen aber nur Höhn und ich lesen. Dann Höhn getroffen, [6]er wollte einen Mitarbeiter für seine internationale Verwaltungsakademie in Madrid; ich versprach ihm das Mögliche zu tun. Er warnte mich, das Flugzeug für die Rückfahrt an dem [7]Tage zu benutzen, den ich angegeben habe. Ich war bedrückt. Sprach mit dem Kurator, dann eine gute Vorlesung über die Kontinuität der Legalität. [8]Müde nach Hause, eine Stunde geschlafen. Zwischendurch immer spanisch gelernt. Angst und Sorge wegen der Reise. Ischias, ziemlich schlimm; vielleicht kann ich doch nicht reisen!

[9]. Jud. 16,9 (schöne Kleider). Heftige Ischiasschmerzen; stand auf und kroch zur S-Bahn, fuhr mühselig [10]zur Universität, 11-12 Spanischstunde bei Alvarez, dann im Hörsaal 3 der neuen Aula eine Stunde Verfassung; aber doch damit fertig [11]geworden. Wunderte mich selber darüber. War aber noch nicht sicher, ob ich fahren kann. Ruhte mittags aus; Tante Luise war da. Um ½ 5 aufgestanden, [12]weil Ahlmann kam, schöner Tee und nachher schöner Wein (Deidesheimer und Bösinger), er erzählte mir von der Taktlosigkeit und [13]Proletenhaftigkeit Nebels, der sich rühmte, mein Land und Meer beeinflußt zu haben, erschrak vor meiner Dummheit und Schwäche, über Höhn, [14]die Möglichkeiten eines Friedens, über Spanien, Samuel Hoares Konversion, begleitete ihn trotz der Kälte zur U-Bahn, [15]zurück. Früh zu Bett. Duschka war bei der Bank, wegen der Devisen für Spanien.

[16]. Ziemlich gut geschlafen, fühlte mich fast wieder gesund, 2 Chr. 20,21 (Danket dem Herrn, denn seine Barmherzigkeit währet ewiglich).[17]Hielt meine Übung nicht, telefonierte mit Adams, alles scheint in Ordnung zu kommen, räumte etwas auf, machte das Verzeichnis meiner [18]Schriften für den Kurator, so wird es allmählig ernst. Will heute Nachmittag in die Fakultätssitzung gehen; um ½ 6 zum Friseur, um 6 Guthjahr [19]im Bristol treffen. Nahm fortwährend von meinem Arbeitszimmer Abschied; ob ich das alles wohl wiederfinde? Nachmittags Fakultätssitzung, [20]starb fast vor Einsamkeit und Angst vor diesen Menschen und ihrer Scheinbeschäftigung, besonders Berber und Emge. Sprach für Michaelis, am nettesten noch der alte Heymann. [21]Protestierte dagegen, daß Tukas Buch wissenschaftlich sei und bei ihm scheinbar ist die ; trat für die Habilitation von Hahn ein. Kohlrausch gab [22]mir ein Pulver gegen Ischias. Ich kroch dann zum Bristol, ließ mir die Haare schneiden. Traf um 6 Guthjahr, trank einen Wermut mit ihm. [23]Sprachen über S.A. und J.V.. Um ¼ 7 Schroer, zusammen zu mir, aßen zu Abend, tranken eine Flasche Drohner und [24]eine Flasche Rotwein; sprachen über den kommenden Terror, Schroer war grauenhaft; sie wollen alle Juden auf dem ganzen Erdboden vertilgen. Guthjahr [25]war nett und frisch, problemlos, besser als . Begleitete ihn um ½ 10 zur Bahn. Schroer wurde um ½ 11 abgeholt.

[26]. Jes. Der Mann der Schmerzen, stellvertretende Leiden.[27]Duschka hat von Hahm : er erscheint im schwarzen Rock in einer Gesellschaft, mögliche Tochter von ihm, ist halbblond, [28]sie begrüßt ihn nett, die Frau tut, als sehe sie ihn nicht. Zur Dresdner Bank, Geld geholt, Schuhe bei Jacoby, hielt meine Vorlesung Verfassung 12/13, [29]bei dem Kurator Büchsel, der mich lange warten ließ und meine Briefe versiegelte, wartete geduldig eine halbe Stunde, todmüde nach Hause, eingepackt, im Bett, [30]Kličković kam, dann Maiwald, mit Wasse telefoniert. Maiwald war sehr nett und besorgte meine Schuhe, mit Kličković zum Flughafen, das Gepäck [31]aufgegeben, alles scheint nicht zu funktionieren. Traurig und deprimiert, die dumme Anmaßung, mit der man behandelt und getreten wird; traurig nach Hause zurück, [32]zum Glück rief Goruneanu an; er kam abends, wir tranken schönen Moselwein, er will mich morgen zum Flughafen fahren. Das machte mich [33]wieder fröhlich. Abends müde zu Bett, aufgeregt wegen morgen.

[34]. Um 5 auf, Goruneanu kam pünktlich um 6 1/4, wir frühstückten zusammen und fuhren mit Duschka und Anima zum Flughafen.

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[1]Leider dürfen in Deutschland die begleitenden Verwandten und Bekannten des Reisenden nicht mit auf den Flugplatz. So mußten wir uns um 7 vor einer Barriere verabschieden. Ich war verbissen und verkrampft, [2]wie immer in solchen Fällen. Wartete bis nach 8, bis das Flugzeug endlich abflog, sah eine unbefangene, sympathische Frau, die mir gefiel und die ich beinahe angesprochen hätte, [3]nachher in Barcelona stellte sich heraus, daß es die Frau des deutschen Gesandten von Huene ist. Flog bis Stuttgart über Deutschland, in Stuttgart von 11-3 Aufenthalt, [4]Panne, sah mich schon wieder in Berlin. Es soll also wohl nicht sein. Dann von 3-7 nach Barcelona, ohne in Lyon zu landen. Dort wieder eine [5]Motorenstörung, gewartet, kam nicht mehr nach Barcelona Madrid.

[6]Samstag, Sonntag, Montag mit Conde im Palace geübt.

[7]1/6 Dienstag Unterrichtsministerium, Vortrag über Cambio de estructura del derecho intern. [8]Schöner Erfolg.

[9]2/6. Mittags beim deutschen Botschafter, mit Herren der Botschaft.

[10]3/6 (Feiertag) Eugenio d'Ors, im Prado und in seiner Wohnung, [11]abends bei Graf Seefried.

[12]4/6 Freitag. Abends Beinert und Frau, Fräulein Schnevoigt ins Palace eingeladen, Conde und [13]Juretschke kamen noch hinzu.

[14]5/6 Samstag. Morgens bei Luna im Institut, abends bei Laín, (Zubiri und Frau).

[15]6/6. Sonntag. Wartete darauf, ob die Reise nach Salamanca klappt.

[16]7/6. Montag. Abends im Wagen nach Salamanca mit Castro-Rial und Conde. Gespräch über Juden, Kirchenbürokratie.

[17]8/6. Dienstag. Salamanca, Tovar und seine schöne Frau. Vortrag um 6; abends nach Madrid zurück, im Wagen über die Guadarrama.

[18]9/6. Mittwoch. Abends beim deutschen Botschafter. [19]Parteiminister Arese, im Prado.

[20]10. Abends bei de Casso.

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[1]. Morgens um 6 aufgestanden, Aufregung der Abreise, Castro-Rial kam zu meiner unendlichen Freude, ich hatte schon gefürchtet, er sei böse auf mich. [2]Große Liebe zu ihm; dann noch Conde, wir fuhren 7 ¼ zum Flughafen, frühstückten dort noch, Gepäckkontrolle ging gut, meine Befürchtungen [3]wegen des Koffers erwiesen sich als unbegründet, flog um 8.30 ab, herrlich nach Barcelona, über die kastilische Hochebene; in Barcelona war Rauschenbach, [4]wundervoll, gab mir Trüffel für Anima, wir tranken zusammen Kaffee, kaufte noch etwas Wein, lieh mir 26 Peseten, Paßkontrolle, Gepäckkontrolle, alles ging wunderbar, erzählte [5]von , Peterson, die sonderbare Wendung in meiner Beurteilung. Fröhlich weitergefahren, herrlich über das Mittelmeer, nach Lyon; um 2 Uhr, dort 10 Minuten Aufenthalt, [6]weitergefahren nach Stuttgart, die grauenhaften Schwaben, Ekel, Wut, Verdunklung. Um ¼ 5 weiter nach Berlin, alles ohne jede Sorge, nur wegen meines Gepäcks. Pünktlich [7]um 7 ¼ in Berlin, Last mit dem Gepäck, rief zu Hause an, der gute Goruneanu ist mit dem Wagen im Frühbringerdienst und wartet dort mit Anima. Lästige und umständliche deutsche [8]Organisiererei; freute mich, daß alles schließlich gut ging, um ¼ 8 waren wir schon in der Kaiserswerther Straße. Goruneanu ging weg und will Pfingstsonntag wiederkommen. [9]Ich packte aus, zeigte meine Schätze, aufgeregt und doch gleichgültig, trank eine Flasche Pfälzer Wein, erzählte etwas und ging müde zu Bett.

[10]. Todmüde geschlafen, bis ½ 11, immer noch müde; herumgelegen, an Bilfinger geschrieben (er hat wegen Lohmann einen schönen Brief geschrieben, [11]ich erwähnte in der Antwort Patinir), Fraenger rief an, erzählte ihm, doch sind mir die Schwaben jetzt widerlich. Nach dem Essen geschlafen, aber gestört um 3 Uhr [12]durch Rabl, scheußlich, ließ ihm sagen, daß er nächste Woche anrufen soll. Um 5 kam der Rumäne Cismigliu, sehr nette Unterhaltung, freute mich [13]über diese Art Geistigkeit, er erzählte von den deutschen Hindernissen gegen meine Reise nach Rumänien, will nach Rostock, vom Skandal, den in Bukarest gehabt hat. Begleitete [14]ihn zur U-Bahn. Dann müde herumgelegen, Ohrensausen, konnte nichts arbeiten, nicht den Bericht überlegen, traurig, deprimiert, erdrückt, von dem Gedanken an die Freundschaft der [15]Spanier. Abends eine Flasche Rotwein, mit Anima unterhalten, über den Brief von Roßkopf geärgert (der das alles im Vergleich mit Konrad Weiss [16]belanglos nennt), traurig noch herumgelesen, schließlich zu Bett; oh Gott, die herrschen.

[17]. Todmüde, geschlafen bis ½ 10, Anima ist in der Kirche, Ohrensausen. Lud Weber-Schumburg für den Abend ein; Keiper rief [18]an, hat einen Nachkommen von Stein entdeckt. Schrieb etwas Tagebuch, traurig und deprimiert. Keiper sah uns schon im Krieg mit Japan, als die einzige Lösung [19]China zusammengebrochen. Versuchte etwas zu arbeiten, trotz meines Ohrensausens. Nach dem Mittagessen geschlafen; Traum: Ich bin auf der Reise nach Tübingen, zu Heisenberg, [20]unterwegs geht mein brauner Lederkoffer verloren, mit dem Manuskript meines Vortrags. Heisenberg hat schon telefoniert, aber der Koffer ist mir vorausgeschickt worden. [21]Sonderbare Mischung aus den Erlebnissen der letzten Tage mit Tübingen, Heisenberg. Stand um 5 auf und fühlte mich ziemlich behaglich. Wartete auf Weber-Schumburg [22]und Goruneanu. Goruneanu kam zuerst, wir machten einen Spaziergang durch den Park und philosophierten über Großraum; er schwärmt für die Amerikaner. Um ½ 8 kamen Weber-Schumburg und Kličković mit [23]Fräulein Petrović. Wir aßen schön zu Abend, tranken 2 Flaschen Pfälzer und eine Flasche spanischen Rotwein, nachher noch spanischen Cognac; Goruneanu tat mir leid, weil er so [24]traurig ist. Kličković war auch verzweifelt. So ein Dasein, dieses sogenannte Europa. Um 12 gingen sie; Goruneanu fuhr Weber-Schumburg zum Bahnhof Zoo. Ging todmüde [25]zu Bett. Nachts Alarm, um 2 Uhr; ich schlief aber so fest, daß ich nicht dazukam, aufzustehen (sagte zu Duschka, die mich weckte: Was, in Madrid Alarm?) [26]Popitz rief um 9 Uhr an und lud uns für Dienstag Abend ein.

[27]. Schreckliche Ohrenschmerzen, Augenschmerzen, scheußlich, herumgelegen, Nomos der Erde gelesen, bin aber nicht mehr arbeitsfähig; andererseits [28]das Gefühl der großen Wirkung und des Augenblicks. Wenn ich jetzt nicht halte, ist alles verloren. Wie lange noch diese furchtbare Schande. [29]Duschka hat einen Sekretär für ihre serbische Korrespondenz. Ich armer Teufel. Ruhte mittags lange aus, wartete auf Frau Sombart und Ninette, oh du armes Tierchen. Sie kam wegen des Regens [30]später, war sehr temperamentvoll, erzählte von Spanien, fand sie nett, auch ihre Schmeicheleien, tranken eine Flasche Rotwein, in Friedensansicht, lachte und schrie, [31]die arme deutsche Tochter daneben, brachte sie abends zum Autobus. Traurig zu Bett.

[32]. Immer Ohrensausen, erste Vorlesung vor wenigen Hörern, sehr anstrengend und gemütstrunken, Fotokopien von Nys machen lassen, [33]geheimnisvolle Hemmungen, lernte dadurch aber Frau Alpers kennen, ihr Bruder ist durch mich nach gekommen, durch , wie sonderbar, aus Bonn. Wieder geschlafen, ausgeruht.

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[1]wütend wegen der unpünktlichen Duschka, im Regen zu Popitz, dort mit Jessen und Frau zusammen. Spät zu Abend gegessen, guter Wein (Frau Jessen: [2]Sie sind ein Europäer; nachher Jessen dasselbe). Immer Ohrensausen und schwere Depressionen. Blieb bis 1/2 3, wegen des Alarms, mit Moessinger [3]über , also auch das erledigt; zu Fuß nach Hause.

[4]. Furchtbares Ohrensausen, rief bei Eiken an. Müde zur Universität, kurze Übung, mit Wasse gesprochen. [5]Maiwald war nicht da. Müde nach Hause, Aufsatz von Liermann, den mir Jünger schickte, Aufsatz Steins über Musik und Staatswissenschaft, schade, [6]daß es nicht ernst genug ist. Brief von Ännchen, schwere Depressionen; Schnevoigt gestorben. Als ich in Madrid war. Dachte an Salazar. [7]Alles kommt zu seiner Zeit. Inzwischen regiert Babo. . Nachmittags zum Doktorexamen, der arme Roos fiel durch; Wut über Bruns, der [8]seinen Kandidaten einfach sehr gut gibt und sie dadurch durchschleust. Sah Siebert, Höhn, Gieseke und war sehr deprimiert. Mit Höhn nach Hause. Er [9]machte den good fellow. Früh zu Bett, sofort eingeschlafen; nachts Alarm, aber nicht aufgestanden.

[10]. Traum: in Leipzig, der Stadt Freyers, an Buchhandlungen und an schönen Geschäften vorbei, man zeigt mir das [11]Büchlein eines Schriftstellers namens Nachtschweiß; Ich denke Methode: Wer weiß, wie er wirklich heißt. (Am Morgen [12]erinnerte ich mich stattdessen: Angstschweiß), welch eine Parodie auf mich selbst. [13]Etwas ausgeruht, immer noch Ohrensausen, aber unternehmend, telefonierte Adams und Six. Hielt meine Vorlesung nett (über Gebietstheorien), in der Meinung, daß Heinz Popitz vielleicht dabei war. Fuhr mit der U-Bahn [14]müde nach Hause zurück. Bescheiden zu Mittag, ausgeruht, Schneider rief an und kommt morgen, ziemlich frisch nachmittags auf Maiwald gewartet (er hat, ohne mir etwas zu sagen, [15]bei Siebert seine Habilitationsschrift eingereicht) mit Maiwald Kaffee getrunken, während Duschka mit Anima und Fräulein Petrović bei einer Serbin ist, wir unterhielten uns bis [16]½ 10, über seine Habilitationsschrift, ärgerte mich doch über seine Eigenmächtigkeit, gab ihm Ratschlag, zu Bruns zu gehen, dann sprachen wir noch über humanistische Bildung, Europa und Christentum [17]usw. Er wird mir immer undurchsichtiger und ich möchte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Um ½ 11 kam Duschka zurück, dann Klićković, aßen noch zu Abend, [18]tranken Moselwein, den Fräulein Petrović besorgt hatte, um ½ 12 traurig ins Bett. Des Nachts Alarm aber nicht aufgestanden; immerhin schlimm im besten [19]Schlaf gestört.

[20]. Traum: Erwarte Ernst Jünger, Gespräche, Situationen, ich weiß es nicht mehr. Morgens müde auf, wie schön, wenn ich über [21]Vitoria arbeiten könnte; dummer Brief von Hahn wegen Lorenz von Stein; Pfeiffer rief an wegen eines Portugiesen, der heute Nachmittag kommen soll; ich dachte daran, daß [22]heute der Geburtstag von Fritz Eisler ist; aber vor 30 Jahren hatte ich unsere Freundschaft schon durch lächerliche collage mit einer Betrügerin beschmutzt. Zum Haarschneiden und zum [23]Ohrenarzt Eicken; dummerweise zur Bank französische Francs abgeliefert. Tief durchdrungen von der Wahrheit der Prognose Guénons, weg [24]aus diesem Schmutzloch; erkannte meine lächerliche Illusion, ich wäre der Glückspilz, als den die Jüdin Berend mich ernannt hat; wie traurig, ging zur [25]Auerstraße, langsam, vergiß nicht: In dieser Depression sieht dich der eine, der dich hält, genau so, wie wenn du dich oben fühlst. Setzte mich einen Augenblick [26]am Robert Koch Denkmal, es trägt die Inschrift: Dem siegreichen Führer im Kampf gegen den Tod! Na ja. Dies tiefere Gesicht dazu. Komm endlich, [27]süße Stunde der Befreiung. Bei Eicken ging es schnell, rührender Mann, holt Schmalz aus dem Ohr, aber das Ziehen scheint zu [28]bleiben. Müde mit der Sbahn nach Haus; erdrückt von dem Schmerz dieser Welt. Ausgeruht, nachmittags kam der Portugiese Moncada; ich hole

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[1]ihn an der U-Bahn ab (er hatte sich verfahren). Wir unterhielten uns sehr schön bei einer Tasse Kaffee, sein Vater schrieb über Individuum und Gemeinschaft bei Thomas von Aquin. [2]Erzählte, daß Gidel in Paris mich rühmte, von dem Katholizismus Verdross, der rumänischer Vertreter in dem Dobrudscha-Prozeß war (!) und am Prisengerichtshof [3]ist, um ½ 6 kam Hans Schneider, mit Orden geschmückt, als Hauptmann, ich begleitete Moncada nach der S-Bahn, zu Schneider zurück, der sehr nett [4]erzählte, in Breslau Professor geworden ist, wir tranken eine Flasche Pfälzer 37 (Ruppertsberger), er erzählte von Erik Wolf, dessen Interesse an Land und [5]Meer, der Besuch Jüngers in seiner Käfersammlung, der Wolf enttäuscht hat, von den Spaniern (sie wollen immer Nahkampf[)], um 8 begleitete ich ihn zur U-Bahn. Abends früh zu Bett. Zum Glück kein [6]Alarm, sodaß ich gut durchschlief.

[7] Nach dem Frühstück kam Klićković mit seiner Braut, wir gingen um ¼ nach 10 zum Standesamt Faradayweg, Ziviltrauung mit der üblichen [8]Inhaltslosigkeit, rührender Standesbeamter, in einer wahrscheinlich früher jüdischen Villa. Zu Hause Kaffee und Schnaps, dann im Regen mit der S-Bahn zum Bistro, dort [9]ein schönes Mittagessen, mit Retcic, dem Chef von Klićković; er erinnerte mich an Frank (das muß wohl ein verbreiteter Typus sein). [10]Schönen Wachenheimer getrunken, keine Tischrede, todmüde, furchtbare Depressionen, erdrückt von dem Serbentum Duschkas, um ½ 4 zu Hause, [11]3 Stunden im Bett. Um 7 etwas erleichtert aufgestanden. Der Aufsatz für die Marine-Rundschau bedrückt mich etwas. Abends nichts mehr getrunken, mit Anima geplaudert. [12]Duschka kam um ½ 10 und aß und trank gut. Sie denkt nur an die serbische Hochzeit. Ich ging traurig zu Bett. Ein Paket aus Agram soll abgeholt werden, Duschka ist überzeugt, [13]daß ein Sprengstoff darin ist.

[14]. Um ½ 9 mit Ohrensausen aufgestanden. Traurig den Aufsatz für die Marine-Rundschau zurecht gemacht, an Wasse telefoniert, wegen des [15]Paketes aus Agram an meinen Assistenten Wasse telefoniert, auf Frau Giese gewartet, etwas zurecht gemacht. Erdrückt von dem Übergewicht Duschkas, einsam wie [16]nur je in meinem Leben, in den traurigsten Zeiten meiner ersten Ehe. Grauenhaft. Trost in einem Vers, einem spanischen Wort, Flucht nach [17]La Coruña. Dabei die übertriebenen Vorbereitungen für die Hochzeit von Klićković, Geld herausgeworfen. Geheimer Trost: Das ist alles schon [18]einmal da gewesen und vorübergegangen. Es geht mir wie dem armen Hahm; aber ich habe ein bißchen mehr Erbmasse, darum dauert es einige Zeit länger. Las inbrünstig [19]Peman, de la Bestia y el Angel, über das Cruz und su exacta nobleza (ohne Krümmungen (sin [20]torceduras!)[)]. Um ½ 3 mit Duschka, Anima, Gilles, Klićković und Frau zur Nachodstraße, Trauzeuge bei der russischen Trauung, die sehr schön [21]war: fast Tränen in den Augen; die gute mütterliche Duschka leitet alles und macht das alles. 3x um den Altar gegangen, die Krone über dem Kopf von der guten [22]Cica gehalten. Gerührt von den Slawen. Im Übrigen generell passiv. Sah Maiwald, Frau Niederhausen. Wunderschöner Hochzeitszug mitten in dem fürchterlichen Berlin. [23]Um ½ 5 waren wir wieder zu Hause und tranken Kaffee. Ich ruhte etwas aus. Um 7 aufgestanden, Semjonow kam mit seiner Frau, wir aßen wunderschön zu Abend, [24]Gilles war sehr nett (‚Zielstrebigkeit führt immer in die Sackgasse); Tiefenperspektive in das Bild hinein‘). Schönes Abendessen, hielt meine Tischrede (konkrete Ordnungen, die Bibelstelle: sie aßen und [25]tranken und feierten Hochzeiten; und der Maelstrom). Klićković erwiderte ganz rührend; neben mir saß links Frau Semjonow, fand sie sehr hübsch, aber anstrengend [26]und zu damenhaft anspruchsvoll: Die Gäste blieben bis ½ 12. Moselwein, den Klićković besorgt hatte, schlechter weißer Bordeaux, ich stiftete noch 2 Flaschen Rauenthaler 37. [27]Müde und mit Herzbeschwerden ins Bett. (Europäer: Thomas Mann? André Gide? Ortega y Gasset.[)] Nachts Alarm; stand nicht auf.

[28]. Müde und angestrengt aufgestanden, froh, als ich meine Vorlesung (Gebietshoheit) beendigt hatte; sehr nett mit Torzsay-Biber, [29]der auf die Frage nach einem Europäer erwiderte: wenn ich das sagen darf: Herr Professor sind ein Europäer. Er will Gajzago von mir grüßen und ihm von [30]meinem Vortrag in Salamanca erzählen. Geschlafen nach dem Essen, todmüde, kaum eines Gedankens fähig, schrieb schnell an Freyer, Telegramm von Frau von Schnitzler, [31]will doch nach Frankfurt fahren. ½ 6 kam Alfons Adams, erzählte ihm von meiner Spanienreise, erzählte die Geschichte von Zubiri und dem unheimlichen [32]Amerigo Castro, der 1930 Botschafter in Berlin war (ich dachte: Herr gib uns blöde Augen!) Hörte von dem Sonder-Bericht über mich in Madrid: [33]fenomenal profesor! Begleitete Adams noch etwas in die Thielallee hinein, er erzählte von den Fliegerangriffen auf Berlin; fühlte meine Situation; [34]nach dem Abendessen um ½ 10 kamen noch Klićković und seine Frau, wir unterhielten uns noch, ich trank spanischen Cognac mit Mineralwasser, todmüde und [35]erschöpft ins Bett. (Frau Marcks, die die blauen Rittersporn abbrach, weil der arme Mann (Jude) Selbstmord begangen hat[)].

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[1]. Etwas früher auf, um zu Six zu gehen. Pünktlich um 11 da, gute Unterhaltung, wir sehen die spanischen Bilder, sprechen über Freimaurerei; [2]wollte mich wieder anrufen. Dann meine Vorlesung Verfassung gehalten, glücklich damit fertig geworden. Müde nach Hause und gleich geschlafen, [3]gut ausgeruht, um ½ 7 zu Frau Marcks mit Duschka; bescheidenes Abendessen, nachher kamen Gebsattel und der Nachbar Behrens und Frau (vom Schering[-] [4]Konzern, kannte den guten Seefried), mit Gebsattel nett, aber zu viel unterhalten; über die Angst bei Jünger, die Strafe für den der [5]Dolchstoßlegende; Bollnow in Gießen (der Jünger und Rosenberg zitiert), der Angriff auf Krefeld, diese lustige Stadt. Die gute Frau Marcks [6]war sehr still, sehr guter Wein (). Um ¼ 11 nach Hause, mit der S-Bahn; um ½ 12 glücklich wieder zu Hause; beruhigter, im [7]eigenen Haus zu verbrennen. Nachts um 2 Alarm. Habe heute an Frau von Schnitzler telefoniert, daß ich Freitag komme. Überlegt wegen des Weines [8]und des Gepäcks.

[9]. Ohrensausen, Kopfdruck. Hielt meine Übung Völkerrecht vor 10 Mann, lächerlich, Besitzhoheit, mit Maiwald gesprochen [10](‚Gott überläßt die Welt sich selbst, das ist der Sinn der Technik‘; merkwürdiger Junge); am Schluß Grewe, [11]Scelle und Max Huber [(]von ½ 1 - ½ 5) mit Klićković, der mich am Denkmal abholt zu Uhle, 10 Flaschen Wein, [12]wir tranken 2 Schoppen Rotwein, fuhren mit der U-Bahn zurück; er erzählte (ich weiß genau, ob er, Maiwald, sie liebt, das ist alles; bei Hess [13]wußte ich gleich, daß er sie nicht liebt); traf Ritterbusch am Bahnhof Thielplatz, er kam aber nicht mit. Zu Hause todmüde. Anruf von Keiper, [14]der Enkel von Lorenz von Stein hat geschrieben, der Schlauberger Hahn hat verschwiegen, daß er ihn kennt und von ihm Material hat. Das machte mir [15]Spaß. Mit Klićković und seiner Frau zu Abend gegessen, noch eine Flasche Rotwein. Um 9 ½ todmüde zu Bett und gleich geschlafen. Zum Glück kein Alarm.

[16]. Gut ausgeschlafen. Um 6 wach: erkannte deutlich, erschrecklich: Der Haß gegen die Polen = der Haß dieser bösartigen [17]Evangelischen gegen die Marienverehrung; alles wird mir zu diesem Problem. Wie der arme Daumer. Nachher Traum, in dem ich Heidegger sah; sah etwas sonderbar aus, wie Otto, der Philologe. [18]Aufsatz für die Marine-Rundschau schnell fertig gemacht; Manuskript an Stromeyer zurück. Klićković brachte 10 Flaschen slowenischen Wein. [19]Großartig. Fuhr mit ihm in die Stadt zur Vorlesung. Keine gute Vorlesung (über Volkszugehörigkeit), nachher ein Rumäne, ferner der Serbe [20]Nowakov, ein guter, energischer Typ, den mir Klićković vorstellte. Fuhr mit den beiden in der U-Bahn. [21]Von Klićković am Thielplatz verabschiedet. Zu Hause ausgeruht, um 5 zum Kurfürstendamm zum Gebäude der Militärintendantur- [22]Akademie. Vortrag von Jessen über Nutzung der besetzten Gebiete. Interessant, sah seine Stärken und seine Grenzen. Nachher noch ein Glas Rotwein [23]mit dem General Wandersleben, Oberfeldintendant Sperlich und andere, sympathisches Gespräch über die Einheitlichkeit der Führung. Jessen blaffte. Fuhr mit ihm im Wagen [24]zurück, er setzte mich an der Lachmannstraße einfach ab. Lief nach Hause, wo Popitz und Winckelmanns schon warteten. Sehr schönes [25]Abendessen; Winckelmann will über Max Weber schreiben, im übrigen unterhielt sich Popitz fast nur mit ihm. Ich empfing Kunde von [26]der Überlegenheit der englischen Literatur. Heinz war sehr nett, sprach von meiner Vorlesung (‚Sie suchen zu retten, was zu retten ist‘). Bis gegen [27]12. Popitz noch bis zum Botanischen Garten begleitet. Nach Hause zurück, es kam aber kein Alarm. Guter slowenischer Wein.

[28]. Wenig geschlafen, aber noch von dem guten slowenischen Wein angenehm betäubt. Packte schnell ein. [29]Duschka kümmert sich nur noch um ihre Serben. Zum Glück kam Klićković und trug mir das Gepäck. Begleitete mich zum [30]Anhalter Bahnhof. Schönes Gespräch über das Verhältnis von Raum, Recht und Plan, die Idee von Conde, als Mittel der idealtypischen [31]Ordnung der Erscheinungsform einer politischen Einheit. Bekam noch einen Platz und fuhr ab. Die Reise nach Frankfurt war nicht [32]anstrengend, las Mackinder; A seaman's point of view, mit großem [33]Interesse, gut, daß ich mein Land und Meer schon geschrieben habe. Schöne Fahrt durch Gießen, Hünfeld und Fulda, langweilige Gesellschaft

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[1]im Zug. Die Rede von Dietrich, dem Pressechef, über den europäischen Geist. Um 8 pünktlich in Frankfurt. Trug meinen Koffer zur Westendstraße, [2]Frau von Schnitzler war noch im Konzert. Rasierte mich, ruhte aus, dann mit Fräulein Gehl im Garten gewartet. Schnitzler kam mit seiner Frau, wir [3]aßen zusammen zu Abend, ich erzählte von Madrid, von Spanien, Frau von Schnitzler war sehr müde, ich gab ihr meine Schachtel [4]Pralinen aus Madrid als Geburtstagsgeschenk. Mit Schnitzler noch eine Flasche Enkircher und Sliwowitz getrunken, über die Lage, [5]die Abteilung P, seinen Namen in der Reutermeldung, bis nach 12. Hatte das Gefühl, daß ich lächerlich wie ein Rheinländer aussehe. [6]Geil ins Bett, dachte daran, ob ich Hella am Montag mit in das Professorenzimmer der Aula nehmen soll. Grauenhaft.

[7]. Gut geschlafen, behaglich und geil. Bequem angezogen und aufs Frühstück gewartet. Die nette Französin , [8]die mir das Tagebuch holte. Nach dem Frühstück mit Frau von Schnitzler zum Gebäude der I.G. Gingen dort spazieren und warteten auf Sieburg. [9]Schönes Mittagessen, mit herrlichem Wachenheimer; nette Unterhaltung mit Schnitzler, der mir beim Kaffee die Briefe vorlas; der Brief von , Gefühl, daß sie etwas gegen mich gesprochen hätten, von 3 - 6 [10]gut geschlafen, zum Abendessen um 7 war Usinger da, ein Oberlehrer, nicht mein Geschmack, die deutsche Provinz, [11]das glatte Gesicht von Bruns, nach dem Essen kamen Sieburg, Reiffenberg, Kaschnitz und Frau, . Wir tranken [12]Bowle, sehr nette Unterhaltung (der Rheinländer Sieburg [(]Sieburg las den Brief von Bruno Brehm vor), der mich immer wieder anspricht, trotz seiner spezifisch rheinischen Taktlosigkeit). [13]Nachher über Jünger sehr heftig, richtig ungerecht, Schuldfrage, die Reiffenberg aufwarf, die mir eng [14]vorkam. Nachher noch bis ½ 2 mit Frau von Schnitzler Wein getrunken und müde zu Bett.

[15]. Aufs Frühstück gewartet in dem wunderschönen Garten, schreibe ins Gästebuch meinen Namen [16]mit omine auctus, schönes Gespräch mit Frau von Schnitzler über den gestrigen Abend. Frau von Schnitzler [17]begleitete mich zum Bahnhof, alles sehr nett, schöner Platz allein im Abteil, das sieht alles gut aus; abwarten. [18]Ein netter Direktor der I.G., der über Berlin nach Sofia fährt. Seltsame Begegnung: Schmelzeisen aus Halle sprach mich an, erzählte von [19]Fehr, Nolde, Anschütz, Bilfinger, Schönfeld. Rheinische Anpassungsfähigkeit, nette Unterhaltung bis gegen ½ 3. Dann wieder [20]allein in meinem Abteil. In Eisenach kamen viele Menschen, mir gegenüber ein lächerlicher Typ, der sich auf seinen grünen Schein berief‚(Sie sitzen hier auf ihre Gefahr)‘. [21]Später noch ein komischer Oberstleutnant, die beiden stritten über die Frage, ob es ein Zeichen von Dekadenz ist, daß sich die Damen die Fingernägel rot malen. [22]Ich sprach noch einmal mit Schmelzeisen, fand ihn aber langweilig. Der traurige Blick des Direktors der I.G. Farben. Um ¼ 10 am Anhalter Bahnhof, [23]nach Hause geeilt, mit meinen 6 Flaschen Wein, um ½ 11 zu Hause, Duschka machte mir Bratkartoffeln, Anima schlief schon. Erzählte ihr, [24]trank eine Flasche Wein (Welsch-Riesling aus Pettau), todmüde um 11 zu Bett und durchgeschlafen.

[25]. Schlechte Gehirnverfassung, Ohrenziehen, scheußlich, todmüde, nicht richtig erfrischt. Erst um 10 aufgestanden. [26]Ließ Hella, die anrief, sagen, ich sei nicht zu Hause, sie soll morgen wieder anrufen. Schöner Kaffee, Vorlesung über Volkszugehörigkeit schnell vorbereitet, noch im Seminar, [27]sah Diener, der mir wie im Traum die Hand gab, sodaß ich mich ärgerte. Gute Vorlesung. „Ihr Carl Schmitt aus Plettenberg im Sauerland will nicht wissen was für.[] Nachher mit Heinz Popitz seinen Vater abgeholt und mit diesem im Wagen nach [28]Hause. Erzählte ihm von Schnitzler (scheinbar ein bonvivant). Nach dem Essen geschlafen. Um 5 kam Medem, brachte 6 Flaschen Wein, [29]rührend, Butter und Wurst. Wir tranken zusammen guten Kaffee und plauderten über die SS. Frank wieder auf der Höhe, sieht auch er die allgemeine Verwaltung; die Evakuierung des Ghettos von Warschau.

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[1]Blieb zum Abendessen, schöner slovenischer Wein; Appel war auch da. Erzählte von der Schlacht im Warschauer Ghetto; das wird ein Mythos. [2]Günther Schwartz schrieb auch davon. Medem ging um ½ 8 und will zum Geburtstag wiederkommen. Nach dem Essen Rehfelds Examensarbeiten. Mit Duschka noch [3]ein Spaziergang durch den Park. An den toten Hahm gedacht. Müde zu Hause. Kann nicht mehr nach Plettenberg gehen. Völlig einsam und [4]isoliert. Sehnsucht nach Hause.

[5]. Gut ausgeruht; immer Ohrenziehen; hielt meine Vorlesung über Staatsangehörigkeit, zu angestrengt, nachher Weber-Schumburg mit seinem Bruder, dem [6]Schweden; Hella stand dabei; im Professorenzimmer mit ihr, dann suchten wir ein Lokal; schließlich im Kaiserhof, zu Mittag gegessen, bis [7]½ 4; war todmüde, sie war aber nett und sehr , lieferte die Marken. Ich fuhr todmüde nach Hause zurück, schlief 3 Stunden, [8]stand abends auf und trank eine Flasche herrlichen Luttenberger, aus Slowenien mit Anima, die großartig war (Vorschlag, den Pfarrer Gebhardt zu meinem [9]Geburtstag einzuladen, Frau von Schnitzler soll kommen, denn ich bin doch auch zu ihrem Geburtstag gekommen); Duschka kam aus dem Konzert und [10]fand, daß die 5. Sinfonie von Beethoven aus lauter Sondermeldungen bestehe. Blötz rief abends an; er fand die Kursarbeit von Maiwald ausgezeichnet.

[11]. Hatte Kopfschmerzen, hielt meine Übung vor einigen Hörern, über Besatzungsrecht, Unterschied von occ.bell und [12]occ. imp. Im Grunde eine Schande. Maiwald war nicht da. Holte in der Universitätsbibliothek die Fotokopie von Nys und bestellte gleich eine neue. [13]Lange auf die Bahn am Bahnhof Friedrichstraße gewartet. Zu Hause schnell gegessen, müde, wieder zurück, zur Fakultätsitzung, Colloquium Diener; [14]er ist ein uneheliches Kind; ekelhaft; jetzt ist mir alles klarer. Über die juristische Person; es war im Grunde scheußlich; Höhn ganz dumm; fuhr mit [15]Brinkmann in der U-Bahn bis zum Nollendorfplatz. Todmüde nach Hause. Schmoller gab mir ein paar Denkschriften, wir aßen [16]zusammen zu Abend, er ging um ½ 10; dann wartete ich auf Fräulein Klocke, die Westfälin, die Duschka maniküriert; tranken eine Flasche Moselwein, [17]nett unterhalten, wie mit Bockhoff, sie ist klug (wir können es nicht feststellen). Telefonierte mit Winckelmann über Max Weber, Idealtypen; [18]freute mich über Fräulein Klocke, die von Duschka sagte: auch wenn sie ihren Roller schiebt, bleibt sie immer Dame. Nachher sehr schöner Koitus.

[19]. Immer noch Ohrenziehen, bei Eicken angerufen und für Dienstag verabredet. Einige Telefongespräche (Adams teilte mir das großartige Telegramm [20]des Botschafters aus Madrid mit: fließendes Spanisch, außergewöhnlicher propagandistischer Erfolg, großer Beifall, 500 Hörer), behaglich gefrühstückt, die Propaganda wegen [21]der Beschädigung des Kölner Doms (Giftgasvorbereitung?) Trotzdem sehr behaglich. Las Thomas, II II 40, de bello, sehr schön. Gut ausgeruht. [22]Erstaunt über Vitoria: Die Spanier hatten nicht mehr moralisches Recht, Indien zu erobern entdecken, wie die Indianer Europa zu entdecken. Hielt meine Vorlesung, eilte nach Hause, zog mich um, [23]zurück zur Universität, in der alten Aula eine Veranstaltung für den rumänischen Unterrichtsminister Petrovici, der sympathisch war (über Schopenhauer gearbeitet hat); dieser Typ von [24]deutschen Gelehrten. Gamillscheg wollte mir eine Einladung für morgen Nachmittag geben, Ordensverleihung, hatte sie aber angeblich verloren. Merkwürdig. War sehr mißtrauisch [25]und wollte mich drücken, andererseits aber auch kein Spielverderber sein. Immer dasselbe. Zu Hause 2 Stunden ausgeruht, dann in der Küche mit Duschka und Anima gegessen, [26]eine Flasche Erdener Herrenberg getrunken. Um 10 an Jup geschrieben (weil wir ihn telefonisch nicht erreichen konnten; nur Münzgespräch mit 10-facher Gebühr); plötzlich bemerkten [27]wir Brandgeruch, Anima hat das elektronische Bügeleisen benützt und nicht abgestellt, große Aufregung, holte das Kind aus dem Bett; sah schon das schlimmste Unheil. [28]Ärgerte mich über ihre Fahrigkeit und ihre Unfähigkeit Ordnung zu halten. Duschka erzählte noch von den Klagen Annas, die sich über die viele Arbeit beklagt. Sie sagte [29]mir: Das hören Sie nicht gern. Ich hätte antworten müssen: Ich habe ganz andere Dinge gehört; aber ich höre den Ton nicht gern, in dem Sie es erzählen.

[30]. Behaglicher Vormittag, immer noch über den Begriff der Entdeckung nachgedacht; herumtelefoniert, Expressgut mit Wein aus Frankfurt angekommen, [31]das Problem, die Kiste vom Anhalter Bahnhof hierher zu bringen. Wie eine Zwangsvorstellung. An Frau von Schnitzler geschrieben; sie hat um 200 gr. Brotmarken gebeten. [32]Nachmittags um 4 zur Rauchstraße, rumänische Gesandtschaft, Ordensverleihung, die armen Leute, lernte Pinder kennen, der nette Go-

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[1]runeanu; Schadwalt (der Ministerpräsident hat ihm den Fall und die rumänische Staatsangehörigkeit angeboten), es gab guten Sekt, sprach nett mit dem Bruder Antonescus, [2]der Marineattaché ist; der gefiel mir gut. Aber meine Sache war nicht in Ordnung, keine Urkunde, nur einen Orden. Dachte nicht weiter darüber nach und lief zur S-Bahn, [3]um Wagner zu besuchen. Nette Unterhaltung, über den Kampf im Warschauer Ghetto, Möglichkeit des Friedens, Widerstand im Osten, Zusammenbruch Italiens usw. [4]Guter Wein (Zeltinger), Portwein will er mir besorgen. Die nette Frau (erzählte ihr die Geschichte von Anima), um 10 wieder zu Hause. Trank [5]noch eine Flasche Kreuznacher mit Duschka und ging müde zu Bett. Zwangsvorstellung: Wie kommt die Kiste Wein vom Anhalter Bahnhof zu uns?

[6]. Traum von Johanna: Ein großartiges Hotelzimmer, Blick auf die Alpen (das ist großartiger als das Sauerland), sie bei ihr im Zimmer, [7]sie erwartet ihren Mann, Philipp Bielefeld, gedacht, sie kleidet sich an, er sähe sie (dachte an Magda), wir gehen spazieren, plötzlich [8]bin ich allein im Gebirge, verliere den Weg, eine elektrische Bahn fährt mir davon usw. Im Wald, fremde Soldaten, wie zu Anfang des [9]Krieges 1914). Nach dem Frühstück telefoniert, Vietta rief an (will einen Aufsatz über Burckhardt haben, wir sprechen über Heidegger, [10]Nietzsche, den Begriff der Entdeckung), Spanien). Duschka übernimmt es, die Kiste Wein vom Anhalter Bahnhof zu besorgen. Gespannt, ob es ihr gelingt. [11]War müde und hatte Magenbeschwerden. Nach dem Essen etwas geschlafen, aber nicht genug. Um 4 Uhr kam der Bruder von von der Heydt, armer netter Junge, [12]Historiker, erzählte von Holland, um 6 Garcia-Diaz, der aber nicht zum Abendessen blieb. Schöne Unterhaltung über Spanien, hörte von Zubiri, [13]Conde, verabredeten uns für Mittwoch. Er erzählte von Unamuno, das + auf dem Herzen. Die Instinktlosigkeit der klerikalen Bürokratie. [14]Fall Zubiri. Woher meine Liebe zu diesem Mann? Ein Maure und Freimaurer, unheimlich alte Rasse, voller Leid und Menschlichkeit. Der junge von der Heydt blieb zum [15]Abendessen da. Er pflückte Kirschen, wir gaben Garcia-Diaz eine Tüte mit. Ich war ziemlich müde, hatte Magen- und Darmbeschwerden und trank eine [16]Flasche schlechten Rotwein, was nichts nützte. Müde zu Bett. Oberleutnant Buchholz kommt morgen.

[17]. Immer noch Beschwerden. Fürchterlicher Traum, , in einer Eisenbahn, in der Blemke, Anima und Duschkaim Neben[18]abteil. Müde bis 10 im Bett. Etwas notiert, den Bericht über Spanien endlich fertig, aber summarisch, Brief von Mutius, der zum Geburtstag kommt, [19]Anruf von Rumpf, nettes Gespräch über Amerika, Quincy Wright Kriegsbegriff und Recht. Wartete auf Echebaria. Schöne Unterhaltung mit ihm über Spanier, über Zubiri. Wir tranken zum [20]Mittagessen eine Flasche Moselwein (Enkircher), nachher schönen Kaffee, den Duschka machte. Um 4 gingen wir zusammen zum Bahnhof Lichterfelde, fuhren nach Nikolassee zu Helle[21]brand in die Beskidenstraße, der uns aber gar nicht erwartet hatte. Das war also zu viel Rücksicht von uns. Die Frau Hellebrand machte einen netten Kaffee, zeigte uns ihr [22]Pflegekind, ich sprach mit Hellebrand über Georgescu, den Unterschied von jus und factum, nett, aber langweilig, er zeigte das schöne Schloß von Wenger [23]in der Steiermark. Müde nach Hause, etwas ausgeruht, Sorge wegen Anima, die aber bald von der Sportfeier nach Hause kam. Um ¼ 8 [24]erschien Rolf Buchholz, wir aßen nett zu Abend, tranken Mosel- und Nahewein, Duschka brachte ihre Sorgen an, wir sprachen über Rumänier (die sich [25]nett heraus machen), und Spanien, er hofft, daß die englisch-amerikanischen Flieger bald etwas auf die Nase bekommen. Erschrak wegen Köln und dachte an den armen Jup. [26]Begleitete ihn um ½ 11 zum Bahnhof Lichterfelde West. Todmüde nach Hause, aber ich konnte nicht recht schlafen.

[27]. Immer müde und benommen. Schöner Brief von Grüninger, der mich nach Charkow einlädt. Wegen der Weinkiste von Frankfurt zum Anhalter Bahnhof, unterwegs Vicen getroffen, der von [28]Zubiri und von Conde erzählte (es war keine Zeit zu ), dann am Anhalter Bahnhof den sonderbaren Chauffeur, ihm dummerweise meinen Expressschein gegeben, er soll morgen [29]Nachmittag bringen; wie dumm war das von mir, unerklärlich, wie der Vater. Zur Universitätsbibliothek, etwas über occ. bellica und imp. Schlechte Vorlesung, große Angst, [30]im Fakultätszimmer Fräulein Mache den Bericht über das colloq.colloquium Diener diktiert. Todmüde mit der U-Bahn nach Hause, ausgeruht, konnte aber nicht schlafen. Abends am Schreibtisch [31]gegessen, an Castro-Rial geschrieben, weil ich morgen zu Oyarzabal will. Appel kam zur Französischstunde. [32]Ich sah ihn vom Fenster aus; dachte daran, ob morgen der Chauffeur mit der Kiste Wein kommt; lächerliche Angst-Kombination (wie die arme oma.

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[1]Anima wurde krank (Schüttelfrost sagte Duschka, es war aber nur ein Frösteln). Wir aßen zu dritt zu Abend, dann wurde Zahler geholt, [2]wartete auf ihn, er kam gegen 11, hielt eine leichte Lungenentzündung für möglich, war sehr nett, gut angezogen, wir tranken eine Flasche Jerusalemer, [3]dann noch einen Pfälzer, erzählte von seinem Militärberuf, über Paracelsus, empfand eine Mischung von Sympathie, Widerwillen, Verachtung; er denkt nicht wissenschaftlich, [4]aber intelligent; ein Arzt müßte 90 Jahre alt werden, um wirklich etwas zu wissen usw. Um ½ 2 fuhr er mit seinem fabelhaften Wagen ab.

[5]. Etwas Kopfschmerzen, traurig, aufstehen zu müssen, nachher war ich sehr zufrieden darüber, wurde schnell munter, nervös, angeregt. [6]Fuhr mit der U-Bahn zum Wittenbergplatz, von da zum Tiergarten, Spanische Botschaft, traf den sympathischen Oyarzabal, gab ihm die [7]Fotokopie für Castro-Rial, schönes Gespräch über die Freiheit der Wissenschaft, die unveräußerlich ist, über Völkerrechtslehrer, will sich von dem Nys ebenfalls eine Fotokopie machen lassen. [8]Mit dem Autobus zur Universität, unterwegs Zechlin, eifriges Gespräch über Land und Meer, Albrecht Haushofer, die Physiker; er hat seine Schätze schon auf dem Land versteckt. [9]Hielt meine Vorlesung über Hakenkreuz, Führer sehr gut; glücklich, das erledigt zu haben. Zu Hause ausgeruht, seit 4 auf den Chauffeur gewartet, Sorge und Qual, mit Depressionen [10]zur Joachimstalerstraße, ein Glas Bier getrunken, telefoniert, ob die Weinkiste da ist, sie war um 6 noch nicht da! Bei Eicken traurig gewartet, er war aber nett [11]und gab mir Brief und Koch mit. Gleichgültig nach Hause, um 7 ¼, dort stand der Wagen des Chauffeurs, der Chauffeur selbst aß bei uns zu Abend, bekam [12]2 Zigarren, 30 Mark, ich war erleichtert und atmete auf, als ich die Weinkiste sah und packte sie mit Vergnügen aus. 20 schöne Flaschen, sodaß ich mich auf meinen Geburtstag [13]freute. Diese Nacht kommen die Flieger nicht, weil es regnete, also eine schöne Galgenfrist. Eine Flasche Rotwein zum Abendessen, mit Duschka geplaudert, noch einen Cognac [14]getrunken, um 11 hinaufgegangen; etwas gelesen über Staatensuccession und Eroberung, Pfeiffer, der Kurhesse, behaglich zu Bett.

[15]. Gut ausgeschlafen und schon um ½ 9 aufgestanden. Anima ist wieder gesund. Freute mich auf den Kaffee. Las morgens einiges aus Reck- [16]Malleczewen über Bockelson die Identität ist frappant; kaum erträglich. Mit Vergnügen über den Fall Alexander in Theben gesprochen. Maiwald war da, auch Blötz, mit dem [17]ich nachher noch sprach (über die Rede von Churchill). Müde nach Hause gefahren. Um 4 kam Gutjahr, trank mit mir eine Tasse Kaffee, erzählte sehr nett von Six, daß er Chef des Ministeriums bei [18]Rust werden will, nette und frische Unterhaltung. Um 6 kam Vicen, wir gingen im Garten auf und ab, er erzählte von Marburg, von Heidegger, von seiner Frau, sein Wissens-Stolz, seine Bitterkeit gegenüber [19]den Schwindlern und Hochstaplern in Spanien, Luna nennt er einen politischen Hochstapler, Petersen einen Schwindler, sein Stolz mit Croce in Verbindung zu stehen, usw. Es wurde mir etwas langweilig. Als wir [20]um 8 mit Tante Luise am Tisch saßen, kam auch Zahler, besuchte Anima und aß mit uns zu Abend, nette Unterhaltung über Kausalität, aber Zahler wiederholt sich. Um [21]11 begleitete ich Vicen bis zu den Eichen. Oft abgestoßen, dann wieder angezogen von diesem Fanatismus und dieser Bitterkeit. Ich sprach vorsichtshalber nicht von Conde.

[22]. Behaglicher Vormittag, Galgenfrist, gab meinen Bericht über die Spanienreise im Dekanat ab, im Professorenzimmer der neuen Aula erwartete mich Siebert, war besonders [23]nett, schöner, lieber Junge. Ich war gerührt. Hielt meine Vorlesung über Führerbegriff gut, aber etwas zu eifrig. Warum kann ich nicht gleichgültiger werden? [24]Nachher brachte mir Blötz die biedere Rede von Churchill, sprach davon, daß Stapel per saldo doch Optimist ist, alles mit dem netten, jungenhaften Freimut eines Hanseaten. [25]Ich ruhte mich aus, badete und fühlte mich etwas wohler; hatte keine Lust zum Internisten zu gehen, wegen des Nicht-Gezirps im Ohr. Zog mich bequem an, wartete bis [26]Duschka fertig war und ging mit ihr zum Autobus, mit schönen Blumen, für Frau von Mallinckrodt, die Geburtstag hat. Freitag habe ich bei Frau Frank angerufen, die gestern anrief, [27]und habe sie für Montag eingeladen. In die Griegstr., wenige Schritte von der Wohnung der Frau Frank, die reiche Bourgeoisie, alles überschattet von dem Kataklysmus. [28]War gleichgültig, befangen, unbeholfen, in meinem schönen grauen Anzug. Es kam noch die Schwester von Frau von Mallinckrodt, sehr hübsch, die ich für eine Baltin hielt, und ein komischer [29]Baron von Fölkersahm, nachher der gute Paul Vitzthum, eine ulkige Figur. Herr von Mallinckrodt sah mager aus, führte aber in die weitere Unterhaltung. Sehr schöner [30]Wein (Niersteiner Auflangen 35, schöner Mosel) nettes Essen, nett unterhalten, dummes Geschmus des Paul, der es aber faustdick hinter den Ohren hat (doch hats unsern Lieb [31]ganz wohlgetan, zitierte er). Mallinckrodt erzählte Spionagegeschichten aus dem Ersten Weltkrieg, mit rheinischer Freude am Erzählen. Ich dachte mit Angst an Köln und an meinen Bruder Jup. [32]Kann das Getätschel nicht leiden, das Frau von Mallinckrodt betreibt. Im übrigen gefiel es mir gut, bei diesen Leuten. Untergehende Klasse. Galgenfrist und Galgenhumor. [33]Um 11 nach Hause, über Roseneck, alles ging bequem, sodaß wir um 12 schon wieder zu Hause waren. (Heute Nachmittag mit Schaeder wegen Spanien telefoniert).

[34]. Immer die große Sorge um meinen Bruder Jup, jetzt kommt der Sommer und die Zeit unserer Wanderungen im Sauerland. Stand um ¼ nach [35]8 auf, um Blötz seine Rede zurückzugeben. Fuhr mit der Stadtbahn zum Justizministerium, dann zum Schloß, las Keith, Hart und Folliet. [36]Traf vorher bei Herde Fräulein Auburtin und sprach mit ihr über Vitoria, Rudolf Schneider, die neuen amerikanischen Bücher, dann noch mit [37]Makaroff. Arbeitet in dem Zimmer hinter dem das Klosett ist, scheußlich, jetzt spüre ich einen Gestank. Um ¼ vor 1 nach Hause. Tante Luise [38]war schon wieder da. Immer Angst wegen Jup, keine Nachricht von ihm, dagegen ein Brief von Sobotta aus Köln. Nach dem Essen gut ausgeruht. Traum: Ich erzählte [39]Smend, daß ich bei Lammers war, quälender, Traum. Ekel und Abneigung gegen Smend, der wohl zum 11. schreiben wird. Medem [40]rief aus Krakau an, daß er nicht kommt. Das tat mir sehr leid und betrachtete ich als ein schlechtes Vorzeichen. Sonst so entspannt wie möglich, schickte Vicen

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[1]meinen Legisten-Aufsatz. Las über Vitoria, hatte nette Pläne. Schöner, kalter Nachmittag, am Schreibtisch herumnotiert, an Jup telegrafiert (gebe bitte Nachricht). [2]Die Zeit rinnt wie durch ein schönes klares Wasser durch ein klares Glas. Allmählig wieder tröstlich. Eigentlich geht ja nur das in Erfüllung, was ich mit Jup oft gewünscht habe, wenn [3]wir durch das Sauerland und an der Lenne spazieren gingen. Abends keinen Wein getrunken, Knoblauch gegessen, etwas über Kanzleien notiert, über Vitoria [4]gelesen (das interessiert mich brennend, daran möchte ich anknüpfen), mit Duschka über Köln gesprochen, und um ½ 12 ins Bett, in Erwartung eines Fliegerangriffs.

[5]. Schlecht eingeschlafen, aber dann sehr schön, dank dem Knoblauch, lange Erektion, dachte an Köln, Düsseldorf, aber ist Berlin [6]nicht ein ebensolcher Schauplatz? Häßlicher Gehirntraum, dem nur das Würfelspiel der Gehirnatome zugrunde liegt: Ein Herr namens [7]Schofler spricht mich an und stellt sich als mein Nachfolger vor. Doch sehr lustige Symbolik. In der Zeitung wieder die Nachricht von Angriffen auf Köln. [8]Vielleicht ist unser Familienglück vorbei, nachdem die Mutter gestorben ist. Otto Schmitt hat einen Sohn bekommen, der Vater seinen ersten Urenkel, aus der ersten Linie. [9]Jetzt, wo die Mutter tot ist, erkenne ich unsere Zweit-Linigkeit. Vormittags etwas über den Nomos der Erde geschrieben, im Gefühl des Untergangs, [10]nach dem Essen gut ausgeruht, Getino gelesen, um 7 kam, mit Verspätung, Goruneanu. Nett unterhalten, tranken Moselwein, über [11]() über Amerikanismus, er hat niemals einen Smoking getragen. Fuhr um 11 nach Hause. .

[12]. Etwas Kopfschmerzen, allmählig behagliches Gefühl des Geburtstages, schönes Frühstück, Anima hatte mir den [13]Zauberlehrling wunderbar illustriert. Ergriffen von der Begabung des Kindes, gerührt und tiefstes Mitleid. Oh Gott. Ging mit ihr [14]mittags in die Kirche, um den Angelus zu beten. Gratulation von Smend, Werner Weber, Medem, Kube; freute mich darüber und genoß den [15]schönen Vormittag. Nach dem Essen wieder gut ausgeruht, um 5 ¼ kam Mutius, holte ihn mit Anima im Park ab. Wir machten tranken [16]Kaffee, mit Honigkuchen, und gingen im Park spazieren. Epps Freude an meinem Land und Meer, überseeisch, aber das ist doch [17]alles zwecklos. Die übliche Situationsfrage. Landung in Sizilien. Allmählig kamen die Gäste: Weber-Schumburg schenkte mir die Geschichte des [18]Humanismus, Brinkmann und Frau, Popitz und Corrie, Mallinckrodt und Frau; eine wunderschöne Gesellschaft, schönes Essen und guter Wein; unglaubliche Leistung Duschkas, [19]war sehr glücklich, omine auctus, Popitz sprach schön am Tisch von Freundschaft; nette Unterhaltung mit Frau Brinkmann, Mallinckrodt war besonders [20]nett, Frau von Mallinckrodt sang Das Lied an den Mond, wunderschön. Popitz blieb bis 2 Uhr; er hat mir eine Plakette mit seinem Portrait geschenkt und [21]ein schönes Glas, das ich einweihte. Über geschlossen. Frau Frank rief abends um 10 an, widerlich. Die Sesshaftmachung der Sippe (fing mit Hindenburg an). Papen der ihn verstand. Flucht in die Sachwerte.

[22]. Um 7 wach, wegen des Examens aufgestanden, gefrühstückt, die Depressionen einer solchen Stunde; entsetzliches Mitleid, krank [23]von Mitleid; bedrückt. Referendarexamen mit Spanaus, Kohlrausch, langweilig. Dachte mit Ekel an Frank, Noack, [24]was euch nicht angehört, müßt ihr meiden. Hüte dich auch vor Bäumler, arme Mücke. Immer noch Ohrenzirpen; Wut über die lächerliche Tatbestandssubtilität [25]der Strafrechtler, welch traurige Wissenschaft! Dich in der Zeit vertan! Verzweiflung dieses Lebens. Trost der guten, klugen und festen Duschka. Süße Gewohnheit [26]des Lebens? Oh Gott. Hier enthüllen sich die Frankfurter. Trauriges Gefühl des Zaungastes. Wer wußte je das Leben recht zu fassen? [27]Wut über die Professoren, die nicht aufhören können im Examen und die vom Präsidenten bestimmte Zeit überschreiten; Hedemann und Kohlrausch; oder wie Höhn [28]beim Testen die ganze Seite beschmieren; armes Carlchen; beiseite gedrückt und wehrlos, mit deinem Sinn für Maß unter diesen Expansionisten [29]und Privatimperialisten. Gut, daß ich . Aber die Wut und die Angst vergingen, nett mit Kohlrausch über Bruns (von der Bruns-Folge gestöhnt) [30]und meint, Bruns sei geistesgestört. Um 1 schon wieder zu Hause. Gut ausgeruht, um 6 zur Regerstraße, Paracelsus gelesen, ist auch [31]nur ein Angeber. Bei Frau Frank, die mir den ganzen Dreck erzählte, Angst vor diesem ganzen , Huber, Noack usw. Wir gingen dann [32]zu mir, Duschka war sehr lieb, aßen schön zu Abend, tranken ein Glas Wein, nachher kam noch Werner Heldt. Um 10 begleitete ich Frau [33]Frank in die Regerstraße. Um ½ 1 auf Autobus M vergebens gewartet, zu Fuß durch die Nacht Warnemünder Straße,

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[1]Cecilienallee, Thielallee zurück, todmüde und verschwitzt um ½ 2 zu Hause. Duschka war noch auf.

[2]. Todmüde und Fußschmerzen, aber die Wanderung hat mir gut getan. Gefühl des Untergangs, Nachricht [3]von Jup, die arme Anima möchte nach Plettenberg fahren, Brief von Frau Jünger, innerlich müde zur Vorlesung gefahren, [4]die Schriftsätze in der Ehescheidungssache mit Ekel gelesen; armer Lügner und Psychopath; der regiert uns also. Angenehm [5]müde (von der anstrengenden Wanderung durch Berlin) zur Universität, meine Vorlesung ganz nett gehalten (Institutionalisierung des Führeramtes), nachher [6]mit Rugina, dem netten Moldauer gesprochen und mit der U-Bahn nach Hause. Wieder geschlafen, aber doch nicht frisch. Nasses [7]Wetter. Ein paar Notizen über occ. bell. Appel kam zum Französischunterricht, Bier getrunken zum Essen und früh [8]zu Bett. Mit großem Erschüttern wieder Loewith über Bruno Bauer und Stirner. Deprimiert von der Lektüre der Schriftsätze. Staat zieht am [9]7/6 43 die Annahme zurück im Vertrauen auf die Gerechtigkeit des Führers und behält sich das Recht auf Scheidung vor!! Sonderbare [10]Rechtslage. Juridifizierungen: die Frau 5 Jahre älter! Diese Art von Symbolbrief, vermischt mit Brutalität. Ich sei [11]glücklich gewesen, weil meine Brutalität nicht so groß und mein äußerer Erfolg nicht so bestechend war. Das Ganze geht mich an wie [12]ein Schauspiel vergangener Zeiten.

[13]. Wollte Frau Frank anrufen, es war aber immer besetzt. Traf den Japaner, der im Examen bei durchgefallen war und bestellte ihn vor der Übung mit [14]für Donnerstag in 8 Tagen. Hielt meine Übung ohne Brille, über occ. bell. und Ausnahmezustand; herrlicher Zusammenhang, aber die [15]Dummköpfe verstehen das nicht und ich war deprimiert. Gab dem Assistenten Wasse das Paket mit dem Brief für Frau Frank, damit er es heute [16]Nachmittag zurückbringt. Mit Friedensburg über seine Dissertation. Er ist als Referendar entlassen, weil er sich durch seinen Besuch beim Generalkonsul [17]als unwürdig erwiesen habe; erschrak etwas. Fuhr mit der U-Bahn zum Bayerischen Platz, las unterwegs Seversky, [18]den mir Friedensburg gegeben hatte. Traf am U-Bahnhof Duschka, sie ging zu Goruneanu's Wohnung. [19]Dort sehr hübsches Frühstück, mit Frau Seiler, Amzar und Frau, und einem rumänischem Minister Parlar und dessen [20]beunruhigend harte Frau, die französisch spricht. Guter Schnaps und Wein und gutes Essen, schön unterhalten über Musik, und den Begriff [21]mioritisch. Der gute Goruneanu zeigte mir die Bilder seiner Eltern, er fuhr uns nach Hause. 2 Stunden geschlafen, nach dem [22]guten Schnaps. Um 7 kam Blötz, informierte ihn, dann Schroer und Frau, erzählte von Wuppertal, er sucht eine [23]neue Stellung; spricht aber immer nur von sich selbst, die Frau war entzückend. 9 die gerechte Strafe. Nachricht vom Angriff auf [24]Aachen. Falsche Propaganda. Gottes Langmut anscheinend doch erschöpft, wie schnell und prompt kommt diese Rache; die [25]Frechheit eines auf die er : Blötz erzählte von dem Tagebuch des , das ist die Hölle. Nachts Alarm, Duschka und Anima standen auf, ich nicht.

[26]. Todmüde, aber behaglich, Keiper rief an, wird den Stein schon formen oder er geht nicht [27]zu Baeumler (da darf man sich nicht sehen lassen). Wartete auf Nachricht von Jup. So kommt der Tod. Hielt meine Vorlesung, etwas zu sehr unter [28]Druck. Holte mir die 2. Fotokopie von Nys, Freimaurerei, und freute mich darüber. Ein strebsamer Student namens Troeger fragte mich nach der Vorlesung wegen Immatrikulation [29]und begleitete mich zur U-Bahn. Todmüde zu Hause, nach dem Essen ausgeruht. Um ½ 5 mit Duschka zur Finkenstraße, bei Alfred Schmid,

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[1]dort war noch seine Mutter, eine gutaussehende Schweizer Bürgerin, 2 Assistenten (Presse) und ein hübsches Mädchen. Wir tranken Tee, sprachen über die [2]Naturwissenschaft und ihre geistige Situation, Schmid sprach immer vom Geist; vom ganz autonomen Wesen usw. Ich war nicht sicher, was er wollte und hatte etwas das Gefühl, [3]ausgequetscht zu werden. Sympathische junge Leute, schöne Bilder (eines von Moeschlin gefiel mir besonders; dann ein steinrheinisches Bild offenbar von Schmid selbst [4]als Sebastian und Christus zugleich, sehr sympathisch, nachher noch in seiner Bar, ein paar gute Cocktails getrunken. Um ½ 8 nach [5]Hause, wo Frau Hahm Anima und das Haus verwöhnt hatte. Trank mit ihr eine Flasche Pfälzer, aber sie war zu langweilig. Müde und [6]erschöpft, offenbar herzkrank. Der Eindruck von Schmid wird allmählig besser, sympathisch, aber schließlich doch: reicher Jüngling und unrettbarer Bourgeois. Nachts Alarm, nicht aufgestanden.

[7]. Konnte kaum einen Schritt tun oder eine Hand heben, vor innerer Müdigkeit. Ein paar Notizen aus Löwith über Nietzsche, [8]völlig bedrückt, so wurde es Mittag, geschlafen, um 5 kam Fraenger, höchst interessant über Bosch, die Auslegung [9]des Höllenbildes vom j. d. l. del. Großartig, das gefiel mir gut; um 7 kam Gilles mit seinem Neffen Kleinheisterkamp, wir aßen [10]zu Abend, Fraenger erzählte von der Botschaft Stalins an den Vatikan. Um 8 kam noch Maiwald, erzählte etwas von seinem Examen [11](leider nur befriedigend, Schuld liegt an Casparius), wir philosophierten, über das Stammhirn, über die Fehler einer antichristlichen [12]Politik, bis 11 Uhr, Gefühl der kommenden Katastrophe; jawohl, das neue Diesseits.

[13]. Morgens im Bett von Smend angerufen, längeres Gespräch, er hält einen Vortrag über 19. Jahrhundert [14](Erlebnis-Theologie und Erlebnis-Politik, natürlich nur Freigeisterei, der Schlauberger), hat einen Ruf nach Bonn, [15]will vielleicht heute Nachmittag kommen, hatte den Eindruck, daß er neugierig ist, der alte [16]Preußische. Empfahl ihm Bruno Bauers Rußland und das Germanenthum. Telegramm, daß Jup und Claire gesund sind, [17]unendlich glücklich, sofort wieder befreit, obwohl ich doch selbst noch in der Mausefalle sitze. Seltsamer Augenblick des Glücks. Machte einige Notizen, [18]las Wieackers Über Ihering, das er mir geschickt hatte, mit Interesse, aber ich bin diesen Leuten doch ganz fremd. Meine ganze Arbeit wird einfach nicht [19]aufgenommen. Schrecklicher Zustand. Telefonierte an wegen Schroer. Brachte eine Karte an Maiwald zum Kasten, als ich zurückkam [20](etwa nach 1) telefonierte Anima gerade, und sagte, ich sei am Briefkasten. Ich lief hin, eine dreckige Stimme sagte: So, Sie kommen vom [21]Briefkasten, ich fragte, wer ist dran da! worauf die Antwort kam: Sie hören wohl schlecht auf einer ? Frecher Kerl; ich verstummte [22]und sprach nicht mehr. Das Ganze erschreckte mich tief, weil ich die wirklosen ekligen Gemeinheiten plötzlich wieder erblickte, über die ich mich so lange hinweggetäuscht habe. Große Aufregung und [23]Verdunkelung. Armes Carlchen. Kurz nachher rief Claire aus Cloppenburg an. Sie will diese Nacht nach Plettenberg fahren, war aber unentschlossen (in Cloppenburg fand sie [24]keine Unterkunft); alles unheimlich und geheimnisvoll, El Bosco. Um 5 Haller, über Spanier, Amerikaner, Christen. Duschka telefonierte noch einmal nach Cloppenburg und erreichte Claire im letzten Augenblick, [25]jetzt kommt sie also diese Nacht nach Berlin, worauf ich mich eigentlich freue. Bei Duschka in der Küche, während sie Johannisbeeren auswrang. Traurig zu Bett.

[26]. Gut geschlafen, behaglich, vom Knoblauch gestärkt, aber schnell wieder müde, grauenhafter Zustand. Karr gelesen, [27]den mir Haller gestern mitgebracht hatte. Traurig, weil hier meine eigenen Ideen von 1920 an wiederkehren, die deutschen Emigranten verbreiten [28]sie, in Deutschland hat man mich nicht gehört. Erdrückt von dieser Feststellung. Schlimmer als das Schicksal Max Webers. Schrieb einen Brief an Lohmann. [29]Um ½ 10 kam Claire mit den Kindern; das Haus ist jetzt voll. Dann kamen 10 serbische Bäuerinnen zu Duschka. Traurig in meinem Zimmer, am Arbeitstisch, [30]die frechen Antworten von Anima. Wartete auf den Abend, wenn Freyer und Ahlmann kommen sollen. Sie kamen um 7, Ahlmann erzählte von Heidelberg (Telefoniere eifrig für die Presse Forsthoff). Freyer brachte das Ms. über Geschichtsphilosophie mit, was mich sehr freute. Ich erzählte von Spanien, viel zu viel. Wir aßen eine Ente zu Abend, die [31]Claire mitgebracht hatte, tranken Moselwein (zu viel) bis ½ 12, für mich war es anstrengend, immer das Zirpsen im Ohr und im Gehirn. Muß doch bald zu Zahler gehen. Auf die Frage: woher der Wein, antwortete ich: Zufall, aber streng legal. Hübsche Unterhaltung, aber nicht intensiv genug, wahrscheinlich war ich zu nervös. Der gute Freyer [32]war höflich, lud mich für November nach Budapest ein, ich schlug noch Erik Wolf vor und Werner Weber; begleitete sie, todmüde, um 12 zum Bahnhof Lichterfelde West.

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[1]Traum von Groh, er will zum Abendessen bleiben, Duschka weint, auch Anna; es kommen noch sein Sohn und seine Frau. Dann auf der Eisenbahn, an der Lenne; versäume den Zug.

[2]. Kopfschmerzen, Ohrenziehen, scheußlich. Brief aus Bremen, Einladung von Janssen, freute mich, wegen des Lobes auf Land und Meer. Das [3]ist meine einzige Freude. Arm und verzweifelt für eine Sekunde. Hielt meine Vorlesung leidlich (Übersicht über die 40 unmittelbar dem Führer unterstehenden Stellen). [4]Nachher mit Hermann Walz, netter Stiftler, der eine völkerrechtliche Arbeit machen will (wer macht wen zum Völkerrechtssubjekt). Zu Hause die vielen Kinder. Müde zu Bett und geschlafen. [5]Um 5 mit Uwe Jessen Kaffee getrunken und sehr nett unterhalten, er erzählte vom Arbeitsdienst, ich erschrak bis in die tiefste Seele vor solchen Möglichkeiten und Wünschen. [6]Wir unterhielten uns noch über Vitoria, die Objektivität, sonderbar, die Rechthaberei seines Vaters. Seine Kameraden nennen ihn den Professor (oder den Erlkönig). Rührender [7]Abschied um 7 Uhr; schenkte ihm Burckhardts Weltgeschichtliche Betrachtungen, mit der Widmung „Toute non pense etc.“ Steinbömer rief an, [8]erzählte, daß Baeumler mich in seinem Vortrag zitiert hat (Land und Meer und das jüdische Beispiel von dem Leviathan). Abends kein Wein, dann noch Freyers [9]Manuskript gelesen, mit großem Interesse, besonders das Auge, nichts als Augen. Wie weise ist dieser Freyer. Um 11 zu Bett, immer noch Ohrenziehen, [10]aber ruhiger und endlich einmal ein etwas gesammelterer Abend. Traurig wegen des „neuen Diesseits“, bei Wieacker; welch Kitsch.

[11]. Gut geschlafen, besser dran, ich darf eben keinen Wein trinken. Bereitete meine Vorlesung vor, sonderbare Freude, während eines solchen Kataklysmus. [12]Haareschneiden. Vorlesung über Oberbefehl, Militärgerichtsbarkeit, aufmerksame Zuhörer. Nachher mit Hermann Walz über seine Dissertation, gab ihm eine Fotokopie von Dickinson über Personen?, [13]Er begleitete mich zur S-Bahn am Bristol und fuhr mit bis zum Potsdamer Platz; hat in der Bewegung einen Aufsatz über Großraum veröffentlicht. Zu Hause das Haus voll: die vielen Kinder und Tante Luise. [14]Ich war ziemlich müde und einsam, schlief nachher gut, aber immer Ohrenzirpen. Wartete dann auf Rugina, der kam, netter Junge, Moldauer, erzählte von Nori Jonescu (der mir gleichen soll), [15]Cantillons, und Martianu, von den Bolschwisten; wir tranken eine Tasse Kaffee, er blieb bis ½ 8; begleitete ihn bis an die Kirche, nachher [16]im Lexikon gelesen, daß Ohrenklingen ein Zeichen von Alkoholvergiftung sein kann. Bezwang meine Lust nach Wein, trank nur Mineralwasser und ging früh zu Bett. [17]Duschka wollte noch Wein trinken, mit Claire und Tante Luise, aber ich gab ihr keinen. Abends einsam zu Bett und Freyer über Geschichtsphilosophie gelesen. [18]Mit Begeisterung die Stellen über die Ornamentierung der Geräte und daß die Sprache sich selber schmückt, indem sie lautet.

[19]. Morgens heftig ejakuliert, in den Räumen von dem spanischen Ministerium, kleide mich an, finde mich nicht zurecht, bei uns zu Hause warten [20]Gäste, Frau von Mallinckrodt und ein Bruder von Schnitzler, in der Angst des Verspätens der Ejakulation, scheußlich. Aber behaglich, gefrühstückt, [21]am Schreibtisch, die vielen Einfälle, wunderschön. Will heute meine letzte Übung über Völkerrecht abhalten und dann in die Bibliothek gehen. Nachmittags Doktorexamen. [22]Zusammenkunft von Führer und Duce in Oberitalien über militärische Fragen. Dachte an die Prophezeiung Wagners, sprach nach der Übung mit Wasse und Friedensburg, traurig und deprimiert, [23]völlig erschöpft und erledigt. Holte mir ein Buch (fondateur). Las im Lesesaal Benz über Nietzsche und Bruno Bauer, sowie Freund über Morus, [24]wichtig, diese „Zweiteilung“, er führt sie leider nicht aus. Traurig zur Universität, Doktorexamen, sah Emge, gab ihm die Hand und sagte Guten Tag, dann war ich von  [25]meiner eigenen Schwäche so angewidert, daß ich einfach wegging und mich verdrückte; prüfte seinen Schüler, den er zu einem dummen Schwätzer verbogen hat, [26]und den netten Annecke, dann zu den Volkswirten, unter Bente, 3 ziemlich dumme Kerle, der Beste noch ein Schweizer, Bauchlin; bis ½ 6, dann nach [27]Hause, furchtbares Ohrenklingen, grauenhaft, deprimiert, was soll ich tun, lasse mich einfach fallen, alles lacht über mich, meine Frau, mein Kind, [28]meine Kollegen. Zu Hause ein Glas Nahewein getrunken, das tat mir gut, aber ich habe ein schlechtes Gewissen, weil das Ohrenziehen dadurch noch schlimmer wird; [29]grauenhafter Zustand, früh zu Bett, las zwischendurch Freyer, doch unendlich vieles schön, besonders über Ägyptertum, Judentum, sein Bekenntnis zum [30]Christentum.

[31]. Gut geschlafen, aber immer Ziehen im Ohr, hört das nicht auf? Schrecklich. Leises Ziehen durch mein Gehör, scheußlich. [32]Brief von Jünger, der mich interessierte, bereitete mich auf meine Vorlesung ein bißchen vor, das machte mir sogar Freude, sonst weiß ich nicht, was ich tun soll. [33]Das hielt mich etwas aufrecht. Hatte mein Manuskript vergessen und mußte vom Bahnhof noch einmal nach Hause rennen, das Schwitzen tat mir aber gut, Sehnsucht nach den Wanderungen im [34]Sauerland. Examen mit dem Japaner Imani, gab ihm befriedigend (Md), dann meine Vorlesung gut erledigt, nachher mit einem Frankfurter [35]namens Altmann, hatte meinen römischen Katholizismus gelesen, klug und interessant, hatte aber den Namen Ernst Jünger noch nicht gehört. Begleitete mich zur S- [36]Bahn. Zu Hause die vielen Kinder am Tisch, ausgeruht, um 4 schon wieder auf, etwas notiert, zu Wagner, holte mir meine 6 Flaschen Wein, er ging dann [37]mit, schlecht gelaunt und nazihaft, holt sich den Carr bei mir, auch Max Stirner und das Heft der berberischen Zeitschrift; tranken eine Flasche  [38]Zeltinger Stephanshof, aßen schönen Pfannkuchen dazu, begleitete ihn zum Autobus, nachher nichts mehr getrunken, müde den Abend abgewartet, [39]beeindruckt von seiner Rede (sehe schon die Welt unter der Führung der Kirchen), um 10 rief Ahlmann noch an, über Freyer (Schluß des Buches: Europas Ehre). [40]Der Bastard; welcher Haß! Zu laut und unangenehm, will ihm das Ms Sonntag bringen. Die Fascisten-Funktionäre fliehen von [41]Sizilien, überlassen das Land der Geistlichkeit!

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[1]. Ziemlich früh aufgestanden, schöner Vormittag, am Schreibtisch, Brief von Jup, mutlos, Angst vor jeder Reise und doch Drang nach dem Sauerland, [2]Angst vor der Reise nach München, weil ich keine Kleider habe. Rührend wie Anima in der Mansarde ein spanisches Zimmer eingerichtet hat, mit gutem  [3]Geschmack, dazu sang sie ein Lied, ergriffen von der Naivität und der Begabung dieses Kindes; das alles auf einem Piratenschiff. Las Freyers Manuskript [4]Über Weltgeschichte, Prophetismus in Griechenland; ach diese armen Deutschen. Las den ganzen Tag die Weltgeschichte Freyers. Vieles ist sehr schön, daß er ein lucidatus wäre, [5]aber mir tut es weh: nichts verdankt er mir. Kluger Epigone Hegels und Diltheys, mein tiefster Impuls sieht sich verraten; peinlich, wenn er aufs Christentum kommt, [6]hier wird er zwischen den orthodoxen Theologen und den rechten Christen völlig zerrieben. Den ganzen Tag so zu Hause gelegen, erkältet, im rechten linken Ohr, abends eine Flasche Rotwein mit [7]Duschka, Claire und Tante Luise; die Kinder singen entzückend; Anima spielte spanische Kemenate mit bengamalischer Beleuchtung, rührend diese Wiederholung meiner [8]eigenen Liebe zum Kitsch. Um 10 zu Bett und schlecht geschlafen, weil ich zu wenig Bewegung hatte.

[9]. Durch eine Tasse Kaffee etwas munterer, aber wie traurig; die Ferien kommen, Angst davor, schönes Wetter, dann kommen die englischen Flieger. [10]Schroer rief an, ich sagte ihm, daß er zu soll; wird 100 Flaschen Moselwein bringen. Überlege die Reise nach München, habe keine Kleider und keine Wäsche. [11]Einsam, lächerliche Beziehungen zu Emge und Angst mich dadurch zu degradieren, daß ich überhaupt an eine solche Nullität denke. Niemand denkt an mich, welche Enttäuschung, [12]Jünger, Jessen, Popitz, alles umsonst. Las die jüdischen Psychotiker und Marxisten (Borkenau, Wiesengrund) der Frankfurter „Zeitschrift für Sozialforschung“. [13]Erschrak, und sah, daß die letzten 10 Jahre wohl verdient sind. Traurig, Hitler bedient von Lammers, Weizsäcker usw. Geschäftsklassen-Bewußtsein und Selbstanalysen. [14]Unterdessen brennt das Haus ab. Bequem und nicht viel gearbeitet. Nachmittags ausgeruht, auf Goruneanu gewartet, der aber erst ½ 8 kam, wollte noch Winckelmann dazu, aber er [15]war verhindert, auch die reizende Frau. Goruneanu aß mit uns allen am Tisch, die 4 Kinder und Tante Luise. Das gefiel ihm offenbar gut. Wir tranken Moselwein, [16]er sprach sehr offen, bekannte sich als Europäer, ein lieber, sympathischer Kerl. Er hat mir die rumänischen Rhapsodien von Enescu mitgebracht. Um 11 ging [17]er. Dachte (wegen der Besetzung von Palermo, an Pierandrei). Anima zeigte ihr spanisches Zimmer in der Mansarde.

[18]. Gut geschlafen, aber immer noch Ohrenziehen, doch nicht mehr so deprimierend. Vormittag spanische Übersetzung meiner Bücher gelesen, fand das alles [19]sehr schön und genoß den herrlichen Sommermorgen. Den ganzen Tag fast nichts getan, herumgelesen, abends sogar Bossuet, um [20]¼ 11 zu Ahlmann gefahren, mit ihm eine Flasche Sekt getrunken, sehr schön unterhalten über Freyers Manuskript (Der Entschluss zur Kultur als Überschrift unmöglich), [21]über seine Reise nach Kiel. Gehoben nach Hause, sah noch eine Sekunde Fräulein Auburtin, die sehr nett grüßte. [22]Omine auctus. Abends bis nach 1 herumgelesen, Schubert gespielt, Erkenntnis dieses Einbruchs der Slawen in den deutschen [23]Geist, der dann durch die preussische Verkrampfung und den Willen zu Irgendetwas (zur Haltung, zur Macht, zum Charakter) zerdrückt wird. Grauenhafte [24]Verwüstung; seit der Umarmung deutsch-baierischer Messerstiche und der giftigen Soße der Rassentheorie. Orgiastisches Finale des norddeutschen Größenwahns.

[25]. Wieder ein glücklicher Vormittag, wie langmütig ist Gott. Ahlmann rief an (Nancy Nachtigal und Frau Hahm) und teilte die [26]Entlassung Mussolinis mit. Sprach mit Duschka darüber. Tief ergriffen. Erinnerte mich des Gesprächs mit ihm. In dem Magazin der [27]Bibliothek war ich sofort wieder abgelenkt. Holte mir Bruno Bauers Rußland und das Germanentum, großartiger erster Eindruck, stärkte mich für die schwierige [28]Vorlesung, die aber gut vorüber ging. (Gerichtsherrlichkeit) nachher 2 Fleißprüfungen, darunter ein Ukrainer. Während der Vorlesung Alarm, ließ mich aber nicht unterbrechen. Erleichtert nach Hause, ausgestreckt, [29]nichts getan, Weber-Schumburg angerufen, Appel kam auch zur Stunde, aßen zu Abend, tranken 4 Flaschen Wein, nette Unterhaltung, aber [30]es war doch nicht das richtige. Traurig zu Bett. Optimistische Grenzen. Unter-bewußt: Der unverschämte Kerl am Telefon (17/7) war bestimmt Keiper!

[31]. In der Zeitung die Nachricht zum Rücktritt Mussolinis, der Aufruf des Königs und Badoglios. Ich war in Deutschland der erste, der Mussolini begrüßt hat, [32]und eine Theorie daraus machte. Jetzt ist das also aus. Überlegte, ob ich heute oder erst Donnerstag aufhören sollte. Optimismus schon wieder vergangen. Die [33]dreisten Bockelsöhne, erfanden andere Töne. Hielt meine Vorlesung, leidlich, erleichtert nach Hause, Fleißprüfung eines netten Fräulein Schönberg. Zu Hause große [34]Hitze, ausgeruht, um 4 aufgestanden, Weber kam, sprach von Leipzig, Michaelis, der nach Berlin kommt, (Neffe des Kanzlers, Freund Berbers, [35]Wieackers Nervosität und Hysterie, alles sehr deprimierend, Tagung in München, zu der ich nicht eingeladen bin, Papierbewilligung für juristische Bücher [36]aufgrund der Gutachten von Höhn, Ritterbusch, Dahm! Über den selbstgefälligen Huber und seine ehrgeizige Frau usw.[)] Es ist zum Sterben. Wir tranken Kaffee,

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[1]dann eine Flasche Enkircher Steffensberg, allmählig habe ich keinen Wein mehr. Begleitete Weber zum Bahnhof Lichterfelde West. Duschka ist krank und im Bett. [2]Frau Niermann rief an und will morgen kommen. Nach dem Abendessen kam Claus Valentiner. Erzählte von Aix, Jüngers großer Ruhe, Teilung des Zusammenhangs von Schutz und Gehorsam, über Nebel, der in Rom ist, französische Literaten, [3]wir tranken eine Flasche sauren Zeltinger, bis ¼ 11. Müde und verzweifelt, ohne Schlaf, auf den Alarm gewartet, der aber nicht kam. Blötz hat angerufen [4]und von Hamburg erzählt; Gruß aus Sodom und Gomorrah.

[5]. Den 50. Geburtstag von Jup. Keine Nachricht von ihm. Morgens herumgelegen, müde, krank, energielos, [6]verzweifelt, dazwischen wieder Vorlesung vorbereitet, deprimiert, plötzlich einige Gedichte von Blaga, die mir große Freude machten. [7]Freude an der Freundschaft mit Goruneanu. Die Kinder bereiten eine Theateraufführung vor. Las Bruno Bauer: Rußland und das Germanentum, er ist der [8]Isolierte; etwas mit ihm identifiziert, aber nicht viel: Liebe zu den Rumänen. Ähnlichkeit mit Bojić. La Coruña [9]und Carol, armes Mückchen. Genieße das Galgenfristen; carpe horam (diem, oh, schon viel zu viel); welch eine unwürdige [10]Sklaverei und dabei ist es doch die Wirklichkeit deiner menschlichen Existenz. Nicht als Sklave brachte uns ein Schicksal her... oh armer Knabe. In ex. [11]pertatis jud. Las über Rumänien; wie romantisch. Dachte an all diese Menschen, die morgen abend kommen; welch ein Zustand. Ju[12]dica et discerne, unendlich, was Bruno Bauer war, ein Christ im Sinne der Isoliertheit. Dabei bereitete ich mit sonderbarem Eifer meine [13]letzte Vorlesung für morgen vor. Vormittags um 11 Alarm. Nachmittags Kaffee, zur Feier von Jups Geburtstag, Frau Hahm kam und schimpfte über die [14]Terrorangriffe der Engländer. Frau Niermann erzählte von der Korrespondenz ihres Mannes mit Roßkopf über Konrad Weiß. Trank zwei Flaschen Wein, [15]ging müde zu Bett und las noch Gedichte von Blaga.

[16]. Morgens ohne Orgie. In Expressionen judizieren. Bereitete meine letzte Vorlesung schön vor, große Hitze, hielt sie [17]vor 40 Hörern etwa, machte mir aber Freude, besonders der nette Rugina, der mich nachher zur U-Bahn begleitete. [18]Zu Hause geschlafen, geschwitzt, Frau Rudorf kam, dann Wagner, brachte Carr zurück, nette Unterhaltung, also heute 60. Geburtstag Mussolinis! [19]Großes Bedauern. Nachricht über Hamburg. Goruneanu telefonierte für Abends ab, weil er nach Lissabon telefonieren muß. Es soll wohl nicht so sein. [20]Erziehung zur Ergebung in den Willen Gottes. Tagebücher von Kierkegaard gelesen, doch immer wieder ergriffen. Es gibt also noch Christen. Nach dem [21]Abendessen kamen zuerst Goruneanu und Teodorescu (ein sympathischr Bohemien, machte eine Paul Adams-Übertragung mit ihm, die ihm vielleicht unerklärlich vorkam, [22]großer Philosoph, Bohemien, Bourgeois), rührend der liebe Goruneanu, der mir Kaffee mitbrachte. Dann kamen Winckelmann und Frau, Blötz und schließlich Weber-Schumburg. [23]Schöner Abend, der Moselwein schmeckte wunderbar (Enkircher Steffensberg 39). Blötz erzählte von Hamburg (Groß-); mit Teodorescu über [24]Jünger, alle finden Jünger schuldig: es ist 10 % ὑβρίς dabei gewesen, sagte Teodorescu. Blaga, den ich bewunderte, [25]ist für ihn Naturschutzpark, künstlich und in keiner Weise aktuell. Erschrak, vor diesem Wissen und dieser Überlegenheit; kannte auch Wiesengrund. Aufregender Abend, [26]um 1 Alarm, aber es ging vorbei. D. e. j.

[27]. Müde, Nachtschweiß, schöner Kaffee zum Frühstück, die Galgenfrist, las eine kleine Portugiesen-Schrift von Moncada [28]über Thomas, sehr glücklich darüber, obwohl zum Tod verurteilt. Aufgeregt Arbeiter von Jünger gelesen, wie steht er in der Tradition: C. Roessler. [29]Bruno Bauer. Der Sekretär von Pfeiffer telefonierte und sagte die Veranstaltung der Internationalen Rechtskammer für heute abend ab. (Der stellvertretende Vorsitzende Stuckart darf seinen [30]Arbeitsplatz auch nicht für eine halbe Stunde verlassen.) Naives Glück in einer Stunde am Schreibtisch. Nachmittags geschlafen, nichts getan, herumgelesen, Abends rief [31]Rörig an, was mich tief rührte, weil weder Popitz, noch Jessen, noch ein sonstiger Bekannter anrief. Dann Frau Hahm, die mitteilte, daß Alarmstufe 15 [32]sei. Große Aufregung, wir schleppten viel in den Luftschutzkeller und warteten. Ich trank eine Flasche Wein. Telefonierte an Wagner, daß Alarmstufe 15 sei, um mich wichtig [33]zu machen. Es kam aber kein Alarm. Geschieht dir recht, Wichtigmacher. Wartete bis 2 Uhr Nachts, müde, auf dem Sofa geschlafen, Herzbeschwerden [34]wegen des immer wieder unterbrochenen Schlafes. Schließlich müde zu Bett. Einsam, isoliert, zum Tode verurteilt, vor dem Fegefeuer, das nun endlich [35]kommen muß, völlig zerschmettert, wie ist das nur möglich, gescheitert usw. Gespräch mit Weber-Schumburg, der aber zurückhaltend war, erzählte, [36]daß in Hamburg über 5 Hunderttausend Obdachlose. Das ist dann die Ent-Arbeits-Beschaffung, oder die Unterlassung der Lösung des Arbeitsproblems durch den Krieg.

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[1]. Herzbeschwerden wegen des immer wieder unterbrochenen Schlafes. Die Zeitung hält die Fassade aufrecht. Die Unpünktlichkeit Duschkas, das Geschrei der Kinder, [2]die entsetzliche Isoliertheit und Einsamkeit. Flucht zu Bonn, an den ich mich mit großer Dankbarkeit und Rührung erinnerte (nachdem ich den Aufsatz [3]über die USA in einem Geschichtsbuch gelesen hatte). Wartete vergebens auf den Anruf. Da sitzest du nun, alter Sünder, armes [4]Mückchen, und glaubtest, etwas zu sein. Der bloße Gedanke an diese Leute erstickt mich. Nicht einmal beschleunigter Widerwille. Der Nachläufer als [5]Beschleuniger. Das herrliche Sommerwetter erinnerte mich an unsere Wanderung im Sauerland. Auch das ist also vorbei. Keine Nachricht von Jup, große Sorge. Las [6]abends Leon Bloy Salutp. l. j. Ergriff die Stelle über Sodom und Gomorrah, Gen. IX. Eine Flasche Rotwein, die kleine Üssie warf das letzte Glas [7]um, gab ihr eine Ohrfeige, großes Geheul. Immer in Erwartung des Fliegerangriffs, der aber nicht kam. Damals war Helligkeit der Bote; ob dieses Mal wieder einer kommt?

[8]. Um 8 auf, mit den Kindern in die Kirche zur Primiz von Heinrich Leithiger, wo Anima die Krone trug. Wunderschöne Feier. [9]Ergreifend, der rührende Pfarrer Gebhardt in seiner Predigt (keine Statistiken berichten darüber, wie viel Frieden die Priester durch die Beichte gestiftet haben usw.). Gute, [10]disziplinierte und bewußte Haltung dieses jungen Jesuiten, der die Primiz feierte. Alles tief ergriffen, während rings das große Stalingrad entsteht. Wir gingen nach Hause, [11]frühstückten schön, herumgelegen, etwas geschlafen, nach dem Essen wieder zu Bett, aber entsetzliche Hitze, gebadet, um ½ 5 zu Rörig. Mit ihm schöner Tee und [12]Kuchen, sowie eine Flasche Graacher getrunken. Natürlich über Italien philosophiert, immer wieder rückwärts gerichtet, Angst dieser guten Nationalbürger, um ihr Besitztum, [13]aber ich bin sicher, daß sie viel versteckt haben. Mussolini liest Nietzsche, (sein Dankschreiben möchte ich gerne lesen). Um ½ 9 wieder zu Hause, das große Fräulein Samić, [14]eine Serbin, half Duschka und ordnete die Papiere, wir überlegten abends, daß Duschka und Claire mit den Kindern nach Cloppenburg fahren, Dienstag, wenn noch Züge [15]fahren. Ich bin wie gelähmt, trinke eine Flasche Wein. Traurig, erledigt. Manchmal wieder getröstet, durch den Gedankendrang, daß ich schon einmal [16]einem solchen Kataklysmus entronnen bin, Unfähigkeit zur Willenslosigkeit, Unfähigkeit zu starkem Willen; armes Treibholz.

[17]. Vorbereitungen für die Abreise, während ich zu Hause bleibe. Die Köchin hat große Angst. Was soll ich machen. Dachte daran, [18]Fräulein Suhr abzuholen. Dummer Kerl. Vorbereitungen Ich tue nichts, ich rolle meine kümmerlichen Tränen, und feile an den Sätzen des [19]Nomos der Erde. Bist du nicht endlich reif, armes Mückchen. Hörte durch Rörig, daß im C. d. Sera steht: Rückkehr zum [20]senso giuridico, Respekt vor dem Menschenleben und der Person, zur Verfassungsübungen; jetzt hat also Frank wieder keinen Triumph, Tradition, [21]der Schwindel wird immer größer. Telefongespräch mit Rörig, der vom C. d. S. erzählte. Niemand rief bei mir an. Telefonierte Nachmittags mit [22]Grewe, erzählte ihm von Madrid, amerikanische Literatur, seine Eltern in Hamburg sind gerettet, sein Buch ist bald fertig; widerlich selbstsüchtiger, armseliger Typ, [23]ich bin doch ein armer Mensch, daß ich solche Menschen nicht ignorieren kann. Letzter Abend mit Duschka und Claire und den Kindern. Soll man das furchtbare Fräulein [24]Samić holen (die serbische Brünhilde?), Duschka tat es nicht; sie weiß wohl, warum (meine Verfallenheit an diese grobe Art kennt sie wohl); dann [25]bei Goruneanu, wegen des Autos, der aber verhindert ist und erst Donnerstag kommen kann; schließlich Frau Hahm und Leistikows, noch [26]in der Dämmerung gesessen, während Claire und Duschka einpackten, Portwein getrunken, gab ihm mein Land und Meer, lieber sympathischer [27]Mann. Alles empört über den Aufruf an die Berliner, der gestern Abend verteilt wurde; alles in Untergangsstimmung.

[28]. Um 6 aufgestanden, alles macht sich zur Abreise bereit, wir fuhren mit vielen Koffern mit der S-Bahn zum Lehrter Bahnhof; auf dem Bahnhof Friedrichstraße [29]tat Duschka, in gewohnter Sicherheit, einen belgischen Arbeiter auf, der uns die Koffer trug und beim Einsteigen am Lehrter Bahnhof half. Entsetzliche Überfüllung, [30]flüchtendes Berlin, mit Frauen und Kindern, Geschrei, Gepäck; Claire findet sich in solchen Situationen fabelhaft zurecht; Duschka bleibt seelenruhig. Sie wurde schließlich [31]durch das Fenster in das gefüllte Abteil hineingedrückt. Grauenhaft, ich war kurzatmig, müde weggegangen, mit dem Belgier (Christian) [32]noch ein Glas Bier bei Aschinger getrunken. In das Magazin der Universitätsbibliothek, das ist die beste Erholung, etwas über peaceful [33]change gefunden, meine eigenen Bücher, erst deprimiert, nachher wieder selbstbewußt (besonders wenn ich die Randbemerkungen zur Politischen Romantik sehe). [34]Müde in der fürchterlichen Hitze nach Hause. Einen Augenblick wieder leichtsinnig, aber das verging einem in dieser Situation. Schlief Nachmittags etwas, [35]badete, trank Milch, um ½ 5 kam das sympathische Fräulein Pengel mit dem Referendar Hojer aus Hamburg, der von der Zerstörung [36]erzählte und ein Notexamen machen will. Netter Kerl, mit einem Arm, behielt ihn aber nicht bei mir. Dachte immer an Georg Eisler [37]und die Rache der Juden. Sie gingen um 6, rief Fränger an und lud ihn für den Abend ein, nicht zum Abendessen. Er will nicht von Berlin weg: In dieser existenziellen Stunde ziehe ich die Flagge nicht ein. Er kam auch und las mir über

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[1]die Hölle von Bosch vor (die Mönchshölle, die Musikhölle, weiteres, aber nicht besonders gut, vieles hübsches, vieles dummes Zeug. [2]Rituelle Stilzeichen; die Übersteigerung des Vorgangs der Unterschrift: Er will immer einen Zusatz konstruieren), ich war todmüde, er sprach von Brentano, [3]schwärmte, von Freimaurern, dummerweise zitierte ich Konrad Weiss („Es hat in tiefen Flüssen“), bis ½ 11. Erzählte von Derleth, [4]den Georgianer, was soll das alles, ich bin dem damals entgangen, jetzt läuft es mir nach; Herr, gib uns blöde Augen. [5]Müde in der Hitze zu Bett. Dachte an Mussolini: primi oculi vincuntur.

[6]. Verhältnismäßig gut geschlafen, wieder großes Behagen, Traum von Goruneanu und Gilles, große Süße, „Wolllust ward dem Wurm gegeben.“ Um ½ 9 auf, schöner Tag, wieder [7]heiß, telefonierte wegen des Hojer, Aufsatz von Goebbels in der Zeitung: Disciplin, Selbsthilfe usw. Rührend. Der nette Oberlandesgerichtsrat Kirchhoff, [8]der im Justizministerium das Prüfungsamt vertritt. Brief von Frau Winckelmann, daß die Symphonie von Enescu gestern Abend gesendet wurde, das tat mir [9]leid. Anruf von Ipsen aus Hamburg, warnt dringend, in Berlin zu bleiben; seine Kinder und seine Frau gerettet. Am Schreibtisch, aber [10]nervös. Die Putzfrau sagt: Der Gerwig ist schon in der Schweiz. Frau Hahm rief an und sagt, daß das ganze Haus, in dem Bruns wohnen, bereits leer ist. [11]Nachher Graf Podewils, der Jünger gesehen hat und morgen wieder anruft. Es war drückend heiß, ich aß früh zu Mittag, ruhte aus, las [12]die spanische Zeitschrift des Int. Est. Pol. und freute mich noch einmal meines Spanisch-Erfolgs und meines guten Vortrags. [13]Um 5 zurechtgemacht, für den Nachmittag, Ipsen hat angerufen, ich habe ihn für heute abend mit eingeladen, obwohl das nicht fein war; (erinnerte [14]mich an den Fehler, den ich gegenüber Castro-Rial begangen habe), rief deshalb an und brachte es in Ordnung. Oft stundenlang völlig vergnügt und gleichmütig. [15]Frau Schur, die Freundin von Frau Jünger, rief mehrmals an, Frau Jünger hat sich nach uns erkundigt; sie hat die Alarme bisher gut überstanden. [16]Ließ mir die Haare im Bristol schneiden, ½ 7 mit Ipsen, Weber-Schumburg und Sahlin im Bristol getroffen. Schön zu Abend gegessen, von Weber-Schumburg [17]eingeladen, Graacher Mönch-Auslese getrunken, es war furchtbar heiß und wir schwitzten; Sahlin Hamburger Typ, matt, spricht viel, überzeugt von sich, [18]erzählte Fälle usw. Ipsen gab Ratschläge über das Verhalten bei Fliegerangriffen. Ich ging noch in das Zimmer von Weber-Schumburg, furchtbare Hitze, [19]aber sehr gute Weine, schließlich ein Rothschild Ch. Lafitte, herrlich, sprechen über Führer als Richter, über Max Weber, das Justizministerium als [20]letzter Hort des Rechts, keiner traut dem anderen. Um ½ 12 nach Hause. Todmüde, aber angenehm, besonders der nette Weber-Schumburg. [21]Habe Sahlin ein gebundenes Exemplar von Land und Meer gegeben. Jetzt ist das letzte weg. Ultimatum zum 10. oder 15. Also wieder eine Galgenfrist.

[22]. Behaglich am Schreibtisch, furchtbarer Durst, aber kein Mineralwasser aufzutreiben; die pomadige Anna strengt sich auch nicht an. [23]Gespräch mit Broermann vom Verlag Duncker Humblot; er ist ganz ruhig, sympathischer Westfale, Walz will Bilfinger oder Jahrreiß zum Leiter der ZFV. [24]machen, lächerlich, der arme sinnliche Bilfinger und der Luftikus Jahrreiß. Schrieb an Moncada nach Wien und schickte ihm die 3 Arten für seinen Vater, [25]Rugina rief an, mit Augusta von Oertzen für Montag Nachmittag, die Direktorin der Königin-Luise-Stiftung veranstaltet eine Tagung der Eltern, heute Nachmittag, [26]Pflichtgefühl, hinzugehen, aber es wäre doch Unsinn. Nachmittags meldete sich Graf Podewils an, er kam um 5 zum Kaffee und blieb bis 12! Hatte eine halbe Flasche [27]Cognac mitgebracht, die wir austranken; erzählte von Frankreich, Jünger, geht zur Armee Rommelnach Oberitalien, sprachen über den Kampf gegen das Christentum, er meinte, daß Schlimmste sei schon überwunden, weil man in seinem Dorf die Fronleichnamsprozession wieder zugelassen habe. Rührend. Sah seine Schwäche und Belanglosigkeit und lang[28]weilte mich. Um 8 kam Goruneanu ohne Teodorescu, wir tranken Cognac und Portwein, und unterhielten uns, über die Fliegerangriffe, über [29]Rumäniens Lage, ich sprach über geheime Gesetze und Richtertum, die zu erwartende Reaktion auf die Art und Weise, wie der Fascismus (als verfassungswidrig d.h. [30]nicht-liberal-konstitutionell) liquidiert worden ist. Bis 12 auf der Terrasse, dann fuhr der gute Goruneanu den Grafen Podewils nach Hause. [31]Ich habe (durch einen der bekannten Zufälle) Jakob Wassermann gelesen, Mein Weg als Deutscher und Jude. Tief ergriffen, aber schließlich doch immer wieder angewidert [32]von dieser Unfähigkeit des Juden, seinen Mund zu halten und bei sich selbst zu bleiben; diese Art Edel- ist die allerscheußlichste , [33]aber ich kann es nicht leugnen, die Menschheit hat 2 Geißeln; was er über Zentralhexen-Küche“ sagte, die unbegreifliche [34]Art vom Haß (der deutsche Haß), in grauenhaften Sadismus, das alles ist ja wahr.. Werde immer mehr auf mich zurückgeworfen, dachte, daß ich eigentlich [35]Popitz anrufen müßte, tat es trotzdem nicht, die Hemmung war zu groß, ich einsamer, armer Katholik; erinnerte mich an den armen Fritz Eisler, [36]der mir zuerst die Bekanntschaft mit den Büchern Wassermanns vermittelt hat; in der Fabel Caspar Hauser.

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[1]. Karte von Duschka und Anima aus Cloppenburg; Anima hat das Zeugnisheft vergessen, das ich ihr schickte. Ging zur Post in Dahlem, [2]einen Augenblick in der Kirche, las Eschweiler und Thieme (die mir Barion zurückgeschickt hatte). [3]So vergeht die Zeit; morgen ist alles nicht mehr vorhanden. Dachte mit Widerwillen daran, daß Rumpf heute Nachmittag kommt, diese anmaßenden jungen Leute, die [4]einem mißtrauen. Kyöstie Haataja aus Helsinki im Oktober zu kommen. Das geht doch gar nicht. Völlig passiv. [5]Also gestern war die große Besprechung mit den Italienern. Immer noch Ohrensausen. Nachmittags kam Rumpf, trank eine Tasse Kaffee, sprach zuviel, er erzählte von [6]Amerika, die Aufrufe an die deutschen Katholiken, von der Note an die Neutralen, Mussolini kein Asyl zu geben. Um 7 ließ ich ihn gehen. Meine Schwäche [7]ist grenzenlos. Trank den Rest des Pfälzerweins aus, auf der Terrasse, großer Genuß, wenn nur das fürchterliche Ohrenzirpsen nicht wäre. [8]Ging dann früh zu Bett, und las herum, sehr nervös. Brachte Nolde und ein Bild von Gilles in den Luftschutzkeller.

[9]. Vormittags zur Post, Einschreibepäckchen an Üssie mit meiner Notiz über Bruno Bauer und dem schönen Einband von Animas [10]Land und Meer. Einen Augenblick in die Kirche. Las nachmittags Villiers, einiges schön, das Ganze zu verkrampft. Um 5 [11]Kaffee getrunken, plötzlich etwas gearbeitet an dem Nomos, Freude an den Korrekturen und dem Manuskript. Gedanken an den Untergang. [12]Um 7 zu Popitz, er war kalt und nett; wir aßen schön zu Abend, sprachen über Carr, den er kannte, dann kam aber schon Zahler. [13]Wußte alles, lachte, schwärmte für Anatole France; sprach von der Ostfront, Askese, von Göring, vom unwiderstehlichen [14]Rationalismus, sehr klug, oft wie Jup. Wir tranken nach dem Essen eine Flasche Hochheimer, aber Popitz bietet mir keinen Mosel an. [15]Sehr schade. Er war müde und gähnte fortwährend. Sprach vom Reich (will nichts mit Epp zu tun haben), Einheit geht vor Freiheit, usw. [16]Ich weiß nicht, was er will; war schweigsam und ging in der Dunkelheit um 11 nach Hause, was sehr anstrengend war. [17]Traurig und einsam zu Bett.

[18]. Erst um 10 auf, schlecht geschlafen, nervös, vielleicht der Nachmittagskaffee, aber morgens gut an dem Manuskript [19]gearbeitet, Hoche angerufen und für Dienstag verabredet; Duschka schrieb, daß sie Anima in Cloppenburg [20]bei Wesselings untergebracht hat und Mittwoch zurückkommt. Jetzt beginnt die Sehnsucht nach dem Kind. Las über Max Weber, ergriffen [21]von dem, was er über den Pennalismus sagt, alles richtig; sehe mich selbst, armes Mückchen, komm endlich in [22]die Wirklichkeit. Nachmittag etwas geschlafen, gebadet, wieder Kaffee, Manuskript korrigiert, etwas in den Luftschutzkeller gebracht. Dann zu [23]Frau Hahm und Leistikow. Es regnete fürchterlich. Anna ist ins Kino. Schrieb an Frau Jünger, schickte dem Assistenten Wasse meine Danziger Gutachten. Sehnsucht nach seelischer Autarkie, armer, sensibler Bücherwurm. Um 7 im Regen zu Frau Hahm, sie war gastfreundlich [24]und rührend, aber alt; Leistikow und seine Frau kommen, erzählten von Berlin, zeigte seine Seeräuber-Zeichnungen, herrlich, große Sympathie mit seiner zurückhaltenden [25]Art und der Klugheit der Frau, wir aßen schön zu Abend, tranken 2 Flaschen Moselwein, worüber ich sehr glücklich war, um 10 kam noch ein [26]Landgerichtsdirektor von Specht, der von Hamburg erzählte (die Großmutter betete), ich ging in der Dunkelheit nach Hause und todmüde zu Bett. Eigentlich [27]bin ich physisch fertig, immer Ohrenklingen. Angst und Sorge um Anima. Nachts Bloy, Briefe an Veronica gelesen.

[28]. Besser geschlafen, aber immer Ohrenziehen, was soll ich tun. Schönes Wetter, wartete auf den Anruf von Rugina, um zur Bank zu gehen. [29]Ein paar Notizen über den Nomos. Eine Karte von Veronica kam, mit lächerlichen (italienischen) Grüßen von Roßkopf. [30]Immer noch über die Begegnung mit Popitz, vorgestern Abend, nachgedacht. Fremd und kalt; das ist ja die Edel- und Idealausgabe dieses [31]schillerne Juwel und Pennalismus, von dem Max Weber spricht. Unfähig zu hören, dann plötzlich wieder bedeutender (wie wir über Askese sprechen, mit Zahler[:] ‚Wußten Sie, daß es sich um Läuterung handelte bei dem, was ich sagte‘), kommt doch wohl nicht von seiner 1919 Erfahrung los. Meine Kenntnis [32]der Judenfrage ist zu tief, als daß ich mit Philo- oder Antisemiten zu tun haben könnte; wenn nun ein Antisemit merkt, daß ich nichts mit [33]Philo und , und mich als Bundesgenosse

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[1]Entzückt von dem Aufsatz von Ortega über Intellektuelle; hingerissen (Man beginnt mit dem Wort an der heiligen katholischen usw.) oder [2]Intellektuell-Sein ist eine Verfassung, die geheim bleiben soll, wie Räuber, Spione oder Prostituierte zu sein), wollte es Popitz zeigen; schrieb mir eine Stelle [3]von Villiers ab, wollte sie auch Jünger abschreiben, diese traurige Abhängigkeit. Ging an der Bank vorbei und bezahlte überwies einige Rechnungen, nach dem [4]Essen gut geschlafen, Bloy gelesen, um 5 kam Rugina zum Kaffee, las mir über das Kontinuitätsproblem der Rumänen [5]vor, sprach mit ihm über den Wiener Schiedsspruch, rührende Anhänglichkeit, um 7 kam Medem, wir aßen zu Abend, er hat eine Flasche Cognac mitgebracht, [6]sprachen über das Generalgouvernement, lieber, anhänglicher Kerl, die Gemeinschaft der anständigen und vernünftigen Menschen; gegenüber Schutzpanzer ( [7]), trank den Portwein, begleitete ihn zum Bahnhof Lichterfelde West. Früh zu Bett; immer Bloy gelesen; stürmisches Wetter.

[8]. Gehirngeräusche, scheußlich. Keine Post; froh, daß ich gestern Abend nicht Popitz angerufen habe, Bedürfnis nach [9]Autarkie; Gefühl der Isolierung und Einsamkeit; Staune über die ersten Christen, in der Arena, oder vor dem Prior, wenn ich mich an [10]die Schwachheit dieser Schutzpanzer erinnere; durch die Apparatur der Nervenbeherrschung bricht das Neue, oder vielmehr das Andere. Wie einfach wäre das alles und [11]wie bin ich der Dumme gewesen, der auf jeden ‚historischen‘ Schwindel hereinfiel. Schrieb fleißig an dem Nomos (die Abwesenheit meiner Frau). [12]Schlief mittags und fuhr um 5 zu Augusta von Oertzen, zum Tee, nette Unterhaltung über Siegfried Kardorffs Bismarck-Briefe, die [13]Deutschen, die Aussichten des Krieges, um 7 ging ich weg, so vergeht wenigstens der Nachmittag, fuhr mit der U-Bahn zurück und war ½ 8 [14]wieder zu Hause, wartete auf Hoche, der pünktlich kam, wir tranken den herrlichen Mouton Rothschild 34, [15]aßen Brot dazu, er war nett, pessimistisch, die Stellung der Justiz, die Theorie Heckels (über Enteignung [16]über den Bereich des Kirchenministeriums, Reichsverwaltungsgericht) die Flucht aus Berlin, begleitete ihn um ½ 11 noch etwas [17]an die Thielallee, angenehmer Besuch, aber was will der. Konnte nicht gleich einschlafen.

[18]. Allmählig gut geschlafen nach dem herrlichen Wein (meine letzte Flasche). Morgens Traum von Spanien [19](Frau ist ein Kind), vormittags etwas über den Nomos geschrieben, Karte von Stapel, der [20]in Salzwedel ist. Telegramm von Duschka, daß sie 18 Uhr kommt; rief noch bei Rugina an. Nach dem [21]Essen geschlafen, todmüde um ½ 6 zum Bahnhof Friedrichstraße, traf nach einigem Suchen Rugina, kam noch eben rechtzeitig, als Duschka [22]ausstieg. Ich hatte furchtbare Herzbeschwerden und war todmüde. Der gute Rugina trug den schweren Koffer (mit den Enten), wir fuhren mit der Stadtbahn nach Lichterfelde West, Rugina [23]blieb zum Abendessen, Duschka erzählte von Cloppenburg und Anima. Anscheinend ist sie bei Wesselings gut untergebracht. Trinken eine Flasche [24]Wermuth. Rugina war rührend, wir sprachen über Gedichte von Blaga, er liebt Hölderlin; ging um ½ 10. Ich ging früh zu Bett.

[25]. Morgens eifrig geschrieben an dem Nomos. Sonderbar. Im Gefühl der letzten Stunde. Auch Nachmittags, der Tag [26]verging schnell, nett mit der beruhigenden Duschka gesprochen, Popitz, Ahlmann, Wagner eingeladen. Abends in der Küche allein gegessen, [27]schöner Schinken, Schnaps von Medem, als wir um 12 den Brief an Anima zum Briefkasten brachten, plötzlich Alarm. Alles in den Luftschutzkeller gebracht. [28]Die üblichen Vorbereitungen, wie traurig und hilflos ist das alles. Condemnatus. Der Alarm dauerte nicht sehr lange, traurig noch etwas geschrieben, [29]geordnet, um ½ 2 zu Bett.

[30]. Traum von . Müde und zerrieben. Trotzdem fleißig an dem Nomos. Oft aber schon wieder entmutigt und gleichgültig. Tante Luise ist da und [31]erzählte. Ich ruhte nach dem Essen wieder aus, las Bachofen, alles sehr traurig und deprimierend, um ½ 7 wollte Mutius mit Kapitän Weniger kommen. [32]Sehr schöne Unterhaltung bei Portwein und herrlichen Schinkenbrötchen, Dummheit der Deutschen, Kriechen ins Mauseloch, bürgerliche Bauernpolitik, , Überlegenheit des

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[1]Ostens, Stalin Waffenlieferungen, Dummheit Churchills; Lage der U-Boote, Vertrauen aufs deutsche Volk, die kommende Rede. Begleitete ihn um [2]8 zum U-Bahnhof, dann mit Mutius bei mir zu Abend gegessen, Schnaps getrunken, nette Unterhaltung, über den isolierten Einzelnen, gebe ihm Carr, [3]die Deutschen, die Kirche, begleitete ihn zum Autobus, und sprachen von den toten und innerlich verwesten Menschen, seine Wut auf Frank, Untermensch scheint noch Menschen wichtig! [4]Übermensch; wartete noch, ob es Alarm gibt; müde und gleichgültig zu Bett; Freude an meinem Nomos.

[5]. Bis ½ 11 gut geschlafen, oft wach, Nomos gelesen, sonderbares Schicksal dieses Buches. Brief vom Postminister, [6]soll Gutachten machen, will Montag anrufen. Unterdessen wieder einige Seiten geschrieben. Rührende Karte von Stapel (es ist richtig, [7]zu bleiben, auch in der Hölle sind wir in Gottes Händen). Fuhr um 3 zu Uhle, um 5 Flaschen Wein zu holen für den Abend. [8]Sprach mit Gese, traurig, bedrückt (lächerliche Traurigkeit: Mein Wunsch zu helfen und zu begleiten ist unerfüllbar, da wird der arme Teufel deprimiert), schleppte den Wein [9]nach Hause, ruhte eine Stunde aus; dann kamen die Gäste. Erst Ahlmann, mit dem ich mich eine halbe Stunde über Stimson und den diskriminierenden Kriegsbegriff unterhalte; [10]er erzählte vom Grafen Blome, Vogelsang, ist das nun wirklich was, die Arbeiterschaft; dann kam Popitz mit Hans und Corrie; Hans war sehr lieb, [11]seine traurigen Augen, erzählte vom Postministerium, lachte über die Fragen, aßen eine herrliche Ente, die beiden hatten Wein mitgebracht, über den Sinn des [12]Geschenks von Nietzsches gesammelten Werken, übergeben durch einen Flieger! Hartungs Vortrag über den Oberpräsidenten, Popitz war sehr nett und lieb zu mir, Der Sieg ist [13]greifbar nahe Vortrag vor den Ministern und Staatssekretären. Um 12 fuhren sie nach Hause, eine Stunde nachher Alarm, ich stand aber nicht auf; todmüde vom Rotwein.

[14]. Bis ½ 11 im Bett, deprimiert, etwas geschrieben, aber mühselig nur einige Zeilen weiter über den Nomos, oft stolz [15]auf mein Wissen, dann wieder nichts, zerschmettert. Nachmittags kamen Appel und Weber-Schumburg; tranken Kaffee, aßen Käsekuchen, sprachen über Politik und [16]die Möglichkeit eines Angriffs auf Berlin; Appel reist übermorgen nach Paris. Langes Gespräch mit Weber-Schumburg, über Ipsen (den er einen Eudämonisten nennt). [17]Erschrak vor meiner Dummheit, Vertrauensseligkeit, Anklammerungsbedürfnis; Weber-Schumburg sagt sehr richtig: Die meisten Menschen wollen nicht allein stehen, sie [18]passen sich an, sie wollen nicht in Opposition stehen, sie fürchten die physischen Gewaltanwender usw. Abends blieb er zum Essen, rührender Abschied von Appel. [19](Wo mögen wir uns wiedersehen; seine Mutter hat uns Mehl geschenkt); langweilte mich etwas, als Weber-Schumburg von Remarque erzählte [20](Strandgut), begleitete ihn zum Autobus. Kaum war ich eine Stunde zu Bett, da kam der Alarm. Stand auf, im Luftschutzkeller, es ging [21]nach einer Stunde vorbei. Aber der ‚Aufbruch‘ ist geschehen; jeden Abend. So lebten die frommen Juden, um das Gefühl des Exils zu behalten!

[22]. Müde, durcheinander von dem Aufstehen, Herzbeschwerden, etwas geschrieben über Nomos, schönes Gespräch mit Ahlmann über Stimson [23]und die naive Überlegenheit der Amerikaner, ihren Weltbefreiungsglauben; völlig zerschmettert. Nach dem Essen herumgelesen, Gefühl der Nichtigkeit; wie lange [24]noch; Aufbruch, jeden Tag der Tod; Abbau. Die gute Duschka schlief mittags im Stuhl ein. Hoffentlich kann ich Donnerstag zu Anima fahren. [25]Um ½ 7 kam Wagner mit Frau, brachte 2 Flaschen Wein mit (Maximin Grünhauser und Oppenheimer), wir aßen schön zu Abend, mit zu viel Speck; sprach über den grauenhaften [26]Unsinn, er hat Affekte, was mich oft stört; nach dem Essen kam Blötz, erzählte sehr nett von Hamburg. Blieb über Nacht bei uns. Begleitete [27]Wagner und Frau an den Autobus; enttäuscht. Wagner schimpfte über Stirner, den er als dummen Kerl abtat. Er hat wohl recht. Noch lange [28]mit Blötz Musik getrieben, Tonika und Dominante, über Schubert, wunderschön, aber anstrengend für mich. Um 1 zu Bett. Kein Alarm.

[29]. Krank, Magen- und Darmbeschwerden, scheußliches Gefühl im Mund, Vormittag im Bett geblieben, scheußlich, kann vielleicht nicht reisen, [30]deprimiert, Horn gelesen, Sprüche Salomos. Nachmittags aufgestanden, Besuch von Rossow, dem Handelsattaché, will eine Dissertation Habilitations-Schrift [31]machen; todmüde wieder zu Bett. Die Tante Luise war da. Um ½ 11 kam Blötz, er war bei Weber-Schumburg (dort adventieren), großartiger Sieg in [32]Sizilien mit der Räumung, wir sprachen sehr schön, um ¼ 12 Alarm, Blötz stellte fest, daß es nur einige imposante Flugzeuge waren, aber furchtbare Schießereien, [33]leider kann er nicht bei uns bleiben, weil er nach Leitmeritz muß. Wir tranken eine Flasche roten Sekt, die er mitgebracht hatte, aßen Butterbrote.

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[1]Mir ging es allmählig wieder besser, Duschka hat mit Cloppenburg telefoniert.

[2]. Es ging wieder besser. Um ½ 11 kam Leemans aus Brüssel, schön unterhalten, ein Mensch, spricht frei und offen, will [3]Professor in Gent werden (ist 42 Jahre), die Substanz des belgischen Volkes ist nicht zerstört. Erzählte ihm vom Problem des Zugangs zur Spitze, [4]die große Parallele mit dem Cäsarismus und Christentum, zeigte ihm die Stelle Tocqueville, Schluß des I. Bandes der Dem in A. [5]Er war tief davon erschüttert. Bat um meinen Leviathan, den ich ihm leider nicht geben konnte. Um ¼ 12 fuhr er. Schrieb an Jensen nach Bremen, fühlte mich [6]wohler, herrliches Wetter, aber ‚mit einem Fuß im Grab.‘ Goruneanu sagte ab, schade, wir hatten gehofft, daß er uns morgen an die Bahn fahren könnte. [7]Das heißt: Ich wollte es gar nicht, es war nur der Wunsch von Duschka, die mit serbischer Herrschsucht den armen Rumänen in Anspruch nimmt. Abends [8]etwas am Nomos geschrieben, Fräulein Hasbach kam um ½ 7 und blieb zum Essen; ich war aufgeregt, hatte einen schlechten Magen, [9]war wegen der Tante Luise nervös und wegen Duschka, weil ich das viele Gepäck schleppen muß. Um ½ 9 ging Fräulein [10]Hasbach (erzählte von der Flucht von Frau Dorn, der Deutschgläubigen, mit ihren Kindern). Blötz kam um 4. Wir tranken [11]eine Flasche roten Sekt, plauderten über Geschichtswissenschaft, er erzählte von seinem Lehrer Lorenzen aus Hamburg, [12]von Liebgang dem Strafrechtler, ist entzückend, hilfsbereit, leider muß er nach Leitmeritz Quartier machen für das [13]Justizministerium. Traurig zu Bett. Heftige Herzbeschwerden wegen morgen, sehe mich in der unmöglichen Situation des [14]Kofferschleppens. Las Pascal über die Menschen, qui ne se haïssent pas.

[15]. Um 6 von Duschka geweckt, schnell angekleidet, mit Blötz, der sich rasierte, wir frühstückten und [16]gingen um 7 aus dem Haus, hatten niemand, um die 3 schweren Koffer (darunter das Bett für Anima) zu schleppen. [17]Blötz war rührend und fuhr mit zum Bahnhof Friedrichstraße, Duschka traf einen Franzosen, der uns die Koffer trug. Am Bahnhof [18]Lehrter Straße überfüllter Zug, bekam aber noch einen guten Platz, neben einer netten Berlinerin, und konnte mein Gepäck unterbringen. [19]Schämte mich dann natürlich vor Duschka. Sie brachte mir noch ein Glas Bier. Die Leute im Zug philosophierten über den Krieg. [20]‚In hundert Jahren wird es noch mehr Krieg geben, weil es noch mehr Technik gibt‘; oder: ‚dann hören die Kriege auf‘; die meisten [21]erwidern: ‚Krieg wird niemals aufhören, der normale Mensch ist noch nicht erfunden‘usw. Alles mit rührender, gutmütiger Selbst[22]verständlichkeit: Morgens kam noch ein Brief von der Partei, ich solle zur Telefonbereitschaft. Scheußlich. Aber im Ganzen doch schwach [23]gleich das viehische Behagen im Zug, wieder eine Stunde Ruhe zu haben und daß es nicht so schlimm ist, wie ich fürchtete. Die Angst [24]und Sorge um Duschka. Was nützt all dieses raffinierte Analysieren, herrlicher Tag, Sommertag, aber dein armes Mückchendasein. [25]Du kannst ja nicht einmal auf eine Flasche Wein verzichten, und du sprichst vom Christentum. Beim Anblick des friedlichen Landes sofort wieder [26]andere Stimmung. Vielleicht tun die Engländer indem sie diese großen Städte vernichten, nun dasselbe, was die Alliierten vor 20 Jahren taten, als sie deutsche Rüstung zerschlugen und Deutschland zwangen, alles neu zu schaffen. Die Vernichtung dieser schauerlichen Produkte des 2. Reiches und des [27]Wilhelminismus kann doch nur ein Vorteil sein, wenn wir überhaupt lebendig bleiben. Die blonde Frau, die nach Göttingen fuhr, ihr [28](älterer) Mann in Minsk, wie ungeniert amerikanisch sie erzählt (‚da haben die Polen auch allen Grund dazu‘[)]. In Oldenburg besah [29]ich mir das Schloß von außen, gerührt vom deutschen Partikularismus. Um ½ 6 in Cloppenburg, sah Anima mit Fräulein Mia an der

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[1]Bahn, trank bei Wesseling Kaffee und ging dann mit Anima zum Kloster, um die Kinder von Jup zu besuchen. Fühlte mich [2]als Vater, als ohnmächtiger, entrechteter, geknechteter Vater eines schönen, harmlosen, freundlichen und klugen Kindes. [3]Alles Unrecht, das geschehen ist, überfällt mich. Anima brachte mich noch zum Deutschen Haus und ging dann zum Essen. Ich [4]wartete über eine Stunde auf das Essen, und ging wieder zu Wesseling, sehnsüchtig, wie ein Verliebter, um Anima zu sehen. Frau Wesseling [5]war sehr tüchtig und erinnerte mich an Frau Kühling in Küntrop. Fräulein Mia spielte Mozart, wir schrieben der Mutter eine Karte. [6]Ich ging mit Anima noch etwas an der Bahn spazieren (sah den Polen mit dem Abzeichen P), am Haus der Frau Dirks vorbei, um 1/4 10 ins Deutsche Haus zurück. Todmüde, [7]zu Bett und gleich eingeschlafen. (Abends an die Fahrt durch Castro und Leon gedacht, war dort der Retter?) Um 12 Alarm aufgestanden an Berlin gedacht.

Wunderbar Jer. 34.17)

[8]. Trotz des Alarms gut ausgeschlafen, bis 10 Uhr; herrlicher Tag. Erfrischt, aber der Feind, die [9]Giftschlange (dachte an die Novelle von Nobert Jacques) hat mich schon gebissen getroffen. Grauenhafte Flucht, wohin. Das Land [10]und das Volk zerstört. Dabei Clop. gut erhalten, es könnte alles so weitergehen, wie vor 10 Jahren. Traum von Goruneanu [11]und den Rumänen, von einem Zusammenstoß im Auto (am Fluß), halbes Gehirntrauma; Gefühl der inneren perditionis, sehnsüchtig [12]an Spanien: War dort der Retter? Alles habe ich gewußt, nichts getan. Frühstückte, sah die Zeitung, Der Sieg greifbar nah, sah, [13]wie ich mich durch guten Kaffee verwöhnt habe, ging durch die Straßen, die alte Kirche, Barockaltäre, eine autoritäre Lehrerin, der Gasthof [14]Kleene, zum Bahnhof, erkundigt, wollte Anima Blumen aufs Zimmer stellen mit meiner Karte (um sie an so etwas zu [15]gewöhnen!) Ging also zum Blumengeschäft Eiben, kaufte meine Blumen, in dem Augenblick Alarm, man wurde auf der Straße [16]angehalten. Ich ging mit meinen Blumen zum Hotel. Ging auf mein Zimmer. Das ist also das neue Diesseits. Wer weiß, ob [17]ich überhaupt nach Berlin zurückkomme. Immerhin der Spielraum ihrer Bosheit wird geringer. Brachte Anima nach dem Alarm die Blumen, aß [18]Erbsensuppe, zu Mittag, (traf Anima am Tisch bei Wesselings, wunderschön). Ging [19]zu Bett bis 4 Uhr, öfters durch Radio gestört, heftiges Ohrenzirpsen und Geräusche. [20]Um 4 auf, wollte Anima entgegengehen, sie kam aber nicht, trank ein Glas Bier, dann ihr wieder entgegen, sie kam ½ 5 allein, [21]ohne Claire-Luischen, wir gingen in die Konditorei Frerker, aßen sehr schönes Eis. Ich war glücklich, dem Kind etwas [22]zum Geburtstag mitzubringen. Dann gingen wir zu Frau Kleene, die sehr nett war, brachte ihr Zündhölzer mit. Schrieb eine Karte [23]an Duschka und an Jup. Dann zum Kloster, die sympathischen Nonnen, zeigten mir das Kloster und den Garten, Anima behauptete [24]eine Großnichte der seligen Pauline von Mallinckrodt zu sein, dann brachte ich das Kind zu Wesselings und ging zum Abendessen ins [25]Deutsche Haus. Mußte lange warten, um 8 ging ich wieder zur Bahnhofstraße (tief bedrückt von den Menschen neben mir am Tisch, [26] Organisation). Anima kam in einem Pony-Wägelchen gefahren, entzückend, fuhr etwas mit, dann [27]fuhr sie zur Mühle, ich ging zu Wesseling, sprach mit Herrn Wesseling, um den Tisch im Garten unter der Ulme, wunderbar, Familienbesprechung [28]über den Betrag, 2 Flaschen Rotwein getrunken, wichtige Begegnung, die sympathische Frau, die Tränen und Fräulein Mias Lampenfieber, taktloser Kerl. [29]Sonst sehr nette Anregungen, Anima kam erst spät zurück, mit dem Pony, als es schon dunkel war, hatte Sorge, daß sie sich erkältet. Um 11

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[1]nach Hause und zu Bett. In der Dunkelheit die Bahnhofstraße herunter, die Raumveränderung durch Lichtveränderung. Wesseling sprach davon, daß die Menschen [2]sich helfen müssen, daß er sich schon 34 gefragt hat: ‚Hoffentlich bin ich nicht mehr richtig, und nicht alle anderen‘; der große Betrug, trotz[dem] nicht möglich aufzuhören, [3]Trost und zugleich noch tiefere Verstrickung.

[4]. Bis 10 im Bett, nicht gut geschlafen, aber wenigstens ausgeruht. Immer die Angst vor der Erniedrigung in Berlin. [5]Traum: Großer Rechtsanwalt in Charlottenburg, der Professor Eulenburg dabei; suchte den Weg nach dem Kammergericht. Traurig angezogen. Zerschmettert. Das [6]kümmerliche Frühstück, zur Kirche, eine Stunde dort gesessen, zum Museumsdorf, aber verlaufen, wartete eine halbe Stunde vor der Schule von Anima, [7]sie war aber schon zu Hause. Begrüße sie dort bei Wesselings einen Augenblick und war glücklich, sie zu sehen. Der einzige Inhalt, dabei [8]die Zeit versäumt, weiß nicht, ob ich morgen früh oder Mittag fahren soll. Ging in der Hitze zum Deutschen Haus zurück, aß bescheiden zu Mittag [9](Kartoffeln und Rüben) und ging wieder zu Bett. Kein Wein. Furchtbare Hitze. Scheußliches Ohrenzirpen. Um 4 wollen Anima und Wesseling mich abholen, [10]mit dem Ponychen. Sie kamen etwas nach 4, Herr Wesseling fuhr, Gottfried war dabei, wir fuhren mit dem entzückenden Pferdchen (vom Herzog von Croÿ aus Dülmen) [11]in den Wald, zur Hütte, tranken dort Johannisbeer-Most und aßen Geburtstagskuchen, Anima suchte Brombeeren, machte einen auf den [12]entzückenden ; Herr Wesseling zeigte uns die Schlinge für Krammets-Vögel. Um 7 fuhren wir zurück. Ich war glücklich, daß Anima so schön untergebracht [13]ist. Aß im Deutschen Haus zu Abend, ein Spiegelei, dann wieder zu Wesselings und mit Anima zur Mühle, die gute Tante Mia, [14]bekam von ihrem Bruder 2 Enten, 50 Eier, gab ihr 50 Mark. Tief gerührt, Anima spielte noch mit dem Füllen. Um 10 [15]waren wir wieder [in] der Gesellschaft, verabschiedete mich, gab Herrn [Wesseling] 400 Mark (er wollte sie nicht nehmen, wollte mir versprechen, selbst [16]das Geld auszulegen usw. Hinterher etwas das Gefühl, wie der alte Wülfing? Angst; erzählte von seiner Steuergeschichte). [17]Ich ging nach Hause, ziemlich erholt von dem schönen Ausflug, trank noch ein Glas Bier und ging zu Bett. Merkwürdig [18]getröstet, erinnerte mich des Schicksals der Juden, dachte an die Psalmen, wie viele Juden werden das gebetet haben. Wieder rein.

[19]. Stand merkwürdigerweise um 7 auf, wie durch eine geheime Hand geführt, ausgeschlafen und fühlte mich getröstet. Vielleicht Heimaterinnerungen, die dieses katholisch-westfälische Land hervorruft; besser noch Gottes Trost. Das unheimliche Spiel mit Gott. Ruhig und gesund [20]nach den beiden kritischen Tagen. Wie lange hält es an. Angst und Grauen vor Berlin, vor meinem Schlafzimmer, in dem ich so schreckliche Dinge erlebt habe. Keine [21]Angst mehr vor der Reise. Offenbar gut, daß ich gestern nur Bier und keinen Wein getrunken habe. Und wem verdanke ich das? (Dachte mit Betrübnis daran, daß [22]der Klebstoff, mit dem die braven Leute ab ihre Menagen geklebt haben, wertlos war. Alle Arbeit umsonst, Stümpereien?) Um 8 [23]mit dem Koffer zu Wesselings, traf Gottfried, verabschiedete mich von ihm, traf Anima, frühstückte in Wesselings Zimmer, rührender Abschied, mit Fräulein Mia an [24]die Bahn, etwas neurotischer Abschiedsschmerz, im Zug ein netter Platz, ein typischer Westfale erzählte von seinen Erlebnissen in Sibirien, seiner Flucht, und [25]rühmte die Menschlichkeit der Russen, ich empfahl ihm Semjonow Eroberung Sibiriens, allmählig beteiligte sich das ganze Abteil an dem Gespräch, ein Ingenieur, [26]der mir als Österreicher vorkam, fuhr auch nach Berlin. In Lüneburg am Bahnhof Bier getrunken, dann einen guten Platz 1. Klasse bekommen und [27]wieder zufrieden. Im Abteil 3 nette Leute (eine schöne Frau, Berlinerin, die mir Korn gab, ein alter Ausrüstungsdirektor, ein Holländer, Physiologe), hübsch unterhalten: Neben[28]abteil mit dem Rassehund (von dem Film: Wenn zwei Hochzeit machen, im Gang gedreht), 7 zu Hause, Koffer geschleppt, Fräulein Samić. Wein getrunken; schlechter saurer Moselwein.

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[1]. Müde herumgelegen, will mir morgen die Haare schneiden lassen und übermorgen nach München fahren, rief bei Goruneanu [2]an, aber er war nicht mehr zu Hause. Nachmittags um 5 kam Maiwald zum Tee, schön braungebrannt, erzählte von seiner [3]Reise und will sich in Mecklenburg erholen, bevor er am 15. nach Paris geht. Gab ihm Grüße an Ernst Jünger mit. Sprach über meine Arbeit, [4]5 Maiwald Er sagte (unter dem Eindruck des Gesprächs mit dem Kammergerichtsrat Eccardt, der aufs Beispiel Mussolini verweist): ‚Sie stehen auf einem [5]verlorenen Posten.‘ Er blieb bis 8. Ganz durchsichtig ist er nicht. Ich hatte immer noch Magenbeschwerden, will morgen einmal richtig essen. Ging um [6]10 bald zu Bett, aber nicht in meinem Schlafzimmer, vor dem ich Angst hatte, sondern im Fremdenzimmer, schlief ein, ¼ 12 Alarm, stand aber erst eine Stunde später auf. In den Luftschutzkeller.

[7]. 1.20 großer Sprengbombenanschlag. Im Luftschutzkeller, herausgefallen, in der Sandkiste gelegen. In [8]der Ortsgruppe der Partei gegenüber brannte es lichterloh. Die Bahnhofsmission völlig zerstört. Wir waren glücklich, das Leben gerettet zu haben, [9]durchs verwüstete Haus gelaufen, sonderbar genossen, überleben zu können. Herrschaft im Luftraum, mit einigen Leuten gesprochen, die gute [10]Duschka ging mit Anna zur Rettungsstelle, ein Admiral Backenköhler kam, sprach ein paar Worte mit ihm. Dann fiel mir [11]ein: Des geringsten Eichenfalles Wirkung grinst im Weltenraum. Der abnehmende Mond geht [12]feuerrot unter. Das ist jetzt die Ruine deines gastlichen Hauses. Öfters durchs Fenster der Waschküche hin und her gekrochen. [13]Das Parteigebäude brannte lichterloh, gesprengt unser Haus, schließlich wurde es Tag. Ruhte etwas aus, Duschka hat überhaupt nicht geschlafen. Kein Licht, Anna [14]holte Wasser zum Kaffeekochen im Burckhardthaus. So wurde es Tag. Schrecklich, aber zuerst glücklich und erleichtert, daß wir am Leben geblieben waren. Morgens [15]im Halbschlaf: Ich muß heute noch abreisen, nach Plettenberg. Sagte es Duschka. Allmählig kam der Entschluß, rasierte mich im zerstörten Badezimmer, Magenbeschwerden, [16]grauenhafte Ruine, nichts übriges aus den Zimmern geholt, Alfons Adams kam um 11 vorbei, grüßte, ging schnell wieder weg (ich zog mich gerade an), dann [17]kam Haidi Hahm, mit seinem Freund, machte einen Beileidsbesuch. Duschka lief zu den Stellen, ich holte die Leiter aus der Garage (die dicken Eisentüren weggeschleudert), [18]wartete auf sie, scheußliche Magen- und Darmbeschwerden, saß auf der Straße, geheimes Gefühl der Flucht, es mußte so sein, sie treiben uns lächelnd hinaus, die Götter! Holte für ihn ihren Brillantring aus [19]der Mansarde; rettete das Bild von Gilles. Um ½ 3 mit Duschka und Anna zu Frau Hahm, dort mit Leistikow und Frau die Enten gegessen, schöner Moselwein dazu und Kaffee. Wieder zurück. [20]Mit Leistikow eingepackt, aber planlos, mit einem netten Berliner Pferdewagenbesitzer nach Popitz die Bilder gebracht, schnell wieder mit U-Bahn (überfüllt) nach Hause, dort bald schon [21]Erinnerung: Der letzte Akt der Dreigroschenoper, Ahlmann, rührend, wir tranken noch ein Glas Bubenheimer Atorff. Die rührende Frau Hahm half. Die guten [22]Leistikows, Weber-Schumburg kam noch, Ackermann mit dem Wagen um 10 vor 8, bei Popitz vorbei und verabschiedet, alles wie im Traum. Duschka hat noch einen Schlafwagen bekommen, wir fuhren [23]durch die Stadt, das Englische Viertel brennt noch, die Leute auf dem Bürgersteig, auf ihren Möbeln, der grauenhafte, überfüllte Schlesische Bahnhof, aber wie im Traum ging [24]alles, ein Gepäckträger kam, Schlafwagenabteil, alles flüchtet; hinter Berlin Alarm; todmüde, die gute Duschka schwärmte immer noch von der guten Frau Hahm, die einzige, die wirklich half. Die Mutter rettet uns zu ihrem Namenstag nach Plettenberg.

[25]. Früh wach und befürchtet, aussteigen zu müssen. Um ½ 6 in Hagen, das viele Gepäck, fand einen Mann, der es uns in den Zug nach [26]Plettenberg trug. 7.12 von Hagen nach Plettenberg gefahren, Duschka schlief, fuhr die Lenne herauf, Rückkehr in die Heimat zum [27]Namenstag der Mutter. ½ 9 angekommen, fand gleich einen Mann, der das Gepäck nach Hause brachte, erschien dort und wurde freundlich aufgenommen. Todmüde von 10-1 [28]geschlafen, allmählig wach, heftige Bauchschmerzen. Nachmittags um 5 mit Duschka zum Grab der Mutter, wunderschön, Blick auf die Berge, einen Augenblick Gefühl [29]des Entronnenseins, aber die Welt geht weiter und die neuen Schwierigkeiten fangen jetzt erst an. Beruhigt und gestärkt nach Hause, gut zu Abend gegessen, Ännchen [30]spendierte eine Flasche Rotwein, wir sprachen noch lange im Musikzimmer über das Musikthema, das Ännchen ihren Schülern gegeben [hat] (eine spätromantische Sache von ). [31]Sah, daß die Kinder alle schon durch den Flieger verändert sind, wie traurig ist das. Müde zu Bett.

[32]. Lang geschlafen, im Bett Tee gefrühstückt, herrlich, Plettenberger Heimat, das Klopfen der Hämmer. Ein paar Briefe geschrieben (an Weber-Schumburg), [33]brachte sie zum Kasten, traf Duschka und Üssie, mit ihr bei Gerke, die uns Traubensaft gab und sehr nett war, sich auf den Besuch von Jupp freute. Nach dem Essen wieder geschlafen, [34]bis 5, Kaffee getrunken und viele Briefe geschrieben. So hängt man wieder in den Netzen. Herr gib uns blöde Augen. Abends kam die Zwangseinquartierung aus Dortmund,

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[1]ein Fräulein von der Reichsärztekammer; fremd, traurig, Straubinger-Bolschewismus, bedrückt von der Zerstörung Deutschlands, nach dem Essen noch [2]einen Schnaps getrunken, im Musikzimmer geplaudert, mit Üssie und Ännchen, die aber sehr nervös war. Dann mit Duschka zu Bett, Koitus.

[3]. Um 6 auf, zum Heimatvolk der guten Oma, mit Duschka, Ännchen, Üssie. Gerührt und gestärkt. Das ist also mein Leben gewesen, [4]traurig an meine lächerlichen Einbildungen gedacht, meiner Jugendzeit, wie häßlich war das alles, was ich mir geleistet habe; läßt es sich abstoßen ohne [5]daß ich überhaupt aufhöre zu existieren? Kaum bin ich erholt und ausgeschlafen, gerate ich schon wieder in diese subalterne Aktivität. Herrliches sauerländisches Wetter, Nebel, der sich aufklärt [6]im Wind. Vormittags Briefe geschrieben, mittags an die Bahn geschrieben, Üssie begleitet, noch etwas auf dem Graben, Emil Langenbach am Bahnhof getroffen, er reist nach Italien mit Paul Kaiser , wartet auf das Wunder, Telegramm von Frau Hahm, wegen der Bergung der Sachen, [7]wir sollen womöglich zurück, scheußlich. Ein Glas Bier bei Gerke. Geschlafen bis 5, herumgeschwatzt, es regnete, um 6 nach Berlin telefoniert, von Frau Zübers, an Frau Hahm. Nach dem Abendessen im Musikzimmer bei [8]dem Ännchen, die sich kriegswichtig machte, mit dem schweigenden Opa, abends um 11 traurig zu Bett. Kein Wein. Das Buch von Frau Ludendorff (1. Frau) gelesen.

[9]. Gut geschlafen (weil wohl kein Wein am Abend vorher), herrliches Frühstück, Augustes Geburtstag, sie sitzt einsam und verlassen in der [10]Wohnung herum, die beiden hysterischen Tanten behandeln sie schlecht. Nach dem Frühstück herrlicher Spaziergang auf den Saley, tief glücklich, Wiederholung, noch einmal das Alte, [11]scheinbar bestätigt, in Wirklichkeit ist die Welt ganz anders, ahnend wie die sterbende Kaiserin Auguste noch einmal die holsteinischen Kirchenlieder ihrer Jugend [12]hörte. Auf der Höhe des Saley wunderschön das Angelus. Zu Hause hatte Duschka an Frau Jünger geschrieben, wegen der Kisten; nach Cloppenburg usw. Ich kam [13]durch den Spaziergang wieder in ein physisches Gleichgewicht. Mittags wieder ein Glas Bier am Bahnhof bei Gerke, das sogar gut schmeckte. Dann eine Stunde geschlafen und [14]Kaffee zu Ehren von Augustes Namenstag. Die Entfernung, in die alles dadurch gerät, daß es in den Rahmen meines, von Plettenberg her gelebten Lebens [15]hineingereicht hat. Es ist wie vor 50 Jahren, dieselbe Landschaft, dieselbe Kategorie, das Spinnengewebe, selbstgesponnen, aus Erinnerungen und [16]Gewohnheiten, das mich jetzt auffängt und über Wasser hält vor dem Absturz bewahrt. Traum: General , Problem Partei und Staat, sage ihm, wie . Wir tranken schönen Kaffee, Kuchen, aber mit Ännchen ist es nichts mehr. Nachmittags [17]Duschka Skatspielen beigebracht, aber das ist doch eine traurige Beschäftigung, Skat zu spielen. Warteten auf Claire, die aber nicht kam. Zum Essen eine Flasche Wein, [18]sehr schlecht, dann etwas gespielt, nebenan spielte Fräulein Geschke, unverschämt, schließlich ging ich zu ihr herüber und sagte ihr, daß es taktlos sei, [19]in einem Haus Wand an Wand zu spielen, sie machte einen dummen Eindruck, habe das nicht gewußt usw. Ekelhaft. Duschka war mit Ännchen zum [20]Spediteur Scharr und kam zurück. Ännchen war wütend und ging mit dem Hund in der Dunkelheit hinaus, kam auch bis 11 ½ nicht zurück. [21]Dann brachte ich noch mit Üssie eine Karte für Duschka an den Bahnhof zum Kasten. Traurig und todmüde zurück, Ännchen war wieder da, todmüde [22]um ½ 1 zu Bett. Welches Elend.

[23]. Bis 10 im Bett, todmüde, deprimiert, Duschka gut ausgeschlafen, sucht Möbelwagen. Brief von Weber-Schumburg, [24]wieder ein Telegramm von Frau Hahm, sonst noch keine Korrespondenz. Herrlicher Kaffee zum Frühstück, mit Üssie zum Friedhof, im Regen, [25]am Grab der Mutter, nicht bei Otto Schmitt vorbei, erschöpft und ganz zerschmettert. Grauenhaftes Klavierspiel den ganzen Tag, werktags und sonntags, Tonleiter und [26]Geklimper, die Musik-Hölle von Bosch, Gehör-Martern, die raffinierteste Quälerei. Nachmittags schön Tee getrunken und Kuchen gegessen, mit Üssie über Ännchen [27]geärgert, die jeden Versuch eines Gesprächs ablehnte und zu Winter ging oder Klavier spielte. Abendessen ohne Wein, im Musikzimmer gesessen, [28]auf Ännchen gewartet, alles traurig und deprimierend. Um 12 ins Bett. Ännchen bot mir eine Flasche schlechten Rotwein als Tausch gegen Kaffee an.

[29]. Um 9 zum Frühstück ohne Kaffee, Ännchen war nett und wollte eine Aussprache wegen des Übens. Sprach ich von der Taktlosigkeit der Geschke, von den [30]Klagen der Mutter vor einem Jahr. Dann ging ich in den Saley, es war Nebel und Regen, schöner beruhigender Spaziergang, um ½ 11 wieder zu Hause, Brief von Schranz, [31]der mich in rührender Weise einlädt, von Werner Weber aus Leipzig, brachte den Brief an ihn zur Post, Einschreiben, wieder nach Hause zurück.

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[1]Freude daran, nichts zu denken. Morgens geträumt: Frau Goruneanu telefoniert. Scheinbar ist er nicht gestorben. Nachmittags [2]geschlafen, Tee getrunken, Spaziergang, Briefe geschrieben, die Zeit ist wie nichts vergangen, wartete auf Besuch von Jup, abends kein Wein, Mineralwasser, früh zu Bett, [3]während Duschka noch an Gilles schrieb. Behaglich, zu viel, überhaupt nichts gedacht; verliebt in Duschka, korrigierte den Nomos, Rückfall in das Alte.

[4]. Vor dem Frühstück Spaziergang auf den Saley, (Traum von: Franz Blei; Freyer und Hans Frank). Nach dem herrlichen Frühstück [5]mit gutem Kaffee viele Briefe, besonders von Ernst Jünger, der mich außerordentlich freute (Fabre-Luce hat Benito Cereno zitiert!) So wirkt sich etwas aus; Jünger [6]empfindet das als dienstlich an sich. Schrieb etwas, korrigierte den Nomos, las Briefe, besonders von Weber-Schumburg, lief zum Kasten am Bahnhof, zur [7]Post, nach dem Essen wieder geschlafen, Kaffee getrunken, regnerisches Wetter, zwischendurch eine helle Stunde, fühlte mich physisch wohl, aber traurig, weil ich nicht aus [8]meinem Trott herauskomme. Erschrak vor meinem Leben, Herr gib uns blöde Augen. Heute morgen bei Paul Ostermann in seiner Sparkasse, über mein Postscheckkonto [9]gesprochen, war ganz überflüssig, dumm, schämte mich hinterher, weiß nicht was ich tue. Kein Fortschritt. Keines praktischen Gedankens fähig. Soll ich mich [10]nicht an das Postgutachten machen? Abends wieder etwas korrigiert am Nomos, nach dem Essen mit dem Vater und Duschka Karten gespielt, dazu schlechten Rotwein getrunken. [11]Dann furchtbare Angst, es kam Alarm, ging aber gleichgültig zu Bett und schlief.

[12]. Nachts scheußlicher Traum von Hella, ohnmächtige Gier und Geilheit, hummerrot. Um 2 ½ auf, vor dem Frühstück Spaziergang über den Saley nach Plettenberg, in die [13]Kirche, wo gerade ein Requiem gelesen wurde, ein alter Mann dient der Messe. Um ½ 11 wieder zu Hause, einige Briefe (von Schmid, Keiper, Leers, Frau Jünger). [14]Mit Duschka zum Bahnhof, um Jup und Claire abzuholen, sie kamen aber nicht um 11.48. Schön gefrühstückt, müde von dem Spaziergang, etwas notiert. Sehnsucht, die [15]innere Hohlheit zu überwinden, die in dem neuen Luftsog zum Verderben führt. Zum Bahnhof mit Duschka. Aber Jup kam erst um ½ 1. Wir aßen [16]zu Mittag, freuten uns, uns alle wiederzusehen, plauderten, Jup ist mager und nervös, erinnerte mich im Blick an Klausing. Tranken herrlichen Kaffee, [17]machten einen schönen Spaziergang auf den Saley, Ibsenstein, herrlicher Blick auf Holthausen und das Elsetal, über den Saley, Basalthang zurück. Abends [18]viel Wein und Cognac getrunken, bis 12 Uhr, Jup hat eine große Abneigung gegen Ernst Jünger, den er für eingebildet und unwissend [19]hält, meint ich sei gut herausgekommen, und so bis in die Nacht hinein, tranken immer mehr. Großangriff auf Berlin.

[20]. Nicht gut geschlafen, zu viel Wein, morgens wieder frisch, erst um 11 gefrühstückt, zu starker Kaffee. Mit Jup [21]an die Bommecke, um ½ 1 bei Gerke gegessen, mit den 3 Damen, kümmerliches Essen, aber immerhin Essen, dünnes Bier getrunken. [22]Alles deprimiert und traurig, Nachricht vom Großangriff auf Berlin, aber nichts Näheres. Nach dem Essen geschlafen, auch Jup schlief, herrliches Wetter, aber die Zeit [23]vergeht, Tag für Tag, und ich hänge in der Luft, erschöpft und tue einfach nichts, unfähig, auch nur einen Entschluß zu fassen. Abends um 7 wieder bei [24]Gerke gegessen, erbärmlich, traurig nach Hause, Wein und Schnaps getrunken, Claire machte noch schöne Butterbrote, das war gut, mit Jup bis 12 philosophiert.

[25]. Viel Post. Rührender Brief eines Soldaten Rösner, der beim Aufräumen Bergen meiner Bibliothek geholfen hat; Körnchen schickte Tocqueville [26]Historie, alles rührend, aber wie lange dauert es? Todmüde, immer geschlafen, es regnete etwas, zu Hause gegessen, nachher bis 5 geschlafen, dann mit [27]Jup bei Erich Klempe vorbei, Spaziergang am Sillberg entlang über den Friedhof zurück, herrliches Wetter. Schon wieder droht etwas: alle Jahrgänge von 84 [28]an müssen sich melden. Grauenhaft. Zum Abendessen noch Wein, nachher noch Skat mit dem Opa und der guten Duschka, noch etwas Schnaps, Ännchen mit Fräulein Geschke ins Kino.

[29]. Bis ½ 11 im Bett. Was kommt, herrlicher Kaffee, wieder Angriff auf Berlin, es regnete, zu Hause mit Duschka und Jup über Ludendorff, nach dem Mittagessen [30]herumgelegen, schöner Kaffee mit Kuchen, mit Jup nach Affeln, herrlicher Abend. „Willst du umsonst gewesen sein, du selig-silberblauer Tag?“ [31]Abends schönes Essen, das Duschka gemacht hatte, mit Rotwein, sehr zufrieden, aber todmüde; etwas Skat gespielt mit dem Vater, Duschka hat [32]Unterhosen gekauft, deutliches Gefühl, daß die Situation eines Flüchtlings nicht haltbar ist, früh zu Bett.

[33]. Nachts Traum von Torzsay-Biber, Hölderlin, dann Reise mit Leuten vom Auswärtigen Amt, Möbel und [34]Akten werden verschickt. Müde, schönes Frühstück; herrlicher Spaziergang in der Sonne mit Jup, nachher Kersmecke, auf dem Rückweg [35]Streit über das Haus, Jup will sein Recht, wirft mir vor, daß ich als Jurist versagt hätte, weil ich das anders hätte einrichten müssen,

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[1]ekelhaftes Gespräch, tat mir weh, dumme Eifelbauern-Rechthaberei. Mittags wieder zurück. Hänge in der Luft, wie eine Spinne; bist du ja, [2]armer Teufel. Schöner Brief vom netten Friedensburg, der mich freute, Nachricht von dem Angriff auf Berlin. Der arme Jup, ist so nervös [3]wie ich (meint er sei Oberrealschüler, ich Gymnasiast, sonderbare Dummheit, traurig). Schönes Mittagessen, gute Ente und eine Flasche Wein. Nachher [4]geschlafen. Dann mit Duschka, Claire, Jup und Üssie zum Friedhof, über uns flogen Luftjäger, unmittelbar über dem Kopf, auf dem Friedhof. Herrlicher Abend. [5]In Erwartung eines großen Angriffs auf Berlin. Zu Hause eine Flasche Doppelkorn ausgetrunken. Der gute Jup, um 12 ins Bett.

[6]. Wieder lange geschlafen, schöner Kaffee, herrlicher Spaziergang mit Jup über den Hang des Saley, an der Bracht vorbei, den Saley zurück. Post, Dummes [7]vom Kammergericht, bisher nichts Wesentliches. Wie lange diese Flüchtlingssituation dauern mag. Nach dem Essen wieder geschlafen, gut, etwas schlechten Kaffee getrunken, zur Post, [8]an den dummen Menke (der um bat) telegrafiert: Treffen unklar, Brief folgt, Brief geschrieben, bei Gerke mit Jup ein Glas Bier getrunken, deprimierend [9]so ein Restaurant. Zu Hause nach dem Abendessen noch etwas im Musikzimmer zusammen gesessen, bis 11; Nachricht vom Angriff auf Ludwigshafen, schrecklich, aber nicht [10]auf Berlin. Nachts Flugzeuge brausen gehört.

[11]. Traum; ausgeschlafen, herrliches Frühstück, Brief von Frau Schnitzler, rührend, schrieb an Jünger, Schranz (daß ich Montag komme). Vormittags auf das [12]Essen gewartet, mit Jup geredet, nach dem Essen todmüde geschlafen, Kaffee getrunken, dann ein herrlicher Spaziergang über die Hohe Molmert, mit Jup; [13]bei dem + zurück; ein Angelus gebetet. Wie schön. Todmüde zu Hause, herrliches Abendessen und Wein und nachher Cognac dazu. Großartig, [14]aber unsere Hoffnung, einen Wagen für den Abtransport unserer Möbel zu bekommen, wurde enttäuscht. Duschka war mit Claire beim Bürgermeister Brüggemann, [15]der ihr sagte: So viel ich weiß, ist ihr Mann preußischer Staatsrat, dann soll er sich doch in Berlin einen Wagen beschaffen; der gute Zimmermann [16]scheint uns helfen zu wollen, kann aber wohl nicht. Um so besser. Jungfräulich neue Situation. Wie lange noch. Großer Trost, [17]die alten Wege, großer Trost die alten Täler und Höhenzüge. Das sehnliche Ziehen dieser Höhenzüge. [18]Müde zu Bett. Konnte aber nicht gut schlafen. Überaus große Klarheit, dabei Mut und Gleichmut, Überlegenheit.

[19]. Also 14 Tage bereits hier. Nachts Traum von Frau von Schnitzler, großes Behagen; um 9 auf und schönes Frühstück, [20]schönen Brief an Mutius geschrieben; auf Post gewartet; herrliches Septemberwetter, Nebel. Da die Post nicht kam, mit Jup Spaziergang durch die [21]Blemke über den Berg und an der Höhe des Grabens zurück, viel Post, Paul Adams aus München, Gremmels usw. Aber nichts Wichtiges. Geschlafen [22]und dann nach dem Kaffee Spaziergang mit Jup, Duschka, Claire und Üssie in der Kersmecke. Es war ein schweres Gewitter, Schmandt war mit seiner [23]Frau zum Kaffee da – er meinte, der Krieg wäre bald zu Ende, Jup lief vom Spaziergang nach Hause, wir gingen noch über den Weg [24]Böddinghausen-Fallstern, über die Fahnenstange, Hestenberger Weide zurück, unbeschreiblich schön (dazu Alarm), [25]Duschka war so lieb und fand, daß Plettenberg (vom Hestenberg gesehen) so schön war wie eine von Gilles gemalte italienische Landschaft. [26]Um ½ 9 waren wir zu Hause. Jup kam mir entgegen, rührend und machte die große Mitteilung. Aufregung, gegessen, getrunken, [27]gehört, bis 1 Uhr nachts. Er fürchtet immer noch die Schlacht an der Somme,, Vergewaltigungen schauerlichster Art, ein zweites Frankreich [28]und damit eine Verlängerung. Konnte nachts nicht schlafen; da bist du also, kleiner Wurm. In der Erschütterung gibt der Ort [29]die Kraft zu neuer Schauspielerei. Erinnerte mich daran, daß Klärchen Dierkes mir sagte: Die Leute kommen, du .

[30]. Nur mit Unterbrechungen geschlafen, Üssie stand um 6 auf, sie fährt nach Hagen zum Kreisarzt. Die schreckliche,

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[1]deprimierende Angst, die wir armen Schmitts nicht loswerden. Oft sehr klar gesehen, neue Verlängerungen, nationaler Krieg der kroatischen Ustascha. [2]Schönes Frühstück und mit Jup zum Haareschneiden bei Stumpf, glücklich, das erledigt zu haben, es ging ganz gut, auf den Friedhof, am Grab des [3]Pfarrers Fischer, das ziemlich zerstört ist. Mit Jup über den Hang des Saley nach Hause, schönes Essen mit Schweinebraten. Auf die Erklärung [4]der Ungarn gewartet. So verging der Tag. Nachmittags geschlafen, nach dem Kaffee mit Duschka und Claire in Plettenberg Schuhe gekauft, ein Hut [5]war nicht zu bekommen, durch den Saley zurück. Etwas müde und erschöpft, aber die 14 Tage Plettenberg tun mir gut, Karte an Ortega. [6]Etwas über Karl den Großen und Byzanz von Dölger gelesen. Wunderschöner Abend, aber Ohrenziehen. Jup will morgen nach Köln. [7]Am Saley, beim Abstieg, wieder Alarm, aus den Tälern das Geheul der Sirenen. Abends nach dem Essen, während des Skatspielens mit dem Vater furchtbare Angst, [8]klare Erkenntnis, gemeinsame Verbrechen binden (wie Jüngers Schuld: der Ruhm des deutschen Volkes ist es, daß es nicht zum Verbrecher als zum Bürger [9]werden wollte), meine Sorge in Italien, Bildung einer Strolchregierung gegen einen legitimen König; auf dieser Ebene haben uns die Russen bereits [10]überholt. Trank noch etwas im Musikzimmer Rum, immer neue Verlängerungen, immer tiefer hinein in diese Art von Gemeinschaft.

[11]. Um ½ 6 aufgestanden, trotz der Müdigkeit, schnelles Brot; mit Jup, Duschka, Claire über Hagen [12]nach Köln gefahren, um die Ruinen zu sehen. Immer Jüngers: lieber Verbrecher als Bürger. Polizei für die Deutschen [13]gegen die Theorie. Politisches Niveau unserer Politik. In Hagen am Bahnhof, während wir auf den Zug warteten, Unterhaltung über B.C., [14]Absprung der Italiener, die Situations-Symbolik dieser Geschichte; Flüsterpropaganda im Abteil: Badoglio erschossen, der König geflohen, [15]aber der Kampf ist noch nicht zu Ende. Babo muß ihm folgen, ins Rettungsboot nach Spanien. In Haspe in einen anderen Zug, bis [16]Elberfeld, dann wieder in einen anderen Zug bis Vohwinkel, wieder umgestiegen, um 12 in Köln. Die grauenhaften Ruinen, der Dom unversehrt, [17]die Minoritenkirche zerstört (Grab des Duns Scotus), also was bedeutet das? Sein Fall. Traurig durch Ruinen, mit Jup und Duschka, bei [18] vorbei, Gürzenich (hier hast du eine Rede gehalten), mit der Elektrischen nach Kalk, herrliches Mittagessen der guten Claire mit wunderbarem Blanc 35. [19]Nachher etwas geschlafen, um 4 guter Kaffee, um 5 mit der Bergischen Bahn über Kalk, Overath, herrliches Land, in Brunohl stiegen wir [20]dummerweise aus, statt in Dieringhausen, zu Fuß nach Dieringhausen zum Bahnhof, ein paar Kilometer über die lange Chaussee, das Schlangen[21]nest. Am Bahnhof hörten wir, daß wir heute nur bis Olpe kommen. Duschka fand den genius loci so schauerlich, daß sie auf keinen [22]Fall bleiben wollte. In der katholischen Kirche einen Angelus gebetet, dann im Hotel Drilling gut zu Abend gegessen, Wurst und Kartoffelbällchen, [23]überraschenderweise um 8.30 Ansprache Hitlers, nur eine Viertelstunde, über Mussolini, den größten Mann, den Italien seit dem Zusammenbruch der Antike hervorgebracht [24]hat. Wir fuhren dann in der Nacht von Dieringhausen nach Olpe, stiegen aus, bekamen kein Hotelzimmer mehr, der SVS V. konnte uns nicht helfen, [25]sprachen mit einem netten Bahnbeamten, der uns in den Wagen 2. Klasse hinein ließ, dort bis 12, dann in den Finnentroper Zug.

[26]. Im Abteil 2. Klasse geschlafen, mit Jup und Duschka. Um 5.24 fuhr der Zug von Olpe ab, um ½ 7 waren wir schon [27]in Plettenberg, todmüde. Herrlicher Kaffee, dann 2 Stunden geschlafen, Duschka schlief einen ganzen Vormittag. Nach dem Mittagessen wieder geschlafen, [28]um 5 schönen Kaffee getrunken, Spaziergang mit Jup, der den ganzen Tag hörte und aufgeregt wartete. Abends schönes Essen, [29]Nachricht von der Befreiung Mussolinis; Räubergeschichte und . Claire ist nicht von Köln gekommen, schade.

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[1]. Lang geschlafen, nach dem Frühstück herrlicher Spaziergang mit Jup über den Eschen, Blick auf die Wilde Wiese, über den Saley und Basaltgrube zurück. [2]Schöner Rehbraten, nachher geschlafen, schöner Kaffee (mit Lang, der Frau von Schwiegermutter von Otto Schmitt, die das Kind brachte und dem Urgroßvater zeigte). [3]Dann wieder Spaziergang den Eschen herauf. Abends gut gegessen, zu viele Preiselbeeren. Telegramm von Georgescu (französisch, danke).

[4]. Scheußlicher Durchfall, wieder ganz deprimiert, Gefühl, nach Berlin reisen zu müssen. Schade wegen Siedlinghausen. Vormittags [5] im Bett, meine neuen Schuhe angezogen und mit Jup etwas über den Eschen, die Schuhe sind schön. Nach dem Essen wieder geschlafen, [6]um 5 kam Frau Pfeiffer und beklagte uns und die Zeit; sehr nett und auch sympathisch. Dann aufs Abendessen gewartet, Ännchen spendierte [7]eine Flasche Rotwein, die mich kurierte, Jup nach dem Essen eine Flasche Cognac. Ob die Bulgaren sich für Deutschland entscheiden? Brief von Niedermayer, [8]heute morgen von Popitz, der wegen der Kisten mahnt. Duschka war bei dem Vertrauensmann von Schadeund besorgte eine Fahr[9]gelegenheit. Rührender Brief von der früheren Köchin Martha.

[10]. Es ging besser, aber ich muß nach Berlin. Traurig und deprimiert, Verhandlungen mit der Fahrgemeinschaft, [11]entsetzlich; furchtbare Angst. Hatte mich schon für die Reise nach Siedlinghausen heute Mittag angezogen. Sehe die lächerliche [12]Lage eines Menschen, der nach seinen Möbeln jagt. So endet es doch immer, trotz aller Tüchtigkeit Duschkas. Völlig wehrlos und [13]zum Untergang verurteilt. Mit Jup Spaziergang, an der Sparkasse vorbei, über den Graben, bei Ostermann Bier getrunken, nach dem Essen wieder geschlafen, immer deprimiert. [14]Um 4 mit Duschka zur Post und zur Sparkasse; bei Frau König noch ein sehr schöner Hut, das freute mich und tröstete mich; am Bahnhof Zigarre bei Frau Neuhausser, [15]zu Hause schöner Kaffee, munter, einige Briefe geschrieben und Postkarten (an Bodin, den durchgefallenen Juristen; an Friedensburg, Gratulation zur Vermählung, [16]Karten an Frau von Schnitzler, Paul Adams, Werner Weber), an Janssen nach Bremen, so schnell gerät man wieder in den Betrieb. Schäme dich, Schwätzer. [17]Mit Jup noch zur Post, bei Ostermann ein helles Bier getrunken, Gespräch mit Karl Ostermann, der Finanzamtsvorsteher in Saybusch gewesen ist. [18]Ein sympathischer Junge und seine westfälische Charakterfestigkeit. Zu Hause eingepackt, 30 rumänische Kinder sind hier , nach dem Essen hatte Ännchen Wacholder besorgt, den wir zusammen tranken, Aufstand in [19]Jugoslawien. Duschka schrieb noch an Frau Hahm. Ging um 12 zu Bett und konnte nicht einschlafen. Traum von Popitz und den Sowjets.

[20]. Erst gegen Morgen eingeschlafen. Traum der Zerstörung: wohne mit Duschka und Anima in einem Mietshaus im 4. Stock [21]hoch oben, überall rings Ruinen, unsere Wand bricht zusammen, der Zimmerboden hält nicht mehr. Nachher Sexual-Traum: Ein Zigeunerzirkus, man [22]faßt mich an die Geschlechtsteile; um 6 ½ aufgestanden, ziemlich frisch durch den Kaffee, mit Duschka, Üssie, Jup und Erna Geschke zur Bahn, herrlicher [23]tröstlicher Lauf auf dunkelgrünen Bergen und hellgrünen Wiesen. Beschwor die Geister dieses Tales und dieser Berge und Wälder. Erzählte auf dem Weg zur Bahn Jup: [24]wie trübe Illusionen usw.; bis Hagen ganz bequem, in Hagen umgestiegen, nervös, aber einen guten Platz gefunden, langweilig, Depressionen [25]der Reise, grauenhafte Situation, oft ganz deprimiert, die dummen Gesichter, das schöne Land an der Weser, alles schneidet ins Herz, die Nachricht aus [26]Salerno. Bis Braunschweig ging es gut, aber mein eigentlicher Akt beginnt erst morgen. Neurotische Schuldgefühle gegenüber Duschka. Angelus gebetet, [27]aber hilflos, nicht wie in Plettenberg. Ruinen, in Minden schon; die 30 vergessenen Engländer. Zwischen Braunschweig und Magdeburg wurde ein [28]Junge, der 1. Klasse nachgelöst hatte und mit seiner Mutter fuhr, ohne Paß bei der Paßkontrolle gestellt. Er war [29]nicht Soldat und nicht Arbeiter; sah aus wie ein Rumäne; die Mutter sagt ihm eine Magdeburger die Nacht durch. Sofort mein anarchistischer [30]Impuls. Alles bricht auf. Immer wieder über diesen Fall nachgedacht. Aber der junge Mann war bei der Geheimen Staatspolizei, und so war mein Affekt

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[1]wieder einmal lächerlich gewesen. Im Abteil eine weinende Frau mit auffallender Ähnlichkeit an Frau Jünger, auch in der Sprache; trotzdem aß ich meine Brötchen [2]und mein Ei. (Mischung von Frau Hahm und Frau Jünger, die Erregung g.d.p.). In Berlin meine Koffer geschleppt, schwitzend und traurig, [3]der Gepäckträger verlangte Zigaretten, die ich nicht hatte. In der U-Bahn bis Breitenbachplatz. Dann die Brentanostraße hinauf, die schweren Koffer geschleppt. Um 2 war ich da, [4]Corrie begrüßte mich sehr nett, ich kleidete mich um, Popitz kam um ½ 8, wir aßen zu Abend, nachher tranken wir Tiroler Landwein. [5]Wunderschön, aber Popitz war müde, ich auch. Niemand konnte helfen. Nun warte ich auf morgen. Hörte in Brandenburg, daß die Firma Opel 4-5 km [6]zum Bahnhof entfernt war. Um 11 kam Fliegeralarm, jetzt hast du es, Dummkopf. Alles wurde in den Luftschutzkeller gepackt, dort traf ich auch den [7]Oberbaurat Hodler, der bei Popitz wohnt. Im Luftschutzkeller tranken wir weiter unseren Rotwein und unterhielten uns, über die ‚Hohlheit‘ der heutigen Baukunst. [8]Sehr nett. Popitz war rührend, alle wollen helfen, aber keiner kann es. Um ½ 2 war Entwarnung und wir gingen zu Bett.

[9]. Um 8 aufgestanden, obwohl ich nicht viel geschlafen hatte. Aber aktiv, wollte etwas tun und war verbissen. Trank mit Popitz Tee, er fährt [10]nach Neuruppin zu seinem Sohn. Ich meldete ein Ferngespräch nach Brandenburg an. Telefonierte mit den Henschel-Werken, Herr Ammers war sehr nett, wollte wieder [11]anrufen, rief auch nach einiger Zeit an, aber er kann leider nichts machen, ist sogar strafbar usw. Also das ist nichts. Depressionen, warum begibst du dich in solche Lage, [12]du wußtest es doch. Bei Goruneanu meldet sich niemand; auch nicht in der rumänischen Gesandtschaft, ebenso Winckelmann, Ungewitter. Das Gespräch mit Brandenburg kam [13]endlich, ein Herr Frey, wollte heute Nachmittag nochmals anrufen, also auch das nichts, dann ging ich zum Alten Krug, sah die guten Möbel, Bücher usw. und war [14]ziemlich gleichmütig; muß eine Erlaubnis haben, um an die Sachen heranzukommen. Ging dann Nahm mir den Diskriminierenden Kriegsbegriff mit, ging [15]zur Kaiserswerther Straße, sah das zerstörte Haus, holte den Nolde heraus, ging durchs zerstörte Zimmer und schleppte den Nolde und den verlorenen Sohn von [16]Bosch nach der Brentanostraße; das Haus von Werner Weber ist auch stark beschädigt, besonders das Eßzimmer. Der Schlag gilt mir; ich bin der verlorene Sohn, [17]das Bild von Bosch wird immer schöner und entzücklicher. Aß mit Corrie zu Mittag, schlief dann gut bis 5, trank Tee und ging mit dem Oberbaurat zum Alten Krug, [18]besahen die Sachen, ging zu meiner Wohnung, holte noch den Brief, den ich Duschka am 17/9 23 geschrieben habe (aus Westfalen, über Grabbe und Bojić), durch den [19]guten Oberbaurat wieder etwas getröstet und gestärkt. Nach dem Abendessen Moselwein getrunken, um 11 war wieder Alarm, im Luftschutzkeller, [20]um ½ 1 war es zu Ende. Corrie war entzückend, aber ein wenig überdreht, überbelichtet.

[21]. Morgens herumtelefoniert, der Oberbaurat ist zum Bezirksamt Zehlendorf gegangen und hat die Erlaubnis bekommen, meine Möbel [22]zu besichtigen. Damit war mir ein Gang abgenommen. Ich fuhr mit einem Koffer zur Huttenstraße und holte dort, 4 Treppen hoch, die gereinigten Kleider für Duschka [23]ab. Schleppte mich ab; rührend diese fleißigen Leute; die 56 Jahre werden eingezogen. 2 Franzosen, wie in Paris aufgemacht, in dem zerstörten Moabit. [24]Mit dem Autobus T zurück, um 1 wieder zu Hause und mit Corrie zu Mittag gegessen. Dann geschlafen, inzwischen ist Frau Hahm gekommen. Um ½ 5 zu ihr, sie war nett, [25]aber dann wird sie wieder zu laut und aktivistisch, herrlicher Kaffee, sie erzählte von Jelena als Diebin, aber es ist nichts geschehen, ging dann mit ihr zum Autobus; [26]fuhr nach dem Wilden Eber, in der Amselstraße, wo Weber-Schumburg mich abholte. Die Bücher liegen in dem Keller von Holler (ein herrliches Haus, aber auch [27]Höhle!). Im Keller, leider ist die Korrespondenz ganz sinnlos (er sagt, Frau Hahm hätte bereits alles eingepackt gehabt, als er kam). Die Sachen [28]von dem dummen Sobotta gerettet! Nichts von Jünger, nichts vom Nomos usw. Unterhielt mich mit Weber-Schumburg, der müde und traurig ist (Waffenstillstand mit Westländern), [29]Verhaftungen, zeigte den Brief von Jünger. Dann zurück, zu Abend gegessen, mit dem Baurat eingehend erörtert, wie der Transport stattfinden soll. [30]Er ist ganz rührend. Eingepackt, dann mit dem Gast von Popitz, Langbehn, humanistische Bildung, über Bilder unterhalten, der Flötenspieler heraufgeholt, den Nolde, große Diskussion [31]über Malerei, schöner Rotwein dazu. In herrlicher Stimmung zu Bett und wunderbar geschlafen. Den Alarm überhört, aber um ½ 3 trommelte [32]Popitz mich aus dem Bett und wir mußten wieder für eine Stunde in den Luftschutzkeller. Halb im Schlaf, Corrie lernte hic haec hoc. [33]Las Goethes Römische Elegien. Scheußlicher Priap.

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[1]. Todmüde um 8 aufgestanden, nicht ausgeschlafen, aber eine deprimierte Verbissenheit, wegen der Kisten mit telefoniert, sie wollen [2]sie holen, warte auf den Anruf, mit Brandenburg telefoniert, mit dem Spediteur Eigler, der mich an die Bahn verweist. Traurig auf Telefongespräche [3]gewartet, Frau Hahm rief ununterbrochen an. Kein Schlafwagen für Montag. Werner Weber schrieb und lädt mich nach Leipzig ein. Hatte [4]Lust, über Leipzig nach Hagen zu fahren. Wartete 2 Stunden auf den Anruf der Transportleute wegen der Kisten, es stellte sich heraus, daß ich keine [5]Schlafwagenkarte bekomme, allmählig entschlossen, trotzdem des Nachts zu fahren. Mit Popitz und Corrie zu Mittag gegessen, dann etwas geschlafen. [6]Um 5 Tee und mit Oberbaurat Hodler zum Alten Krug, 2 Stunden lang 2 Kisten mit Büchern angefüllt, aber das ging zu langsam. [7]Die Arbeit tat mir aber gut, die nette Unterhaltung mit Hodler (sein Vater war Zentrumsabgeordneter), die Nähe der katholischen Kirche, um ½ 8 [8]fuhren wir nach Hause und aßen schön zu Abend mit Popitz, nachher bei einer Flasche Okfener noch ein schönes Gespräch (Popitz [9]will seine Memoiren schreiben, erzählte von Erzberger, Brüning). Wartete, ob kein Alarm kommt, telefonierte um ½ 12 [10]mit Cloppenburg, Anima war am Telefon, verliebt in diese Stimme und diese schnippige Mädchenhaftigkeit. Todmüde mit Popitz [11]bis nach 12 gewartet, dann zu Bett. Popitz meinte, ich dürfte mich nicht beurlauben lassen, das wäre Waffenstreckung.

[12]. Gut ausgeschlafen, sogar behaglich, um ½ 10 aufgestanden und gut zurechtgemacht. Das Aushalten ist mir [13]lange bewußt, wo ist also der Halt? Werde mit halbgutem Gewissen abreisen; hoffentlich gibt es diese Nacht keinen Alarm. [14]Fuhr nach dem Frühstück mit dem Oberbaurat zum Alten Krug, wir nagelten 2 Kisten Bücher, aber das Aussuchen hat keinen Zweck und dauert zu viel Zeit, immerhin [15]einiges gefunden, aber nicht die Korrespondenz Jüngers, nicht B.C.Benito Cereno. Zum Essen um 1 nach Hause. Ahlmann kam und wurde von Popitz zum Essen [16]eingeladen, wunderschön. Sprachen über Mussolini, Geschichte (die englischen Flieger bitten um Nachtquartier, das Flugzeug im 4. Stock). Müde, [17]nachher noch schöner Kaffee, Popitz sehr lieb. Ich begleitete Ahlmann noch bis zum Breitenbachplatz, unterwegs erzählte ich ihm 2 3 Wünsche, [18]er sprach von Averroismus, von Stimson, der freier wäre als in gleicher Weise Europa, meinte, daß Stalin keinen [19]Frieden mit Deutschland machen kann. Ruhte zu Hause einen Augenblick aus, um 5 zu Frau Hahm, dort Auguste von Oertzen, wieder herrlicher Kaffee, mit [20]Frau Hahm in die Kaiserswertherstraße, dort das Bündel mit Verwaltungsrechtsvorlesungen, Hobbes usw. gefunden, alles naß und in einem [21]scheußlichen Zustand, Weber-Schumburg hat es liegen lassen, die Fotomappe der Judenfrage von Bauer lag auf der Straße! Hob sie auf, brachte alles [22]zu Popitz. Dort mit Popitz und Corrie zu Abend gegessen, nachher eine Flasche Rheinwein, bis 12 gewartet, Witze [23]erzählt, (Graf Bobby, die Standuhr).

[24]. Nicht ausgeschlafen, um 8 auf, mit Popitz gefrühstückt, dann telefoniert, zur Bank, 1000 Mark [25]abgehoben, zum Bristol Haareschneiden, Brinkmann gesehen (ich bin fromm, sagte er, als ich sagte, es bleibt einem nichts anderes übrig). [26]Etwas enttäuscht von ihm. Wartete auf Fräulein Samić, Novákov kam erst nach 12, war rührend, erzählte von den Spielregeln [27]der Serben. Es regnete in Strömen. Zu Pfeiffer, Entschädigungsantrag (200.000 Mark und 200 Flaschen), [28]Ambour war auch da. Um ½ 2 holte mich Hodler im Wagen ab, wir fuhren zu Popitz, aßen Reh zu Mittag. Dann

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[1]die Koffer als Passagiergut zurecht gemacht und durch Hodler besorgt. Das ist eine unglaubliche Hilfe. Als er vom Bahnhof Steglitz zurückkam, [2]fuhren wir zu Frau Hahm und tranken Kaffee. Hodler fuhr in die Oper (Traviata), Frau Hahm erzählte (ihre Tochter wird zum 3. Mal heiraten). [3]Wir gingen noch bis zum Alten Krug, der abgeschlossen war, ich suchte die Schlüssel meines Schreibtisches, es paßte aber keiner. Dann zu Popitz [4]zurück, zu Abend gegessen, vorher schönes Gespräch mit Corrie über Hans, über Sanssouci, ein liebes, rührendes Kind. Um 8 [5]kamen Blötz und Weber-Schumburg und holten mich ab, Popitz unterhielt sich nett mit ihnen (der entzückende Blötz erzählte von [6]der Unterbringung des Justizministeriums bei Torgau), tranken einen Cognac, dann fuhr uns Ackermann zum Bahnhof Zoo, alles [7]klappte großartig, auf dem Bahnhof warteten wir auf den Zug, tranken meinen Wacholder, zeigte Blötz den Brief von Jünger, über BC.Benito Cereno (er meinte, [8]sofort vernichten), Weber erzählte von Streint. (Ein jüdischer Rabbiner hat ihn studieren lassen.) Dumm. Dann im Schlafwagen (den ich durch [9]Haenl noch bekommen habe), mit einem rührenden Rittmeister Geinsmer. In Hamm war Entwarnung, bequeme Fahrt.

[10]. Um 6 ¼ in Hagen, 7.12 weiter nach Plettenberg. An Duschka eine kurze Karte geschrieben. Es läutete, hielt das für den [11]Angelus, es war aber nur das Läuten von Lokomotiven. Wieder in Westfalen. Wie lange noch (die letzten Wochen, wie Weber meinte), [12]todmüde die Strecke nach Plettenberg heraufgefahren. Tief glücklich beim Anblick der Berge an der Lenne und der melancholischen Wälder. Kam ½ 9 in [13]Plettenberg an, schleppte mit verbissenem Eifer meine beiden Koffer zum Brockhauser Weg, aß schön zu Frühstück, Kaffee, glücklich, wieder zu Hause zu sein. [14]Keine besondere Post, nette Einladung von Frau von Schnitzler, für Oktober. Mit Jup geplaudert, die scheußliche Rede Churchills (erst 44 zu Ende), er ist doch nicht mehr [15]als der Clemenceau des Britischen Weltreiches. Nach dem Mittagessen 3 Stunden geschlafen, zur Bahn, 3 Koffer sind angekommen, Spaziergang nach Böddinghausen und Papenkuhle, [16]das herrliche Tal der Lenne von Bleiber bis zum Sundern, abends erst Moselwein, dann 2 Flaschen Rotwein (der gute Medem hat 2 Kisten geschickt), [17]freute mich über Jup, bis 12 Uhr, zuviel Wein. Nicht an Popitz geschrieben. (Jup stellt einen Ackerer zur Rede, der ein Pferd schlug: Wenn das nicht pflügen kann, und doch er trieblahm und das Pferd wie Luft, ich sah, daß er mutiger ist als ich).

[18]. Erst ½ 11 aufgestanden, etwas Kopfschmerzen, Behagen, aber es ist schon Herbst und im Haus kalt. Was willst du hier. Die 4 [19]Koffer kamen an, Gott sei Dank. Schönes Frühstück, dann mit Jup auf den Ibsenstein; kalt, aber klares Wetter und schöner Blick auf [20]die Berge. Völlig zerschmettert. Mittags kam etwas Sonne. Schrieb an Duschka und warte auf sie. Will zu Schranz nach Siedlinghausen. Nachmittags lang [21]geschlafen, dann ein herrlicher Spaziergang mit Jup über den Böddinghauser Weg, durch [die] Kersmecke über die Fahnenstange auf den Hestenberg. Wir waren wie Kinder, [22]die hofften, in den Ferien käme ein Erdbeben und die Schule fällt ein. Abends 2 Flaschen Moselwein getrunken, mit dem Vater Skat gespielt, [23]früh zu Bett; etwas erkältet und Schnupfen.

[24]. Schnupfen, aber herrliches kaltes Wetter, Erinnerung an die Ferien meiner Jugendzeit. Frisch aufgestanden, [25]schön gefrühstückt, Brief an Popitz und Hodler geschrieben, mit Jup einen Spaziergang zum Eschen. Brief von Niedermayer (über die [26]Unterschätzung Rußlands), Nachricht vom Tod von Bruns, der am 19/9 in Königsberg gestorben ist. Werde also endlich [27]bescheiden und warte ab. Es ging mir nahe, dachte nach über den Alpdruck Z. Edme, Hirngespinste, schäme dich; Angst [28]um den schönen Posten, wer wird jetzt Direktor des Instituts und der herrlichen Bibliothek? Jetzt rutscht auch dieses Gebäude zusammen. Nach dem Mittagessen

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[1]etwas auf dem Sofa geschlafen, dann gingen wir über Leinschede, Sewerinshagen, Hohe Wibbecke, Saal, Lenscheide nach Rönkhausen. [2]Dort kaufte sich Jup ein halbes Pfund Speck. Mit der Bahn nach Hause zurück. Todmüde, zu Hause Wein getrunken und schon um 9 ins Bett. Herrlicher Spaziergang [3]bei wunderbarem, gläsernen Wetter; die Sonne lachte rätselhaft. Gefühl, daß der Genius dieser Gegend über Lenscheide mir feindlich ist. Etwas erkältet und Schnupfen.

[4]. Jahrestag der Hochzeit der Eltern, um 6 aufgestanden und mit Jup, Üssie und Ännchen in die Kirche, zum Hochamt. Es war sehr kalt, [5]voller Nebel, nachher behaglich gefrühstückt, mit Jup herumgelegen und geplaudert (6 Millionen Arbeitslose, 6 Millionen Tote und Verstümmelte, [6]das geht auf). Nach dem Essen etwas geschlafen, dann kam die gute Claire aus Cloppenburg zurück, gab ihr einen Kuß; wir holten das Gepäck, Duschka hat 7 [7]Enten mitgebracht. Rührend. Wir tranken schön Kaffee, dann rupften die Frauen den ganzen Nachmittag Enten, während ich und Jup über den Graben zum Böhl gingen. [8]Herrliche, gläserne Luft, unbeschreiblich großartig, diese Höhenzüge der Lenneberge, sehr schönes Abendessen, trank viel Wein, freuten uns des [9]letzten Abends der Ferien, was mag in einem Jahr sein, hoffentlich sind wir da über den Berg; bis 12 Uhr, schön im Bett, Koitus, wundervoll.

[10]. Trotz des Schnupfens behaglich geschlafen, schönes Frühstück mit Duschka, Claire, Jup, letzter Vormittag mit Jup. Will mit ihm [11]nach Olpe fahren. Schöner Brief von Reuschenbach, der Kaffee schicken will, großartig; Brief eines Herausgebers einer Geschichtslehrerzeitschrift, der meinen Aufsatz über staatliche Souveränität [12]und freies Meer bewundert. Das freute mich doch. Armes Carlchen. Dicker atlantischer Nebel des Sauerlandes. Freute mich über die gute und vernünftige [13]Duschka. Mit Jup herumgelegen, er ist traurig und deprimiert, weil er abreisen muß, hat aber andererseits doch wieder das Bedürfnis nach Berufsarbeit. Wir aßen [14]eine schöne Ente zu Mittag und tranken Wein dazu, dann begleiteten wir Jup und Claire zur Bahn, mußten lange warten, Otto Schmitt kam noch, wir brachten die beiden [15]in den überfüllten Zug, Duschka glaubte, Oberheid in einem Abteil gesehen zu haben. Ging todmüde und traurig zurück und schlief von ½ 4 - ½ 7. [16]Frisch und gestärkt aufgestanden, aber immer in Zweifel, las Jordans Demiurg, allmählig doch mit Interesse (habe heute morgen [17]zu früh darüber an Körnchen geschrieben). Schönes Abendessen ohne Wein, dann noch Jordan gelesen, traurig wegen des meckrigen Fräulein Geschke. [18]Um ½ 11 ins Bett, Duschka blieb noch mit den Mädchen auf, bis 1 Uhr. Ich schlief gleich ein.

[19]. Bis 9 im Bett, herrlich geschlafen, aber was soll mir diese Erholung und Kraft, ich hänge ja doch sozial in der Luft. Mit [20]Schreck an den Winter gedacht. Es ist kalt, die Heizung wurde schon angemacht. Schönes Frühstück mit Kaffee, sehr behaglich [21]an dem Nomos herumkorrigiert, der mir allmählig gefällt (ist wohl nur ein Zeichen meiner guten Erholung!) Schöner Brief von Friedensburg [22]aus Freiburg, der mir gefiel und seine Dissertation bald schicken will. Mit Üssie auf den Evangelischen Friedhof, Grab von Otto Kaiser. Nach dem Mittagessen geschlafen, [23]schöner Kaffee und Kuchen, Spaziergang über den Eschen an den Nordwestabhang des Saley, Flugzeuge gehört, Einsamkeit. Zu Hause [24]war Josef Schröder, trank mit ihm ein Glas Rotwein und ließ ihn erzählen, rührender Mann. Zum Essen Rotwein, Ännchen und [25]Fräulein Geschke kamen zu spät, waren den ganzen Nachmittag weg gewesen, jetzt verstehe ich die Verlassenheit der armen Mutter bei [26]diesen ekelhaften Tunten, Ännchen hat bei Schranz in Siedlinghausen angefragt, ich will Dienstag reisen. Spielte mit dem Vater Skat, [27]die gute Duschka ist entzückend, tut mir aber leid unter den meckrigen Motten wie Geschke und Ännchen. Hörte noch einen [28]Schwätzer. Trotz der Erkältung frisch und erholt ins Bett.

[29]. Nachts etwas gefroren, sonst aber gut erholt. Frau Pfeiffer kam und sagte, sie wolle den [30]Regenmantel bei Frau König holen, telefonierte an Fräulein Samić und sprach mit Frau König, etwas gelesen und mein Manuskript [31]korrigiert. Wieder Lebensmut, Arbeitsfreude, im alten Stil der Gymnasiastenzeit; wie traurig ist das. Schlief nach dem Essen auf dem [32]Sofa, tiefe Depressionen, las Poe, dann etwas über Kriegsbegriffe gelesen, Papiere geordnet, wieder in der Arbeit.

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[1]Die geistige Flucht ist also mißlungen. Von 6 1/4 - 7 1/4 nach dem Regen im Saley herrliche, nasse Luft, nachgedacht, manch Wichtiges, [2]aber die Flucht ist mißlungen, schöner Spaziergang auf den Saley, dachte an Fritz Eisler, unsere Fahrt zur Talsperre, Gespräche über die Natur von Tobias, jetzt reise ich morgen zu Schranz, von meiner Einsamkeit weg; dabei bin ich ohne peur [3]d'être seul, sondern liebe die Einsamkeit. Abends zum Essen eine kalte Ente und eine Flasche von dem Moselwein, den Medem besorgt [4]hat. Nachher eine Stunde Karten gespielt mit dem Vater und Duschka; die große Freude am Skatspielen hatte. Müde zu Bett, während Duschka noch in der Küche war und dann [5]an Fräulein Samić schrieb. Traurig wegen Ännchen, deren volle Entfremdung ich fühle; grauenhaft die Verdoppelung in den Geschwistern. Ich habe es mit [6]der fürchterlichen Cari ebenso gemacht und nun trifft mich die gerechte Antwort.

[7]. Schönes kaltes Wetter, herrlicher Kaffee zum Frühstück, Brief an Gremmels, Frau von Schnitzler, Vorlesungsankündigung [8]an die Universität geschickt, arbeitsfreudig, Schauer vor der Entfremdung mit Ännchen, trauriges Dasein eines Flüchtlings. Um 12 zur [9]Bahn nach Siedlinghausen, am Bahnhof IdaThofel getroffen. Duschka und Üssie brachten mich zur Bahn, im Zug einen Augenblick allein, schöne Ruhe und [10]Einsamkeit. In Hagen eine Stunde Aufenthalt, sehr kalt auf dem Bahnsteig, im Wartesaal auf dem Bahnhof, die armen Menschen, vergaß als Zuschauer, [11]wie arm ich selber bin. Schönen Platz 1. Klasse im Zug nach Bestwig, nett über Kriegsbegriff gelesen, vielleicht überschätze ich doch Quincy Wright. [12]Sah die entsetzlich häßlichen Ortschaften Fröndenburg, Wickede usw. Die Zerstörung durch Möhne-Talsperreneinbruch. Angst, daß [13]diese Häßlichkeit sehr konkrete Folgewirkungen herbeiziehen muß, Zerstörungen grauenhafter Art. Menschen, die sich solche Häuser bauen, müssen sich [14]selbst vernichten. Neheim-Hüsten; glücklich, dieser Enge entronnen zu sein, diesen Fabrikanten und Fabrikantensöhnen, diesen armen Geld[15]machern, diesem schweinischen Reichtum. Hübsch sind nur die Eisenbahnbeamtinnen in Hosen und Käppis. Dachte an meine [16]Jugend, an Attendorn, meine Mitschüler, meinen unbewußten Respekt vor dieser Art Reichtum, all dem bin ich entronnen, Glück und Fluch. [17]Aber was bedeutet es, daß ich jetzt dahin zurückkehre? In meine proletarische Jugend kehre ich zurück, weiter nichts. Im Zug nach Siedlinghausen [18]die lächerliche Frau, die schrie, weil ihr Kind hustete. Ekelhaft, in Siedlinghausen holte mich Veronica ab, kleidete mich um, Schranz [19]kam, sprach über Konrad Weiß, Roßkopf, die Hochschulmeisterei, nett unterhalten bis zum Essen. Nach dem Abendessen (Veronica [20]ist schwanger und ging ins Bett) 2 Flaschen Alsheimer mit Schranz, Niermann kam noch, ich sprach zu viel, bis 12 Uhr.

[21]. Bis 10 im Bett. Traum: ich bin bei Popitz im Luftschutzkeller, in Berlin, es schlägt ein, Traurigkeit, [22]daß ich hingegangen bin; nachher Traum: In einem Laden, wo ich Papier und Klebstoff kaufe, nett bedient [23]worden, aber irgendwie dumm und lächerlich. Frühstückte und las: Altheim, Dagobert Frey, vieles andere, sehr zufrieden, trotz [24]der kalten Füße. Gutes Mittagessen, nachher nicht zu Bett, um 3 Tee getrunken mit Schranz und Frau Senge, Niermann kam auch, hatte das Gefühl, [25]lächerlich zu sein, machte einen Spaziergang mit Niermann zum Forsthaus, über alles mögliche zu viel geredet, schließlich natürlich [26]Konrad Weiß. Um ½ 7 zu Hause, umgekleidet, wir wurden gefahren, schönes Abendessen, wieder rheinhessischer Wein getrunken, [27]mit Niermann und Frau Senge, aber sehr müde, die amerikanischen und englischen Flieger flogen 1 Stunde hindurch über uns weg, Alarm, dachte mit Entsetzen an [28]Berlin und die Möglichkeit, dort zu sein. 11 zu Bett.

[29]. Wieder bis 10 im Bett und sehr behaglich. Offenbarung gelesen von Hartenstein (Korntal), erst tiefer Eindruck, dann

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[1]verging es schnell, aber doch auch mit Veronica gesprochen, will morgen abreisen. Des Nachts habe ich Irmensul [2]von Jost Trier gelesen, von Schranz untersucht Hypotonie, sonst bis nach dem Mittagessen geschlafen (vorher Frau Wirsing, das frühere Fräulein Ewers), Tee getrunken, zu Frau Senge, [3]leider kein Konzert (Senior Walter spielte), besahen die Zeichnungen und Aquarelle von Senge, aus Sizilien, die Portraits seines [4]Vaters (wunderbar). Schranz (oberflächlich und inhaltslos) und Rosskopf, eine große Enthüllung, dieser in sich unsichere und gewalttätige [5]unverbesserliche Nazi. Der arme Niermann stimmte immer zu, ging dann mit ihm den Weg nach Bödefeld. Leider gibt es keine roten [6]Ebereschen. Müde, spreche zu viel, er sprach über die Schonungslosigkeit des Deutschen Idealismus, erkundigte mich an der Bahn, zu Hause [7]nach dem Abendessen schönen Badischen Wein und Nahewein; mit Niermann, Frau Austen. Niermann ging um 12 nach Hause, obwohl [8]Frau Austen noch blieb, fand das ziemlich unmöglich. Frau Austen äußerte ihre Verachtung für die Männer im allgemeinen und die [9]Münsteraner im besonderen, die träge und bequem sind. Gegen ich ins Bett. Große Liebe zu Schranz. Begegnung mit der Notiz für [10]C Schmitt von Weiss.

[11]. Etwas Kopfschmerzen, nachts eine Stunde Varè, Der lachende Diplomat gelesen, schönes Frühstück, Veronica [12]erzählte von der sonderbaren Begegnung in Passau mit einer Russin, die bei Duschkas Geburtstag dabei war. Niermann kam, langweilig, [13]aber irgendwie rührend. Zum Mittagessen Reibekuchen, Schranz fuhr mich zum Bahnhof, bekam keine Leberwurst mit. In der Bahn bis [14]Bestwig, müde am Bahnhof auf den Zug nach Wennemen gewartet, passiv, willenlos, lebensunfähig.

Dieser Welt miteingegoren,
ging die[15]Habe mir verloren.

[16]In Bestwig eine Stunde gewartet, die Beklemmung, in dem Unflat der Großstadt zu sein, diese ausgezogenen [17]und wieder eingezogenen Massen, überfüllter Zug nach Wennemen, dort wieder eine Stunde gewartet, dann sehr erholt [18]mit der Bahn nach Finnentrop, durchs herrliche Sauerland, steil und gebirgig, Wenholthausen, Eslohe, [19]Kückelheim in Konrad Weiss Löwin gelesen, sehr ergriffen und doch ist es nur Wortgesumse. [20]Immer nach Bestätigungen gesucht für mich, meinen ‚Mangel‘. Ekel vor meinen Besitzängsten und Wünschen. In Finnentrop [21]lange gewartet, wie oft schon in meinem Leben; in Plettenberg, etwas geil. Um 7 Uhr dort, schönes Abendessen [22]mit Rotwein, hinterher großartigen Schnaps, den Angelina geschickt hatte. Währenddessen begann der Luftangriff auf Hagen, [23]um 10 Uhr sahen wir von unserem Fenster, wie Feuer vom Himmel fiel, ungeheuerlich roter Schein, schauerliche Lichtblitze, [24]Fräulein Schneider schrie und weinte, bekam einen Schnaps, ich trank noch die Flasche leer und ging zu Bett, schlug den [25]Propheten Obadja auf.

[26]. Gut ausgeschlafen, große Begier; schöner, aber zu schneller Koitus. Der Kaffee schmeckte mir gut, etwas Post [27]von Berlin, Schulze-Thulin, widerliches Scheusal, das daran erinnert, nicht auf Recht verzichten zu können, Ekel vor diesem Betrug, [33]nach Berlin telefoniert wegen der Möbel, von Schäfers aus, ins Dorf, meinen Regenmantel bei Frau König geholt, [34]Frau Pfeiffer getroffen, bedrückt, muß Montag nach Affeln wegen der Möbel. Immer wieder:

[35]Dieser Zeit miteingegoren,
[36]ging die Habe mir verloren.

Nach dem Mittagessen nicht geschlafen, etwas ausgeruht, Duschka ging zu Kinkel, ich über Böddinghausen

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[1]zum Kreuz an der Hohen Molmert. Es sieht nach Nordwesten. Große Beruhigung (Angst vor Ritterbusch, Siebert, Höhn und diesen Machern); vom Pult [2]sind die Volksschullehrer eingezogen, zum Luft-Hilfsdienst in Hagen. Züge von Verwundeten kommen. Sonderbare Kontinuität, daß ich wieder an diesem Kreuz [3]stehe, wie vor über 10 Jahren, als ich es reinschnitt. Es ist jetzt dickrindig und harzig wie eine Vulva. Ich weiß nicht, was ich tue, wenn ich mich [4]berühre. Die Luft ist still, wie in starrer Erwartung, der Wald ist verwahrlost, dabei so gespannt abwartend, als hielte der Wald den Atem an; [5]erstarrt von dieser menschlichen Bosheit und Gemeinheit. Ekelhafte schwärzlich-nasse Pilze schossen auf dem trockenen Boden auf. Müde zurück, ergriffen von [6]dem sauerländischen Wald und dem schönen Lennetal. Zu Hause war Emma Achterrath. Ich freute mich sehr darüber, sie war sympathisch und fein, erzählte von ihren Söhnen, der [7]eine hat eine Frau aus Ragusa, der andere ist als Flieger in Sizilien gefallen. Wir tranken schönen Kaffee, dann noch eine Flasche Rotwein, begleitete sie um 7 [8]zu ihrer Wohnung, wie als Knabe von 18 Jahren. Unheimliche Wiederholung. Nach Hause zurück, Wein getrunken (morgen früh reist sie [9]über Wennemen nach Berlin, vergesse, ihr Land und Meer zu geben), abends noch Skat gespielt, mit dem Vater, herumpolitisiert, [10]um 11 zu Bett.

[11]. Wunderbar ausgeschlafen, wollte um 7 aufstehen und Emma Achterrath nach Finnentrop begleiten, tat es aber nicht. An meinem [12]Nomos herumkorrigiert, herrliches Wetter, vor dem Frühstück kleiner Spaziergang. Aber oft deprimiert, wenn ich an Berlin [13]denke, soll ich nach Budapest fahren? Nach dem schönen Mittagessen (furchtbare Depressionen) geschlafen, im Hause wird grauenhaft [14]geklimpert. Josef Schröder kam zum Kaffee, ich schrieb an (Eggert, Frau Jünger, Schranz, Grauert) und ging mit [15]Duschka und Üssie zum Grabe der Mutter. Schöner Abend; die Berge schlafen immer, sind schlafende Riesen, sagte Duschka. Sehnsucht, [16]Erhabenheit. Nach dem Essen wieder mit dem Vater Skat gespielt, bis 11 (Beromünster), dann zu Bett.

[17]. Bis 10 geschlafen (nach der neuen Zeit war es aber erst 9), Traum: Ein Fräulein zeigt mir [18]ein wildrotes französisches Tuch, eine Karte von Orleans, das kostete nur 1 ½ Pfennig, schöne blaue Augen, erotische Nägel, [19]dann plötzlich Schluß. Stand eilig auf und frühstückte eilig, weil ich nach Affeln zum Bürgermeister soll. Immer dieselbe dumme, angstvolle [20]Eile, wegen jeder Kleinigkeit. Mit Üssie über den Graben, herrlicher Morgen, die Nebelsenke. Oben klare, kalte Luft, die [21]friedliche Affelner Gegend, katholisch, ohne Industrie, herrlich blaue Berge im Nebel. Hingerissen von dieser Schönheit und eine [22]Stunde lang sehr glücklich. In Affeln erst bei Lüwers. In der Kirche; der Altar steht noch da; die rote Kommunionsdecke (Orleans[)], dann beim Bürgermeister, herumgesucht und ihn schließlich, als er beim [23]Essen war, zu Hause getroffen, gewartet, bis er fertig war, dann hielt er uns bis 2 Uhr einen Vortrag über seine Kriegserlebnisse, [24]immer derselbe Typus und derselbe Stil, mit Menschen umzugehen, Zöberlein-Geschichte, und die Juden sind an allem schuld. Aber er versprach [25]uns einen Platz in der Schützenhalle. Traurig nach Hause zurück, Bedürfnis, Schnaps zu trinken. Über den Weg nach Altenaffeln [26]durch Blemke zurück. Todmüde, zu Hause kochte uns Duschka noch eine Suppe und schönen Apfelkuchen. Schlief dann 2 Stunden, [27]todmüde, am Rücken wie gelähmt. Dazu das scheußliche Geklimper der Schüler von Ännchen, eine wahre Musikhölle, in der [28]Musikszene von Bosch fehlt das Klavier. Um 7 wieder aufgestanden, sehr erholt, aber was will ich tun? Angriff auf Kassel, [29]vielleicht auch Berlin? In Erwartung der Dinge; um 7 ist es schon dunkel. Jetzt kommt der Winter, Verhungern in Berlin, im Hotel,

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[1]ohne Kleider. Das ist dann Gottvertrauen, armer Mann von Plettenberg. Abends den sauren Moselwein von Medem getrunken, mit dem [2]Vater Karten gespielt, noch etwas Radio gehört (die guten Schweizer), um 11 zu Bett: Wieder hörte man die englischen Flugzeuge.

[3]. Gut ausgeschlafen, schöner Kaffee, mein Manuskript geschrieben, wollte es heute Nachmittag zu dem Rechtsanwalt Küchen [4]bringen. Dann ein herrlicher Spaziergang zum Ibsenstein, wieder ganz in der Landschaft, die Quelle meiner Kraft. Nach dem Mittagessen geschlafen, [5]wieder Angst vor Berlin. Nachricht von dem Tagesangriff auf Frankfurt. Um ½ 5 mit der armen, guten Duschka zur Stadt, beim Schuster Geck. [6]Ein fröhlicher Toskaner, mit Sauerbruchbefreundet, zum Rechtsanwalt Küchen, dummerweise mein Manuskript einem hilflosen [7]Mädchen gegeben, das wird scheußlich, bei Emil Langenbach vorbei, der aber nicht zu Hause war. Den Wall-Graben heruntergegangen und mich an meine [8]dortigen Begegnungen mit Klärchen Dierkes erinnert, schöner, ernster Abend, durch den Saley zurück, wunderbar ergriffen von den [9]Linien der Berge, das ist also meine seelische Heimat; du lebst noch in deiner Jugend, jetzt wirst du herausgeworfen. [10]Denke an die Juden in Dänemark, von denen 1000 in kleinen Booten über die stürmische Ostsee flüchteten. Trotzdem geht [11]es ihnen besser als mir. Wir sind schon im Katarakt. Seit 5 Tagen ohne Post. Das wird noch Monate dauern, wenn nicht [12]Jahre lang. Dieser war im Bösen, die anderen nur halb. Krach zwischen Ännchen und Üssie wegen des Zimmers, Üssie ist nach Hagen gefahren, [13]Duschka holt sie ab. Zum Abendessen 2 Flaschen Weißwein, Skat mit dem Opa, noch im Musikzimmer Münster gehört.

[14]. Traum: in der Stadtbahn in Berlin, Lehrter Bahnhof Bellevue, die Geleise sind beschädigt, der Zug [15]stößt und schwankt, etwas fällt mir auf den Kopf (eine Matratze aus dem Gepäcknetz). Immer wieder diese Luftangriffsträume von Berlin. [16]Herrliches Sauerlandwetter, Post (die Fakultät schickt den Entwurf einer neuen Verwaltungsvorlesung), alles nur Vorbereitung, erleichtert. [17]Nachricht von dem schweren Angriff auf Frankfurt in der Nacht von Montag auf Dienstag. Kann also nicht nach Frankfurt reisen, [18]was mir recht ist. Arbeite etwas an der Sache für das Postministerium, rührend wenig. Dann Spaziergang in den Saley, ½ 12 [19]wieder in dem weichen Gewebe meiner tröstlichen Jugenderinnerungen; ohne Habe, in vollem Sein. Herrlich, auf der Höhe des Saley, über Basaltgrube zurück, [20]die Berge träumen in sich hinein in der gläsernen Luft. Nagelte einige Kisten, machte die Bahnkisten auf, aß bescheiden zu Mittag und schlief wie tot 2 Stunden [21]bis 4 Uhr. Was soll das hier, ich bin völlig arbeitsunfähig und passiv. Trank Kaffee, Telegramm von Frau von Schnitzler, daß ich mit Duschka kommen soll, [22]doch war das Telegramm vom 2/10. Schrieb ihr gleich einen Brief (weil Duschka mir das sagte), daß wir nicht kommen können, schrieb ich den Vers: [23]Dieser Zeit miteingegoren, ging die Habe mir verloren, und, unter dem Eindruck des unglaublich schönen Herbsttages: Sollst du umsonst [24]gewesen sein, du selig silberblauer Tag? Brachte den Brief zur Post und ging dann den Graben herauf, zum Böhl, über den Friedhof zurück. [25]Wunderbare Gebirgslandschaft, die Bergkegel wie in einem herrlichen langsamen Rhythmus, der zunehmende Mond in der Mitte ganz [26]hell darüber, den Nebel überwindend. Ruhig und ergriffen, am Grabe der Mutter (Mutter verloren, Habe verloren, was bleibt?). [27]Um 7 wieder zu Hause und mich auf die Flasche Rotwein gefreut. Heute mittag und heute abend in wunderbarer silberblauer Luft. Die Glocke des [28]Angelus gehört und den Angelus gebetet. Das ist noch stärker, als die Leichen und die Abdecker hoffen. Abends beim [29]Essen fragten wir Üssie nach dem schönen Brief, den Anima geschrieben hat, und was sie als Lehrer dazu zu einem solchen Kind sage, sie antwortete ausweichend: [30]euer Sprössling. Abends noch 2 Flaschen Wein getrunken, mit Duschka im Musikzimmer gesessen, Radio gehört, sie ging [31]todmüde um 11 1/2 zu Bett, ich blieb noch bis ½ 1. Der finnische Minister hat angeblich gegen die Judenverfolgung in [32]Dänemark protestiert.

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[1]. Traum: Tagung der Professoren der Rechtswissenschaft. Sehe Ritterbusch herumstreichen, gehe nicht in die Sitzung, hinterher und zwischendurch spreche ich aber mit [2]einigen, ein besonders ekelhafter, kaltschnäuziger Hund und Lümmel ist dabei, man spricht vom Rechtsstaat, Positivismus usw. Nicht gut ausgeschlafen, [3]aber schönes Frühstück, schrieb mein Gutachten über Egger fürs Reichserziehungsministerium, schöner Brief von Popitz, es freute mich, daß er meinen Aufsatz [4]über Die letzte globale Linie mit Zustimmung gelesen hat. Nagelte 3 Kisten, zur Bahn, um die Züge nach Menden zu sehen, will morgen Adams besuchen, [5]freute mich auf den Weg nach Küntrop. Schlief nach dem Essen, um ¼ 4 kam Ännchen und sagte mir, daß Emil Langenbach da ist und mich zum [6]Spaziergang abholen will, er unterhielt sich nett mit dem Vater, wir gingen zum Ibsenstein, sehr nett unterhalten (über seine Reise nach Tirol, [7]sein Ohrenleiden, ich sagte ihm: hier mit der Außentruppe oben; das Kentern der Gesellschaft Deutschlands, wie er sich ausdrückte, Land und Meer, das ihm gut [8]gefiel und auf das er immer wieder zurückkam, Bismarck und die Kleider, sehr sympathisch, lud ihn zum Rotwein ein, wir tranken eine Flasche zusammen, Duschka [9]kam auch hinzu, entzückender Junge, mit seiner Unbefangenheit und Knabenhaftigkeit, um 7 1/4 ging er. Wir aßen zu Abend, [10]tranken eine Flasche Moselwein dazu, spielte mit dem Vater Skat, ging um 11 ins Bett. Duschka hat den ganzen Tag gewaschen.

[11]. Traum: bei Spiegel, wir sollen in ein Restaurant Terra gehen, ich gehe gleich hin, aber [12]ist ein Fleischlokal, ging herum, komme zu spät usw. [13]Um 9 auf, steifer Hals, die arme Üssie ist weinend nach Hagen gefahren, weil sie das Klavierspiel von Ännchen nicht mehr aushält. Armer [14]Schmitt. Frühstückte, nahm Butterbrote mit und marschierte über den Graben nach Affeln, dort einen Augenblick in der Kirche, nach [15]Küntrop, bei Kühlings Haus vorbei, hatte aber keine Zeit, zum Grab zu gehen. 12.30 mit dem Bähnchen nach Menden gefahren. [16]Angst vor dem Würgegriff. Gemütliche Fahrt. Die idyllische Strecke von Affeln herunter ins Tal; der Appell bei Kühlings. Um 1 in [17]Menden, schmutziges Nest, suchte den Westwall und war schnell bei der Wohnung von Adams, aber Paul Adams war nicht zu Hause, er sei mit [18]seiner Schwägerin nach Kenkhausen gefahren und komme erst abends zurück. Schöne Überraschung. Kam mir sehr dumm vor, wollte aber doch Grüße hinterlassen. [19]Die Haushälterin führte mich in die Wohnstube, wo der Vater Adams am Tisch saß und zu Mittag aß. Lächerliche Ähnlichkeit mit Alfons Adams, stiller, [20]höhnisch-ironischer Tonfall. Er sagte, er kenne die Gegend von Plettenberg-Küntrop nicht, von Personen und mir sei viel in seinem Haus gesprochen worden. [21]Erzählte verbittert, daß er in den Ruhestand versetzt worden sei, ein selbstgefälliger, egozentrischer Schulmeister. Ich ging um ½ 2 weg, [22]gleichgültig, fast amüsiert. Ich besah noch etwas Menden, ging in die Kirche und fuhr um ½ 3 mit der Bahn wieder nach Küntrop zurück. Dort zum [23]Grab von Anton Küling, das ich aber nicht fand, noch in das Haus Küling, die Schwester Küling und seine Schwägerin (der Bruder Johannes war gerade weggegangen) [24]waren rührend, boten mir Kaffee und Butterbrote an, ich trank eine Tasse Kaffee, unterhielt mich nett, über Grete, die Mutter (die stehe uns bei) [25]der Kreuzigungsgruppe an der vergrößerten Kapelle in Balve, das tat mir alles gut. Um ½ 5 zu Fuß über Affeln zurückgestiefelt. Todmüde, [26]fürchterlich verschwitzt, traf auf der Straße in Eiringhausen Duschka und Üssie, ging mit ihnen, trank bei Henke dummerweise kaltes Bier, [27]Nachricht, daß wegen Bahnsperre unsere Möbel nicht kommen. Traurig nach Hause, eine Flasche Pfälzerwein getrunken und früh zu Bett. Morgen [28]kommt Jup. Steifer Hals.

[29]. Bis 10 im Bett, gut ausgeruht, schrieb 4 Briefe (an Alfons Adams wegen Budapest, an Jünger, ), [30]wollte um 11 Radio hören, aber es war kaputt, verwirrt, wollte es Fräulein Geschke in ein anderes Zimmer tun. Brachte die Briefe zum [31]Kasten und schlief nach dem Essen im Zimmer von Ännchen, während Josef Schröder die Möbel umräumte mit großem Krach.

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[1]Trank um 5 mit Josef Schröder und Krach eine Flasche Rotwein, aßen Butterbrote dazu (Krach erzählte, daß er in der Eisenbahn 1932 [2]während des großen Processes in Leipzig meinen Namen gehört habe, ein Schmitt aus Eiringhausen, hatten sich 2 Herren erzählt). Um ½ 7 [3]zur Bahn, Jup abgeholt auf dem Bahnsteig. Guter Junge, wir aßen herrlich zu Abend, Duschka hatte gekocht, tranken viel Wein [4](Trittenheimer, Forster , Rotwein) bis 1 Uhr, viel gelacht, der nihilistische Jup über seinen Bruder als vatikanischen [5]Diplomaten, im Grunde traurig, verlorener Sohn von Bosch. Morgen um 7 muß er schon wieder abreisen (am 16. soll Berlin drankommen).

[6]. Um 6 auf, schnell sehr frisch, schöner Kaffee zum Frühstück, Ännchen und Üssie brachten Jup zur Bahn, ich fuhr [7]mit ihm nach Attendorn. In Finnentrop Streit mit einem dummen Schaffner und einer autoritätssüchtigen Bahnhofsvorsteherin, lächerlich, weil wir [8]über die Geleise gegangen waren, statt durch [die] Unterführung. Große Aufregung, etwas wie Braukeller, Jup ist dabei streitsüchtig und sehr [9]frech; wir wurden aufgeschrieben und lachten darüber. Der Zug hielt vor Attendorn wegen eines Schienenbruchs. Die meisten Leute stiegen aus und [10]gingen zu Fuß. Vorgeschmack der kommenden Dinge, wenn der Transport zusammenbricht. In Attendorn in der Kirche, Predigt (über die [11]Gleichheit der Menschen, ohne die es keinen Frieden auf Erden gibt) aber nicht interessant, noch in der Gymnasiumskirche, im Ganzen eine ausgestorbene Stadt, [12]um 9 dem Bach entlang, den ich als Gymnasiast besungen habe, herrlicher Weg im Nebel, über Rauterkusen, Vierkreuze, [13]Sonneborn, Gansmecke nach Plettenberg. Wunderschön, aber furchtbar geschwitzt. Blick von Sonneborn, auf die Höhen. [14]Weit weg von dieser Zeit. In Plettenberg am Alten Wall traf ich Langenbach, gab ihm Die letzte globale Linie, zu Hause schönes [15]Mittagessen, das Duschka gekocht hatte, nachher nicht gut geschlafen, obwohl ich die Nacht nur 4 Stunden geschlafen hatte. Um 5 wieder Kaffee, [16]Brief an Weber geschrieben, abends an Hodler, allmählig wird es ernst, aber meine Lage ist doch einfach lächerlich, ohne Bücher, [17]ohne Arbeitsraum, ohne Winterkleider und Wäsche. Überlege, was ich Popitz schreibe. Nach dem Abendessen mit dem Vater Skat gespielt. Angst [18]um Ännchen, die mit Fräulein Geschke zum Graphologen ist und noch nicht zurückkam. Sehe sie im Wald herumirren. Sie kamen aber um ½ 10. [19]Duschka schrieb fleißig Briefe. Eigentlich ist das wunderschön hier, möchte gar nicht mehr nach Berlin. Schöner, hilfsbereiter Brief von Ziegler.

[20]. Gut ausgeschlafen, Duschka schlief weiter, frühstückte und schrieb an Popitz (will Urlaub nehmen, wegen Budapest), [21]langer Brief, brachte um 12 alles zum Kasten. Herrliche Sonne, sehr warm, über den Schützenweg und den Kamp zurück. Wieder im Mantel Duschkas. [22]Aber da ist ja nichts los. Muß ich doch nach Berlin? Grauenhaft, diese Ungewissheit. Nach dem [Essen] schön geschlafen, nachher schauerlich zerschmettert; grauenhaft. [23]Plötzlich Alarm, Erleichterung, aber schnell vorbei. Schönen Kaffee getrunken, Wut über die luftpolizeilichen Vorschriften. Armes Objekt der Begierde, [24]du bist nur der Staatsphilosoph. Alles mußt du bezahlen, armer Teufel. Erschrecke über das herrliche Wetter. Mit Duschka zum Grab der [25]Mutter spazieren. Schöner Abend, über den Graben, den Weg zum Bühl, der Mond ist bald voll; ich hielt meiner Frau eine Vorlesung über Sozialismus. Rührende Situation. [26]Abends machte Duschka Eierkuchen, wir mußten eine Stunde warten, bis sie fertig war, der Opa stöhnte; grauenhaft, diese Unpünktlichkeit. Trank eine Flasche [27]Rotwein und bessere Laune, wir spielten noch Skat, um 11 ging ich zu Bett, Duschka schwatzte noch mit Üssie bis 1 Uhr nachts.

[28]. Miserable Nacht, schauerlich zerschmettert, Herzbeschwerden, völlig zerschmettert, Traum von Oberheid, der den Unterschied von [29]Stahl- und Eisenhandel entwickelt, ich schicke ein Telegramm: erscheint und lacht. (Duschka hat von Koschewnikoff

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[1]geträumt: Sie sieht Riesen, Koschewnikoff kommt und sagt: Es ist Frieden, über Spanien). Medem zwischendurch des Nachts gelesen. Ekelhafte Unfähigkeit und Passivität. [2]Um 9 müde auf, Spaziergang über den Saley, um 10 zurück und gefrühstückt. Was soll ich tun? Während des Spaziergangs am Saley einen Augenblick [3]aktivistisch, dann wieder diese furchtbaren Depressionen, Hypotonie? Als ich wie der verlorene Sohn in mein Vaterhaus zurückkam, wurde kein [4]Festmahl veranstaltet, wohl aber der von mir mitgebrachte Kaffee getrunken. Diesmal findet sich nicht, wie im Februar 15, ein Jude, der mich herauszieht. Schrieb an dem [5]Gutachten fürs Postministerium, dann kam viel Post (Frau von Schnitzler eine Karte; Adams eine Wirtschaftspostkarte, widerlich; ein Brief von Höhn, volle Teilnahme, was [6]mir sehr gut tat und mich plötzlich tröstete, gestehe es nur, du Feigling; von Medem, rührend; kroatische Zeitschrift usw.). Plötzlich bin ich wieder in der Welt und [7]die Depression ist vorbei. Schlief etwas nach dem Essen, und machte dann einen herrlichen Spaziergang zum Strickhagen und zum Kreuz, wunderbare Einsamkeit, schöner [8]Abend über den herbstlich bunten sauerländischen Bergen. Ruhig zurück, zum Abendessen eine Flasche Rotwein (neuer Wein durch Spohr ist unterwegs), [9]Ännchen saß mit am Tisch, sprang aber wie ein nervöses Hündchen auf, als Fräulein Schneiders kam, grauenhaft, diese Abhängigkeit und Hörigkeit [10]von Fremden. Ging früh zu Bett, während Duschka noch mit Üssie Strümpfe stopfte. Ich las noch Cusanus; heute den [11]ganzen Nachmittag sehr glücklich über einige Sätze in Weizsäckers Wahrheit und Wahrnehmung. Habe auf dem Spaziergang zum Kreuz Wasses Entwurf mit [12]Freude gelesen. Der tägliche Angelus der Kirche von Eiringhausen oder Plettenberg.

[13]. Herrlicher Morgen, glücklich und zufrieden, mutig und überlegen. Nach dem Frühstück mit Duschka zusammen eine Nachnahme von der Post geholt, [14]es war wahrhaftig der Kaffee von Reuschenbach. Große Freude, aber betrübt durch [die] Hörigkeit Ännchens und die ekelhafte Perspektive, die sich daraus ergab. [15]Unglaublich schönes Wetter, blauer Himmel. Schrieb an das Harnack-Haus, wegen einer Wohnung mit . Morgens Alarm. Nach dem Mittagessen auf den [16]Saley, unglaublich schöner Herbsttag, blauer Himmel und bunte Wälder, auf dem Ibsenstein Weizsäcker Wahrheit und Wahrnehmung gelesen und mich meiner [17]Jugend erinnert, über die Höhe des Saley; als ich in der Nähe der Bracht war, wieder Tagesalarm (½ 4). Dachte gerührt an Mutius, [18]der mir 3 Flaschen schönen Bordeaux geschickt hat, Blick auf Wildewiese, ergriffen von dem ‚Zug‘, von der Bewegung dieser ruhenden Berge, dazu Weizsäcker gelesen. [19]Um 5 zu Hause Kaffee getrunken, eine Stunde im Bett ausgeruht, zum Abendessen eine Flasche Rotwein, zu der ich auch Ännchen einlud, sie ging zu einer [20]Geburtstagsfeier und wir sahen, wie die arme Mutter darunter gelitten hat, daß sie niemals zu Hause blieb und zu Fremden lief, spielte mit dem Vater [21]Skat, dann bald ins Bett. Der tägliche Angelus der Kirche von Eiringhausen oder Plettenberg.

[22]. Traum: Die Wohnung in Dahlem ist wiederhergestellt, sehr schön und freundlich, Marie ist da, scheußliche Jahre mit ihr, schlecht geschlafen, [23]bis ½ 10 ausgeruht, behaglich gefrühstückt; Briefe geschrieben an Medem, Pfeiffer, Mutius und zum Kasten gebracht. [24]Nach dem Mittagessen herumgelegen, Spaziergang auf dem Weg von Ohle Richtung Affelner Chaussee. Unbeschreiblich schönes Wetter, aber die Zeit verrinnt [25]und der Krieg hört nicht auf. Bei Frau Pfeiffer vorbei, um sie für übermorgen einzuladen, aber nicht getroffen. Mit Duschka Üssie von der Bahn abgeholt, [26]traurig in diesem Gegeneinander der Neurosen zweier Schwestern. Zum Abendessen eine Flasche Rotwein aus Koblenz (durch Spann), war aber nicht [27]gut, um 9 schon zu Bett, traurig wegen Ännchen. Der tägliche Angelus.

[28]. Herrlicher Morgen, ein paar Schritte den Berg hinauf (Frau Almsick kam und sprach mich an), dann schönes Frühstück. [29]Schöne Post, schrieb mein Urlaubsgesuch, will es aber erst morgen abschicken. Zur Post, bei Frau Pfeiffer vorbei, rührende Frau, sie [30]muß alles selbst arbeiten. Nach dem Essen eine Stunde im Bett, um ½ 4 mit Duschka und Üssie nach Plettenberg, dort

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[1]in der Post vergeblich ein Glückwunsch-Telegramm zum 75. Geburtstag von Epp aufgegeben versucht (hinterher fiel mir ein, wie einfach [2]das ist, wenn man es nicht als Prinzip, sondern als Formulierungsfrage ansieht), beim Friseur, wo aber schon zu viele warteten, dann durch den [3]Hestenberg, Fahnenstange, Weg, Hexentanzplatz, durch Bommecke zurück. Herrlicher Abend, oh bewege diese die wahre [4]Kraft, was du bist, hilf. Zu Hause eine Flasche Trittenheimer getrunken, mit Ännchen ein Glas, dann noch einen schlechten Rotwein aus Koblenz, [5]nach dem Essen wieder Skat gespielt, und müde zu Bett. Heute wieder mittags und abends der tägliche Angelus.

[6]. Traum: von den Bischöfen der Deutschen Christen, Schulz, Oberheid, schlechter Eindruck, verlogen, peinlich. Schöner Spaziergang [7]auf den kleinen Landigel, herrliches kaltes Wetter, die Sonne kam schon, traf auf dem Rückweg Fleger, dann gefrühstückt. Ziemliches Kraftgefühl, Genehmigung der [8]Reise nach Portugal aus Berlin, Üssie wird Lehrerin in Lettmecke, schickte das Urlaubsgesuch ab, dagegen noch nicht den Einschreibebrief an [9]Adams mit meinem Paß (16!), Spaziergang den Graben herauf, das schöne Wetter war zu Ende, immer noch schöner sterbender Herbst, [10]auf dem Graben über die Bremcke zurück, der tägliche Angelus der Kirche von Eiringhausen, um 12 Uhr. Nachmittags um 4 kam Frau Pfeiffer, [11]Duschka fühlte sich nicht wohl, wir tranken Kaffee, der leider zu stark war, sie hatte Kleinigkeiten, Papier, Nägel usw. mitgebracht. Rührende [12]Frau, einige Sekretärs-Zeitschriften, Aprilputsch, eschatologisch, wir aßen herrlichen Käsekuchen, Patinir-blaue Berge, eine Flasche Ingelheimer hat sie auch [13]mitgebracht. Begleitete sie um 7 zu ihrer Wohnung, trank die Flasche Ingelheimer, spielte mit Üssie und dem Opa Skat und [14]ging um 11 hungrig zu Bett. Fügte noch an Eggert ein Heft der Zeitschriften von Frau Pfeiffer mit einer Fabel vom [15]Richter und dem Anwalt Rechtsschwund. Abends Telegramm von Adams: Termine in Budapest am 9. und 11. Sah die schauerliche Fremdheit Ännchens.

[16]. Wunderbar ausgeruht. Aber scheußlicher Eisenbahn- und Gepäcktraum (der amerikanische Reisekoffer geht verloren). [17]Nach dem schönen Kaffee Brief an Adams noch einmal geschrieben (erst nach Ungarn, dann nach Portugal), einige andere Briefe, Brief von Hodler, [18]es ist immer noch nichts mit den Möbeln, nach dem schönen Mittagessen sofort mit Üssie an die Lettmecke gegangen, wo sie eine Stelle als Lehrerin bekommen [19]hat, langweiliger Weg über die Chaussee, bei dem Lehrer Schulte und seiner netten Frau gut aufgenommen und zum Kaffee und Kuchen eingeladen. Der [20]Lehrer magen- und herzkrank und Bienenzüchter, da sitz ich nun als der Professor aus Berlin und bin kein armer Teufel im Vergleich zu diesem [21]Dorfschullehrer. Wir gingen fröhlich zurück, bei wässrigem Wetter, sahen viele Russen und russische Mädchen spazieren gehen, kamen um ½ 6 [22]wieder nach Hause, aßen schönen Käsekuchen und ruhten einen Augenblick aus. Nach dem Abendessen kam Rechtsanwalt Küchen, spielte mit [23]Ännchen auf 2 Klavieren, während wir mit dem Opa Skat spielten. Trank nachher noch eine Flasche schönen Forster mit dem Rechtsanwalt, unterhielt mich [24]über Musik, Meyerbeers Einfluß auf die Oper des 19. Jahrhunderts, er ging erst um 12. Ännchen war müde und aß noch [25]einige dicke Butterbrote mit Butter, Wurst, Käse, ein grauenhafter Anblick, diese Fressgier. Ich gab ihr noch Wein, kam mir [26]aber erbärmlich vor. Duschka ist müde und krank.

[27]. Allmählig naht das Ende meiner eingelegten Idylle und Galgenfrist. Stand um 8 ¼ auf, um mit [28]Üssie nach Hagen zu fahren. Ich hatte aber Bedenken, das Bild von Gilles selbst zu holen (vielleicht hat dieses Bild mir die Luftmine zugezogen). Üssie machte mir [29]schönen Kaffee, ich begleitete sie zum Bahnhof, gab Einschreibebrief auf (an Adams mit meinem Paß, ein Paßport), traf Frau Pfeiffer, dann ein paar

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[1]Briefe geschrieben, über den Saley nach Plettenberg, um die Haare schneiden zu lassen, aber der Friseur hatte geschlossen. Rheumatischer oder Grippe-Schmerz im linken Hinterkopf. [2]Mit der Kleinbahn um ¼ 12 nach Eiringhausen zurück, zum Mittagessen, Duschka ist aufgestanden, aber noch krank, Ännchen und Geschke furchtbar, [3]Ännchen bat mich um ein ½ Lot Kaffee, ich fand das unverschämt, gab es ihr aber, ging voller Ärger zu Bett, ruhte etwas aus, aber immer noch [4]eine Art Kopfkrampf, um 5 aufgestanden, grauenhaftes Klavierspiel den ganzen Nachmittag, die arme Duschka kam zurück aus Hagen, schwer beladen, [5]Duschka wollte aufstehen. Üssie kam von Hagen zurück, wir tranken schönen Kaffee, der mich wieder munter machte, Üssie war lieb und sympathisch, nachmittags mit Duschka in Plettenberg, bei Geck, dem Schuster, in der Dunkelheit zurück. [6]Der große Bär. Abends trank ich zum [7]Abendessen die Flasche Rotwein zu Ende und ging früh zu Bett, während Duschka noch arbeitete.

[8]. Wieder besser, nachdem ich lange genug im Bett gewesen war, Gefühl der Hilflosigkeit und Zerschmetterung. Nach dem Frühstück (Brief von Djuvara) [9]mit Duschka zum Amt, dort 2 Stunden auf Lebensmittelkarten gewartet, den Bürgermeister gesehen, meinen Vortrag für Budapest überlegt, der [10]anarchistische Affront gegen diese Termitisierung. Erschöpft zurück, immer furchtbar geschwitzt, nach dem Essen etwas Ruhe und schon um 3 zur Stadt, [11]versuchte, beim Friseur anzukommen, vergebens, bei Geck die Schuhe machen lassen, beim Anwalt Küchen das Ms. des Nomos. Es war gut. Traurig zurück und ins Bett gelegt. Heute einige Begegnungen mit [12]Büchern: Tardif de Moidrey, und Reinhold Schneider, Macht und Gnade (Chamisso), den Gillesgeschickt hatte. Zum Essen auf[13]gestanden, Üssie ist von Lettmecke zurück, eine Flasche Trittenheimer, schmeckte gut, gab Ännchen ein Glas, obwohl sie fürchterlich hysterisch war, spielte mit dem Vater Skat, Ännchen fing um [14]8 wieder an zu üben, scheußlich, Üssie wurde wütend, schließlich baten wir Ännchen um 10 Uhr, aufzuhören, sie machte eine große Szene, heulte und wurde schwer [15]hysterisch, ich sprach noch eine halbe Stunde mit ihr und sah zu meinem Schreck, daß sie unheilbar ist, mich aus ganzer Seele haßt und [16]unausstehlich findet, daß ich am Sonntag abend bei dem Rechtsanwalt mit meiner Flasche Wein eine lächerliche Rolle gespielt habe, daß sie mich in [17]Bonn immer ekelhaft und anmaßend gefunden hat. Also alles umsonst. Traurig zu Bett, todmüde, aber nervenmäßig zerstört.

[18]. Schlecht geschlafen, Ekel von dem gestrigen Gespräch. Erst gegen 10 auf, Brief von der Fakultät, aber noch keine [19]Stellungnahme zu meinem Urlaubsgesuch. Um ¼ 11, als ich mir gerade, nach dem Frühstück, behaglich Notizen machte (über die Conquista und [20] Bruno Bauer), fiel der Vater plötzlich, im Eßzimmer, zu Boden und schlug sich über dem linken Auge den Schädel blutig. Wir hoben ihn auf, Duschka [21]sorgte gleich rührend, Fräulein Geschke blieb pomadig, brachte ihn zu Bett, nachdem Duschka die Wunde ausgewaschen hatte. Rührend, der [22]alte Polterer, wie er, nachdem der erste Schreck vorbei ist, gleichgültig bleibt gegen sein eigenes Unglück. Ich half ihm beim Auskleiden [23]und ging zum Schreibtisch zurück. Unmögliche Existenz. Schrieb an Popitz, Höhn und nach Affeln und brachte den Brief noch zur Bahn. Nach dem Mittagessen geschlafen, [24]der Arzt Wilms kam und stellte fest, daß die Verletzung des Vaters ungefährlich ist. Wir tranken fröhlich Kaffee, die gute Duschka war rührend. Während des [25]Nachmittagsschlafs wurde mir die hysterische Gemeinheit Ännchens mit Schreck bewußt, so kann man nur von seiner Schwester beleidigt werden. Aber das [26]ist die Antwort aller meiner Bemühungen und meiner Gutmütigkeit, im Falle Günther Krauß war es ähnlich, und wenn Ännchen die Mutter so schlecht [27]behandelt hat, kann sie mich nicht besser behandeln. Zwischendurch las ich Reinhold Schneider, hochinteressant, aber unangenehmer Edelschmus und [28]existenziell falsch. Doch ist er ein Zuträger interessanter Zitate. Ging um 6 durch den Saley spazieren, im Dunkel und Nebel, Erinnerungen an die [29]Spaziergänge des Gymnasiasten und Studenten, Pubertätserinnerungen mit Klärchen Dierkes, Flucht in die damals gebauten Gehäuse meiner [30]Neurosen. Zu Hause war der Vater bei Ännchen und hörte zu, wie sie Unterricht gab. Ich korrigierte mein Manuskript über den Nomos [31]und fand darin einigen Trost. Duschka war mit Üssie zum Einkaufen. Abends eine Flasche Wein, Ännchen übte im kleinen Musikzimmer.

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[1]Spielte mit dem Vater Skat, ging früh zu Bett, Duschka packte noch bis ½ 1 ein und schwatzte mit Üssie. Immer noch erschrocken von der Hysterie Ännchens.

[2]. Um 8 auf, wüster erotischer Traum, aber unterbrochen durchs Wecken von Üssie. Wir tranken Kaffee, mit Ännchen, es wurde [3]9 1/4, ich schleppte die schweren Koffer zur Bahn und fuhr mit Duschka nach Hagen. Bequeme Fahrt, nett unterhalten, dazu das Manuskript meines Nomos, [4]das mir wieder gefiel. Fantasierten von unserer Reise nach Spanien, wo wir Weihnachten zu verbringen hofften. Das wäre ein omen. In Hagen eine Stunde gewartet, im Erfrischungsraum, [5]Karte an Frau Jünger und Frau Hahm geschrieben, dann kam der Zug von Köln, die gute Claire war tatsächlich drin, rührend, hatte für Duschka einen Platz [6]reserviert, so daß ich die beiden vergnügt abreisen ließ. Lief in dem zerstörten Hagen herum, scheußlich. Aber diese grauenhaften Gebäude verdienen es [7]wirklich nicht anders. Immerhin: Die widerlichsten Amüsierlokale sind nicht getroffen. Fuhr um ½ 7 nach Plettenberg zurück. Kam ins Gespräch mit einem [8]Mitreisenden aus Werl, der vor Leningrad liegt und beurlaubt ist und das zerstörte Hagen gesehen hatte; er meinte, wir haben den Krieg verloren, wir [9]werden das nicht verhindern können; alles sind Phasen von der Vergeltung usw. Ich fragte ihn nach den Russen: Der Russe schießt zweimal, wenn wir einmal schießen usw. [10]Schwärmte von den russischen Frauen; meinte aber auch, daß West und Ost die Juden sind usw. Sonderbare Mischung. Er hatte Mitleid mit den Finnen und den Rumänen. Sonderbar. [11]Katholisch-westfälische Intelligenz. Fuhr um 3 mit der Kleinbahn sofort nach Plettenberg und ließ mir beim Friseur Stumpf die Haare schneiden, traf es gut, [12]daß nicht viele da waren und war sehr glücklich, das erledigt zu haben. Ging über den Saley zurück. Ruhte zu Hause eine Stunde im Bett aus und aß zu Abend, mit [13]einer Flasche Rotwein. Nachher mit dem Vater Skat gespielt, Ännchen fing an, auf ihrem Flügel zu üben, Üssie wurde wild, aber Ännchen hörte [14]von selber schon vor 9 wieder auf. Es ist grauenhaft, diese Musikhölle. Du armer Teufel sitzt also an diesem lächerlichen Stück. Einige Briefe, aber [15]nichts von der Fakultät. Der kommt wohl morgen.

[16]. Schlecht geschlafen, angesteckt von der Hysterie Ännchens, grauenhafte Nacht, gegen Morgen etwas geschlafen, dann aber begann wieder das [17]Klavierspiel, übrigens manchmal ganz nett. Um ½ 10 auf (die Installateure waren im Haus wegen der Heizung). Ganz herrliches Wetter, gläserne und [18]wässrige Luft. Wollte mir schönen Kaffee machen, aber wir mußten warten, wegen der Installateure. Der Kaffee war nicht gut, aber Ännchen besonders nett und freundlich. War wieder etwas [19]gerührt, schrieb Brief an Duschka, Wirsing (der mir einen Aufsatz über den Escorial geschickt hat), Maiwald (über seine Habilitation) und Gilles. [20]Machte einen Spaziergang den Graben herauf. Erschrak vor so viel schönem Wetter und einem so langanhaltenden Sommerurlaub. Um ½ 2 mit Üssie [21]eine traurige Bohnensuppe als Mittagessen, sie war wütend, ich ging nach dem Essen gleich zu Bett, unter fürchterlichem Klaviergeklimper etwas geschlafen, um 4 aufgestanden, [22]Spaziergang mit Üssie über den Eschen, über die Raffgier und Unverschämtheit Ännchens unterhalten. Zu Hause noch etwas gearbeitet, zum Abendessen eine Flasche [23]guten Rotwein (aus Koblenz), Zwiebeln, dann fleißig an dem Ms. über den Nomos. (Plötzlicher Schock heute Nachmittag: Aufforderung zur [24]Luftschutzversammlung an alle Männer von 14 - 70 Jahren); was bedeutet dieser heftige Schock? Warnungssignal des anarchistischen Nervenkomplexes? Wie soll man [25]auf solche Warnungen reagieren? Mit Flucht natürlich; nun fliehe im technischen Zeitalter.) Unterdessen viele feindliche Flieger über uns, großes Summen der Motoren, [26]dabei gearbeitet, mit Intensität und Schwung. Im Bett noch über Stoa und Christentum Dibelius gelesen; sehr schön die Überlegenheit der Christen.

[27]. Letzten Stunden eines Condamné à mort – aber sehr philosophisch, christlich, jenseitig, überlegen. Mit [28]Ännchen Kaffee gekocht und getrunken, dann gut ausgeschlafen, etwas notiert und auf Post gewartet. Jetzt muß doch bald etwas kommen. Es kam aber nichts [29]Wichtiges, nur eine Anthologie der französischen Dichtung von Epting; war sehr begeistert und schrieb ihm gleich einen Brief, brachte ihn zum Kasten und aß [30]zu Mittag. Geschlafen, müde, gegen 5 auf, zur Bahn, Jup abgeholt, der 5 09 kam, mit Üssie. Wir machten beide noch einen Spaziergang [31]zum Eschen, er erzählte von seinen Erwartungen für diesen Winter, Gefühl, das letzte Mal zusammen zu sein, über die ordinäre Raffgier von

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[1]Ännchen. Das ist nun unser Schicksal, eine solche Schwester zu haben. Allmählig bedrückt, vom Ausbleiben der Möbel (obwohl das vielleicht doch gut ist). [2]Trank Kaffee, dann Abendessen und viel Wein getrunken, (Deidesheimer, Forster, schließlich noch Rotwein), gelacht, über das Protokoll [3]für Finnentrop, das Jup erhalten hat, gesprochen, er fühlte sich doch einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Mich störte das Ganze sehr. Um [4]12 gingen wir zu Bett. Ich mußte nachts erbrechen. Es war ganz scheußlich.

[5]. Konnte nicht mit Jup fahren, weil es mir so schlecht ging. Schmerz im Zäpfchen, beim Schlucken, Ekel im Magen. [6]Blieb bis 10 im Bett. Jup fuhr um 7 09 über Olpe zurück. Stand mühselig auf, aß nichts, ging eine halbe Stunde am Eschen [7]spazieren, krank, schlechte Laune, deprimiert und völlig zerschmettert. Dann kam noch Josef Schröder, ich hielt es nicht aus. Dazu der [8]Tabakdunst. Gut zu Mittag gegessen und gleich geschlafen, bis 5. Es ging besser, schönen Kaffee getrunken und etwas notiert. Kam [9]wieder in einen gewissen Normalzustand. Aber meiner völlig nihilistischen Lage wohl bewußt. Spaziergang im Herbstnebel, wie als Primaner. [10]Dieses Land ist mir nicht Heimat, sondern nur der Absprung, der Ausgangspunkt für eine Flucht aus der Enge gewesen, die Kraft, die mich damals [11]trug, suchte ich wieder; mehr nicht. Zum Abendessen, auf Ännchen gewartet, die mit Fräulein Geschke bei Schmandts ist und uns 3 zu Hause [12]sitzen läßt. Wie traurig ist das alles. Die arme Mutter, die das jahrelang mit hat erleben müssen. Tief beleidigt von der Frechheit [13]und Dreistigkeit dieses Ännchens. Las noch die französische Anthologie, die Epting mir geschickt hat, korrigierte etwas herum, [14]einsam bei der Lampe. Las noch Heine, Rabbi von Bacharach, sehr schön die Stelle vom Todesengel, den der Rabbi sieht. Im ganzen [15]widerlich in seiner alleswissenden Geschichte. Traurig um 10, als Ännchen zurückkam. Einsam zu Bett gegangen. Konnte nicht einschlafen, [16]fürchterlich zerschmettert.

[17]. Gegen Morgen geschlafen; scheußlicher Traum: Ein Baron fährt vor mir her, ich habe einen schlichten Anzug an, nachher [18]einen Frotté, auf dem plötzlich dicke Klumpen Butter lagen, die ich abzuputzen versuchte, es kam ein Mädchen und putzte mich ab, [19]streichelte mir dabei den nackten Bauch. Alles dumm und widerlich und ein verzerrter Ausdruck meiner traurigen Lage. Bis 10 im Bett. Ännchen wollte [20]mir Tee geben, ich nahm ihn aber nicht an. Tranken Kaffee, fing an zu arbeiten, da kam die Post: vom Dekan, Popitz, Hodler, Knauss usw. [21]Erregt, Herzklopfen. Plötzlich wieder fr, alles gleichgültig, will wieder dabei sein usw. Bilfinger soll Nachfolger von Bruns werden. [22]Schadenfroh darüber, welch lächerliche Vetternwirtschaft, Schieberei über den Tod hinaus. Schrieb aufgeregt an Siebert, jammerte ihm etwas vor, brachte den [23]Brief zum Kasten, ging zur Kersmecke. Wie traurig, wenn ich diese Spaziergänge nicht mehr machen kann. Aber alles traumhaft und gleichgültig. Wartete [24]auf Duschka, die morgen kommen will. Nach dem Essen zu Bett, um ½ 4 kam Duschka, zu meiner Überraschung, mit schweren Koffern von Cloppenburg zurück. Freute [25]mich darüber, wir tranken schönen Kaffee, ich holte das Ms.Manuskript des Nomos, gab dem Mädchen 50 Mark, große Kocherei und Entenrupferei den ganzen Nachmittag und Abend bis ½ 3 morgens. Abends viel Wein [26]zum Abendessen, um Claire zu feiern. Ging müde und traurig zu Bett, Ännchen und Erna Geschke klebten zusammen, es war ein [27]trauriger Anblick. (Heute Morgen Gespräch mit Ännchen: Ich dachte, du wärst damals von Spanien nach gegangen! Wie kommt sie dazu?)

[28]. Geschlafen, aber immer etwas krank, Schmerzen im Rücken, rechts an den Rippen. Duschka schlief gut aus und war wieder [29]fleißig; ich schrieb einen Brief an Fräulein Hasbach, an Frau Hahm (die Großbotschaft von Christian Günther), an den armen Holländer, für den Bruder von v. d. Heyden, [30]telegrafierte an Adams wegen Portugal und Spanien. Mit der Kleinbahn nach Lettmecke, Üssie abgeholt. Nach dem Essen etwas geschlafen und ausgeruht, um 5 Kaffee, alles war gegen Ännchen, was mir leid [31]tat, obwohl die Geschke eklig ist. Ich machte einen schönen einsamen Spaziergang zum Eschen.

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[1]Denke mit Entsetzen an die Reise nach Berlin und den Aufenthalt dort. Setzte mich an den Tisch und schrieb etwas, während Duschka Entenbraten machte. Herrliches Abendessen [2]unter dem Vorwand, meinen Geburtstag Namenstag zu feiern, schöner Wein dazu getrunken, aber leider saß die meckrige Giftspinne immer mit am Tisch und krallte [3]sich an Ännchen. Ich ging um 11 zu Bett, Duschka spülte noch, sprach mit Claire und Üssie. Traurig zu Bett.

[4]. Schlecht geschlafen, Angsttraum, grauenhafte Situation, Sorge um Anima, soll ich nicht ein Testament machen, worüber, armer Teufel? [5]Um 9 erst aufgestanden, schnell angezogen, um Claire an die Bahn zu begleiten, trug ich ihre Sachen, das gute und eifrige Wesen, Duschka kam auch noch, [6]ärgerlich, daß Claire uns nicht geweckt hatte. Um 10 fuhr der Zug, wir gingen nach Hause zurück. Schöner Herbst; frühstücken sehr schön mit Kaffee, schöner [7]Brief von Hodler, ich bin müde, aber am Schreibtisch funktioniert es noch ein bißchen, machte den Vortrag für Budapest zurecht. Will um ½ 1 mit [8]Duschka mit der Kleinbahn nach Lettmecke fahren. Grauen und Ekel vor dem Gestöhne des Vaters, wenn er für sich allein sitzt; wie ein wütendes, aber feiges Tier. Fuhr [9]um ½ 1 mit Duschka in der Kleinbahn nach Lettmecke, erschrak vor der Häßlichkeit dieses Landes, den ekelhaften Fabriken, den noch viel ekelhafteren Villen der Fabrikanten und [10]der reichgewordenen Leute. Grauenhaft, schmutzig und boshaft häßlich; tausendmal schlimmer als nötig wäre und durch keine Zweckmäßigkeit zu rechtfertigen oder auch nur [11]zu erklären. In Lettmecke trafen wir Üssie, die sehr müde war, und fuhren besahen die Schule von außen und fuhren gleich wieder mit der Kleinbahn zurück. Etwas zu Mittag gegessen, [12]dann eine Stunde gut geschlafen. Auch Duschka schlief gut. Wir tranken keinen Kaffee, ich schrieb an Hodler und Anima, brachte die Briefe zum [13]Postkasten, ging dann über den Graben zum Grab der Mutter, und war ½ 7 wieder zu Hause. Wunderbarer Abend im kalten Nebel und [14]grauen Wasserdunst, der die Gräßlichkeit des Industriedorfes einhüllte. Was ich hier suche, ist die Kraft der Jugend, der Schutz der Berge, [15]geheimnisvolle Ortung (hinter der Blemke, nach Allendorf hin, bis zum Westufer der Lennebrücke[)]. Immer stärkere Erkenntnis meiner [16]lunarischen Wesensart. Das mußt du nun also wissen. Guten Wein getrunken, wundervollen kalten Entenbraten dazu; mit dem Vater Skat gespielt [17]und früh zu Bett. Nachts im Dunkeln noch den Brief an Nowakow zur Post gebracht.

[18]. Traum: Hermann Göring bei Onkel André in Bussingen oder Rombach, er sagt seiner Frau, oder , [19]es komme noch ein Herzog von Galen. Ausgeschlafen, mit Duschka gefrühstückt, dann zum Fotografen, Widerwillen, wegen der [20]Fotografien fürs portugiesische Visum, dann zum Saley hinauf auf den Ibsenstein, im Nebel, wunderbar, unerhörtes Glück, völlige Ruhe [21]und Zufriedenheit. Nach dem Essen etwas ausgeruht, mit Duschka zur Stadt, beim Fotografen (nur nicht so angestrengt), bei Larquette, am Umlauf, [22]Bücherei, mit der Kleinbahn zurück, noch etwas spazieren den Graben herauf zum Grab der Mutter, in der Dunkelheit. Abends wieder guter Wein, [23]kalter Entenbraten, großartig, das Buch von Sieburg über Portugal fiel mir in die Hände; alles kommt richtig. Las mit großem Interesse [24]bis in die Nacht hinein.

[25]. Traum von Berber. Immer Sieburg über Portugal gelesen; begeistert von Heinrich dem Seefahrer und Pombal. [26]Duschka ging um ½ 10 zur Bücherei, ich wartete auf die Post (Brief von Adams, süß, 500 Mark für die Spanienreise), dann zum Saley, [27]auf den Ibsenstein, unten dicker, miotischer Nebel, auf der Höhe blaue warme Sonne, wie im Hochgebirge. Unendliches Glück. Über die Höhe [28]zurück. Nach dem Essen mit Duschka nochmals auf den Ibsenstein und über die Höhe des Saley, schön, warme Sonne, Sorge um die Gesundheit von Duschka. [29]Um ½ 6 bei Wengeroth die Fotografien geholt, todmüde den Brief an Adams zum Postkasten gebracht. Schönes Abendessen mit kaltem Entenbraten und Rotwein. [30]Früh zu Bett, nachdem wir mit dem Vater Skat gespielt hatten. Immer in törichter Abzählung der ablaufenden Sekunden.

[31]. Gleich nach dem Frühstück mit dem Koffer nach Plettenberg, Wäsche geholt, wieder herrliches Nebelwetter. Mittags zur Bahn, [32]eingepackt, immer in extremis, aber es ging doch. Ein Mann von der Bahn holte um 5 die Koffer und expedierte.

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[1]Nach dem schönen Abendessen (Rotwein) wieder Skat gespielt. Der Mann von der Bahn hat eine Flasche Rotwein bekommen. Duschka kam noch, nähte und [2]wusch, ließ Fett aus, rührend, bis nach 12 Uhr. Ich ging um ½ 12 zu Bett.

[3]. Nachts Sausen der Flieger, Duschka hatte Halsschmerzen (Scharlach?), immer in ex. Traum von Ritterbusch (um den ich mich vergebens bemühe). Um ½ 7 [4]auf. Allmählig wieder Reisestimmung, alle Angst ist vergessen. So schnell geht das, Karlchen. Immer mehr Steinlein. Mit Üssie und Ännchen zur [5]Bahn. In Plettenberg klappte alles, prachtvoller Herbstmorgen, in dieser See-Landschaft. Fühlte mich als Steinlein, scheußlich, dieses scheele Aufmischen, [6]unterschiedslose Promiskuität. Die Reise nach Hagen mit Üssie; in Hagen kam Claire und hatte uns schon Plätze von Köln her verwahrt. So ging die Reise gut, [7]Duschka in der Ecke, sie schlief den ganzen Nachmittag, traurige Reise, neben mir ein Rheinländer nach Königsberg, der Angst vor Berlin hatte, [8]ein Kölner Intellektueller, verliebt in seine Frau usw. Müde in Berlin angekommen, der gute Serbe Novák holte uns ab, aber das alles geht zu Ende, [9]brachte unser Gepäck zu Popitz. Dort konnte ich mich vor Müdigkeit kaum aufrecht halten. Also wieder im Krematorium. Hatte das Zimmer von Hans, während Duschka in meinem [10]früheren Zimmer war, wir aßen schön zu Abend (habe eine kalte Ente und eine Flasche Wein mitgebracht), Herr Hodler kam etwas später. Unterhielten uns über die neue [11]Wohnung. Ich war aber so müde, daß ich kaum aufrecht bleiben konnte, immer Angst vor Alarm, der aber glücklicherweise nicht kam. Um 11 zu Bett.

[12]. Um ½ 8 aufgestanden. Den Drachen der Schlafsucht bezwungen, aber er weiß sich zu rächen und einen zu fassen. Heftige Neurose [13]wegen Frau und Kind. Im Krematorium. Um 9 mit Duschka und Hodler das Haus in der Harderslebener Straße besehen, sehr hübsch, erst entzückt, [14]allmählig merkte ich, daß der Vermieter Ellermann ein Schlaumeier ist, im Stil von Smend. Fuhr zur Universität, im Dekanat, Vorlesungen vertagt, [15]zum Amtsmann des Kurators, alles schnell und ziemlich glatt erledigt. Wartete, bis es 1 Uhr war; besah die erbeuteten Geschütze am Heldenmal, [16]holte Popitz ab und fuhr mit ihm zur Brentanostraße, zu Mittag gegessen, bei Duschka im Zimmer geschlafen, todmüde, um ½ 5 kam Medem, [17]Popitz trank mit uns Tee, nette Unterhaltung mit dem lieben Medem, der einen Vortrag in Krakau haben wollte. In meiner Schwäche sagte ich für Januar zu. [18]Begleitete ihn noch zur U-Bahn, wieder zurück, ½ 6 der Bürgermeister Sudhof Groß, der mir hilft, abends allein mit Popitz, Duschka und Corrie, zu Abend gegessen, noch bis ½ 12 gesessen, Gumpoldskirchner [19]getrunken, ich wurde dadurch wieder etwas munter, im Büro fast umgefallen vor Müdigkeit. Um 12 ins Bett. Zum Glück kein Alarm.

[20]. Etwas länger geschlafen, auf dem Sofa, aber immer der Drache der Schlafsucht, der mich erwürgt und mein Herz zusammenkrampft. [21]Nach dem Frühstück wieder zu Ellermann, scheußlicher Kerl. Wir gingen nicht zum Wohnungsamt. Ich fuhr mit der U-Bahn zur Stadt, zu Adams, meinen Paß [22]geholt, dort ging alles nett, zum Finanzministerium zurück. Traf unterwegs Leontović, und sprach mit ihm über den κατεχων. [23]Mit Popitz in die Brentanostraße gefahren, Sorge um die Koffer, die aber gebracht wurden. Nach dem Essen wieder bei Duschka geschlafen. Nachmittags kam Ahlmann, [24]zu meiner großen Freude, schöne Unterhaltung, Mildosch soll Leiter des Instituts von Bruns werden. Um 7 kam uns Brinkmann [besuchen], mager und nett, [25]wir aßen schön zu Abend, tranken schönen Wein, Duschka stiftete Kaffee. Ein wundervoller, schöner Abend, der mich besonders wegen Duschka sehr freute, [26]aber es wurde etwas spät, brachte Ahlmann noch zur Grunewaldstraße.

[27]. Wieder um ½ 8 auf, trotz großer Müdigkeit, herumtelefoniert, im Wagen vom Minister zum Lehrter Bahnhof, mit Duschka, [28]Augen der Opfer gesucht. Dann zum Friseur, zu Siebert, 1 ½ über die Nachfolge Bruns, soll also Januar anfangen zu lesen, lächerlich, in [29]großer Eile mit der U-Bahn (sah Spranger, scheußlich) zum Breitenbachplatz, Duschka abgeholt, mit ihr zu Jessen zum Mittagessen, Jessen

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[1]blieb aber im Bett, wir aßen sehr nett, mit den beiden Jungens, unterhielten uns nett mit Frau Jessen, guter Rotwein, gingen um ½ 4 [2]weg, todmüde eine Stunde geschlafen, in Duschkas Zimmer und Bett, dann zum Eden-Hotel, wo wir Goruneanu und seinen Freund, den [3]rumänischen Militärattaché, trafen. Goruneanu hat sich verlobt, traurige Situation, Angst vor den Russen. Widerwillen vor der Atmosphäre [4]eines solchen Hotels. Über Amerikanismus. Um ½ 9 wieder nach Hause, mit Popitz noch eine Flasche Weißwein getrunken, [5]um 1 2 todmüde zu Bett.

[6]. Schon um ½ 8 auf, schnell angezogen, Brief an Hans Popitz geschrieben, mit Popitz zur Stadt. [7]Beim Kultusminister, der meine Manuskripte einsiegelte, telefonierte (an Fraenger, der in Nauen ist, an Körnchen, [8]wegen Schlafwagen usw.), sah Gieseke und Groh, die beiden betrachteten mich wie ein Gespenst, einen revenant. Das bist du [9]ja auch. B Leidensmiene. Zur Dresdner [Bank], Lichterfelde West, die Devisen geholt, mit dem Autobus die gewohnte Strecke, [10]nach Dahlem zurück. Beim Pfarrer Gebhardt, der sehr nett war (sie haben in Franke einen großen Verehrer), um 1 wieder zu Hause. Also [11]heute Nachmittag, zwischendurch momentweise das angenehme Gefühl, Namenstag zu haben. Um 5 kam Rugina, brachte [12]2 Flaschen Cotnari, ein Stück Speck von seiner Mutter, trank mit uns Tee. Ich war tief gerührt. Wir fuhren um 5 zum [13]Bahnhof Zoo mit dem Wagen des Ministers, ich hing im Speisewagen, früh zu Bett. Trank eine Flasche Rotwein, die der [14]Kellner hatte, erst große Lust nach Cotnari, die ich überwinden mußte. Im übrigen schöne und bequeme Reise.

[15]. Bekanntschaft mit meinem Schlafwagennachbarn, dem bulgarischen Major und Militärattaché , mit ihm [16]im Speisewagen, um 14 in Budapest, von Freyer abgeholt, bei Freyer Tee getrunken, todmüde, traurig, [17]ausgebombt. Abends ohne Abendessen früh zu Bett. Großes Behagen im Gellert-Hotel.

[18]. Madyary rief um 10 Uhr an, holte Freyer ab im Institut und ging mit ihm zu Madyary. [19]Dort schönes Mittagessen, mit Stolpa, Kuncz (dem Dekan) gesprochen über die Anerkennung der Mussolini-Regierung, angeregt [20]nach Hause. Abends mit Freyer und seiner Frau in die Oper, André Chénier, die [21]waren in der Regel sehr gut.

[22]. Den ganzen Tag für mich allein, abends Freyer und seine Frau eingeladen, die aber auch beide [23]sehr müde waren, Abendessen im Gundel bezahlt. Immer traurig und deprimiert, Vortrag vorbereitet.

[24]. Mittags bei Freyer, Erzherzogin Anna und ihr Mann. P. Schütz, [25]der Piarist, sprach wie Rosskopf, sehr sympathisch, Stolpa.

[26] Den ganzen Tag für mich, um 12 bei Rakovsky (Verwaltungsamt) Vortrag vorbereitet, um 7 Uhr Vortrag über Wandlungen des Kriegswaffen[27]begriffs, die Erzherzogin Anna saß vorne. Sehr herzliche Begrüßung durch Freyer, auf die ich antwortete, P. Schütz, Gajzago, [28]Torzsay-Biber, Imredy, ein Redakteur von den Nachrichten und einige von der Post, hinterher schöne Butterbrote. [29]Schöne Gespräche mit Gajzago (Guerrero und andere Präsidenten der durch Freimaurerei bekannt), müde nach Hause mit Freyer.

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[1]. Behaglich ausgeschlafen, nicht mehr viel getan, mittags bei Freyer, Stolpa, Dekan Kuncz, [2]Nikalovsky, Just, Gajzago, sehr nette Unterhaltung, Eckhardt, 5 bei P. Schütz, um 8 mit dem [3]Just, der mich im Hotel abholte, aßen in der , sehr schön, Bosovic, noch in seiner Wohnung, die Karte [4]von Rußland aus dem Jahre 1804, tiefer Eindruck, in der Taxe um ½ 1 nach Hause, Angst, der Angelus.

[5], um ½ 10 wieder bei Frau Freyer , im Zimmer geblieben, ein paar Einkäufe mit ihr, im Institut, [6]Füllfederhalter für Anima gekauft, mit Fräulein Buchenhorst, nachmittags geschlafen, von Freyer abgeholt, in der Bar Kaffee, [7]den Vortrag in der Universität gehalten, die ganze Fakultät war da, sehr gut gesprochen, ganz frei, über Savigny und [8]Kirchmann. Sehr glücklich über den Erfolg, zu Freyers, dann Abendessen der Fakultät im Gellert-Hotel, , [9]Safrangy, Scholz, mit Stolpa über νόμον ἔγνω. Bis 11 Uhr.

[10]. Erleichtert, behaglich. Mit Frau Freyer eingekauft, Trainingsanzug für bekommen, Mütze für Anna , [11]im Institut bei Frau Heckler, eine gewisse Gefahr, dann mit Freyer zum Ritz, wohin uns Torzsay-Biber [12]eingeladen hatte, sehr schönes Essen (Dekan, Freyer, Bruder von T. Nihalovski, schöner Wein (), [13]herrliches Essen und Kaffee, bis 4 geblieben, viel Barack getrunken, aber frisch nach Hause, langes Gespräch mit dem Bruder von Torzsay-Bibervon der National[14]bank. Etwas ausgeruht, um 8 auf Gajzago gewartet, blieb bis 11 im Hotel, erzählte von den Völkerrechtlern, Alfred [15]Verdross ein Produkt der Entente, Charles Dupuis, Kaufmann, usw.). Brachte ihn zu und ging einsam zu Bett.

[16]. Bei Freyer gefrühstückt, um ein paar Pengö zu sparen. Wieder ins Hotelzimmer zurück, gebadet, todmüde, [17]willenlos, wieder im Bett. Um ¼ 1 kam Freyer, wir aßen bei Gundel zu Mittag, dann zur Bahn, [18]im überfüllten Zug, 1. Klasse, aber noch einen Platz bekommen. Nettes Gespräch mit einem Deutschen und einem Bulgaren, mit ihnen eine Flasche [19]ungarischen Wein getrunken und meine letzten Pengö ausgegeben. Der Deutsche erzählte ungarische Witze, der Bulgare hatte in Greifswald [20]bei Biermann promoviert. In Wien war Kličković am Bahnhof, wir fuhren gleich zu seiner Wohnung, schönes Abendessen mit viel [21]Wein, die liebe Frau Kličković. Mein Herz tat mir weh vor Mitleid mit dem serbischen Volk. Um 12 zu Bett. Schöne Wohnung, [22]altes Haus.

[23]. Schönes Frühstück, mit Kličković Wien besehen, alles verzweifelte Untergangsstimmung. Im Stephansdom. Zum [24]Essen wieder zu Hause, etwas geschlafen, Sorge wegen des Schlafwagens. Schönes Gespräch mit Kličković über Vertragsfreiheit und Tarifrecht. Er ist [25]sehr klug. Es Es geht ihm gut und er freut sich darüber, daß er Geld verdient. Um 9 begleitete er mich zum Bahnhof. Der Schlafwagen war für mich [26]reserviert. Trank eine Flasche Riesling, hinter Wien Maschine defekt, immer wieder Stimmung des Endes. Schlief aber gut.

[27]. Mit 2 Stunden Verspätung in Berlin angekommen. Rugina war am Bahnhof, Krach mit der Polizei, die [28]die Erlaubnis zur Benutzung des Autos erteilte. Um 2 zu Hause. Mit Popitz, glücklich, Duschka wieder zu sehen. [29]Nach dem Essen ausgeruht, nachmittags ging [ich] mit Brinkmann zum Tee, erzählte von seiner geplanten Rumänienreise, von dem russischen Geiger. Abends

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[1]nach dem Essen tranken wir mit Popitz 2 Flaschen Cotnari, der sehr gut war. Koitus.

[2]. Mit Popitz in die Stadt gefahren. Zum Dekanatsbeamten Kruschke wegen der vom Dezernat gewünschten Bescheinigung für die Wohnung. [3] Sah Groh, Titze und andere im Docentenzimmer. Traurig. Groh wollte mir helfen, noch der beste. 12.15 bei Siebert im Arbeitsrecht-Institut, [4]das Dankschreiben an den Dekan nach Budapest diktiert, mit Siebert nochmals über Bilfinger, es war nichts zu machen, er war aber wenigstens höflich. Zum [5]Finanzministerium, mit Popitz nach Steglitz zurück. Todmüde, eine Stunde ausgeruht, Freude an Duschkas Tüchtigkeit, überließ ihr alles, um 5 [6]mit Popitz Tee getrunken, um 6 ¼ gingen wir zu Frau Jessen, angstvoll auf Duschka gewartet, die mit Frau Hahm in Fidelio war, die aber sofort kamen; gut bewirtet, [7]nachher französischer Rotwein, mit Popitz und den beiden anderen zurück. Noch den Schnaps getrunken.

[8]. Mit Popitz in die Stadt; zum Austauschdienst gegangen, Adams macht mich bange wegen der Reise in Spanien. Schnell [9]zum Bristol, Haare schneiden lassen, um ½ 12 Grewe getroffen, über sein Buch, das Institut usw. nett gesprochen. Er geht vielleicht nach [10]Heidelberg, ist aber ‚kleingeraten‘ bei aller Tüchtigkeit, über Maiwald gesprochen, die Lage des Faches, mit der U-Bahn nach Hause. Nach dem [11]Essen wieder ausgeruht, um 5 zu Frau Hahm (die mit Duschka die neue Wohnung schon besehen hat). Frau Keider und Hahm, schönen Kaffee getrunken, Schnaps, entzückt von [12]der Unterhaltung mit Frau Hahm (von ihrem Zahnarzt vergrätzt). Also morgen oder übermorgen schon wieder nach Plettenberg. Große Angst, wegen meines [13]französischen Vortrags völlig erledigt. Hätte am liebsten abgesagt. Bei Popitz war John, der Conde kennt. Sonderbare Begegnung, [14]auch [zu] Zubiri wieder etwas Vertrauen. Alarm, im Luftschutzkeller, um ½ 10 wieder oben, Rotwein getrunken mit Moessinger und Popitz. [15](), der arme, verzweifelte Moessinger.

[16]. Etwas ausgeschlafen, Vortrag überlegt, aber es ist ja alles unmöglich, aufgerieben vor Angst, mit der U-Bahn in [17]die Stadt gefahren, im Adlon Frau von Schnitzler erwartet, auf ihrem Zimmer erzählte sie mir, von Irina H, Rohan, Sieburg. Georg kam [18]und war etwas reserviert. Er war in Schweden (was man dort über den netten Stalin sagt), traf noch Irina H, Schwabinger Typ, gehört doch dazu, [19]mit Höhn telefoniert, der nicht warten wollte, um 2 Schmoller, mit dem ich zum Kaiserhof ging, ohne zu essen. Er will mir helfen. Ein netter [20]Kerl, Landfried ist zurückgetreten als Staatssekretär. Müde um 4 zu Hause, um 5 mit Popitz Tee getrunken, in seinem Zimmer zu Mittag, Jessen [21]kam noch und erzählte in alter Weise. Plötzlich Alarm (furchtbare Angst um Duschka, sie kam aber im Augenblick, als die Alarmsirene [22]ertönte), im Luftschutzkeller zu Abend gegessen, mit Sogemeier, der nett war, nachher noch schönen Rüdesheimer getrunken. [23]Zum Abschied.

[24]. Morgens todmüde, eingepackt, alles klappte sehr gut, um 11 mit dem Auto zum Potsdamer Bahnhof, das Gepäck [25]gleich aufgegeben, schöner Platz im Zug. Duschka schlief meistens. Mit einem Major Westphal unterhalten, alter [26]Generalstabler, er will objektiv bleiben, hat für Schuhmacher 70000 mehr zusammengebracht für seinen 75 Geburtstag, kannte alle [27]Leute, Sombart, Bergkirchen, sonderbare Begegnung, in Altenbeken stieg er aus. In Paderborn Alarm, es wurde unheimlich, im dunklen Zug [28]bis Hagen, eine Stunde Verspätung, in Hagen stand der Zug nach Siegen noch, aber wir warteten 3 Stunden, bis er abfuhr, ein [29]Soldat aus Holland, über Kunsthandel, ein Mädchen aus Siegen, geil (die Lust empfängt und gebiert die Sünde). Todmüde [30]um 2 nachts in Plettenberg. Koffer nach Hause geschleppt, erschöpft, Katastrophenstimmung, Üssie machte uns auf, wir aßen noch ein [31]Butterbrot und tranken Tokajer. Eine Flasche Barack ist in Hagen zerbrochen, der schöne Schnaps ausgeflossen. Deprimierend. [32]Behaglich im Bett.

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[1]. Bis ½ 12 im Bett, wieder völlig munter und gesund, aber ich kann nicht arbeiten. Las meine Briefe, war über den von Emmi [2]Achterrath gerührt, tat nichts für meinen Vortrag in Lissabon, wieder in der sonderbaren Sicherheit, die mir die Rückkehr an die Lenne gibt. Schlechtes [3]Mittagessen, nachher unbeschreiblich schöner Spaziergang über den Saley, Basaltgrube (hier Selbstmord), nach Hause zurück. Blick auf den [4]Eschen, die herrlichen Wälder, das Waldlied von Lenau, die mit Schnee bedeckten, weißen Wiesen auf der Wibbecke und dem Lenscheid, [5]Adventstimmung des Waldes. Sehr glücklich. Um 4 zu Hause ausgeruht, etwas geschlafen, Jup erwartet, der aber um 5 noch nicht [6]kam. An die Bahn. Um 6 nochmals gewartet. Duschka kochte. Schöner Abend, wieder das Patinirblau des sauerländischen Abends, [7]um 7 kam Jup, wir aßen sehr schön (Gänsebrust), tranken Wein und Barack, Jup war wieder wunderbar in seinem ungebrochenen Rationalismus, [8]aber der Krieg dauert doch noch länger. Nach dem Essen saßen wir am Kamin, Ännchen (der ich vor dem Essen einen Barack gegeben hatte) [9]hatte Kopfschmerzen, weil sie es nicht bei uns aushält. Wir erzählten uns bis 1 Uhr, in dem Gefühl, daß man nicht weiß, ob man [10]sich wiedersieht. Die gute Claire sorgte rührend für alles.

[11]. Stand nicht auf, Jup fuhr schon um 6 Uhr, Duschka und Claire standen auf und machten ihm Kaffee. Schlief bis 10 [12]Uhr, arbeitete etwas nach dem Frühstück an meinem französischen Vortrag für Lissabon, eigentlich lächerlich und kümmerlich. Diese Anstrengung. Aber es ging [13]einige Seiten vorwärts; fand aber nicht den französischen Vortrag über Land und Meer, den ich suchte. Wer weiß, wozu es gut ist. Nach dem Essen [14]mit Ännchen wieder über den Nordabhang des Saleys und über die Basaltgrube zurück. Sie sprach aber wenig, und log mich an, daß [15]sie in ein Blindenkonzert gehen wollte. In Wirklichkeit ging sie mit Fräulein Geschke zu Käthe Schmandt. Ich ruhte etwas aus und [16]arbeitete dann wieder, abends schönes Abendessen mit Tee, ich trank dazu eine Flasche Wein. Die arme Claire will noch diesen Abend nach [17]Cloppenburg reisen, weil Clara-Luischen Scharlach hat. Ich schrieb dann noch etwas, bis 11 1/2 Uhr, um 12 zu Bett, [18]mit Duschka, die ich noch etwas wärmte. Traurig über die Entfremdung Ännchens.

[19]. Morgens wieder eingeschlafen und sehr gut ausgeruht, trotz des scheußlichen Klavierspiels. Um 10 auf, etwas Kaffee, [20]schön geschrieben, Bücher von Adams, was mich freute, der Aufsatz über Freiheit der Meere sehr gut auf französisch. Nach dem Essen zur Post, [21]dort Buch über Bosch geholt, das Fraenger zurückschickte, Spaziergang in den Saley hinein, immer an Lenaus Waldlieder gedacht [22](jenseits ihrer Hörbarkeiten), Ännchen hatte mir den Lenau mitgebracht, ich kam aber wenig zum Lesen, weil ich immer schrieb an [23]meinem französischen Vortrag. Trank schönen, starken Kaffee, so wurde es Abend. Um 7 Alarm, erschrak vor dieser Mahnung an [24]die Wirklichkeit. Aber was habe ich denn und bin ich? Armer Träumer, schmelzendes Stückchen Eis, träumender Baum im Walde, [25]grünes Hälmchen einer armen Moosdecke. Schrieb etwas an meinem Vortrag für Lissabon, freute mich aufs Abendessen, trank eine Flasche [26]Rotwein, der nicht besonders war, spielte mit dem Vater und Duschka Karten, trank nachher noch etwas Barack, und geriet wieder ins Arbeiten, sodaß ich bis [27]1 Uhr an meinem Vortrag herumkorrigierte, was mir viel Freude machte, besonders, wenn ich die französische Übersetzung meines Vortrags [28]„Land und Meer“ dazu lese.

[29], wieder müde bis 10 Uhr geschlafen, schönes Frühstück und etwas geschrieben, mit Duschka zum Schneider und zur Post, um [30]ein Paket von Reuschenbach zu holen, herrliches Öl, 2 l. Wunderbares Nebelwetter, die Berge schlafen; Wald, schläfst auch du. Mittags [31]Nachricht, daß ein Terrorangriff auf Berlin stattgefunden hat, wieder erschrocken; völlige Unsicherheit des kommenden Tages. Es kamen 30 Flaschen [32]Sekt, was mich sehr freute. Schönes Essen um 2 mit Üssie und Duschka, nachher begleitete ich die beiden zur Stadt und ging dann über den Hestenberg [33]und den Brandenberg zurück, einsam, Wald, Lenau, den ich aber allmählig sattbekam. Müde um 5 geschlafen, Nachricht von dem

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[1]schweren Angriff auf Berlin, soll ich nun reisen? Unschlüssig, aber glücklich, noch einen Tag zu haben. Schrieb an meinem Vortrag, der mir allmählig gefällt, auf französisch, [2]auch das macht mir Freude. Um ½ 8 schönes Abendessen, eine Flasche Rotwein, nachher den Sekt probiert, der gut schmeckte, aber mir nicht bekam. Mit dem Opa [3]Skat gespielt, er ist dabei sehr eifrig und regt sich auf. Noch mit Üssie und Duschka etwas getrunken, traurig über Ännchen.

[4]. Sehr schlecht geschlafen, der Laden klopfte des Nachts an die Wand, Traum von Attendorn, komme zur Praxis im Konvikt und sage[:] [5]Melde mich gehorsamst zur Stelle, fühle mich aber ziemlich sicher und überlegen; erst um ½ 11 aufgestanden, ganz unschlüssig, wollte bei Scharpenack telefonieren, bekam aber [6]keine Verbindung mit Berlin (nur Wehrmacht oder Kennummer), am Bahnhof hörte ich, daß die Züge nach Berlin fahren, aber umgeleitet werden, zum Grab der Mutter, [7]bei Ostermann ein Glas Bier, zu Hause zu Mittag. Glücklich, wenn ich durch Wälder ziehe, wie Merlin, aber wohl rasiert und gut gepflegt. Haß [8]gegen den Begriff der Kultur. Sah zufällig in der Westfälischen Landeszeitung einen Aufsatz, der mich zitierte, Begriff des Politischen. Das sind also die Auswirkungen meiner [9]Geistesprodukte, armer Kerl. Nachmittags ging ich mit Duschka einkaufen, zum Schneider (der eine Flasche Rotwein bekam), Balz, Post usw. Traurig nach Hause, [10]unsicher und in der Luft schwebend. Ännchen ging abends mit der Geschke zu Käthe Schmandt, sodaß wir wieder allein waren. Wir aßen sehr schön zu Abend, tranken [11]Nahewein, den Medem besorgt hatte, ich korrigierte an meinem Vortrag für Lissabon, bis 12 1/4. Traurig wegen Ännchen, Wut, aber [12]dann doch wieder gehemmt und hilflos.

[13]. Bis 11 im Bett, gut ausgeruht, eine behagliche Viertelstunde, gefrühstückt, an der Sparkasse 2000 Mark abgehoben, [14]mit Paul Ostermann gesprochen (zu nachgiebig, nachher war ich erdrückt vor Scham), bei Ostermann eine Frau Schülau, aus Berlin, gefragt, was sie [15]wisse. Sie hatte gehört, daß die Züge nicht nach Berlin hineinfahren. Jetzt sitze ich also wieder hier, ohne Nachricht. Duschka bereitete ihre Abreise nach [16]Cloppenburg vor, machte mir ein herrliches Mittagessen, Schweineschnitzel, nachher geschrieben, zur Post, Duschka begleitet, in der nebligen [17]Novemberdämmerung, wie ein Knabe herumgegangen, durch dieses grauenhafte, häßliche Dorf. Brief von Maiwald, der sonderbar ist. Eigentlich wäre es [18]schön, so zu leben, wenn der Haushalt besser wäre. Abends schönen Wein getrunken (Rotwein) mit Duschka, Ännchen und Üssie nett unterhalten, aber Ännchen ging [19]zu Fräulein Geschke und Schneiders; wie traurig. Duschka packte ein, gab ihr noch einen Schnaps.

[20] Traum von Kier (Widerwillen gegen diese hinterlistigen Österreicher), in Erwartung einer Nachricht von Berlin; entschloß mich, mit Duschka [21]nach Hagen zu fahren, damit sie die schweren Koffer nicht zu tragen braucht. Wir frühstückten schön und gingen um 9 ½ zur Bahn; schöne Reise nach [22]Hagen, am Bahnhof etwas gewärmt und gegessen im Erfrischungsraum, dann Alarm, eine halbe Stunde im Luftschutzraum, dann wieder auf den Bahnsteig. [23]Der Zug nach Osnabrück fuhr ½ 1; bekam noch einen Platz, ging einsam und traurig noch etwas durch [die] Stadt, verzweifelt, hungrig zu Hause, [24]keine Nachricht von Adams, hörte, daß die Züge noch nicht nach Berlin fahren. Brief vom Sekretariat, vom verfremdeten Schmid; scheußlich. Mit Üssie im Dorf, bei Frau [25]Pfeiffer, hörte, daß Hellmut Pfeiffer in Krakau war während des Angriffs auf Berlin. Bekam einen schönen Cognac, der mich sehr munter machte. Zu Hause [26]im Kellerzimmer etwas gearbeitet, Bücher heruntergebracht, einen Augenblick wieder eifrig, weltenfremd, wie ein Gymnasiast. Das Geklimper der [27]Schüler von Ännchen ist fürchterlich, das Zimmer kalt, armer Teufel. Abends Wein getrunken. Mit dem Vater Skat gespielt und an dem elektrischen [28]Heizkörper gewärmt.

[29]. Nachts große Sorge um Duschka, daß sie friert. Morgens Traum: ich telefoniere; ich kann nicht nach [30]Berlin kommen; eine klare scharfe Stimme antwortet: warum denn nicht? Blieb bis 10 im Bett, wärmte mich, [31] hoffte, die beginnende Erkältung abzuwenden. Trank guten Tee, fühlte mich wohl, ein Brief von Jünger, der mich besonders freute [32](weil er sagt: Lieber Carl Schmitt, plötzlich eine Wärme, die er sonst nicht hat). Machte einen schönen Spaziergang zum Ibsenstein [33]im Schnee, das schweigende Land; Kontakt mit den Bergspitzen. Das tat mir gut. Zu Hause war Üssie schon aus der Schule [34]zurück und erzählte, daß diese Nacht in Berlin wieder Alarm Fliegerangriff war. Nach dem Essen gut geschlafen, etwas in dem Aufsatz über [35]europäische Rechtswissenschaften für den Dekan in Budapest, abends Wein getrunken, mit der armen Üssie im Zimmer,

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[1]mich um Ännchen bemüht, mit ihr noch Rotwein getrunken, aber es nützt wirklich nichts, einsam noch Gottfried Keller, [2]Die 3 gerechten Kammacher gelesen, überrascht von der guten Erzählung, mit dämonischen Hintergründen, tief traurig, völlig [3]aufgeschmissen um 12 3/4 zu Bett.

[4]. Nachts Traum von Bilfinger, er ist eifrig und macht sich wichtig, es wird irgendwo vor einem Schalter verhandelt, [5]an den er klopft. Ich höre, wie eine Stimme ihn einlädt, zum Auswärtigen Amt, für ½ 9 [6]zum Kaffee, im Frack. Tief betroffen von meiner Niederlage, völlig zerschmettert, Selbstquälerei, müßte nach Berlin, kann aber einfach nicht, [7]müßte Popitz schreiben, bei seinem Geburtstag dabei sein, weiß wirklich nicht, was ich machen soll, alle meine [8]Niederlagen in Berlin überlegt, im Auswärtigen Amt, im Justizministerium, in allen anderen Behörden, Unverschämtheit von [9]Heymann, von Bruns. Zu schwach, um mit einigem Stolz jetzt einfach zu verzichten. Duschka hat sich von Popitz [10]feiern lassen. Sehe an der armen Üssie, was wir sind. Stand erst um 10 auf, im schönsten Schlaf durch Klaviermusik gestört, [11]aber behaglich, immerhin in Angst, weil dieser Zustand ja nicht dauern kann. Frühstückte und schrieb an Ernst Jünger, Günter Schwartz. Das Essen [12]war schlecht, zum Erbarmen, trotz des guten Schweinefleischs, aber die jämmerlichen Tanten können und wollen nicht kochen. Nach dem Essen im Regen mit Üssie [13]nach Holthausen, trafen aber den Lehrer nicht; deprimierende Häßlichkeit dieser Industriedörfer, unbeschreibliche innere Jämmerlichkeit. Aber [14]das wird sich noch lange halten. Auf dem Rückweg in der Kirche, eine Andacht gehört (Litanei: daß du die Feinde auch [mit] meiner Art demütigen mögest, [15]Herr erhöre uns). Gefühl der Aufgeschmissenheit, völlig zerschmettert. Zu Hause Kaffee von Ännchen, etwas ausgeruht, und 2 Stunden schön gearbeitet, über Vortrag über [16]Rechtswissenschaft, etwas über Bruno Bauer in die Kindheits- und Knabenzeit zurück. Tiefe Geilheit nach Hella oder anderen. Unveränderlichkeit meiner selbst, armselige Identität, [17]in immer gleichen Schranken und Geleisen, die einen aus der wichtigen Straße. Eine Flasche Rotwein zum Abendessen, nachher Skat gespielt mit dem Vater und [18]Üssie, Üssie bekam einen Wutanfall mit Tränen, weil Ännchen spielte, sie rannte auf ihr Zimmer, ich mußte sie herunterholen. [19]Scheußlich. Dann noch im Zimmer herumgelesen, trauriger Zustand. Um 12 zu Bett. Völlig zerschmettert.

[20]. Nachts Traum von Portugal: Ich komme in Lissabon an, werde von einem Vertreter des Deutschen Instituts empfangen, [21]2 Griechen sind da und unterhalten sich mit mir (Daskalakis Erinnerung?), das Wahngefühl eines solchen Gastdaseins, [22]sehe Lissabon am Tejo liegen, in einer violetten Färbung. Das Ganze war eine typische Fata Morg. [23]niedrigster Art, Schwächezeichen, kein echtes Signal; Traum aus Schwäche, nicht aus starker Aufnahmefähigkeit. Nachher [24]nochmals geträumt, von Höhn, dem ich etwas von Bruno Bauer zeige. Auch das erbärmlich, unfähig zum Widerstand, [25]traurig, wie bei Ostermann, oder Hanebeck. Stand erst um 10 auf, dachte über Berlin nach, was soll man hier tun? [26]Keine Post, schönes Frühstück. Warte auf Duschka, hoffentlich kommt sie morgen, aber ich wage es nicht zu hoffen. Machte einen [27]Spaziergang über den Ibsenstein und den Saley, Basaltgraben, sehr schön, aber das unbehagliche Gefühl des Abgeschnittenseins. Etwas über Bruno Bauer [28]und Judentum, manchmal gefällt es mir, manchmal bin ich völlig unfähig, noch eine Zeile aufzuschreiben. Nach dem Essen etwas an dem Budapester [29]Vortrag geschrieben, etwas geschlafen, Kaffee getrunken, den Ännchen stiftete, danach wieder nett gearbeitet, fand sogar Ablenkung

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[1]darin, den Aufsatz für den guten Kuncz schön zu formulieren. Zum Abendessen Nahewein, gab Ännchen und Fräulein Geschke [2]etwas mit, wir spielten nachher Skat, Üssie, Opa und ich, der Vater wollte immer sein Sparkassengeld loswerden, aber es kam [3]nicht dazu. Abends noch Poe gelesen, mit großer Angst (Artur Gordon Pym), Alarm, einsam und traurig [4]zu Bett.

[5]Dienstag, . Traum von Frau Sombart; sehr luxuriös, ej; bis 10 im Bett (unten war Besuch beim Vater, um 9 Uhr, [6]hörte sie sprechen, hatte Angst, es war aber nur der Vikar, der die Kommunion brachte), behaglich angezogen. [7]Erschrocken darüber, wie die Zeit vergeht, Brief aus Berlin, aber vom 20. November! Ännchen stiftete wieder Kaffee, wunderschönes Frühstück, [8]sehr nett mit ihr gesprochen, behaglich an meinem Juristen-Aufsatz geschrieben, dann plötzlich wieder Alarm und aus der Behaglichkeit herausgerissen. [9]Welch ein Dasein (dabei ist es in Wirklichkeit immer so gewesen; soll ich endlich ein Christ werden; viel zu schwach dafür). [10]Tiefe Sorge um Claire und Duschka. Nach dem Essen (Kaninchenfleisch) mit Üssie um 3 zum Bahnhof, es kam aber niemand. Ich machte im [11]Anschluß dann einen Spaziergang zum Grab der Mutter, über die Höhe des Grabens und durchs Sillbachtal wieder nach Eiringhausen zurück. Schöner, [12]einsamer Spaziergang, es schneite etwas. Aber immer die subalterne Angst vor der Isolierung und dem Abgeschnittensein. Überlegte ein Telegramm [13]an Popitz. Um ½ 6 kamen Duschka und Claire, todmüde und schwer bepackt, aus Cloppenburg zurück. Ich war erleichtert, aber [14]auch wieder gestört. Man trank Tee, machte das rupfte die Enten, das dauerte die ganze Nacht. Dazu tranken wir 3 Flaschen Wein [15](weißen und roten Sekt, eine Flasche Nahewein), ich ging um 12 ins Bett, Duschka erst um 4. Ich las [16]Poe, Gordon Arthur Pym, dessen letzter Teil mir interessanter war. Abends Krach mit Üssie, als der Vater das [17]Geld der Sparkassenbücher verteilte und „alles weg“ sagte, weil er nichts mehr damit zu tun haben wollte. Und so [18]auch ich immer wieder: alles weg.

[19]Mittwoch, 1/12 43. Wieder lang geschlafen. Traum: Ich sehe Bilfinger, unterhalte mich nett mit ihm, frage aber nicht nach [20]seiner Frau, er spricht mit etwas ironischer Sachlichkeit, ich beherrsche mich gut; dann wieder im Auswärtigen Amt, ein Beamter liegt im [21]Bett und läßt dann einen Mann in jener Uniform seine Erlebnisse in Genf und Heldentaten in Genf erzählen. Ich will aufstehen, [22]bleibe aber doch sitzen. Das Ganze ein Ausdruck meiner innersten Ängste und Besorgnisse. Deprimierend. Um ½ 12 [23]unten, schöner Kaffee, an meinem Juristen-Vortrag gearbeitet, bald zu Ende. Erste Nachricht aus Berlin, von Frau Hahm. Jetzt [24]kann ich weiter abwarten. Schönes Wetter, etwas Sonne. Oft Alarm. Das Haus ist wieder voll, der Küchenteufel regiert. [25]Deprimiert von der Lektüre eines Briefes über französische Propaganda in der Tschechoslowakei, Einbruch der Spitzel in die Wissenschaft, sehe mich selbst in [26]einem solchen Betrieb, der nur noch gröber und verlogener ist, als der frühere. Schrieb morgens meine Juristen-Vorträge zu Ende, [27]ging nachmittags um ¼ 4 in den Saley, zum Ibsenstein, aber traurig und ohne Schwung, doch erleichtert es mich, auf der Höhe [28]zu gehen, Duschka scheint krank zu sein, sehr besorgt um sie, wenn ich ihren dünnen Mantel sehe, sie will nach Prag [29]reisen, um 6 kam Käthe Schmandt, trank mit ihr und Üssie eine Flasche Wein, nachher schönes Abendessen, das [30]Duschka und Claire gemacht hatten, Gänseleber, mit Sekt dazu, ich trank Rotwein. Tief ergriffen von der Hilflosigkeit der armen [31]Käthe, Wehrlosigkeit gegen Behörden, Schicksal der Schmitts. Traurig um 12 zu Bett. Wärmte die arme Duschka.

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[1]Donnerstag, 2/12 43. Immer traurig und Angst vor der Abgeschnittenheit. Ging vor dem Frühstück mit Ännchen zur Sparkasse, um die [2]Sparkassenbücher des Vaters zu liquidieren. Nach dem Frühstück zu Hause an Popitz geschrieben, einiges besorgt, [3]den Bericht über Ungarn. Nachricht, daß die Handelshochschule zerstört ist, immer deprimiert und einfach fertig. Die Einladungen [4]zu den Vorträgen (, Bildungsinspektion in Kiel) blieben einfach liegen. Kann kaum die Hand [5]heben, warte auf den Wein, des Abends. Allmählig hört er auch auf und es kommt nichts nach. Schreibe etwas an dem Vortrag [6]über den Juristen, Bericht über Ungarn, nach dem Essen begleitete ich Ännchen, die ihren verlorengegangenen Spitz aus Ohle zurückholte, [7]es war deprimierend, Brief an Popitz, hat den Mann namens Alof besorgt, auch ein Telegramm. Duschka [8]blieb im Bett, wegen ihrer Erkältung und ihrer Halsschmerzen. Abends trank ich eine Flasche Rotwein, gab allen etwas [9]mit, sodaß mir nicht viel übrig blieb, ziemliche Abscheu vor Üssies Neurosen und Herrschsucht. Müde um 10 ins [10]Bett, mit Claire noch geplaudert, Poe gelesen, mit großem Interesse (Rodman). Viele Flugzeuge [11]flogen die ganze Nacht über uns hin.

[12]Freitag, 3/12 43. Bis 10 im Bett. Traum von Franz von Papen, ich sitze mit Schnitzlers und ihm am Tisch. [13]Schnitzler sagt, er sei der reichste Mann von ganz Deutschland, ich spreche aber nicht mit ihm. Wurde mir meiner Unbedeutendheit [14]bewußt, auch in der Sache Schleicher. Traurig um 10 Uhr auf, behaglich angekleidet, machte mir Kaffee, Duschka [15]blieb zu Bett, Fräulein Geschke ist abgereist, der Kaffee belebte mich sehr, Post von Weber-Schumburg (die [16]Schreckensnacht mit Blötz), Fraenger, was mich sehr aufregte, Gremmels, der wieder an der Front war und darüber [17]sehr glücklich ist. Schrieb an Hodler und Frau Hahm, was ich für überflüssig halte, Duschka aber wünscht. [18]Man soll nicht zurückbleiben. Sonderbare Rettung. Die Nacht war wieder ein Terrorangriff auf Berlin. Haschte es mittags, durch [19]Üssie. Nach dem Essen zur Sparkasse und zur Post, dann ½ 4 - 5 zum Ibsenstein, einsam, aber [20]beruhigt durch den Spaziergang. Der Arzt (Wilmes) war bei Duschka, sie hat Rachenkatarrh und soll bis Sonntag [21]im Bett bleiben. Ich las für mich Fraenger über das kleine Tafelbild von Bosch, mit großem Interesse. [22]Schöne Ablenkung, dieser Bosch.

[23]Samstag, 4/12 43. Duschka ist die Nacht krank und stöhnend. Traurig um 9 aufgestanden, kaltes, wunderbares Wetter. [24]Trank schon Kaffee, Claire sorgte für Duschka, das arme Ännchen blieb auch zu Hause. Ging zur [25]Post und schickte den Brief an die Scheusale nach Wildungen ab. Bei Frau Pfeiffer, die Nachricht von Berlin hat, [26]ihr Sohn lebt und macht eine Auslandsreise. Zu Hause etwas mit Duschka, über die Kriegsmaschine; die deutsche Verfassung steht [27]im FE [vom] 12/11 43 (Familienunternehmen Krupp; und Rangordnung kriegswichtigen Raumbedarfs). Wie berauscht [28]von dem schönen Wetter, trotz der Fürchterlichkeit der Lage. Ohne Winterkleidung, die arme kranke Duschka. Nach dem Essen herrlicher Spaziergang [29]zum Ibsenstein, zu Hause ausgeruht, um ½ 6 kam Jup aus Köln, zu unserer großen Freude. Wir machten

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[1]gleich einen Spaziergang zum Eschen. Aßen gut zu Abend und tranken Wein. Er sprach wundervoll, über Bosch (Der Heilige ist [2]nicht so tief wie Der verlorene Sohn, der erkannt hat; oder über Jünger, der plötzlich gefühlvoll wird[)], sprachen mit Duschka, [3]tranken am Kamin einige Flaschen Wein und gingen nach 12 ins Bett. Immer das Gefühl des letzten Mahls.

[4]Sonntag, 5/12 43. Jup fuhr morgens in guter Laune ab. Ich blieb zu Bett, etwas Kopfschmerzen. Morgens [5]Wut über Ännchen, die den ganzen Vormittag spielte (trotz der Kopfschmerzen von Duschka[)]. Mit Üssie zum Grab der Mutter, einen [6]Kranz dorthin gebracht. Nach dem Essen ausgeruht In die Apotheke, für Duschka Medizin geholt; Ahnmann getroffen auf der [7]Straße. Der Apotheker strahlte, diese guten deutschen Bürger; national-liberal. Oh Gott. Erdrückt von dieser Zeit, völlig [8]abgeschnitten, Angst vor der Isoliertheit. Angst, das Saugröhrchen zu verlieren, an dem man hängt. Traurige Unfähigkeit, [9]Christ zu sein. Abends eine Flasche Wein, mit dem Vater Karten gespielt, Ännchen für sich, was uns allen leidtut.

[10]Montag, 6/12 43. Morgens mit Ännchen in der Küche gefrühstückt, nett unterhalten und mir wieder Illusionen [11]über sie gemacht. Sie gibt einem recht, weint usw. Üssie sagt: Du bist naiv, das traf mich sehr. [12]Die arme Duschka wird schlecht bedient. Und magert ab im Bett. Nach dem Essen herrlicher Spaziergang über den Saley, Ibsenstein, [13]unglaublich schön. Dabei ohne Nachricht. Die Vermieter der Wohnung in Schlachtensee haben geschrieben, antwortete ihnen, eingehend, [14]mir sehr lästig, aber ich tue es für Duschka. Ich halte das alles für überflüssige Mühe. Aber man muß so [15]tun als ob. Traurig, immer wieder enttäuscht von Ännchen, die in der Veranda auf dem Klavier von Üssie spielen ließ. [16]Lächerlicher Klavierbetrieb. Traurig abends alleine gegessen, Ännchen ging mit dem Hund spazieren. Ich brachte, bei [17]herrlichem Mondwetter, noch den Brief an Frau Dames (die bisherige Inhaberin der Wohnung in Schlachtensee) [18]zur Post.

[19]Dienstag, 7/12 43. Schlecht geschlafen. Traum, den ich vergessen habe, aber besonders deutlich, Angst vor der Eisenbahn. [20]Mit Ännchen in der Küche gefrühstückt. Duschka eine Tasse Kaffee gemacht. Mehrere Briefe geschrieben, aber keine Nachricht von [21]der Universität. Nach dem Essen (in der Küche mit Ännchen und dem Vater) nach Plettenberg gegangen, über den Hang des Saley; über den Wall, beim Friseur, [22]der aber geschlossen hat, zur Firma Gesenkbau Biecker, dort Herr Sautter, der mir den Fernschreiber zur Verfügung stellte, höchstinteressante Situation, [23]wollte an Gramsch über den Vierjahresplan schreiben, die Leitung war aber gestört, dann schrieben wir über das Auswärtige Amt an [den] Austauschdienst (Adams), bin gespannt, [24]was das gibt. Angeregt weitergegangen, zum Lehrer Schöler, in der Schule Holthausen, sympathischer, alter Mann, Siegerländer, erzählte [25]von seinen eigenen Erweckungen, irreal, rührendes protestantisches Vertrauen. Leiden und Zurücksetzen (er wurde einige Jahre lang nicht Hauptlehrer). Gegensätze zur Kirche, Ps. 113; Js. Jeder Waffe, die wider dich ist, soll es nicht [26]gelingen, [27]von anderer Seite schicken, fragte ihn schließlich nach dem κατεχων (das ist die Gemeinde der Heiligen). Um 6 mit der Kleinbahn [28]zurück, nicht gerade befriedigt, aber doch eine Begegnung (wie anders der P. Schütz in Budapest), wohin gehöre ich nun? Zu Hause [29]stand Duschka auf zum Essen, Fräulein Schneiders war wieder da und wollte offenbar zu uns zurück, davon angeekelt, trank beim Essen keinen [30]Wein, sondern erst nachher, als die Damen weg waren. Spielte mit dem Vater Skat, Duschka auch, sehr nett, las noch etwas Poe

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[1]und ging um ½ 12 zu Bett, nachdem ich Duschka noch das heiße Wasser für Inhalieren geholt hatte.

[2]Mittwoch, 8/12 43. Viel geschlafen. Traum: Einmal von Pierre Linn, er hat in Paris einen Mord begangen (?), Gilles war dabei, [3]Polizei, Leers, schwitzt fürchterlich, seine Frau auch, ein unangenehmer französischer Strolch? Oder Polizist? [4]Dann bin ich mit Fr. Blei in einem Restaurant, wir müssen aber bald aufstehen, um anderen Platz zu machen, er hebt ironisch das Glas und sagt [5]‚Heil Hitler‘; dann: mit Emil Langenbach, ich soll in Plettenberg einen Vortrag halten, bin aber nicht vorbereitet, habe eine Flasche Moselwein bei mir, [6]die mir aber eigentlich gar nicht schmeckt. Denke hinterher: Das war ein Mülleimer-Traum; sah und hörte mich immer als [7]Eselchen. [8]Stand erst um ¼ 11 auf, machte mir den Kaffee, brachte Duschka eine Tasse, schöner Brief von Popitz, der mich glücklich machte, von Hodler, lächerliche Sache von München. [9]Eifrig am Schreibtisch im Keller, einen Augenblick. So vergeht die Zeit, und doch hatte ich bisher großes Glück. Wollte Popitz gleich antworten. [10]Oft wieder unternehmend, als wäre nichts geschehen, in diesen letzten Jahren. Unverwüstliches Tier. Schreibe an Popitz, über den Fernschreiber (erlauben Sie mir, [11]es für einen Nachteil zu halten, daß das Preußische Finanzministerium keinen Fernschreiber hat). Duschka schrieb nach Cloppenburg, ich ging um ½ 4 [12]zur Post, gab Einschreibebrief auf wie ein Ladenschwengel, brachte Frau Pfeiffer ¼ Ente, sie war gerührt und erzählte, daß ihr Sohn Sonntag [13]komme, machte einen Spaziergang zum Grab der Mutter, im Nebel, und las zu Hause etwas im Kellerzimmer, das sehr gemütlich ist. [14]Claire kam um ½ 7, große Freude, wir aßen zu Abend, tranken 2 Flaschen Wein, spielten mit dem Vater Skat. Duschka [15]war den ganzen Tag auf, saß am Heizöfchen und war noch schwach. Las über Talleyrand von Duff Cooper, dumme Bewunderung für diesen [16]Schädling. Verachtung für diesen Narren, der nur Angst davor hat, ein pauvre [17]diable zu sein.

[18]Donnerstag, 9/12 43.

Freitag, 10/12. Unglaubliches Behagen; Traum von Erwin Jacobi, gehe mit ihm einen Berg hinan (Trifels?). [19]Erschrak vor meiner Behaglichkeit, blieb bis 10 im Bett, unten war ein Brief von Popitz, die Vorlesung an der Universität hat am 6. Dez. [20]begonnen. Erschrak, wollte gleich nach Berlin reisen, Popitz holt uns mit großer Energie dort hin; der Mietvertrag vom Liegenschaftsamt [21]kam. Aufgeregt und aufgescheucht aus meinem Behagen. Wollte nach Berlin reisen, wenigstens für einige Tage. Trank Kaffee, mit [22]Duschka und Ännchen, die beide im Bett lagen, das meiste mit, unterhielt mich lange mit Ännchen über Musik, über Üssie und Jup, [23]und fand dann einen Augenblick Ruhe am Schreibtisch im Kellerzimmer. Vergaß all meine Sorgen und meinen Eifer, nach Berlin zu fahren, und korrigierte [24]am Nomos der Erde. Armes Karlchen. Ärgerte mich über das dicke Ännchen, das Schokolade fraß und im Bett blieb. Die arme [25]Duschka stand auf und kochte. Nach dem Essen begann das Klaviergeklimper wieder, grauenhaft. Ging zur Sparkasse, um für Ännchen die Steuer [26]zu überweisen, wie ein Laufbursche. Mit Duschka und Üssie zum Grab der Oma, es war wieder winterlich geworden, die Straßen sind ganz glatt. [27]Nachher sehr schönen Tee getrunken; über den κατεχων gelesen (Adolf Zahn). Schönes Abendessen mit Nahewein; mit dem Vater [28]Skat gespielt. Zwischendurch Zahn über κατεχων, tief beeindruckt; noch etwas protestantische (Steinberger). Plane, Sonntag [29]schon nach Berlin zu reisen.

[30]Frei Samstag, 11/12 43. Wieder bis ½ 11 geschlafen, dränge nach Berlin, dann sehe ich die Dummheit dieses Eifers; ordnete meine Briefe, [31]schöner Brief von Weber, aber vom 25. Nov! Dann aus Freiburg, von Friedensburg über Maunz, was mir eine ungeheure [32]Freude machte und mein Selbstbewußtsein wieder stärkte. Wartete auf das Frühstück, Duschka scheint es besser zu gehen. Keine Nachricht von Adams aus [33]Berlin, allmählig besorgt. Herrlich an meinem Nomos herumkorrigiert (belebt durch freundliche Anerkennung durch Maunz), schön zu Mittag gegessen, dabei [34]war Ännchen aufgestanden, lief aber neurotisch weg, als Fräulein Geschke nicht kam. Ich war traurig und ekelhaft und hoffte, bald wieder in Berlin in einem eigenen Haushalt [35]zu sein. Ging dann mit Claire über den Saley spazieren, über das Bussardtal, die Höhe des Saley, am Ibsenstein (der Idiot begegnete uns wieder), [36]in Plettenberg, an der Post Telegramm an Popitz, daß wir Dienstag kommen. In der Abenddämmerung nach Hause, etwas am Schreibtisch, Tee getrunken.

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[1] Immer traurig, wenn ich die arme Üssie sehe, das neurotische Ännchen, an Berlin denke. Pfeiffer kommt erst Dienstag, wie schade. Angst vor der Reiserei. [2] Sorge um die Gesundheit Duschkas. Wunderbare Stunde am Schreibtisch, über den Nomos, schön korrigiert, unglaubliche Freude. Schönes Mittagessen, aber Ännchen und [3] Fräulein Geschke ziehen sich zurück. Widerlicher Betrieb, dazu das Klaviergeklimper. Um ½ 3 gingen wir (Duschka, Claire und ich) zum Friedhof, schönes sonniges Winterwetter, [4] am Grab der lieben Mutter, auf dem Heimweg ging ich bei Sautter vorbei, bedankte mich für den Fernschreiber, gab ihm 2 Schachteln bulgarische Zigaretten und war froh, [5] das erledigt zu haben. Wieder etwas am Schreiben über den Nomos, trotz einiger Müdigkeit große Freude (über Meridian). Schöner Tee und Kuchen, den die beiden schnell gebacken [6] hatten. Zum Abendessen eine Flasche Nahewein (ein Glas mit Josef Schröder getrunken). Während des Skatspielens mit dem Vater lächerliche Szene mit Üssie, die jetzt plötzlich [7]nicht mehr will, daß Ännchen auf ihrem Klavier in der Veranda spielt; wüste und ordinäre Schimpferei der Üssie, daß ich mich schämte (sie nannte Duschka eine böse [8]Drüse, will das Klavier für ihre Nichte Üssie neu erhalten, usw. Dafür hat sie Kulturkreise für Hexen usw.). Traurig noch herumgeredet, heller Mondschein. [9]Also übermorgen in Berlin. Um 12 ins Bett, Duschka nähte noch Kleider für Anima, bis 2 Uhr.

[10]Montag, 13/12 43. Nacht ; wüst aber erleichternd; bis 11 im Bett, großes Behagen, herrliches Winterwetter, auch nicht zu kalt, oft Eifer, nach [11]Berlin zu kommen. Nachricht von Weber aus Leipzig, daß er ausgebombt ist und bei Michaelis wohnt. Wie traurig; soll ich nach Berlin. [12]Duschka zugeredet, daß sie nicht nach Cloppenburg fährt. Frau Hahm schrieb, daß wir bei ihr wohnen können, schöner Brief von Appel aus Paris (er [13]„die schönen Bilder, die er bei uns sah, besonders den Julien, „die einzigen schönen Sachen, die er im NS-Deutschland gesehen hat“). Eine Stunde am Schreibtisch im [14]Keller. Die gute Claire hilft sehr eifrig Duschka. Nachmittags beim Kreuz und an der Quelle der Bommecke.

[15]Montag 13/12 - Dienstag, 21/12 Reise nach Berlin (Möbel transportiert und Wintermantel geholt, bei Popitz gewohnt; Gespräch mit Popitz über mich [16]als den Emanierten und ).

[17]Mittwoch, 22/12 43 bis 11 Uhr geschlafen, traurig aufgestanden, Duschka ist noch schwer erkältet. Das Kind Anima ist entzückend. Machte mich zurecht, [18]kochte Kaffee, las meine Post, gestört durch [die] Strafverfügung der Reichsbahn, doch verging das schnell. Post von Hella [19]Knoll, las etwas herum, wir aßen um 1 schon zu Mittag, dann ging ich mit Anima von 2-4 auf die Höhe des Saley und über die [20]Basaltgrube zurück. Wunderbar, das Kind ist klug und freundlich, große Freude, erstaunt, einen Menschen aus mir heraus entlassen zu haben. Wir sahen [21]den Idioten, auf der Höhe des Saley einen schönen Bussard, sammelten Tannenzapfen. Nach dem Kaffee todmüde geschlafen, auf dem Sofa. Zum Abendessen [22]etwas Wein getrunken, nachher war Üssie böse, aber ließ sich doch bereden, mit dem Vater Skat zu spielen. Der Vater ist furchtbar erkältet. [23]Noch etwas Rotwein getrunken, dann um 11 ins Bett. Betete den Angelus. Wir haben heute abend furchtbar gelacht, als ich Furtwängler und [24]nachmachte, während [25]Ännchen und Fräulein [26] [27]Geschke den Kalif von [28]Bagdad und Zampa spielten. [29]

[30]Donnerstag, 23/12 43. Um 8 wurden wir wach, Anima auf ihrer Chaiselongue, war entzückend, beteten den Angelus, [31]um ½ 10 schon am Schreibtisch im Kellerzimmer. Schöner, milder Tag; fern von Berlin. [32]Schönes Frühstück, Üssie war ganz hysterisch und ekelhaft; etwas am Schreibtisch aufgeräumt, Wut über die Strafverfügung (freches und grobes Benehmen), [33]dann schämte ich mich wieder dieser Wut, wollte nach Altena zum Betriebsamt reisen; ordnete ein paar Papiere, armer Teufel ohne Wohnung, [34]die grauenhafte Unverschämtheit dieses sogenannten „Lebens“. Ging mit Duschka zu Frau Pfeiffer, brachte ihr ein Glas Honig, zur Apotheke. [35]Bei Gerke eine Flasche Steinhäger. Dann zu Mittag wieder zu Hause. Freude an Anima, die die Geheimschrift aus dem heiligen Skarabäus [36]von Poe selber entzifferte. Nach dem Mittagessen ging ich mit Anima in den Saley, bis zum Ibsenstein, schöne Sonne, warmes Tauwetter, [37]wir suchten Moos für den Weihnachtsbaum. Nachher schlief ich, war aber nicht recht schlaffähig, die lächerliche Sache mit Altena stört mich, wie schwach und klein [38]bin ich. Zum Abendessen schlechten Rotwein getrunken. Mit dem Vater und Üssie Karten gespielt, traurig und beschäftigungslos zu Bett, mit Anima noch [39]den Angelus gebetet. Die arme Duschka plagt sich den ganzen Tag und ist erkältet.

[40]Freitag, 24/12 43. Nachts 3mal Alarm, ich hörte ihn aber nur um 3 Uhr, die Bomber sausten mächtig. Ob sie [41]in Berlin waren? Konnte nicht recht schlafen, wurde um 9 wieder wach, stand später auf, Duschka ist mit Üssie ins Dorf, [42]mit Anima den Angelus gebetet, sie ist zu lieb und gut, die Monate bei Wesselings haben ihr sehr gut getan. Etwas Post, Ziegler

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[1]hat den Leviathan geschickt, alter Knabe, bist du also wieder bei mir. Um ½ 11 kam Duschka aus dem Dorf zurück, die ersten [2]Nachrichten über die Angriffe diese Nacht auf Berlin, morgens um 6 Uhr. Was bedeutet das? In Gottes Hand. Ging nach dem Essen zum [3]Grab der Mutter, an der Post vorbei (es war aber nichts da), fragte dort nach dem Wehrmachtsbericht und hörte, daß ein Terrorangriff auf Berlin [4]gemeldet ist. Bei Markus vorbei und das Röckchen für Anima geholt. Dann zu Hause Kaffee getrunken, müde 2 Stunden im Bett, völlig zerschmettert, [5]zerrieben. Das Abendessen erst ½ 9, großartig, viel zu großartig, wie immer bei Duschka, in ihrer großen Breite, Huhn, Reis usw. Schöner [6]Wein, Ännchen stiftete eine Flasche Graves; Üssie aß nicht. Ich war fast verzweifelt und glaubte umzufallen. Welch ein Dasein. Die [7]lächerliche Sache mit Altena. Ging schließlich um 11 müde zu Bett, während Duschka mit Erna Geschke noch bis ½ 3 morgens [8]Kuchen backte. Anima ist heute mit Erna Geschke zur Beichte gegangen. 4 Briefe nach Berlin (Frau Müller-Albrecht, Frau Hess, Finanzamt für Liegenschaften und Frau Dames), [9]scheußlich.

[10]Samstag, 25/12 43. Um ½ 5 geweckt, Anima stand auf, ich um 5, wir gingen zusammen im Dunkeln zur Christmette in der K Eiringhausen, [11]die Kirche war überfüllt, schöne Weihnachtslieder, ein rotblondes Mädchen spielte Orgel, vielleicht Christel Walter, sie spielte sehr sicher, was mir [12]natürlich ungeheuer imponierte. Jugenderinnerungen und Impulse wieder aufgerührt. Anima wollte kommunizieren, die Kinder wurden aber nicht zugelassen. Wir gingen [13]zusammen nach Hause, dort war um 8 Bescherung. Gab Anima den Füllfederhalter aus Budapest; bekam ein Messer mit Pfropfenzieher von Ännchen, [14]die krank war und nach dem Frühstück wieder zu Bett ging. Duschka schwärmte von den serbischen Weihnachten. Ich wußte nicht, was ich tun sollte und [15]ging schließlich in den Keller in mein refugium, las in meiner Verfassungslehre, die ich bei den Büchern von Jup fand, [16]ich wunderte mich über meine frühere Klugheit und Überlegenheit. Heute ist alles aus. Ich müßte ganz neu anfangen, ab ovo, [17]allen Ballast beiseitelassen, stattdessen miete ich in Berlin eine neue Wohnung, völlig sinnlos das alles. Dachte mit großer Sorge [18]an den armen Popitz, der jetzt ohne Hodler einen Alarm hat durchmachen müssen. Abends schönes Mittags schönes Essen, mit Gänsebraten, für den Ännchen aufstand [19](sie hustete furchtbar, aber offenbar nervös, und kann die familiäre Atmosphäre nicht vertragen). Nach dem Essen gingen wir zum Friedhof an [20]das Grab der Mutter, nahmen den Hund mit, Anima ist lieb und nett, aber sie hält sich fürchterlich. Nachmittags geschlafen, kein Kaffee, herrlichen [21]Kuchen gegessen, das Nordlicht von Emil Langenbach erhalten. Kaltes Abendessen mit Sekt, fabelhaft, ging danach früh zu Bett und schlief bald ein. Las den Junker [22]von Ballantrae. Thieme über Savigny gelesen, im Grunde ist dieser Thieme von lächerlicher Arroganz und Feigheit. [23]Ekel vor diesen Emanationen des protestantischen Pfarrhauses. Nachmittags hat mir Emil Langenbach die 1. Ausgabe von Nordlicht geschickt; wunderbares Geschenk. Tief gerührt, symbolisch.

[24]Sonntag, 26/12 43. Gut geschlafen, wieder behaglich; weit entfernt von Berlin. Stand um 10 auf, machte eine Flasche Bordeaux [25](von Mutius) für Emil Langenbach zurecht, ging aber erst mit Anima in die Kersmecke spazieren, dann [26]um 11 ¼ schön gefrühstückt, und um ½ 12 mit Anima über den Alten Wall zu Emil Langenbach. Traf ihn nicht zu Hause, gab [27]die Flasche ab und besuchte mit Anima die evangelische Kirche, einen Augenblick in die katholische Kirche und um 1 wieder zu Haus. [28]Zu Hause wieder großartiges Mittagessen, alle Schmitts fühlten sich bedrückt von dieser Breite Duschkas. Ännchen blieb im Bett. Nach dem Essen geschlafen, Duschka stand auf, [29]um wieder Kuchen zu backen, weil sie Claire erwartete. Um ½ 5 kam Helmut Pfeiffer, wir tranken zusammen eine Flasche Forster 37 [30](jetzt habe ich noch 2 Flaschen Wein!). Unterhielten uns über die Internationale Rechtskammer (die Dänen sind ausgetreten, Verlagerung des Sitzes nach Preßburg oder Paris, [31]über Pathe , über meinen Fall in Altena). Inzwischen war Jup gekommen. Pfeiffer ging um 6, ich telefonierte nicht mehr an Schroer , wie ich das erst wollte, [32]unterhielten uns mit Jup, tranken Wein, aßen zu Abend, furchtbarer Tabaksqualm, die kleine Paula in Köln hat Diphteritis, Duschka

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[1]blieb in dem entsetzlichen Tabaksqualm bis nachts 1 Uhr. Paralysiert, das Ende des Krieges erwartet, die Invasion für Januar, alles überflüssiges [2]Zeug; aber Jup ist frech und auf der Höhe. Schließlich Krach, weil er sich über mich lustig machte, daß ich auch eine Strafverfügung von der Reichsbahn erhalten habe. [3]Ärgerte mich über seine hämische Art und seine Unzuverlässigkeit (wir sind schuldig, sagte er). Traurig und müde zu Bett.

[4]Montag, 27/12 43. Bis ½ 10 im Bett, Duschka ist wieder krank und fürchtet, Diphteritis zu haben, ich überlege die Reise nach Altena. Trank zum [5]Frühstück Tee. Wunderbares Nebelwetter, alles eingehüllt wie im tiefsten Schlaf. So müßte man jetzt schlafen, statt sich anzustrengen oder [6]aufzuregen. Schrieb etwas an dem Aufsatz über Savigny. Trank Tee zum Frühstück, etwas Post (Brief von dem armen Weber, der in Leipzig Weihnachten feiert). Kümmerliches [7]Mittagessen, das Fräulein Geschke gekocht hat, nachher etwas ausgeruht, mit Anima gespielt, um ½ 3 kam Pfeiffer, wir gingen nicht spazieren, weil es [8]regnete, sondern tranken Tee und aßen etwas Kuchen, unterhielten uns eine Stunde über Pathe, Schroer, Frank (Frau Frank ist wieder in Krakau), [9]begleitete ihn um 4 nach Hause, brachte den Brief an Medem zum Kasten, telefonierte nach Winterberg mit Schroer, der am 1. Januar nach [10]Plettenberg kommen will. Duschka liegt noch zu Bett und hat Fieber, sie fürchtet, Diphteritis zu bekommen, Ännchen hustet etwas hysterisch, Üssie kriecht [11]knochenlos herum, wie traurig ist das alles. Schrieb an Wesseling; deprimiert, zerschmettert, lächerlich die Altenaer Sache, möchte aber morgen fahren. Lust, den [12]letzten Wein zu trinken. Jup hat den Bruno Bauer, Rußland und das Germanentum, mitgenommen, was mich ärgerte. Abends eine Flasche Wein. Günter war mit seiner [13]Frau da und schwätzte, konnte nicht loskommen. Ich versuchte, eine Flasche Rotwein aufzumachen und verrenkte mir dabei den Arm, Muskel- oder [14]Sehnenzerrung, sehr schmerzhaft. Spielte noch mit dem Vater Skat und ging traurig zu Bett.

[15]Dienstag, 28/12 43. Um ½ 9 aufgestanden, um nach Altena zu fahren. Einige Hindernisse (zu spät Kaffee, der Zug fuhr ein, als [16]ich noch nicht am Bahnhof war.) Heftige Schmerzen im rechten Oberarm). Trotzdem nach Altena, um ½ 11 dort angekommen, gleich zum Betriebsamt, [17]Sachbearbeiter Hafel , bescheidener Mann, war offenbar froh, daß alles so glatt und harmlos abging, ich auch, einigte mich mit ihm, [18]bezahlte, wird meine Zurückweisung schreiben, glücklich, das erledigt zu haben. Fuhr erleichtert nach Hause zurück und war schon um ½ 12 wieder in Plettenberg. [19]Sagte Duschka nichts von der Sache, sie ist noch zu Bett; auch Ännchen. Nach dem Essen 2 Stunden über den Ibsenstein auf die Höhe des Saley, im tiefsten [20]Weihnachtsnebel, wunderschöne Stille und Erwartung, aber heftige Schmerzen im Arm. Angst vor Berlin, Anima ging leider nicht mit. Sie klimpert herum, [21]ist aber sehr lieb und nett. Wir gingen zur Post, dann Kaffee getrunken, auf dem Sofa ausgeruht, heftigen Ischias bekommen, konnte mich aber noch [22]bewegen. Zum Abendessen kein Glas Wein, mit dem Vater Skat gespielt, früh zu Bett, eine ungarische Geschichte gelesen, traurig und verzweifelt. [23]Duschka scheint es besser zu gehen, sie hat kein Fieber mehr.

[24]Mittwoch, 29/12 43. Bis 11 im Bett, Ischiasschmerz im Rücken, Muskelzerrung im Oberarm, mit Mühe angezogen. Angst und Widerwillen vor [25]Berlin und vor Popitz, der mich dahin lockt. Duschka stand auf. Ich schrieb an das Betriebsamt, an Werner Weber, Duschka [26]nähte im Kellerraum. Nach dem Essen mit Anima ins Dorf, Mantel zum Schneider Müller, an die Post die Rente für den Vater geholt (immer die [27]kindische Angst, daß sich einer vordrängt), zu Hause Kaffee, etwas geschlafen, glücklich, daß Duschka wieder auf ist, zum Abendessen eine Flasche Chianti, [28]Ännchen trank natürlich mit, ziemlicher Ekel vor Üssie, traurige Schlange, mit dem Vater Skat gespielt, um 10 ins Bett, Dante [29]Göttliche Komödie gelesen, aber müde, Rückenschmerzen, Armschmerzen, erledigt. (Diese Nacht: Terrorangriff auf Berlin).

[30]Donnerstag, 30/12 43. Duschka stand mit Anima auf, um in die Stadt zu gehen. Ich schlief noch etwas, müde, von Schmerzen geplagt, machte mir [31]Kaffee, der aber nicht geriet, alles traurig, eifrig einige Briefe geschrieben (an Bauer in Oviedo, Leutnant Winkelmann, Schranz, Frau Hoyér . [32].

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[1]Nach dem Essen 2 Stunden ausgeruht, Duschka und Anima im gleichen Zimmer, Anima war sehr lustig. Um ¼ 4 zur Post, die Briefe besorgt, nach Plettenberg, [2]bei Küchen vorbei, das Manuskript des Nomos wieder abgeholt, das Mädchen hatte angeblich kein Papier und hat nichts geschrieben, gleichgültig weitergegangen, [3]zu Emil Langenbach, der aber nicht zu Hause war, dann beim Friseur Stumpf, Haareschneiden, glücklich, das zu erledigen, gab ihm bulgarische Zigaretten, warum [4]eigentlich, aus Schwäche? Plettenberger Angst und Menschenfurcht? In der Dunkelheit nach Hause zurück, doch kam gerade eine Kleinbahn. Hörte, daß in [5]Berlin Fliegerangriff war. Kaum war ich zu Hause, als Alarm einsetzte. Sonderbare Fügungen. Briefe von Brüggemann, Kiefer usw. Duschka meinte, [6]man müsse trotzdem nach Berlin zurück. Ännchen rief mich um 7 zu Dr. Röll, sehr nettes Gespräch über meine Krankheiten, diese westfälisch-bergische Stimme (er ist aus [7]Hagen) erweckt gleich mein Vertrauen; er paßt sich übrigens sehr klug an. Wir tranken erst einen Schnaps, dann ein Glas alten Chianti, [8]seine Frau, im Wagen vor der Tür, wurde ungeduldig, ich versuchte, sie hereinzuholen, sie kam aber nicht. So ging er dann gegen 8 weg. [9]Ich aß zu Abend, spielte mit Duschka und dem Vater Skat, und ging dann zu Bett. Mein Arm tut noch weh, aber das Gespräch mit [10]Röll hat mich beruhigt. Las im Bett noch Laotse; Duschka backte noch einen Kuchen bis ½ 1.

[11]Freitag, 31/12 43. Traum: Ich komme zu spät zur Vorlesung (in München), ziehe mich lächerlich an, habe keine richtigen Kleider, bekomme die Elektrische nicht mehr [12]usw. Bis 10 behaglich im Bett, aber Ischias- und Armschmerzen; genieße die letzten Tage, Schreck vor Berlin, seit den [13]letzten Nachrichten über den Terrorangriff von Mittwoch abend. Aber Duschka hat Mut und will hingehen. Sie ist mit Anima nach Plettenberg gegangen. Diese [14]Nacht hat es geschneit, wunderschönes Wetter. Nach dem Frühstück wieder behaglich einige Minuten am Schreibtisch im Keller, wahres refugium, [15]vor dem Tabakdunst und sonstigem Stunk dieser Atmosphäre. Ännchen brachte mir eine Tasse heißen Kaffee. Diese armen Schmitts, nach dem Essen [16]nach Plettenberg, bei Schuster Geck die Gamaschen geholt, nebliges, warmes Wetter, Winterschlaf, dann zweimal an die Bahn, um Tante Claire abzuholen, die aber [17]nicht kam, sehr traurig, Schmerzen im Arm, was soll ich machen, schönes Abendessen, mit Sekt, Kartoffelsalat und Bratwurst, was sich Ännchen gewünscht hatte, [18]Üssie streikt, wie immer, lächerlicher Zustand; nachher am Kamin, „O Maria hilf“ gesungen, so wurde es 12 Uhr, dann ging ich müde ins Bett.

[19]Samstag, 1/1 1944. Bis 11 im Bett, müde und traurig, Schmerz im rechten Oberarm. Schöner Brief von Epting. Um 11 kam Emil Langenbach, ich stand auf und zog [20]mich schnell an, freute mich über den Besuch, er war lieb und nett, ohne jeden Krampf, wir sprachen über sein Geschenk (Däublers Nordlicht), [21]machte ihm eine Tasse Kaffee, aßen den schönen Kuchen, den Duschka gebacken hatte, erzählte vom Plettenberger Klub (der durch Bebombung zerstört ist), begleitete ihn [22]nach Plettenberg, wir besahen die schöne alte Kirche, die „bessere“ in Plettenberg, ging dann wieder zurück und aß zu Mittag. Nach dem Essen mit Duschka [23]und Üssie (die verbissen schweigt) zum Grab der Mutter, im Regen und Nebel, dann zu Bett und etwas ausgeruht. Unterdessen kam Jup mit den [24]beiden Kindern, ich blieb aber noch im Bett. Stand gegen 7 auf, Jup erzählte (Spanien erkennt Mussolini nicht an; Weihnachtsbotschaft des Vatikans gegen die verrückten [25]und verkommenen Regierungen, Papens lächerliche Rolle). Nachricht über die furchtbaren Angriffe auf Berlin. Wir aßen nett zu Abend, hinterher spielten Ännchen und [26]Fräulein Geschke Klavier, Kalif von Bagdad, den ich dirigierte, ganz nett (Jup sagte erst: Mach keine Fratzen, nachher war er rührend nett [27]und suchte mich zu loben; die kleine Üssie dirigierte schließlich auch mit. Wir tranken den Rest des Sektes, eine Flasche Cognac, die Jup mitgebracht [28]hatte, ich weiß nicht, ob ich nach Berlin soll. Schließlich um 12 ins Bett, wahnsinnige Erregtheit. „Gib uns heilig Leben, sichere Reise [29]daneben“). Also Jup meint: Ostern.

[30]Sonntag, 2/1 44. Bis ½ 12 im Bett, immer Behinderung des rechten Arms. Was soll ich mit Berlin machen? Behaglich angezogen und Kaffee [31]getrunken, endlich wieder einen Augenblick am Schreibtisch. Der Sekunde überlassen. Duschka hat kein Fieber mehr und stand auf. [32]Freute mich, im refugium einige Notizen zu machen. Nach dem Mittagessen (dicke Bohnen) geschlafen, immer schlafsüchtig, Angst vor der Reise, um 4 zu Frau Pfeiffer, [33]die ich aber nicht zu Hause traf, zu Sautter; wegen eines Fernschreibens an Sogemeier, ob ich bei Popitz ankommen kann, am Mittwoch, froh, das erledigt

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[1]zu haben, wieder zu Hause, herumgelesen, Prokosch 7 auf der Flucht, schablonenhaft, manches interessant, besonders über die Russen; ergriffen von Bruno Bauers [2]Ausführungen über die Russen, aber doch auch wieder mißtrauisch, vieles ist doch scheußlichste Oberlehrerei, nach dem Abendessen mit dem Vater und Duschka Skat gespielt, Ännchen [3]hat die letzte Flasche Wein gestiftet, wer weiß, was kommt, müde und resigniert ins Bett, immer noch Bauer gelesen, ungleich und doch nicht ganz [4]hasenrein. Viel nachgedacht über meine Berliner Studienzeiten, wie traurig war das alles, und daraus hat mich Gott herausgeführt!

[5]Montag, 3/1 44. Bis ¼ 11 im Bett, Kaffee gemacht. Traum: Ich sehe Bruno Bauer in der Universität Berlin, im Bibliotheksaal, man zeigt uns [6]eine neue Erfindung eines Bibliothekars aus Marburg, lauter Glaskästen, über die wir nicht lachen sollen, vermenge mich selbst [7]im Traum mit Bruno Bauer, proletarierhaft, intellektueller, isolierter, keiner echten Kritik fähig, weil es keine echten Kritiker mehr gibt, [8]zu klug, um sich betrügen zu lassen, zu schwach, um Widerstand zu leisten, der einsame Kritiker. Im Grunde eine sehr armselige Situation, ein [9]Rest von Steinlein ermöglicht es mir, Frau und Kind anständig zu ernähren. Wie lange noch in einem bankrotten Land? [10]Nach dem schönen Frühstück etwas am Schreibtisch im refug. notiert. Will an Epting schreiben; tat es, sehr nett (über Bloy), und an Mutius, der [11]mir nett geschrieben hat (er ist inzwischen persönlicher Adjunkt von Illgner im Wirtschaftsministerium geworden, interessanter Junge). Nach dem Mittagessen kam Emil Langenbach [12]um 2 Uhr, rührender Waldhase, wir machten einen Spaziergang im Regen, über den Graben nach Affeln, bis über die Höhe hinweg, er erzählte von [13]seinem Abenteuer mit einem vermeintlichen Spion, der [das] Walzwerk suchte, wir gingen auf dem Rückweg am Grab von Otto Kaiser vorbei, sprachen über Feuerbestattung [14]als Nihilismus, er ist klug und bescheiden; zu Hause tranken wir eine Tasse Tee, ich war müde und deprimiert, er will uns zu Kirchhoff in Werdohl führen, der [15]moderne Gemälde hat; Duschka setzte sich zu uns und war sehr nett. Um 5 ging er, hatte Lust, Wein zu trinken, er lehnte aber ab. Er mochte [16]sein großes Geschenk nicht entwerten. Schenkte ihm die französische Anthologie. Dann las ich Bücher, die er mitgebracht hat (Brockhaus Eigene Wege, [17]wieder eine Begegnung mit dem sauerländischen Pietismus, rührende Geschichte, erkältete mich dabei im Musikzimmer, nachher noch in dem lustigen, kommunistisch[18]frechen „Führer“ durchs Sauerland; im rembrandtdeutschen „Rembrandt als Erzieher“, der doch eine große Enttäuschung ist; Jugendstil, Gerede, [19]Zeitkritik, Gezeter, ästhetische Begriffe zu mythischen aufgeplustert („Blut“), ein Moeller van den Bruck, arme Leute, [20]geborene Opfer der frechen Gangster, die ihnen die Worte einfach stehlen. Beim Abendessen wurden meine Depressionen unerträglich, morgen also wieder [21]ins Krematorium nach Berlin, spielte noch mit dem Vater Skat, Üssie stiftete ein Glas weißen Wermut, so ging der Abend hin, [22]müde und völlig erledigt zu Bett, Angst und Wut wegen des einquartierten Lümmels, der mit seinen Beziehungen zu Göbbels droht. Duschka [23]war lieb und überlegen, im Bett wurde mir besser, aber der Rembrandtdeutsche deprimiert mich noch mehr. Wie konnte man nur solche Bücher [24]schreiben. Wie gut, daß ich als Knabe (1906 erschienen) einfach davon nichts bemerkte! Dann noch etwas die Bibel, Jeremias und [25]Jesaja; die Städte werden zerstört werden.

[26]Dienstag, 4/1 44. Mit tiefen Depressionen aufgewacht, herrlicher Schnee auf den schönen Bergen, also morgen. Nachricht, daß Berlin diese [27]Nacht wieder angegriffen ist. Mit Duschka zur Post, sie gab Briefe nach Kroatien auf. Trafen Frau Pfeiffer auf der Straße, [28]ihr Sohn ist krank und kommt Ende der Woche. Sah Heinrich Hanebeck, während ich vor Werl auf Duschka wartete. Wunderschönes Schneewetter. [29]Die Kinder spielten im Haus herum. Duschka will nach Berlin; ihr Mut macht mir Freude. Ging nach dem Essen ins Bett, las den rembrandtdeutschen Schmus, [30]Bildungs-Plankton, schäme mich fast, noch Hölderlin zu zitieren; mein Begriff des Politischen ist doch einen Schritt weiter; vor allem aus [31]diesen ästhetisch-religiösen Begriffen wie Rasse heraus. Wurde allmählig wieder ruhiger, wunderbarer Schnee, die Welt im weißen Laken, dachte mit Ruhe an [32]die morgige Fahrt. Stand auf, schrieb an Grewe (Gratulation, über sein verbranntes Manuskript), wurde zum Nachbar Schapernack gerufen, da Sautter vom Fernschreiber [33]anrief, daß er die Kieler Vereinigung nicht erreicht hat. Fahre jedenfalls morgen früh. Nachher nochmals gerufen, es kam die Antwort von Sogemeier.

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[1]Freute mich, daß es klappte und fühlte mich im Zusammenhang. Ging um 5 ½ bei Mondschein mit Anima und Claire-Luischen zum Graben, im Schnee, [2]spielten dort etwas herum, noch an den Briefkasten bei Ostermann und wieder zurück. Traurig zu Abend gegessen und mit dem Vater und Duschka Skat gespielt. [3]Ännchen hat noch eine Flasche Moselwein aufgetrieben; Üssie etwas Wermut. Um 11 zu Bett.

[4]Mittwoch, 5/1 44. Um ½ 7 geweckt, traurig und müde, aber aufgestanden, Duschka hatte Halsschmerzen und blieb im Bett. Trank schönen Kaffee und ging mit [5]Ännchen zur Bahn. Der frühere Zug stand noch da, wir liefen hin, aber ich konnte wegen der Schmerzen im rechten Oberarm nicht mehr in den fahrenden Zug [6]einsteigen. Auf den nächsten gewartet, der aber 45 Minuten Verspätung haben soll, sodaß ich den Anschluß in Hagen nicht mehr bekomme. So standen wir am [7]Bahnhof im Schnee. Ännchen holte die Post. Otto Schmitt kam und meinte, der Krieg dauert noch 2 Jahre. Dann setzten wir uns in den Wartesaal 3. Klasse, las die Post, besonders einen schönen Brief von Vicen aus Madrid, [8]dann in plötzlichem Entschluß nach Hause zurück. Wer weiß, wozu es gut ist. Zu Hause noch bis 10 im Bett, Duschka war sehr lieb, ich sagte mir: „Noch eine [9]kurze Zeit, dann ist's gewonnen, dann ist der ganze Spuk in nichts zerronnen.“ Traurig, um 11 zu Scharpenacks, Fernschreiben nach Berlin, daß ich mit Duschka [10]erst Sonntag abend komme. Herrliches Schneewetter, Anima fährt mit Claire-Luischen Schlitten, sie hat ihren Trainingsanzug zerrissen. Setzte mich ins refug. [11]Schrieb Briefe, besonders an den scheußlichen Müller-Albrecht, an Reuschenbach und Freyer (just ein Exemplar Land und Meer) über die Kurierabteilung, an Frau Hahm, Telegramm [12]an den Dekan, die Kinder brachten es nachmittags zur Post. Ich ging nach dem Mittagessen zu Bett und schlief bis 5; Duschka, die Halsschmerzen hat, auch. Stand [13]leise auf und arbeitete etwas im refug. Las Böckmann, Geltung der Reichsverfassung in den Kolonien; erst sehr interessant, nachher sah ich die Oberflächlichkeit und [14]Dummheit von Schüler und Lehrer. Eine Stunde Ruhe, am Schreibtisch, aber sonst die alte Angst. Schäme mich dieser unwürdigen Sklaverei, Gott erlöse mich. Die [15]Lenne schäumt mächtig, ein Sprung von dieser Brücke wie in Budapest; aber mich halten jenseits aller Hörbarkeiten und Wissbarkeiten sonderbare Fäden hier fest [16]und lenken mich. Abends kein Wein zum Abendessen, mit dem Vater Karten gespielt, dann früh ins Bett. Tief bedrückt, die Angst, vom [17]Saugnäpfchen abgedrängt zu werden; schließlich gleichgültig. Aber doch alt und nicht mehr so leichtsinnig. Viel an meine Berliner Studentenzeiten gedacht, [18]welche Ahnungslosigkeit. Las des Nachts

[19]Donnerstag, 6/1 44. Las des Nachts Schnitzer, Staat und Gebietshoheit (Genf 35), gefesselt, mit großem Interesse, sah meine Ahnungslosigkeit, [20]Lächerlichkeit des Kampfes gegen Bruns, meine Unwissenheit, wer hat mich durch alles dies hindurchgeführt, über Staatensukzession, [21]Palmas-Urteil, sehr ergriffen; beschämt und doch gehoben, weil ich in diese Sphären hineingehöre. Träumte von Popitz, der über eine [22]Schrift von Kerrl sprach, an der Kerrl pro Stück 34 Pfennig verdient. Morgens bis gegen 11 im Bett, gut ausgeruht, [23]herrlich gefrühstückt, immer mit dem Schnitzer, der mich fesselt, dann viele Briefe und Postkarten geschrieben (Wasse, Friedensburg, Emig, Sobotta über Bruno Bauer, [24]Frau Stock), brachte sie nach dem Essen zur Post und machte einen Spaziergang zum Grab der Mutter und an die Affelner Grenze; im Schnee, [25]der aber schon taute. Der Spaziergang war anstrengend und tat mir sehr gut. Die herrlichen Berge im Schnee, besonders der mächtige Doppel-Kamm des Saley, [26]den man, von Affeln kommend, auf der Höhe sah. Tee getrunken, etwas viel gegessen, ins Bett gekrochen, gut ausgeruht bis 7 Uhr, [27]aufgestanden, Ännchen stiftete eine Flasche Chianti, der gut war, das machte mich wieder gesund, um 8 kam der Rechtsanwalt Küchen [28]und spielte mit Ännchen 4händig; Grieg Romanze, hörte zu, aber es war mir zu kalt, stiftete eine Flasche Sekt (er schmeckte wie eingeschlafene [29]Füße, sagte der taktvolle Gast Küchen), Üssie war wütend auf Ännchen und ihr Spiel, Anima hatte großen Spaß daran, das ganze Haus, besonders der Vater, [30]liest mit Begeisterung „Eigene Wege“, die Plettenberger Pietisten-Geschichte. Um 12 müde ins Bett; zwischendurch immer Schnitzer gelesen und wieder [31]arbeitsfreudig.

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[1]Freitag, 7/1 44. Schlecht geschlafen, etwas erkältet, erst ½ 12 aufgestanden, Kaffee getrunken und im ref. an den Schreibtisch gesetzt, um etwas zu arbeiten. [2]Brief von Schmoller und Neuss. Angst vor Berlin, wird immer unheimlicher, kälter und beziehungsloser; Trost in einem [3]amor fati. Ziemlich bedrückt, Schmerz im Oberarm, Gefäßgeräusche im Ohr und im Hinterkopf. Duschka ist noch im Bett. Anni hat [4]telefoniert, daß sie in Berlin ist und gerne hilft. Ich werde wohl Sonntag reisen können? Ich saß etwas am Schreibtisch, wollte über Staatensukzessionen schreiben. [5]Kam natürlich nicht dazu, nach dem Essen etwas ausgeruht, dann mit Üssie an die Bahn, um Claire abzuholen, die aber nicht kam; traurig; nach dem Kaffee nochmals. [6]Der Zug hatte über eine Stunde Verspätung, sie kam aber nicht mit. Anima und Claire-Luischen liefen mir im Dunkeln weg, darüber war ich wütend, brachte Üssie nach [7]Hause und rannte zurück, Angst, Sorge, Wut, alles durcheinander, wollte sie verprügeln und hätte es in der Wut wohl auch getan, aber als ich die beiden [8]an der Sperre stehen und auf den Zug warten sah, war ich schon wieder besänftigt; und als Anima mit netter, sympathischer Stimme sagte: Entschuldige doch bitte, [9]Papa, wir wollen es nicht wieder tun, war ich sogar glücklich. Wie arm und lächerlich ist das alles. Katastrophenstimmung. Josef Schröder soll uns [10]Sonntag helfen, das Gepäck bis Hagen bringen. Voller Verzweiflung; nicht einmal ein anständiger Tod; angemessener Tod. [11]Dann wieder etwas Ablenkung durch völkerrechtliche Arbeit von Schnitzer und der Kritik daran. Das lächerliche, verfressene Ännchen; die lächerliche, vermottete Tante Üssie; [12]welch ein Haushalt! Zum Abendessen (serbische Weihnachten) eine Flasche schönen Bordeaux (23, Geschenk von Mutius), war herrlich, ich hatte aber [13]heftige Ohrenschmerzen (Eustachische Röhre), Duschka und Üssie stopften Strümpfe, ich ging um 11 ins Bett, mit meinem Schnitzer.

[14]Samstag, 8/1 44. Des Nachts heftige Ohrenschmerzen. Traum von Bruno Bauer, alles durcheinander, scheußlich, stand auf und nahm neue Watte, [15]alles grauenhaft. Um ½ 11 aufgestanden, zur Post gegangen und 3 Telegramme aufgegeben (an Frau Bartels, an Familie Stand nach [16]Hildesheim, an Fräulein Samic), sie werden aber wohl nicht mehr ankommen. Duschka läßt sich nicht aus ihrem Tempo treiben; traurig nach Hause, sehe den Neid [17]der Plettenberger, den grausigen Mief von Üssie, alles scheußlich, nur die Kinder sind lustig und nett. War krank, aß mein Frühstück. [18]Schwitzte, bin müde und habe Ohrensausen. Etwas am Schreibtisch im ref. Soll es also wirklich morgen in den Kessel gehen? Schöner [19]Brief von Semjonow, der mich sehr rührte. Mittags kam Claire, zu meiner großen Freude. Nach dem kümmerlichen Mittagessen (Tasse Kartoffelsuppe, von Ännchen [20]gekocht) schlief ich 2 Stunden, gut verpackt von Claire und mit etwas Öl im Ohr. Um 4 kam ein Brief von Ahlmann, den eine Frau [21]Pastor Weimar überbracht hatte, von Burg Bröhl, wunderschön, an Duschka, über „das gastlichste Haus, daß ich je kennengelernt habe“. Stand auf, trank Kaffee, [22]herrlicher Kuchen, aber ungeduldig, weil Duschka sich nicht beeilte. Käthe Schmandt war da. Ich ging zum Bahnhof und holte die Billette, scheußlich. [23]Aber dann wieder sehr glücklich, als es gut erledigt war. Noch ein herrlicher kleiner Spaziergang zum Eschen, der dunkle Bergkranz [24]des Abends, schützend und umhüllend. Also morgen in den Kessel.

[25]8/1 - 20/1 44 vgl. anl.

[26]Freitag, 21/1 44 bei Popitz. Müde, noch einmal zu Bett, um ½ 10 von Grete geweckt, weil Stackelberg am Telefon war. [27]Er will nächste Woche nach Spanien reisen und nochmals anrufen, angenehmes Gespräch. Träumte von Eiringhausen, [28]dem Häuschen in der Bachstraße, spielte Klavier, überhörte das Klopfen (während Grete klopfte). Frühstückte, machte mich und mein Gepäck [29]zurecht, verabschiedete mich von Mamsell, gab ihr 50 Mark, und ging zum Bahnhof Steglitz. Am Potsdamer Bahnhof noch einiges

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[1]erledigt, vergebens, Telegramm an Frau Schnitzler wegen des schwarzen Anzugs in Frankfurt; auf den Zug und Anni gewartet. Sie kam [2]pünktlich. Sehr nette Fahrt mit Anni bis Hildesheim, schöner Platz 1. Klasse, gegenüber ein Möbelfabrikant aus Berlin, früher Düsseldorf, [3]von rheinischer Gesprächigkeit und Nettigkeit; schimpfte über die Bürokratie, den Papierkrieg, die vielen Syndicen in den Wirtschaftsgruppen usw. Kam rechtzeitig in [4]Hagen an, unterwegs allerdings in Soest Alarm. In Hagen den Zug nach Plettenberg bekommen (alles, als ob das [5]ungeheure Glückszufälle wären[)]; um ½ 12 in Plettenberg. Es war niemand an der Bahn, der Sohn von Waldemar Fleger begleitete [6]mich. Zu Hause lag Ännchen im Bett, eitrige Mandelentzündung, Fräulein Geschke wollte Tee machen, ich trank aber nur eine Flasche Sekt und [7]aß meine Butterbrote, las den Neujahrsbrief von Huber aus Straßburg, der die 2. Auflage von Heer und Staat geschickt hat; erst war ich [8]zufrieden, allmählig sah ich den schleimigen Undank dieses Krieges. Um 1 ins Bett; abends war Alarm im ganzen Industriebezirk.

[9]Samstag, 29/1 44. Bis 11 geschlafen, zwischendurch einige Male wach. Traum: Eine fremde Frau ist mit ihrem Kind in unserem Schlafzimmer [10]einquartiert, sie tut wehleidig, ich ärgere mich furchtbar, bin aber hilflos, hänge meinen Hut an einen Haken, [11]an dem die seidenen Unterkleider der Frau hängen, gehe in ein anderes Zimmer, wo Schmandt und einige Bekannte sind, spreche zu ihnen [12]ironisch über Fortschritt, die Fabriken werden immer zahlreicher, immer mehr Schornsteine rauchen; warum ist das nicht so, weil die Juden und Pfaffen den Fortschritt [13]verhindern. Schlagen wir die Juden und die Pfaffen tot, da haben wir wieder eine Front. In diesem Stil, aber die anderen verstanden die Ironie [14]nicht, wandten sich ab und so war ich allein. [15]Um 11 aufgestanden, etwas Ischias, Pakete ausgepackt, beglückt von dem Kaffee, den Moncada dem Gidel beigelegt hatte, [16]tief gerührt. Das muß ich nun alles wieder nach Berlin schleppen. Koche mir Kaffee, die Gans von Sechtenbeck war schon geholt, suchte mich für das [17]Einpacken zu ordnen; schöner Brief von Werner Weber; führte dann mein Tagebuch, Pepys Glück am Schreibtisch; [18]Erscheinungsform des Narzissmusmus? Aber da ist ja immer noch viel mehr, als in solchen Worten liegt enthalten sein kann. Herrliche Farben der [19]Berge, in glasiger-dunkler Tiefe. Morgen wieder in den Kessel, Schleppen der Koffer, mein Gott, was soll die Habe; stelle mir schon, wie [20]die arme Tante Üssie, alle denkbaren Unglücksfälle vor, Entgleisungen, Fliegeralarm usw.

[21]7/1/44: Anni hat [22]telegraphiert, daß sie in Berlin [23]ist und gerne hilft.

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[1]Zurück in die Problemlosigkeit des Mutterleibs; [2]zurück in die Erholung des Mutterleibs; der Mensch braucht Erholung, hier Schlaf ist die einzige Erholung, [3]wahrer Schlaf nur im Mutterleib und in den Erinnerungen des Mutterleibs; Erinnerungen sind [4]Weiterwirkungen; berechtigtes, notwendiges Weiterwirken; der Jude kann nicht schlafen, [5]deshalb möchte er auch andere am Schlafen hindern und in ihrem Schlaf stören. Das ist das [6]Verbrechen des Juden. Eingehüllt in die Erinnerungen, diese gehen in den Mutterleib, natürlich.

[7]Der Jude Brod: Man male sich aus, ein griechischer Ausschuß heimattreuer [8]Griechen protestiert gegen Goethes Iphigenie, als Einmischung in eine deutsch-griechische [9]Hochschulangelegenheit. Anwanzerei eines . [10]Der Schluß ist: Ein solcher Jude; ist das nicht der höchste Grad des Betrugs.

[11]Samstag, 16/9 in Elberfeld bei Schroer. Niebecker [12]auf der Rückkehr.

[13]17/9 44. Sonntag morgen, 11.20, auf meinem gewohnten Spaziergang am Saley, [14]sah den Tieffliegerangriff auf Ohle und Eiringhausen, unmittelbar über mir [15]die englischen oder amerikanischen Flieger, komme ich noch nach Berlin zurück, [16]vorher kam ein Bussard vorbeigeflogen, unsicher und offenbar durch Lufterschütterung [17]aus seiner Ruhe aufgescheucht.

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[1]Beziehungsebene? Diese Begegnungen: Schroer, Lamberts rief an, Bekannschaft mit Niebecker, [2]las von Rechtsanwalt Lamberts, in Münchengladbach, [3]und am Sonntag morgen am Saley dieses Schauspiel eines feindlichen Luftangriffs auf [4]Eiringhausen und Ohle. Ein dicker schwarzer Käfer kroch ruhig weiter [5]auf dem Weg, er wird den Krieg überleben. Wie komme ich morgen nach Berlin, [6]armes Karlchen; herrlich, die ungestörte Feierlichkeit der Berge. [7]Um 11 wollte ich zum Grab der Mutter gehen, es kam Voralarm, die Sirene ertönte zur Sonntagsmesse, ich ging um, unentschlossen [8]auf den Saley, wo ich 11.20 den Tieffliegerangriff, als Schauspiel sah. Wer hat [9]mich damals bewogen, umzukehren und auf den Saley zu gehen? Die innerliche [10]Unentschlossenheit war das Mittel sicherster Führung. [11]Unser armer Bussard, flügellahm und nichts mehr von seiner sonstigen schönen Sicherheit. Sie treiben [12]uns lächelnd hinaus, die Götter.

[13]Dann kam um ¼ 12 noch eine Gruppe und 2 Plettenberger vorbei, mit denen ich einige [14]Worte sprach; wie schade. [15]Dachte an den : bei der Messe in Ebach [16]„wie gemacht“. [17]Die Angst der Hähne vor dem Raubvogel? Aus blauem Himmel kommt er herunter, [18]welch irrer Raumbegriff, wenn eine völlig neue Gefahr [19]aus der Luft kommt.

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[1]20/4 49. [2]Nietzsches Jenseits von Gut und Böse ist nur eine posthume Theoretisierung des beyond [3]the line. Aber diese Theoretisierung ist wichtig; sie gibt [4]dem wüsten Faktum der Linie eine Strahlung, die es möglich macht, [5]die Linie auf andere Völker und Zeiten zu übertragen, sie zu einer [6]hohen reicheren Erkenntnis zu steigern, nachdem sie bisher nur die [7]Faktumreichen bemerkten. [8]Ein Gedanke wird zerstört nicht durch kritische Verneinung, sondern durch [9]unkritische Bejahung und Verbreitung.

[10]21/11 Däubler, der Dichter der naturphilosophischen Definitionen [11]und der impressionistisch-parabolisierenden Deskriptionen. [12]Ihr Ruhen auf Schnee ist ein fiebriges Zaudern.

[13]Lichte sich [14]mehr Wesen den [15]das Leid [16]mein , keine Kälte rühren.

[17]Sie hielten mich schon für tot und rissen mir die Hufeisen ab, [18]das heißt sie beschlagnahmten meine Bibliothek. [19]Als so mehr, versuchten sie mit für den eigenen [20]einen zweiten TotSchlag.

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[1]. Nachmittags kam Besuch von Frau Bremer und ihrer Schwester, die einen Brief von Ahlmann brachte. Ännchen holte mich aus Faulheit [2]oder Dummheit nicht aus dem Bett; holte auch Duschka nicht. Ich war ärgerlich und wütend, schöner Brief (‚das gastlichste Haus, das ich je [3]gekannt habe‘). Ging noch zur Bahn, Karten holen, etwas spazieren, noch eine Stunde über Staatensuccessionen. Duschka machte ein [4]schönes Abendessen, tranken roten Sekt dazu, dann ging ich todmüde mit Halsschmerzen zu Bett. Währenddessen packten Duschka [5]und Claire ein. Die rührende Claire will mit nach Berlin fahren. Sie ging erst um 5 zu Bett, stand schon um 6 wieder auf.

[6]. [7]Ich stand um ½ 7 auf, ziemlich müde, Halsschmerzen, Eustachische Röhre, großer Aufbruch, Ännchen war schlampig [8]und scheußlich, Üssie begleitete die 4 Kinder nach Cloppenburg und war lächerlich umsichtig. Josef Schröder [9]sollte helfen, war aber langweilig und dusselig. Ein Mann von der Bahn holte das viele Gepäck. In Plettenberg am Bahnhof [10]verlor ich sie. Angst, es würde wieder nicht klappen. Schließlich saßen wir doch im Zug, überfüllt, in Hagen fürchterliches [11]Gedränge, umsteigen, das viele Gepäck. Aber die beiden vorzüglichen Frauen, Duschka und Claire, überwanden alles. Wir bekamen [12]einen Platz I Klasse und hofften aufs Weitere. Dachte voller Ekel an den Schnüffler und die 3 Hexen, die dort das Haus [13]bewohnen. Nette Mitreisende, die beiden tüchtigen Damen, wir waren alle todmüde und schliefen im Sitzen, ohne große Verspätung, pünktlich in [14]Potsdam, ein netter Gepäckträger half uns und bekam eine Zigarre, fuhren zum Bahnhof Steglitz, trafen einen netten jungen Soldaten [15]aus Saarbrücken, der uns das Gepäck trug, bis zur Brentanostraße. Popitz erwartete uns nicht, mein Fernschreiben ist anscheinend nicht angekommen. [16]Er aber nett, nahm auch Claire auf. Corrie kam später, etwas patzig und selbstbewußt, bemühte sich aber, nett zu sein. [17]Wir aßen bescheiden zu Abend. Ich war todmüde, blieb aber bis ½ 12 mit Popitz auf. Wir tranken 2 Flaschen guten Bordeaux, [18]sprachen über Verwaltung, Duschka und Claire gingen um ½ 10 zu Bett, Corrie kam noch, hörte aber nicht auf unser Gespräch, sondern blätterte [19]auffällig in anderen Büchern und Heften herum, benahm sich verwöhnt, rührend, wie Popitz eifrig wird, wenn er über Selbstverwaltung spricht, dazu gehört Freisinn usw. [20]Mischung von Verwaltungsbeamten und Professoren, Prediger sogar, der Preußische Staat als sichtbare Kirche, er weiß davon nichts, oder nur bildungsmäßig. [21]Endlich todmüde zu Bett, im Zimmer von der Mamsell. Rief in der Schönererzeile an, die Frau Müller war am Telefon, sprach dann mit Herrn Bartels.

[22]. Bis 8 geschlafen, aber mit Unterbrechungen, Kopfschmerzen, Angst, rasierte mich, wieder zu Bett, schlief wieder ein, das tat [23]mir gut. Um ½ 10 rief Mutius an, war darüber sehr glücklich und verabredete mich für morgen. Freute mich über Duschka und Claire, [24]die sehr unternehmend waren. Nettes Frühstück mit dem, was die beiden sich mitgebracht hatten, begleitete sie zum Bahnhof Steglitz, überfüllte Stadtbahn, in der Universität [25]mit Fräulein Michaelis, Siebert, nett gesprochen, glücklich, wieder im Geschirr zu sein, traf den jungen Rothacker, der Wasse besucht hat, hielt meine Vorlesung zu eifrig. [26]Erzählte von dem Fall in Finnentrop-Altena, sehr nett. Schnell zum Finanzministerium, auf Popitz gewartet. Traf Hassel, der ihn besuchte, [27]und ich sprach nett mit ihm (sein Aufsatz Untergang des Abendlandes schon überholt), erklärt, das Buch nicht zu lesen. Fuhr mit Popitz nach Hause, [28]nett unterhalten beim Mittagessen, dann geschlafen bis 5, Tee getrunken, auf Duschka gewartet, sie kam um 6, mit Claire, und war sehr [29]zufrieden, Anni war gekommen, morgen wollen sie schon in Schlachtensee übernachten. Ich war darüber sehr glücklich, trotz der Sorge wegen der Müller-Albrecht. [30]Wir aßen zu Abend, die beiden Damen gingen früh zu Bett. Ich trank mit Popitz eine Flasche Hochheimer, sprach über

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[1](Mutius hatte gesagt, [2]der Arbeiter Jüngers ist ein Berliner, [3]anderweitig gibt es ihn gar nicht). Ging [4]zufrieden ins Bett.

[5]Göring [6], [7]sprechen von Berlin, [8] [9]immer .

[10]. [11]Herr John [12]besuchte [13]Popitz. [14]Ich wartete darauf, [15]gerufen zu werden. [16]John ging aber [17]weg, [18]wußte nichts von meinen [19]Vortragsplänen, [20]dann abends bei Popitz [21]in seinem Zimmer [22]bis ½ 12. [23]Tranken einen guten, aber etwas säuerlichen [24]Rauenthaler.

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[1]Er definiert immer in Verallgemeinerungen, begrifflich-scholastisch. Um 12 zu Bett.

[2]. Um 4 Voralarm, einen Augenblick wurde heftig geschossen, ich stand auf, auch Duschka und Claire, aber wir gingen [3]nicht in den Luftschutzkeller und nach einer halben Stunde schon wieder zu Bett. Dann wieder um 8 aufgestanden, aber nicht ausgeschlafen. Liebe und [4]Sorge zu Duschka, die aber sehr mutig und tapfer war. Begleitete die beiden zum Autobus, um ½ 11, und fuhr dann von Steglitz in die Stadt. [5]War schon um 11 Uhr da, beim Dekanat, beim Rektor wegen der Übungen in meiner Vakanz, bei Carl Brinkmann, und seinem Assistenten von Köppen, [6]nett mit Brinkmann über seine Weihnachtsferien und die ‚Magie‘ von Frau Schmitt. Plötzlich Alarm, um ½ 12, in den Luftschutzkeller der Universität, [7]Tausende von Studenten, mit Gieseke, Siebert noch etwas gesprochen, aber traurig und irgendwie erledigt. Die Hälfte der Professoren war noch da. [8]Um ½ 1 Entwarnung, traf Echebarría , hielt meine Vorlesung und freute mich, das erledigt zu haben. Mit Hopp, den ich Unter den Linden traf (Staatsbegriffe, dummer Kerl übrigens, aber [9]sympathisch), dann zum Adlon, Mutius getroffen, sehr schön mit ihm gesprochen, über Wirtschaftsministerium, Papen und Epp, die Friedensfühler, und Gehre, [10]er hat alles großartig besorgt, schöner Rotwein, schlechter Fisch, das Ganze kostete mich fast 50 Mark. Freute mich aber, Mutius gesehen [11]zu haben - große Freude über Echebarría, der mich morgen um 1 treffen will, einen Anzug mitgebracht hat, ein Kleid für Duschka! Unglaublich. [12]Um 4 in der Brentanostraße, Sehnsucht nach Duschka und Sorge um sie. Schlief etwas, um 5 Tee mit Popitz, dann Corrie besucht, die krank ist, auf meinem [13]Zimmer etwas nachgedacht, Duschka ein Telefonat, abends mit Popitz und Hodler zusammen zu Abend gegessen; wieder auf mein Zimmer, Vorlesung [14]Völkerrecht etwas überlegt, eigentlich sehr friedlich, trotz der vielen Alarme. Wut von Popitz, wenn er hört, daß es mit Berlin zu Ende sein soll. Herr John [15]besuchte Popitz, ich wartete darauf, gerufen zu werden. John ging aber weg, ließ mich grüßen, Conde wußte nichts von meinem Vortragsplan. Dann abends bei [16]Popitz in seinem Zimmer, bis ½ 12, tranken einen guten, aber etwas sauren Rauenthaler. Sprachen über Berlin (Mutius hatte gesagt: Der Arbeiter Jüngers [17]ist ein Berliner, anderweitig gibt es ihn gar nicht!), ging zufrieden zu Bett.

[18] Blieb bis ½ 10 im Bett, ziemlich gut geschlafen, tiefe Scham wegen meiner schnell wiedererwachenden Freude an diesem enthüllten Schwindel. [19]Du großer Test Christi oder der Cäsaren. Überlegenheit der Antwort Christi, die imstande ist, auch dem Cäsar gerecht zu werden, was der Cäsar gegenüber [20]Christus nicht kann. Hielt meine Vorlesung Völkerrecht von 11-13 sehr schön, 2 Stunden ohne Pause durch; freute mich meiner Sicherheit, nachher kam [21]Lemmel (dem ich vorher im Dozentenzimmer gesagt hatte, daß manche Rassentheorien politische Verbrechen sein könnten), suchte ihn zu beruhigen, war nett [22]und empfahl ihm Land und Meer; dann kamen Weber-Schumburg und Echebarría, dieser mit dem großen Paket. Tief gerührt. Wir gingen zusammen zum [23]Central-Hotel, Weber-Schumburg besorgte Plätze, aßen zu Mittag (Rostbraten), nicht gut, schlechtes Bier, ich bezahlte, Weber-Schumburg erzählte von Schweden und der Deutschenfeindlichkeit, [24]dann auf seinem Zimmer Kaffee getrunken (er gab die Bohnen, aber der Kaffee war leider sehr dünn), schönes Gebäck dazu, Echebarría war sehr nett, meinte, ein Strafgericht [25]werde auch über Spanien kommen und die dortigen Latifundien besetzen. War glücklich über den schönen Stoff, den er mir gebracht hatte, und schleppte ihn gleich nach [26]Schlachtensee. Dort traf ich Frau Hahm, große Freude, herumtelefoniert, Schikanen wegen des Müller-Albrecht, freute mich über die Energie von [27]Duschka und Claire, sah ihre Betten, das Eßzimmer ist schon eingerichtet. Fröhlich mit Frau Hahm zurückgefahren, im Autobus, sie erzählte von der [28]Hochzeit ihrer Tochter. Um 6 in die Brentanostraße. Ins Bett gekrochen, etwas ausgeruht. Um ½ 8 zum Abendessen gerufen. Mit Popitz und Hodler [29]nett unterhalten, über Hechingen und die dortigen Juden, über Schweden. Popitz war todmüde, aber trotzdem ein nettes Gespräch bei einer Flasche , [30]über Füsillade (Epp?) gelacht. Über die Möglichkeit einer Wiederherstellung der früheren Sozialordnung und Wirtschaft, an die er glaubt, während ich nicht [31]daran glaube, lebhafte Diskussion, sah die Verschiedenheit, meine eigene Neigung zum Erschüttertsein, war auch müde und ging um 12 ins Bett. [32]Muß morgen den Brief an Siebert schreiben. Popitz sprach traurig über Göring, zu dessen Geburtstag er eingeladen war, aber nicht gegangen ist,

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[1]traf Höhn und [2]sprach nett mit ihm.

[3] [4]Guthjahr

Körnchen

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[1], todmüde, konnte kaum aufstehen, schließlich doch um 9, heftige Schmerzen im Magen. Allmählig ging es natürlich, [2]überlegte meinen Brief, telefonierte mit Duschka, ging nach Steglitz zum Bahnhof, fuhr zur Universität, dort diktierte ich einen Brief, ein freundliches [3]Mädchen, an den Bezirksstadtrat, schrieb an Conde (Echebarría nimmt es mit für den Kurier), an Groh, [4]an Ännchen. Allmählig teile ich die neue Adresse Schlachtensee mit, obwohl mir der Müller noch Angst macht. Traf Höhn und sprach nett mit ihm, [5]auch Hartung, dann hielt ich meine Vorlesung Verwaltung sehr gut, freute mich darüber, gab nachher Echebarría seine schöne Mappe zurück und den Brief [6]für Conde, Guthjahr war da, sehr glücklich darüber, er begleitete mich zum Finanzministerium und will um 4 mit nach Schlachtensee fahren. Holte Popitz [7]in seinem Ministerium ab. Er rief bei Zahler an, ich soll mich morgen untersuchen lassen. Wir fuhren zusammen zur Brentanostraße, durchs zerstörte, gossenhafte [8]Berlin. Ich war todmüde. Aßen allein zu Mittag, sprachen über den Ministerialdirigenten Ribbe, über Referendarerfahrungen, die Vorliebe [9]für Civilprozesse, ruhte dann eine Stunde aus, um 4 Anruf wegen des Neudrucks der letzten globalen Linie an Herrn Rölden, [10]dann kam Guthjahr. Erzählte sehr nett von Žytomyr und dem Rückzug, seinem Divisionär (Papenbroock), wir fuhren im Autobus nach Zehlendorf, [11]dann nach Schlachtensee, Duschka bewirtete uns mit gutem Tee, ich gab das von Hodler besorgte Handwerkszeug ab, Guthjahr plauderte [12]sehr nett, Claire kam auch. Ich war aber müde und deprimiert, obwohl mich der Besuch von Guthjahr sehr erfreut hatte. Wir fuhren mit der [13]S-Bahn zurück, sprachen über Friedensmöglichkeiten, Unsinn der rassendoktrinären Politik, er war aufgeschlossen und klug, ich freute mich sehr über [14]ihn, ging dann in der Dunkelheit von Steglitz zur Brentanostraße, gegen 7 angekommen, etwas auf meinem Zimmer, dann zu Abend [15]gegessen; Heringe, Kartoffeln, nachher schwarzes Brot (Kriegsbrot mit Butter und Käse, unabsichtlich, aber doch nicht bedeutungslos[)]. [16]Nachher holte Corry den Radioapparat ins Herrenzimmer und spielte, ich ging müde auf mein Zimmer, kann diese Musik nicht mehr [17]vertragen. Las zwischendurch einen Aufsatz von über Kantorowicz Friedrich II., diese armseligen Deutschnationalen, wie sind sie [18]im Grunde unterlegen. Tiefe Depressionen. Um 10 wieder heruntergegangen, eine Flasche Hochheimer getrunken, sauer, war aber froh, [19]etwas Wein zu haben, wie die Ratte, fragte, ob er nicht religiös sei, er will nicht darüber sprechen, kam immer wieder auf die Deutschen zurück, die falsche Kritik, sah [20]einen wissenschaftlich unwissenschaftlichen Relativisten, will Judengesetze machen, christlicher Staat, sah den Abgrund, der uns trennt, todmüde.

[21] Todmüde um 8 ¼ aufgestanden, immer wieder eingeschlafen, mußte aber aufstehen, weil Popitznervös war, eilig weg[22]zukommen, denn Corrie wollte in die Vorlesung. Fuhr bis zur Kaiserallee, ging dann zur Fasanenstraße, hatte noch [23]Zeit, in die Pariser Straße hinein, besuchte Körnchen, traf vorher einen Perser, Paletzki, der bei Schleicher promoviert, [24]er begleitete mich in die Wohnung von Körnchen, dort war die entzückende Frau, nachher kam auch der Alte, rührendes Bild, [25]die verbrannte Wohnung, die Bücher stehen noch, war tief erschüttert und dachte an mein unverdientes Behagen; dann zu Zahler, während ich die Wohnung suchte, [26]kam ein Referendar Paulus, sprach mich an, weil er mich kannte, und half suchen, er ist jetzt in Füssen im Allgäu. Zahler war liebenswürdig und nett, wartete etwas, [27]dann eine schöne Unterhaltung über die Philosophie der Bombenzerstörungen (die Menschheit ist ein Krebs, man schneidet immer einzelne Flächen heraus und erforscht sie, [28]sehr hübsch, aber die Dummheit zeigt sich darin, daß er meint, auf diese Weise käme man allmählig zum Ganzen). Als ich sagte: Ich sehe [29]in den Bombenerfahrungen Ritze, die durch unsere Nerven hindurchbrechen, meinte er, das haben wir im Ersten Weltkrieg auch geglaubt, [30]es kommt aber nichts dabei heraus. Sehr interessantes, aber im Grunde trauriges Gespräch. Dann untersuchte er mich (ekelhaft, so nackt dazuliegen), [31]stellte am Oberarm fest, fand, daß die Ohrengeräusche schon sehr weit gediehen sind, verschrieb mir Jod (),

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[1]John

[2]Samstag, 15/1 44

[3]16/1 44 [4]Heisenberg [5]Kakerl.

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[1]Rezept. Nachher sprach noch der Arzt Wiens sehr nett mit mir, begeistert für Zahler, machte eine Blutprobe. Ich [2]ging noch in die Apotheke am Kurfürstendamm, fuhr mit der Elektrischen nach Lichterfelde West, holte mir 1000 Mark auf der Bank, [3]aß etwas Kuchen, und ging traurig zur Brentanostraße. Beim Mittagessen nette Unterhaltung mit Haverbeck, Corry war sehr nett, wir sprachen [4]über Zahler, den alle kennen. Dann brachte ich noch den Nachsendeantrag nach dem Postamt Dahlem (aus der Kirche etwa jetzt die Kruzifixe nicht fort) [5]und ging schnell nach Hause zurück, um zu schlafen. Bis 6 Uhr. Gegen 7 noch im Bett. Popitz klopfte, weil Alarm ist. [6]Also wieder dasselbe, Sorge um Duschka, wohl Kindheitsaffekt, Mutter und Schwester (daher habe ich auch eine Tochter bekommen!). War im Luftschutzkeller [7]bis ½ 9, mit dem netten Heeresintendanten Wandersleben und seiner Frau, hübsch unterhalten (über Angers, ich war taktlos, weil ich [8]kurz sagte, Hodler sei der Ängstliche, ich hielt es für sicher, daß der Scherz verstanden würde, merk dir das und halt den Mund). Wir aßen schön zu Abend, [9]ich ging etwas auf mein Zimmer, Herr John war da, erzählte, daß es Conde gut geht, daß er einen Wagen hat, mit zusammen ist, aber die Form im [10]Ganzen machtlos ist. Freute mich über die Nachricht, gab die deutsche Adresse von und Reuschenbach, wir unterhielten uns über seine Herkunft (er war Assistent bei Unruh), über Schreibers [11]Institut für Luftrecht. Er ist Hesse, erinnert mich manchmal an Wirsing, finde ihn sympathisch und sehr angenehm, aber ich kenne ihn nicht. Wir tranken schönen österreichischen Wein.

[12]Samstag, 15/1 44. Schlief bis 10 Uhr, war trotzdem todmüde und schwach, sah um 11 Popitz in seiner Uniform zu einer Beerdigung fahren (eines Ministerialrats Richter [13]aus seinem Ministerium, Burschenschaftler); frühstückte und fuhr mit dem Autobus nach Schlachtensee, schleppte meinen Talar mit. Dort war schon der Student Altmann [14]aus Frankfurt am Main, half Bücher aufräumen, glücklich über das Wiederbegegnen mit den Büchern, Duschka war lieb und nett, ebenso Claire und Anni. Wir aßen um ½ 2 [15]bescheiden zu Mittag, nachher gingen wir durch den Garten, ich möchte wissen, ob Duschka zufrieden ist, oder nur meinetwegen so tut, erstaunlich, eine solche Wohnung zu finden, die Sache [16]mit dem elenden Müller-Albrecht wird sich wohl regeln (er ist im juristischen Examen durchgefallen), schlief nach dem Mittagessen über eine Stunde in dem Federbett, wunderbar warm, aber traurig, die Kurven dieser [17]märkischen Landschaft, ich bin doch hier fremd, wieder Angst vor der neuen Wohnung, aber Duschka geht ihren Weg; entdeckte Notizen über Donoso Cortés und wunderte mich über mein [18]Wissen als 33Jähriger. Dann stand ich wieder auf, ordnete ein paar Bücher, wartete auf Duschka und Claire, die aber nicht kamen, trank mit Anni schönen Tee und ging zum Bahnhof Schlachtensee, [19]fuhr nach Steglitz zurück, Popitz hatte Besuch, ich unterhielt mich noch nett mit Corry, korrigierte meinen Vortrag über die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, den Mutius [20]geschickt hatte, das Glück der Ablenkung, die in einer solchen Arbeit liegt. Schöne Unterhaltung mit dem guten Hodler, dessen Schwägerin verstorben ist; [21]ein rührender, lieber Kerl, rührend das Schwächlich-Katholische seines Wesens. Beim Abendessen nette Unterhaltung mit Popitz über die Beerdigung, [22]die Kraft der Lutherischen Bibel, Corrie war sehr nett, wir riefen bei Duschka an, inzwischen meldete sich Heinz aus Bern, nachher hörten wir Radio [23](beschwingte Musik, hübsches Nicolai-Duett aus Lustige Weiber), dann tranken wir Wein, Achkarren und hinterher Ahrwein, lachten viel [24](darf nicht mehr sagen, werde also nur noch sagen), Popitz „malte in Apokryphen“, Heisenbergs Kakerlaken, [25]Semmelweis, und Existenzen darf ich nicht mehr sagen (unexakt), um 2 zu Bett, sehr gehoben.

[26]Sonntag, 16/1 44. Bis ½ 10 ausgeruht, nicht geschlafen, aber gestärkt durch den schönen Abend, alles schlief noch im Hause, Corrie machte mir eine Tasse Tee. [27]Telefonierte mit Weber-Schumburg, dann fuhr ich mit dem Autobus T nach Schlachtensee, dort war Mutius schon. Schönes Gespräch über meinen [28]Budapester Vortrag, über Epp als Füsillade (de Bonald), schönen Tee getrunken mit Duschka und Claire. Wir fuhren um ½ 1 nach Steglitz, [29]kamen Punkt ½ 2 bei Popitz an, zum Hasenbraten, war aber zu und scharf, schöner Bordeaux dazu, nette, aber (wohl infolge der guten Knaben[)] [30]etwas stockende Unterhaltung. Nachher tranken wir noch Tee. Um ½ 4 brachte ich die beiden zum Autobus, von wo sie zu Frau Hahm fuhren. Immer in [31]Sorge um Duschka, das Gespräch von Herrn Dames, der den Juden ausgetrieben hat, vom Hausmeister, dem gekündigt ist usw. Ich sehe schwarz, aber die [32]tapfere Duschka fürchtet sich nicht. Ging nach Hause zurück und schlief bis 6, das tat mir gut, einen Augenblick schön gearbeitet über Donoso Cortés. Erstaunt über meine Erkenntnisse [33]1921. Heute keinen Schritt weiter. Um 7 einen Augenblick mit Hodler gesprochen. Beim Abendessen Gespräch über .

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[1]Um 5 im Alten Krug vorbei, wegen morgen vormittag Bescheid gesagt, dann nach der Brentanostraße, [2]todmüde eine Stunde im Bett, Angst vor , um ½ 8 von Popitz geweckt. Zum Abendessen, nachher Rheinwein getrunken, [3]Hodler stiftete eine Flasche Rüdesheimer Bischofsberg, der sehr gut schmeckte, aber nur ästhetische Illusion war, nicht montagstypisch [oder] [4]theologisch. Nettes Gespräch, in dem ich mich zurückhielt, alle waren freundlich und sympathisch, Corrie ein wenig verspielt (samt [5]ihrem Vater Hänschen). Ich trank etwas zu viel und zu schnell, um 12 zu Bett. Popitz über Friedensburg (den Ratten, die aus ihren [6]Löchern kommen).

[7]Dienstag, 21/12 43. Nachts einmal wach, große Angst, alles mache ich falsch. Um 7 aufgestanden, trotz der Müdigkeit, also jetzt geht [8]das Leiden wieder los, aber nicht mehr so verzweifelt wie vorgestern (so kommt der Tag heran, o ginge er wieder). Frühstückte, gab [9]Corry einen Kuß zum Abschied, zum Alten Krug. Dort war Markt! Die Wagen vom Spediteur kamen nicht, zur Amselstraße, [10]welche Dummheit, daß ich die Kisten dort abholen ließ, aber in der Amselstraße waren die Spediteure auch noch nicht gewesen. Zum Alten Krug [11]zurück; dort sagte mir der Wirt, daß sie erst morgen kommen. Jetzt kann ich ruhig fahren. Telefonierte [mit] Frau Hahm, nach der [12]Brentanostraße, eingepackt, telefonierte, um ½ 11 kam Friedensburg, frühstückte noch etwas, Friedensburg erzählte von [13]seiner Arbeit; daß er nicht mehr Referendar ist. Trug mir den Mantel von Duschka. Fuhr um 11 mit dem Wagen zum Potsdamer Bahnhof. [14]Wasse kam auch noch, sehr sympathisch, erzählte mir seinen Konfirmationsspruch (denn die Gottliebe muß ihn drängen zum Bußgericht), [15]will nach Greifswald, fand einen Platz im fast leeren Abteil 1. Klasse. Sah die nette Frau aus Nikolassee, doch war sie [16]in Begleitung eines Bekannten. Ein Oberleutnant aus Innsbruck, der Schranz von Bern kennt. Ein Flieger, der aus [17]Italien kam und erzählte, daß wir bald die Eisenbahn dort übernehmen. Der Oberleutnant war ein Rheinländer Fischer, der mich 1933 in [18]gesehen hat, in der Studentenschaft, mit Wallraff und Dietrich Schäfer befreundet war und bekannt. Wir unterhielten uns gut bis Braunschweig, [19]dann schlief ich etwas, 5-7, Angst, in Hagen nicht mehr mitzukommen. Es wurde kalt im Abteil. In Soest stieg Fischer aus, [20]wir unterhielten uns zuletzt noch über Rußland (er bewunderte den Mut der Kommissare, hielt aber Rußland für den gefährlichsten Feind, weil es [21]das gefährlichste Land ist, das uns überflügeln würde, wenn wir es nicht von dieser Organisation befreien usw.). Der Zug fuhr von Soest [22]schneller, aber es dauerte lange, bis wir in Hagen waren. Rannte in Hagen mit meinem Gepäck zum Bahnsteig 1, der Zug nach [23]Plettenberg stand noch da. Immer den Angelus sehr fromm gebetet. Im Zug nach Hagen ein netter Industrieller, der nach Neuenrade [24]wollte, wir sprachen von dem schnellen Wiederaufbau von Berlin; den und , der Leutnant sprach über Würzburg, über Wolgast, [25]schließlich stellte sich heraus, daß es ein aus Holthausen war. So kamen wir schnell nach Plettenberg. Dort war Duschka [26]mit Üssie an der Bahn. Also hatte alles gut geklappt, was mir wie ein Wunder erschien. Ich trank noch etwas Nahewein, [27]aß etwas zu Abend. Üssie war beleidigt und traurig, sprach mit Duschka und ging um ½ 2 zu Bett, schlief mit [28]Duschka im Zimmer, im anderen Bett Anima, der es gut zu gehen scheint.

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[1]Nachher Radio, romantische Musik, sehr schön Marschner und Weber, scheußlich der verlogene Wagner mit seinem Waldweben und seinem [2]Lohengrin (Gohohohohoot). Erste streitsüchtige Gespräche mit Popitzüber die Kastration des 2. Reiches und seinen Zusammenbruch, Identitäts[3]frage, falscher Kompromiß, allmählich friedlicher, welch ein Abgrund zwischen uns! Dann noch wunderschöner Bordeaux 33er, herrlich, leider war Popitz [4]todmüde, ich war munter, wir sprachen über meinen Budapester Vortrag, den er gelesen hat und der ihm zu gefallen scheint. Das machte mir Freude, [5]vergaß die Luftkriegssituation, in der ich stecke, und war eine Stunde lang munter. ½ 12 zu Bett. Gut habe ich Kanne dafür für Schöler.

[6]Montag, . Nicht gut geschlafen, nervös, Ohrenklingen, aber ausgeruht, eine Stunde lang angezogen, rasiert, wieder ins Bett, Vorlesung [7]überlegt, um ½ 11 aus dem Haus und mit der U-Bahn in die Stadt. Will Schöler den Kanne schicken. Stieg Kaiserhof aus, [8]ging an der Buchhandlung Schweitzer vorbei, um den Savigny zu kaufen, bekam ihn aber nicht, zum Postamt in die Französische Straße, Brief an Schöler geschickt, [9]noch einen an Medem, froh, das erledigt zu haben, und zur Universität. Dort sprach mich Thöne an, der die Bücher von der Staatsbibliothek transportiert [10]und mir helfen will, was mich sehr freute, Brinkmann zeigte den Brief von Frau Sombart, deren Bücher neben verbrannt sind. Brinkmann [11]will wieder bei uns wohnen. Hielt dann meine Vorlesung, etwas eilig, aber gut und gedrängt. Nachher kam ein Ungar, der versprach, das Manuskript meines [12]Budapester Vortrags zu besorgen. Traf noch den Doktoranden Maiwald, Unter den Linden, Ritterbusch und seinen Bruder, der Bruder gefiel mir, Ritterbusch [13]war mißtrauisch, ich war ganz klein und dünn, sagte nichts, sprach einen Augenblick von meiner Ausbombung, deprimierend und voller Angst vor [14]diesen Henkersknechten. Zum Adlon, dort Mutius getroffen, dann auch Weber-Schumburg. Wir aßen gut, tranken eine Flasche Rotwein, [15]Weber-Schumburg erzählte von Schweden, aber nicht ganz durchsichtig. Ich bezahlte, kaufte mir noch eine viel zu teure Flasche Wein, durch Vermitteln [16]von Weber-Schumburg beim Barkellner. Fuhr nach Schlachtensee, Duschka war entzückend, die Unverschämtheit von Müller-Albrecht [17]scheint auch den Behörden klarer zu werden. Suchte einige Bücher, fand meinen Aufsatz über den Wahnmonolog. Aß um 5 ein [18]Butterbrot und fuhr nach Steglitz zurück. Angst vor Alarm, weil dunkles Wetter. Zu Hause nicht ins Bett gegangen, [19]bei Popitz im Zimmer, Donoso Cortés Reden gelesen, sehe meine frühere Unwissenheit, Popitz fand meinen Richard Wagner-Aufsatz von 1912 [20]sehr schön; was mich natürlich freute. Beim Abendessen war ich bescheiden, nachher hörten wir Radio (Furtwängler-Konzert, Beethoven-Violinkonzert), [21]schön, aber mir zu lang, dann Rotwein getrunken (die Spätweinlese), 2 Flaschen, Popitz war rührend nett und sprach über meinen Budapester [22]Vortrag, fand, daß die juristischen Begriffe (insbesondere Achtung vor der Person) philosophischen Ursprungs sind, daher die Absetzung gegenüber [23]der Philosophie und Theologie schwieriger ist, im übrigen rühmte er den Aufsatz als mutig. Ich war glücklich, jemanden zu finden, der meine Äußerungen liest [24]und mit dem ich darüber sprechen kann. Um 12 ins Bett.

[25]Dienstag, . Bis 10 im Bett, ausgeruht, immer noch gehoben von dem Gespräch und der Anerkennung. Überlegte einige Änderungen, [26]frühstückte, glücklich, daß kein Alarm war, zur Stadt, fragte Pyritz nach der Äußerung Goethes: [(]Es bedarf [27]nur eines Juden), traf Hedemann, der einen Vortrag in Spanien halten soll, dann meine Vorlesung, sehr gut (Verfassungsrechtsvergleich, über Ministeriale), nachher [28]gab ich dem jungen Ungarn das Manuskript für Kuncz; mit einem netten Postbeamten, der bei mir hört, Bartsch, in der Bahn gefahren, [29]über Post unterhalten, dann nach Schlachtensee, schöne Fahrt; mein Gott, jetzt werde ich wieder auf diese Ebene geführt; innerlich ganz passiv; alles war die [30]schreckliche Sorge Duschkas, nicht meine eigene. Aß mit Anni und Tante Claire schon zu Mittag, ging zu Bett (Duschka ist zu Popitz). Freute mich, als sie [31]kam, schlief eine Stunde gut, um 4 aufgestanden, Weber-Schumburg kam, nachher noch Frau Hahm, nettes Gespräch, über Schweden, Blötz, um 5 ¼ zurück, [32]Tee und Schnaps getrunken. Gab Weber-Schumburg meinen Vortrag aus Budapest; er will nach Paris. In Steglitz ausgestiegen, in der Dunkelheit gefallen, etwas am Knie verletzt, [33]um ½ 7 schon wieder zu Hause. Nach dem Abendessen (Gespräch über Orpheus von Gluck, das Popitz mit Corrie heute Nachmittag gesehen hatte), mit Hodler

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[1]über Seeßelberg, akustische Architektur (2 Brennpunkte hören sich gegenseitig [2]sehr laut[)], mit [Popitz] eine Flasche herrlicher [3]Rauenthaler 37. Er war müde.

[4]Über Spranger [5]Lion und seine [6]Frau. [7]Über Spranger

[8]19/1/44

[9]bei Popitz [10]Brentanost.

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[1]über Seeßelberg, akustische Architektur, sehr interessant (2 Brennpunkte hören sich gegenseitig sehr laut). Mit Popitz eine Flasche herrlicher [2]Rauenthaler 37, er war müde (von dem Zuhälter, nicht einmal ein Gangster, schleimiger Frank, Schwein, [ich] sah den Haß, aber ist er [3]fruchtbar[?]), über den jüdischen Anwalt Lion und seine Frau, über Spranger, der nichts mehr mit mir zu tun haben will, seitdem ich die Judentagung 36 gemacht [4]habe, was er damals für mich tat, er nennt sich einen Politiker und Staatsmann; gewann ihn sehr lieb. Um 11 ¼ zu Bett. Von dem Wein sehr frisch, [5]etwas meine Vorlesung vorbereitet. Konnte nicht einschlafen.

[6]Mittwoch, . Nicht gut geschlafen, der Wein war zu gut und anregend. Um 9 langsam angekleidet, mit Freude an meine Vorlesung Völkerrecht [7]gedacht, mit der S-Bahn zum , Haare schneiden lassen bei Bühler, Telegramm nach Plettenberg, daß ich Freitag abend komme. Sah [8]Groh, der mir eine Bescheinigung geben will; im Ganzen traurig und voller Angst. Hielt meine Vorlesung gut, aber zu eifrig, hatte den Eindruck, daß [9]die Hörer nicht folgen können (Raumordnung, Trennung von Land und Meer), nachher kam der Perser und will morgen helfen, die Bücher aufstellen. Fuhr [10]mit S-Bahn nach Schlachtensee, trotz der Überfüllung war das sehr schön, wunderbares Gefühl, wieder eine Wohnung zu haben, aß gut zu Mittag, ging zu Bett, ruhte [11]aus, um 4 kam Hodler, wir tranken schönen Tee, Schnaps, schöne Gänsebrustbrötchen, die beiden Frauen sprachen mit Hodler, freute mich an der [12]Klugheit und dem Takt Duschkas. Um 5 ¼ mit Hodler zurück, vom Bahnhof Steglitz nach der Brentanostraße, schönes Gespräch über die Jungfrau von Orléans, [13]er findet das abergläubisch, Stimmen gibt es nicht, ganz typische Aufklärung. Auf meinem Zimmer einen Augenblick Ruhe. Wiederbegegnung mit Donoso Cortés, [14]tief enttäuscht, plötzlich großartig; Vorlesung vorbereitet, ich weiß nichts, um 8 aßen wir zu Abend, die nette Unterhaltung mit Popitz, Hodler, Corrie (Chefbesprechung mit Druckleitung, über Druckereien), [15]dann ins Herrenzimmer. Popitz über Verwaltung, Oberpräsident als Kommissar, allgemeine Verwaltung und Sonderverwaltung, gegen den [16]Anspruch der Post, ein Ministerium zu bilden, die 14 Tröstungen Luthers (von dem Heckel herausgegeben, während ihn sein Bruder in seinen wenigen Stunden seiner [17]dienstfreien Zeit gefördert hat, in Paris, diese Heuchler und Betrüger), Hochheimer Bodenheimer Hoch getrunken, der gut war, nettes, mildes [18]Gespräch mit dem sehr müden Popitz, fühlte mich wohl in meiner Rolle als Hase, ein Hase und ein Fuchs, der bist du wohl, Angst vor der eigenen Wohnung; der scheußliche Hausmeister, [19]alles ruht auf der guten Duschka. Ziemlich munter zu Bett, Kontakt mit erfahrenen und bedeutenden Menschen, der mir sonst fehlt.

[20]Donnerstag, . Wieder kein Alarm die Nacht, verdächtige Ruhe. Um ½ 8 aufgestanden, rasiert und einen Augenblick wieder zu Bett. [21]Mit Popitz und Corrie gefrühstückt, mit ihnen in die Stadt gefahren, um im Auswärtigen Amt ein Paket abzuholen, aus [22]Budapest, mit großen Erwartungen, es waren aber nur meine Bücher. Große Enttäuschung. Traurig bei Schweitzer vorbei, den Savigny bestellt, ob ich ihn bekomme? [23]Zum Café Victoria, an Bruno Bauer, den Berliner, gedacht, was hätte er gedacht (wer die Zukunft nicht kennt, kann auch die Vergangenheit nicht kennen), zwischen diesen Ruinen [24]einen Augenblick des Nachdenkens, die Hedwigskirche zerstört, damit die Lüge mit Kathleen. In die Universität zu Brinkmann, auf [25]sein Zimmer, Todesanzeige von Eulenburg, besonders schön (ein Leben voller Erfolg, Glück und tiefsten Leidens ist vollendet), über Grewe, [26]darüber, daß er, wenn die Not noch größer wird, bereit ist, zum Katholizismus überzutreten (alles aber freibleibend deutsch), dann im Professorenzimmer [27]mit Hartung, Hedemann und Füchslein, Reicke. Hielt meine Vorlesung gut, besonders über Oberpräsident in Preußen, für Weber-Schumburg, der es aber [28]nicht verstanden zu haben scheint. Er brachte die Ms. meines Budapester Vortrags, den er außerordentlich „mutig“ fand (worüber ich erschrak), meinte, der Vortrag [29]würde wie eine Bombe wirken, begleitete mich zur S-Bahn Unter den Linden. Ich fuhr nach Schlachtensee, aß dort zu Mittag, der Perser [30]Arasteh war da, ein netter Junge, der half die Bücher ordnen und sehr fleißig war, mit schwarzen orientalischen milden Augen. [31]Todmüde nach dem Essen geschlafen, schöner Tee mit Honig und Butterbroten. Rechtzeitig nach Hause zurück. Um 7 Alarm, im Luftschutzkeller nett unterhalten mit dem [32]Generalintendant von Wandersleben, über Heeresverwaltung und Kommandogewalt, schönes Gespräch. Nachher Um 8 ½ war der Alarm zu Ende, mit Popitz und Hodler [33]erzählte von seinem Besuch, noch [34]Wein getrunken, Rotwein, Chatière, Popitz kam um 11 mit Corrie von Jessen zurück, wir tranken noch weiteren Wein, bis 2 Uhr; über Träume (Corrie sehr nett über die [35] Art ihres Vaters[)].

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[1]Alle Schießbuden-Sieger, alle Karussellherren, alle [2]Schiffsschaukel-Piraten, sie alle werden überboten von dem billigen Jakob; [3]dem Größten aller Zeiten; der entfesselte billige Hiob, begriff das [4]Großkapital und der Plut- (was denkste?), [5]der Plut. ebenso wie seine Plutukratie.

[6] Das gefiel mir so gut (bei D. H. Lawrence gelesen). [7]Wasser ist nicht H2O; H2O ist eine Formel, die [8]aus Experimenten mit Wasser gewonnen ist; mehr haben auch alle diese Kakerlaken[9]wie Quanten-Planck und Heisenberg nicht gesagt.

[10]Dialektik des Gleichheitsdenkens, des Gleich-Machens (von unten nach oben, aber auch [11]von oben nach unten). Jeder ist ‚Herr‘, monsieur. [12]Jeder ist adelig (die Deutschen sogar ein Volk von Neuadeligen), jeder hat Rasse; [13]warum nicht; das ist doch erst die Egalisierung, aus der aber mit dialektischer Notwendigkeit [14]die Ungleichheit entsteht für Herrentum.

[15], Rückreise von Elberfeld nach Hagen und Plettenberg. Bekanntschaft mit [16]Niebecker aus Senden, Mutterhaus der Franziskanerinnen.

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[1] [2]Jenseits aller Verwertbarkeiten; glücklich am Saley, umhüllt von grünen Tannen [3]und von alten Erinnerungen; bei „Mutter“ Grün, im Mutterleib; [4]das ist das Geheimnis des Hauses, des wahren Eigentums, der Schale, der Kruste, [5]der Haut, der Felle, der Pelze. Ich denke nicht, also bin ich. [6]Jenseits der Zerstörbarkeiten; (jenseits ihrer Hörbarkeiten); [7]diese Undiktierbarkeiten, richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet (will dasselbe (liebet eure Feinde), [8]die rechte Wange darbieten[)]; [9]vernichtet nicht, damit ihr nicht vernichtet werdet? Es gibt aber keine Vernichtung. [10]Viel schlimmer noch, damit ihr nicht in das verwandelt werdet, was ihr vernichtet. [11]Mensch, was du liebst, in das wirst du verwandelt werden; zu deinem Heil; [12]Mensch, was du vernichten willst, in das wirst du verwandelt werden. Zu deinem [13]Unheil.

[14]Jenseits der Vernichtbarkeiten,
[15]Jenseits der Verzichtbarkeiten
[16]Jenseits ihrer Sichtbarkeiten.

[17]Wie bedeutend war das alles im Vergleich [18]zu „Jenseits von Gut und Böse“, wie[19]wirklich Jenseits von solchen Dingen ist, also auch [20]Jenseits von Gott und Gottlosigkeit, Verzicht auf solche [21]Schießbuden-Meisterschüsse und Jahrmarkt-Triumphe.

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[1]Alternative: Was ziehst du vor, Von den N. angespuckt und in den Hintern getreten, wie im Dez. 36; [2]oder eingespeichelt von Juden; [3]schließlich immer noch die N.Methode; sie lassen mir schließlich doch mehr Freiheit des Denkens; [4]im übrigen ist dafür gesorgt, daß sich die Unterjuden schnell in Juden verwandeln.

[5]Gespräch mit Popitz, 18/1 44: Es bedarf nur eines Juden, um Christus am Kreuze zu verhöhnen. [7]Popitz sehr nett über Heisenberg(das sind ja alles Kakerlaken), [8]ich male in Apokryphen. (Der Gegen-Faktor, [9]am Heiligen Grab in Jerusalem). [10]Über Semmelveiss. Unerhörte Leistung: In dem Augenblick, in dem die [11]Geburtenbeschränkung beginnt, wird die Hauptangst vor der Geburt, die Sorge um das wunde fette Weib, [12]besiegt; sonst wäre die Menschheit längst ausgestorben. So unser lieber Popitz? Überdenke [13]das doch einmal.

[14]Nimm dich in acht vor deinen Depressionen und Melancholien. Ein niedriger Teufel benutzt [15]solche Einbruchsstellen, streicht darüber sein Phosphor, und das ekelhafte Leuchten Phosphoreszieren [16]deiner Gedanken und Gefühle erscheint dir dann interessant. [17]Bei dieser Gelegenheit staune ich über die Selbstenthüllung, die in der Definition liegt: Denken ist [18]Phosphoreszieren des Gehirns; solches Denken, das zu solcher Definition führt, ist [19]selbstverständlich nichts anderes.

[20]Wenn man mir jemand 1939 erzählte, wie gefährlich das Leben heute ist, so hörte ich deutlich, [21]daß sie ihre Angst mit gefährlichem Terror und Schilderungen zu betäuben suchten; ; Zusammenhang von Angst [22]und Programm des gefährlichen Lebens. Die einen flüchten in das Grauen, die anderen in die Grauenlosigkeit. [23]Jenseits ist die Spannung gegenüber Diesseits; keine Immanenz gibt dem Diesseitsmenschen Spannung; [24]daher hier der Unterschied von Menschen und Termiten.

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[1]An Sobotta 6/1 44. Zu seinem Hinweis auf Marx, Judenfrage: [2]Hinweis auf Bruno Bauers Judenfrage 1843, und Rußland und das Germanentum 1853, seinen Nachlaß hat [3]der Bolschewist um 1930 aus Deutschland nach Moskau, ins Marx-Engels-Archiv, gebracht!!! Scheußliches Ende [eines] [4]deutschen Denkers, von dem die Offiziellen Deutschlands nichts gemerkt haben, am wenigsten die approbierte Wissenschaft, weder Philosophie, noch [5]Historiografie, noch Forschung zur Judenfrage. Das war für mich eine bittere Erfahrung, und das klägliche Dasein bitterliches Ausgebombt[-] [7]sein und das klägliche Dasein eines wohnungslosen Flüchtlings. Aber lassen wir das; es ist klarer durch ihren Hinweis [8]auf Marx Innerlichstes. Die Schrift von Marx ist über ein dutzendmal neu herausgegeben worden; die Schriften von Bruno [9]Bauer an uns hier nur einige wenige, an den Fingern abzählen. [10]Mit herzlichen Grüßen usw.

[11]Glaube an die Hilfe der Mutter (auf dem Weg zu ihrem Grab 6/1 44). Aber-Glaube wird das doch erst, wenn man nicht [mit] anderen darüber spricht, [12]oder eine Methode daraus macht, oder andere zwingen will, es zu glauben; erst mit der Veräußerung; [13]ungeheurer Spielraum der Innerlichkeit, vor jeder Zerstörung durch einen Beobachter geschützt.

[14]An Frau Stock: Tout ce qui arrive ist frommer und tiefer als Hegels vernünftig; [15]vernünftig ist es ja auch gar nicht, aber adorable. [16]Bemerkte, daß mein Lieblingssatz: On se lasse de tout ex. de pes [17]nur eine Variante von cogito ergo sum ist.

[18]Rolle des Juristen: Hält sich an die Effektivität der staatlichen Macht: Seid untertan der Obrigkeit; das ist Jurisprudenz, [19]das ist Recht und Weisheit; aber seid untertan, nicht blindlings, sondern behaltet die Obrigkeit im Auge, [20]achtet auf das, was sie tut, [21]auf die Folgerichtigkeit der Befehle, [22]nehmt sie beim Wort; [23]legt sie fest, [24]bindet sie an sich selbst. (Reine Selbstbindung ist Unsinn, [25] schaltet sich ein Dritter ein, [26]der die Selbstbindung kontrolliert; [27]das ist der Sinn der Selbstbindung).

[28]Morgens 7/1 44: [29]Mit erschreckender Deutlichkeit: Die Überlebenden machen sich seßhaft; manche [30]Fam gründen Familiengüter; die anderen sind die Ausgebombten, [31]du gehörst zu den Ausgebombten; also wer kann endlich glauben? [32]Erscheinungsform des Portugiesen, der es vernichtete, im Vergleich zu der [33]die marxistischen Vorstellungen sehr harmlos sind. Die Seßhaft-Gemachten und verwöhnt Gewordenen [34]werden schon mit den Ausgebombten fertig, mein Freundchen; mach dir nichts vor; du weißt inzwischen, wohin du gehörst,

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[1]Ps., als Israel zog aus Ägypten (114).[2]Feierte die Befreiung der Seelen aus der Knechtschaft (so Dante in seinem Widmungsschreiben an [3]Can Grande della Scala). [4]Im 2. Gesang des Purgatorio singen die Seelen, die an der Insel der Reinigung landen, [5]diesen Psalm. [6](Darin steht ja auch: Vom Bach am Wege wird er trinken, das ist das Vertrauen, daß der Gott Trank und Speis schickt, am Wege.

[7]Schimpfe, lieber Carl, auf das rég. nicht allzu laut, [8]du hast, bevor es da kam war, eifrig schon daran gebaut.

[9]Schimpft, liebe Leute, doch auf das Regime nicht allzu [laut], [10]ihr habt, bevor es da [war], selber eifrig schon daran gebaut.

[11]3/4.1.1944: Begegnung mit dem armen Rembrandt-Deutschen; typisch protestantisches, norddeutsches Gezeter. In ästhetischer Bildung. [12]Historiographie, mit Rembrandt, Bismarck, Goethe, Shakespeare, Spinoza usw. als Heiligen, aufgeplusterte Begriffe wie Blut, deutsch, Volk, [13]als Pseudo-Mythen. Wie traurig ist das alles; das unendliche Schimpfen auf die Zeit, auf die Professoren (das ist er doch [14]selbst), auf die halbe Bildung. Das also war die Opposition im Jahre 1906. Gut, daß ich nichts davon bemerkt habe, [15]als ich Zeitgenosse war. Der große Jugendstil, rührend, auch das Ornament auf dem Buch. Erinnert mich [16]fast an Moeller van den Bruck, planktisch im Bildungs-Plankton. Ästhetische Sehnsucht nach dem Politischen; traurig. [17]Warum begegnet mir das alles jetzt? Weil es erledigt und bedeutungslos, geschichtlich aufgehoben ist? Wie wunderbar hat Gott mich [18]aufgespart, für die Zeit von 1919 - 1939. Warum soll das weitergehen? Müßte ich nicht aufhören, Hölderlin zu zitieren. Ist das nicht noch immer dieser Stil.

[19]An Grewe 4/1 44: [20]Gratulation zu seiner Vermählung; in dem Maelstrom der gegenwärtigen Weltlage ist das kleine Boot einer Familie [21]eine sicherere Stätte als die mächtigen Vehikel riesiger Organisationen. [22]Zu seinem Buch 1-8: Ich habe es natürlich gleich verschlungen und die überlegene Verarbeitung der konfusen historischen Literatur bewundert. Daß Sie [23]meine Bemerkung zu Rein's Arbeiten zitieren, ist zu viel Ehre. Begreiflicherweise war die Spannung auf den Fortgang des Gedenksatzes [24]sehr groß. Es ist zu traurig, daß das Buch nicht bald erscheint. Doch ist es schließlich auch nicht an den Tag oder das Jahr gebunden, und ich [25]darf ihnen vielleicht, als der Ältere und als ein fatorum libellorum peritis, aussprechen, daß [26]die Kinder unseres Geistes schon mit dem Manuskript ihr Eigenleben beginnen und unserer Väter Wünsche ! Immer ohne besseren Zeitsinn, [27]tiefer Schnitt. Das sage ich freilich nur allgemein, denn ich kenne bisher nur eine Einleitung, die allerdings bedeutend [28]genug ist, um dem Ganzen bereits die Fähigkeit, ein Schicksal zu haben, zuzusprechen.

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[1]Ein Stein in ihren Haufen gefallen ist; anderen aber wird die Erschütterung zu einer Erweckung und Erneuerung werden.

[2]An Adams . [3]Frau Schmitt will unbedingt nach Berlin zurück „Nun, Petrowitsch, dann wandern wir nur weiter.“ [4]Sie schreiben, der Enthusiasmus der frühchristlichen Zerstörung der Welt sei weit und fern von uns. Aber ist das nicht immer [5]dieselbe Situation des christlichen Äon? Die termitisierte massa perditionis der Großstadt ist [6]ja auf ihr neues Diesseits dressiert und kann nach jeder, noch so grauenhaften Zerstörung immer nur den alten [7]Ameisenhaufen von neuem beginnen, jeder Erschütterung, jeder Erneuerung, jeder Erweckung, jeder Wiedergeburt unfähig. Die Parallele [8]mit der Zeit der Caesaren und des ersten Christentums ist eben mehr als eine Parallele; es ist die immer identische zentrale Situation [9]des immer noch christlichen Äons. Bei Bruno Bauer ist das besonders klar zu sehen, namentlich in seiner [10]Schrift Rußland und das Germanenthum 1853, deren weltpolitische Kerngedanken den politischen Testamenten der [11]Hohenzollern entsprechen: Preußen (Deutschland) gehört an die Seite Rußlands; der Westen ist keiner inneren Erschütterung mehr [12]fähig; daher sind unsere fällig!

[13]Jünger fragt mich nach einem Buch von Walter Schubart: Europa und die Seele des Ostens. Haben Sie davon gehört? Es soll [14]vor etwa 10 Jahren erschienen sein.

[15]Der Anblick der zertrümmerten Wohnblöcke in der Leipziger Straße ist ebenso eine Enthüllung jämmerlichster Gräßlichkeit, [16]wie der Anblick der Schutthaufen zerstörter Villen in den westlichen Vororten. Hier werden erstaunliche Nichtigkeiten sichtbar. Auch [17]durch Zerstörung der katholischen Pfarrkirche in Dahlem, die jetzt wie eine Kino-Kulisse dasteht und nicht einmal in diesem Zustand [18]auf Wirkung zu verzichten weiß.

[19]Schreiben Sie bald wieder.

[20]Adams schrieb: Wenn das Gehäuse zerbricht, wissen sie (diese alten Frauen und Männer) [21]nicht mehr, was sie tun sollen. Der Enthusiasmus der frühchristlichen Zerstörung der Welt [22]ist weit und fern; vielleicht auch weil die 2. Ankunft und der neue Himmel und die neue Erde [23]nicht mehr geglaubt und gehofft werden.

[24] An Frau von Schnitzler geschrieben: Laudse ist eine wunderbare Nahrung und wohl geeignet, einem die immer wiederkehrenden Anfälle eines „Willens zu“ etwas [25]abzugewöhnen. Man sieht dann deutlicher, daß dieser jämmerliche „Wille zu“ die tiefste Ohnmacht, weil unfruchtbarste Ohnmacht, ist. Aber der Anblick [26]des zerstörten Berlin, der zertrümmerten Wohnblöcke im Inneren der Stadt, der weggeblasenen Villen in den Vororten vermittelt doch noch Erkenntnisse [27]anderer Art, Enthüllungen der Kern-Situation des christlichen Äon und des Schicksals der termitisierten massa perditionis [28]unserer Großstädte, die keiner Erschütterung, keiner Erweckung, keiner Wiedergeburt mehr fähig sind. Ich bleibe dabei: Tout ce qui arrive und vertraue auf den geheimnisvollen [29]Sinn dieses tremendum. Beten Sie für uns, wie wir für Sie beten.

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[1]. Der Über-Mensch ist der, der über-lebt, und soll nicht sterben[:] [2]sur-vival, sur-vivre, sur-réalisme [3]über-lebe oder vernichte; wie einfach und klar sind die Worte, welche Dunstwolke [4]von Ablenkungen ist um sie gebreitet!

[5]. Das Gespräch mit Po, über den Staat, er bleibt beim allgemeinen Staatsbegriff (dem er einen Idealbegriff unterschiebt, auf den [6]er nicht verzichten will und den ich für unhaltbar und schädlich halte), der Mann des Staats (ich in der Kirche, der [7]Bewegung, der kleinen Eigenständigkeit, alles das, weil ich isoliert bin, isoliert wie Bruno Bauer), [8]er warf mir professorale Rechthaberei vor, Imponiertheit, Geistreichelei; es war sehr kränkend und mein [9]Versuch, die tiefere Ebene zu erreichen, durch unsere menschlichen Verschiedenheiten unserer Meinungsverschiedenheiten klar zu werden, [10]scheiterte an seinem politischen Willen, der mir aber gar nicht imponieren konnte, in meiner knabenhaften [11]Hilflosigkeit sprach ich sogar vom κατεχων, meinem innersten Geheimnis. Aber es rührte ihn nicht. [12]Er will etwas, und damit ist seine Freundschaft zu mir zweckbestimmt. Das kann ja gar nicht gutgehen. [13]Trotz seiner Gutmütigkeit und seiner persönlichen Anständigkeit. Die Situation ist stark und grauenhaft. [14]Beschleuniger wider Willen; armer Illusionist! Dabei immer dialektische [15]Option zwischen Land und Meer. Im Umschlagen in den Prointerventionismus; die [16]2 Aufsätze im Reich oder doch strukturelle Entwicklungsbegriffe Bauers!

[17] [18]Brief an Werner Weber in Leipzig: [19]Ich weiß, wie schwer Ihre Lage ist, lieber Herr Weber, und was Ihrer lieben Frau jetzt alles an physischen und seelischen Leiden zugemutet wird, wie wenig menschlicher [20]Trost hier vermag, weiß ich ebenfalls aus eigener Erfahrung. Trotzdem liegt ein geheimnisvoller Sinn in allem, was geschieht und was [21]uns trifft, und man ist erst dann besiegt und „vernichtet“, wenn man den Zusammenhang mit diesem Sinn selber preisgegeben und abgeschnitten hat. [22]Wir müssen alle in diesen schrecklichen Zeiten unendlich Neues lernen, und wenn ich die grauenhaft zerstörten Wohnblocks der Berliner Innenstadt [23]oder die jämmerlich zusammengestürzten Villen der westlichen Vororte sehe, so glaube ich, Enthüllungen einer falschen und verlogenen Art [24]vom Dasein zu sehen. Selbst die halb-eingerissene katholische Kirche in Dahlem und das von einer Sprengbombe getroffene [25]Pfarrhaus des überaus sympathischen Pfarrers Gebhard nehme ich davon nicht aus. Die termitisierte Großstadtmasse lebt einfach weiter, wie Ameisen, denn

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[1]Der Streit um die Frage, ob die Erde sich um die Sonne dreht oder die Sonne um die Erde, [2]ist doch nur ein Streit um den Beobachtungsstandpunkt; [3]einen anderen als den anthropozentrischen Beobachtungsstandpunkt kann es nicht geben. [4]Heute: global, immer noch die Nachwirkung jenes Wechsels des Beobachtungsstandpunktes, [5]der im 17. Jahrhundert eingetreten ist; verbindet sich jetzt mit falscher Transcendenz: Gott ist [6]anthropozentrisch: das heißt, oben und unten unterscheiden können; das ganz Andere. Der Haß gegen den atopilen, [7]Haß gegen die Unterschiede von oben und unten.

[8]Parasitäre Typen wie Emge, sie leben plätschern im Bildungs-Plankton, wie die Fische im Plankton [9]des Meeres, ihnen fliegen die gebratenen Tauben buchstäblich in das Maul; die geistvollen Einfälle ergeben sich [10]von selbst, wenn man nichts tut als Nietzsche lesen und herumplaudplätschern.

[11]Aus einem Aufsatz von Paul Gnuva (Rundfunker[):] [12]Denken fürs Ohr, [13]Sprechen fürs Auge, [14]Schweigen fürs Herz. [15]Ist das nicht Irrsinn[?]

[16]Will die „Wirtschaft“ verselbständigen; das Geld soll nur eine wirtschaftliche, keine politische Rolle spielen; das ist falsch. [17]Falscher Begriff des Politischen; spricht noch von Welt, indem er das Geld [18]der Welt zuordnet, entwertet er den Staat.

[19]Begegnete am anderen Tag einem Adepten von Schmid, Lauermann;

[20]in der völligen „Beziehungslosigkeit“ scheint mir [21]ein Fehler zu stecken!

[22]Auch die Trennung von Staatsgeld [23]und Weltgold ist [24]nur im Großraum möglich. [25]Innen-Recht und Außenrecht sind [26]2 verschiedene Begriffe von Recht!! [27]Staatsgeld in Kleinräumen lächerlich und [28]entsetzlich; [29]nur Weltgold schrecklich und ein [30]Mittel der Versklavung.

[31](Das Gold ist gegenüber dem Geld [32]das ganz Andere! [33]Immer dasselbe Schema.)

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[1]Eschweiler (sah ihn im Dez. 43, in Berlin über dem Breitenbachplatz) freundlich, mir zuwinken, aus dem [2]Jenseits. Dann fand ich einen Aufsatz von ihm bei Popitz: über die Gegensätze in der Barock-Philosophie, deren [3]Kern Stoizismus ist: Individualismus und Kommunismus, Freiheit und Gesetz, das abstrakte Individuum kann [4]unmittelbar ins abstrakte Gemeinwesen versetzt werden, mag dies nun Menschheit, Weltstaat, Weltkirche oder Weltverein genannt werden. [5]Das ist dann der „ewige Friede“ und die „ewige Philosophie“. Alles wird begrifflich entgegengesetzt, aber kein weltanschauliches (!)[6]Anderssein. Eschweiler sagt richtig: Dieser abstrakte Universalismus der Allgemein-Menschheit erlaubt es, ihm [7]jede Subjektivität zu unterschieben, eine Herrschaft unauffällig zu erhalten, ohne ihr weltanschauliches Selbst zu offenbaren offen einsetzen zu müssen, [8]„aus dem Gebrauch der stoischen Denkmethoden allein läßt sich darum nicht erkennen, welches die weltanschauliche [9]Subjektivität ihres Gebrauchers ist.“ Das kann nur an der konkreten geschichtlichen Wirksamkeit entschieden werden. [10]Sehr schön, sehe jetzt mich selbst: Freund und Feind; sehe den Grund meiner Freundschaft mit P. Linn, [11]der den „Idealismus“ Platons als den wahren Feind erkannt hat. Eschweilers Aufsatz aus dem Deutschen [12]Volkstum, 1936 April.

[13]Vultus fortunae variatur imagine lunae [14]crescit, descrescit, constans persistere nescit (soll Schliemann gesehen haben, Inschrift in [15]Königsberg.

[16]95 Thesen vom Geld von Fred Schmid, 1935. [17]Trennung des Goldes vom Geld (Gold ist Ware; Geld ist Währung), [18]Staatsgeld und Weltgeld völlig getrennt; das Geld der einen Ebene stellt auf der anderen Ebene [19]überhaupt kein Geld mehr dar! Das Staatsgeld jeder [20]Nation hat jenseits der Grenze aufgehört, Geld zu sein, [21]das Gold des Welthandels hört innerhalb des Staates auf, Geld zu sein; [22]Staat als Personifikation für den Welthandel.

[23]Bleibe beim Begriff Welthandel!

[24]Staatsgeld und Weltgold sind [25]inkommensurabel!

[26]Der Goldbesitz wird von der privaten Ebene losgelöst; kein direkter Kontakt mit der Welt, Weg nur über den [27]Staat.

[28]Beide (Staatsgeld und Weltgold) verhalten sich nicht wie eine Währung zur anderen; zwischen beiden besteht kein natürlicher Umrechnungsfaktor. [29]Verhalten sich nicht wie rot und blau, [30]oder 3 : 5; sondern wie 3 : rot!

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[1]Immer wieder darüber nachgedacht: Die Lust empfängt und gebiert die Sünde; sie könnte also auch den Geist empfangen? Ist sie ein bloßes [2]Sich-Öffnen, in das nun ein Samen fällt? Ein guter oder böser Samen? [3]Die Lust ist in der Tat ein Sich-Öffnen, ein Sich-Ausliefern, ein Wehrlos-Werden. Nicht die Lust will Ewigkeit, sondern der [4]Samen, den die Lust empfängt. Die reine Lust will gar nichts; der Wille ist das, was die Lust empfängt. [5]In die Lust des Mannes steckt kriecht die Sehnsucht nach der Rückkehr in den Mutterleib hinein, das ist die Sehnsucht [6]nach dem Tod; dieser Samen empfängt die Lust und wird zur Sünde. [7]Aber das gilt doch nur für die Lust des Mannes, nicht für die Lust der Frau. In diese kriecht die Angst [8]vor der Belastung durch Geburt des Kindes, und wird dadurch zur Sünde.

[9]Sehe mit grotesker Deutlichkeit plötzlich: Wir werden zusammen Kartenspiel Skat spielen, unsere Überlegungen über die Spielnachbarn und uns hinterher über die Spiele unterhalten, den beinahe gewonnenen [10]Grand usw. Das ist doch dasselbe, wie wenn die Kaiser und Könige und Marschälle und Agenten ihre Völker zur Schlachtbank führen, [11]und sich über Theheran oder andere Dinge unterhalten; und dann kommen diese widerlichen Sklaven, eine lächerliche [12]Kaste von Bedienten, und schreiben die Geschichte dieser Spiele, wie elend diese Historiker. [13]In Comte: noch ein Rest von Stolz des clerc, als er sagt: Im Grunde ist jede [14]Beteiligung an der Macht „grundsätzlich herabwürdigend“. Diese armseligen Historiker aber sind nicht einmal beteiligt. [15]Dem gegenüber erhebt sich die menschliche Würde in den Christen, sodaß sich die Frage ergab: Kann ein Christ Historiker sein? [16]Ist das ungefähr so, als wollte man fragen, kann ein Mensch ein Esel sein. Geistreiche Antwort: Ein Historiker kann [17]Christ sein, denn es gibt ja sogar Deutsche Christen, aber ein Christ kann nicht Historiker sein. [18]Der Historiker wird Archivbeamter, oder Propagandist, Herold, Forscher,

[19]12/12 Erwin von Beckerath. Solche „Aushebungen“, wie ich sie erlebe, sind ein Mittel Einsicht. Tout ce qui arrive ...

[20]Wort und Ort; [21]das Meer ist Wort, nicht Ort; keine Ortungen, Ort ist Bild, nicht Wort; [22]sehr schön ist die Äußerung von Drake: Violinen sind dem Meer angemessener, Trompeten und Pfeifen dem Land [23](Othello). Dann aber das Problem der Instrumentalmusik: Hier emanzipiert sich die Musik vom Wort; also noch unbildlicher; [24]reines Meer. (Die Meereslinien nicht wuchtig, sondern mehr Kreise [25]und Biegungen. [26]Aus Versen)

[27]Traumfiguren in Wort-Kostümen; groteske Vermummungen; groteske Mumifizierungen [28]durch sprachliche Fassung; groteske Verlarvungen durch Wort-Hüllen und Wort-Verpackungen, [29]die den Sinn und sogar den bloßen Inhalt des Traumes unkenntlich machen. [30]Vom Trugbild (visuell) zum geschriebenen Wort, man malt sich diese phantastischen Transformationsprozesse [31]aus, das ist ja eine wahre Hexenküche der Verwandlungen.

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[1]Da waren sie also in Teheran, die Drei Großen, und der kleine Atopile wäre zu gerne [2]dabei, und da er nicht dabei, müssen wir weiter verrecken; [3]mit dem falschesten Ansatz der Welt.

[4]Die Welt ist nicht eine problemlose Einheit; sie ist auch nicht bipolar, [5]sondern polypolar, wie eine Fuge des 17. Jahrhunderts.

[6]„Doch uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruhn“ (Hölderlin).

[7] Poe: Dann aber erregte etwas Neues und Schreckliches die Aufmerksamkeit der [8]Gaffer und bewies, wie viel aufregender für eine Volksmenge der Anblick [9]eines kämpfenden Menschen ist als die entfesselte Wut [10]der seelenlosen Materie. (Metzenger[11]stein)

[12]Und nun erst die christliche Maskerade:

[13]Bismarcks: in verbis simus faciles, [14]furchtbar in seinem Zynismus; gibt es denn keine vis verborum? [15]Wie schön das Gespräch bei Poe zwischen Oinos und Agathos. [16]Über die Schöpferkraft der Worte: Alle Bewegung kann nur aus Gedanken kommen, und die Quelle aller Gedanken ist Gott, und die Wirkungsantriebe, die [17]sich der irdischen Atmosphäre mitteilen, gehen über das gesprochene Wort, das eine Wirkung auf die Luft ausübt.

[18]Die unvermeidliche Zerstörung des Traum-Inhaltes durch Worte [19]und Namen, die schon im wachen Zustand gefunden sind. Die Übersetzung der Sprache des Träumens [20]in die Sprache des Wachseins, oder die Umschaltung Transformation aus einer Welt in die andere, die Transposition, Transfusion, alles ein Problem.

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[1]Brief an Jünger, 28/XI 43. (Über Ungarn, Duschka ist nach Cloppenburg gereist) [2]Alle Berechnungen und Pläne werden sinnlos und doch besteht alles soziale Dasein aus lauter solchen Berechnungen und Plänen. Ich [3]leide weniger an den vielen Entbehrungen unseres gegenwärtigen Vagabundenlebens als [an] der bei jedem Luftalarm sich [4]aufdrängenden Unlogik des Mißverhältnisses von Schutz und Gehorsam. Ein Minimum von Logik gehört zur [5]menschlichen Existenz und macht, wie die kleinen Teilchen im Gehör, das Gleichgewicht erst möglich. Auch in den Katarakten [6]gelten solche Minima. Meine größte Sicherheit sind Wandrungen in den schweigenden Wäldern. Wanderer (es will sich der Wanderer zu Wartenden legen). Der Advent ist schöner,[7]nämlich aktueller, als der Frühling. In den letzten Tagen beschäftigt mich dabei ein „Waldlied“ von Lenau mit [8]folgenden Versen[:]

[9]Stimmen, die den andern schweigen,
[10]Jenseits ihrer Hörbarkeiten,
[11]hört Merlin vorübergleiten.“

[12]Hörbarkeiten: objektiv wie Kostbarkeiten; Lustbarkeiten; [13]oder subjektiv: was ich hören kann. [14]Hörbarkeit: aktivisch oder passivisch?

[15]Dieses jenseits ihrer Hörbarkeiten ist so schwebend, weil in der Schwebe bleibt, worauf es sich grammatisch bezieht: auf die [16]Stimmen, die schweigen; auf die andern, denen sie schweigen; auf Merlin, der sie hört? Das ist wundervoll. [17]Trotz vieler Verschmiertheiten ist Lenau doch eine echte Antenne für echte Hörbarkeiten. [18]Über Hieronymus Bosch arbeitet Dr. Wilhelm Fraenger an einem großen Buch, das sehr gut zu werden scheint. Ich habe [19]ihm von meiner Spanienreise im Juni noch viele Details aus dem Prado besorgt, besonders über den Garten der [20]Lüste (jardin de las delicias). Die Bosch-Tradition in Spanien ist sehr merkwürdig. Die [21]Bilderstürmer in Holland hätten die Bilder von Bosch vernichtet, wenn nicht die Spanier sie gerettet hätten. [22]Um den Walter Schubart werde ich mich bemühen; das Thema ist sehr wichtig, weil Europa sich heute den [23]Kindern und Ausgeburten seines eigenen Geistes gegenübersieht, nicht, wie früher, Fremden, Sarazenen oder Mongolen. [24]Neulich schlug ich auf: Jes. 17,14. [25]Geben Sie bald wieder ein Zeichen! Herzlich Ihr Carl Schmitt.

[26]Πυρσοι προσοισω [27](Zitat bei Poe, Die Andromache des Euripides).

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[1]Erste Worte Lenaus, bei seiner Rückkehr aus Amerika 1833 [2]an Justinus Kerner. [3]„Das sind verschweinte, nicht vereinte [4]Staaten von Amerika.[] [5]Wichtiges Argument. [6]Im März 1833 schrieb er (an Georg von Reinbeck): [7]Amerika ist das wahre Land des Unterganges, [8]der Westen der Menschheit. Das Atlantische [9]Meer aber ist der isolierende [10]Gürtel für den Geist und das alles höhere [11]Leben.“ (Er ist mit ungeheuren Illusionen in das Land der Freiheit gefahren).

[12]Schicke mich in meine Erkenntnis zurück, das ist Überlegenheit; Distanz, aber auch Isolierung und [13]Vereinsamung, Gefahr der Verjudung, zu werden wie jener Beobachter in Boschs Hölle, [14]mit seinem kalten Blick und seiner höhnischen schweigend[-]traurigen Verzweiflung; Gefahr, aber nicht Notwendigkeit; die [15]Erlösung durch den Christus rettet uns auch hier. [16]Wir müssen einen Namen für diesen Verzweifelten bei Bosch finden: Edgar Alan Poe? [17]Ich habe auch etwas von Ernst Jünger, vom verlorenen Sohn.

[18] in Plettenberg Jes. 17.14. „Um den Abend, siehe, so ist Schrecken [19]da; und ehe es Morgen wird, sind sie nimmer da. Das ist der Lohn unsrer [20]Räuber und das Erbe derer, die uns das [21]Unsre nehmen.“

[22]Schlug auf: 2 Kö 9: Bevor er weggeht und entrückt wird, sagt Elia [23]zu Elisa: Bitte, was ich dir tun soll, ehe ich von dir genommen werde; und Elisa [24]antwortet: daß mir werde ein zweifältig Teil [25]von deinem Geiste.

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[1]Hat Bruno Bauer Hegel noch persönlich gekannt? Sicherlich hat er ihn noch [2]gehört (1829-31), meinte [3]Körnchen.

[4]Nimmt man ihn beim Wort oder versucht man, ihn zu großer Klarheit zu zwingen, so beklagt er sich, [5]man verdrehe ihm das Wort im Mund.

[6]Der alte Generalstäbler (Westphal): nicht Land, sondern Zone (die Maginot-Linie war eine Zone). [7]Vorstoßen, durchstoßen, nachstoßen, mit verschiedenen Waffen. [8]Die Objektiven.

[9]Das Waldlied Lenaus, am Saley, herrlich, das Moos (moosiger Träumer). [10]„Jenseits ihrer Hörbarkeiten“, von neuem bewundert; die Adventstimmung des Waldes, der Wald als[11]Göttlichstes und Adventist; der Advent hat schon etwas vom Frühling; die volle Gültigkeit des Kirchenjahres, [12]Christ der einzige weiße Gott.

[13]Vielleicht war es im Ganzen nicht mehr als: Brot und Wein; das ist aber mehr, als man [14]hoffen durfte.

[15] [16]Begegnung mit dem großartigen Lenau: [17]O Einsamkeit, wie trinke ich gerne, [18]an deiner frischen Waldzisterne; wie scheußlich statt Quelle.

[19]Oder aus dem Gedicht: Die Frivolen: [20]Der Bube läßt aufgären mit Gekreische [21]Der niedern Leidenschaften trübe Maische[;] [22]Was als ihr Heiligstes die Menschheit kennt, [23]Er wirfts in seinen Kübel als Ferment.

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[1]Vor dem Haus etwas wüst und : Dort hinter jenem Fenster [2]verträumte ich den ersten Tag.

[3]Frage an Gehlen (Frage im Pareto-Stil): [4]Seßhaftmachung der Sippe ist die heutige Form der Flucht in die Sachwerte. Wenn ich statt Seßhaftmachung der Sippe Flucht in die Sachwerte [5]sage, so ist das Rationalisierung. Warum? Enthüllung, Demaskierung, Zerstörung eines Traums oder einer Täuschung, [6]Abwertung, Minimalisierung, Reduzierung, Herunterreißung, Umstürzen; mit einem Wort[:] Der Mensch stammt vom Affen ab. [7]Zu sagen, daß er von einem Engel abstammt, ist „irrational“; mystisch; metaphysisch. [8]Zu sagen, daß er vom Affen oder von einem noch weiter von unten abstammt, ist exakte, strenge Wissenschaft, illusionslos.

[9]Bei Kličković in Wien : Ich möchte, bevor ich sterbe, noch [10]einmal ausspucken, um meinen ganzen Ekel zum Ausdruck zu bringen und das, worauf ich [11]mit großer Wucht zurückkomme, ist das Wort: „Freizeitgestalter[].

[12]Im Schlafwagen nachts : Ich schlafe also, trotz des Maschinendefekts, [13]ruhig ein; der Kaiser Franz Josef ist ja auch jeden Abend eingeschlafen, [14]obwohl seine Situation, von Anfang bis zu Ende, 50 Jahre hindurch [15]ausweglos war.

[16]Wohlan, was sterblich war, sei tot[!] Lenau [17](Begegnung mit seinem Waldlied, Merlin)

[18]Wie Merlin
[19]Möcht ich durch Wälder ziehen..[]

[20]Stimmen, die den andern schweigen,
[21]Jenseits ihrer Hörbarkeiten,
[22]Hört Merlin vorübergleiten.
[23](Und im Kelch der feinsten Moose
[24]Tönt das ewige Gedicht.[)][]

[25]Vieles ist Däubler! Zauber.

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[1] []Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bei diesem Geräusche werden die [2]Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen und sich [3]in ihren königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revolution nur [4]wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte.“ Nehmt euch in Acht vor dem, was der Deutsche in seinem Freiheitsrausch tun wird. [5]Der Franzose gefällt nur der Hälfte des der deutschen Volkes: Das Das ist aber „eben diejenige Hälfte, die keine Waffen trägt, und deren [6]Freundschaft euch also wenig frommt.“ Aufforderung an die Franzosen, sich immer gerüstet zu halten, auf den Posten zu bleiben, [7]das Gewehr im Arm. [8]Erstaunliche Instinkte eines Juden; durch alle Mächte hindurch plötzlich großartig.

[9]Wir wollen reiten Tag und Nacht [10]bis wir den Traum erfahren.

[11](S. 125 der Anthologie von Epting, [12]der Ritter und die Maid).

[13]Wo ist unsere Bildung besser aufgehoben, wo wird sie fruchtbar werden? Wo werden wir selber als Deutsche fruchtbar werden? [14]Bei den Amerikanern oder bei den Russen? [15]Bei denen, die sich von uns führen lassen, und nicht bei denen, die uns verachten und als führerbedürftig ansehen.

[16]Das Regierungssystem Salazar heißt in Portugal die Situation, großartig. [17]Kein status mehr! Heinrich der Seefahrer ein Zeitgenosse des Cusanus!

[18]Seenahme bei Flächenhaftigkeit der Raumvorstellung nicht möglich? Jedenfalls sinnlos, das sei der wahre Grund der Freiheit der Meere; [19]seit der Volumenhaftigkeit hört das auf. Daher Seenahme im Mittelalter (trotz geringer technischer Möglichkeiten) [20]selbstverständlich. [21]Die Inselnahme (genauer, die Entscheidung für das Meer) entgegengesetzt allen übrigen Entscheidungen [22](Staats-Entscheidungen), vor allem auch dem c. regio ej. relig.

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[1]Freyer zog Ägypten mit in die Geschichte als Kultur, [2]dazu Goldberg. Ägyptens Götter waren wirkliche Götter, die die [3]Dogmen gemacht, gebaut, Technik (ebenso Rom, als es [4]ein Imperium geworden war). Die 4 Weltreiche der danielischen Weissagungen [5]und die christliche Heilsgeschichte kennen Ägypten nicht als Weltreich; sehr wichtig.

[6] im Sauerland: Jetzt kommt der Nebel wieder; die Berge schwimmen im Nebel, wie schwerfällige Schiffe; oder [7]ich gehe durch ein enges sauerländisches Tal, in dickem-milchigem Nebel zwischen den schweren Bergen, als führe ich in einen riesigen großen, nebligen Hafen zwischen auf einem kleinen Nachen [8]zwischen schweren Kriegsschiffen hindurch (Weg nach der Kersmecke), Nifelheim, Industriehafen; [9]das Erwachen der Berge, plötzlich sind sie auf dem [10]See, sind wach, Nachtleben läßt den blauen Himmel [11]nicht zu uns.

[12]: Auf der Höhe des Saley, blauer Himmel, warme Sonne, im Tal dicker milchiger Nebel, aus dem [13]Nebel steigen die langsamen Berge auf, wie blau-braune Inseln aus einem [14]weißen [15]Meer.

[16]Mit Staunen und Traurigkeit die berühmte Prophezeiung Heines gelesen (am Schluß von Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, [17]1. Aufl. 1835, 2. Auflage 1852; muß noch feststellen, ob diese Stelle schon in der 1. Auflage steht, was ich kaum [18]glaube, also ist es 1852!![)]. [19]Der Naturphilosoph „wird dadurch furchtbar sein, daß er mit den dämonischen ursprünglichen Gewalten der Natur [20]in Verbindung tritt, daß er die dämonischen Kräfte des altgermanischen Pantheismus [21]beschwören kann, und daß in ihm jene Kampflust erwacht, die wir bei den alten Deutschen finden“ (die Kämpfe, nur ganz zu kämpfen). [22]„Das Christentum[] - und das ist sein schönstes Verdienst - []hat jene brutale germanische Kampflust einigermaßen [23]besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, [24]zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon [25]die nordischen Dichter so viel singen und sagen. Jener Talisman ist morsch, und [26]kommen wird der Tag, wo er kläglich zusammenbricht. Die alten steinernen Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt [27]und reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor mit dem Riesenhammer springt endlich empor und [28]zerschlägt die gotischen Dome. Wenn ihr dann das Gepolter und Geklirre hört, [29]hütet euch, ihr Nachbarskinder, ihr Franzosen, und mischt euch nicht in die Geschäfte, die wir Deutschen zu Hause verbringen. Es [30]könnte euch schlecht bekommen. Hütet euch, das Feuer anzufachen, hütet euch, es zu löschen.“ usw. Immer wieder von neuem diese [31]Warnung an die Franzosen. Der deutsche Donner kommt, und wenn ihr es einst krachen hört wie es noch niemals in der

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[1]Dies ist doch gar nicht meine Heimat; es sei ein Experimentierfeld, Einübung im Landschaftssehen, in der Ortung, [2]bequeme Flucht in die alten Gehäuse früherer Neurosen, Entproblematisierung nach hinten, ins Frei-Problematische, [3]künstliche Gewohnheit, was suche ich hier: die Kraft meiner Jugend, die mir den Absprung aus dieser Enge ermöglicht, nicht aber diese Enge selbst; der Ursprung als neuer Absprung.

[4]Entzückt Beglückt von der Anthologie, die mir Epting schickte. . [5]Es liegt wohl Liegt es nur an meiner momentanen großen Empfänglichkeit für solche Eindrücke, daß ich von der Anth. d. l. p. a. [6](die Sie mir freundlicherweise an meine Berliner Adresse zusenden ließen) so beglückt und hingerissen bin? Ich habe einen ganzen Tag darin gelesen, obwohl das [7]Lesen von Anthologien bekanntlich sonst bekanntlich sehr schnell ermüdet. Aber hier ist die Synoptik zweier Sprachen und Geister mit ihrer wechselnden und wechselnden Erhellung so [8]unendlich mannigfaltig, durch verschiedene Jahrhunderte hindurch immer neu wechselnd neu, bei den verschiedenen Autoren so unendlich farbenreich, [9]individuell daß man nicht aufhören kann, aufzunehmen aus der diese das ununterbrechend wechselnde Panorama zu bestaunen und und immer neue linguistische und inter- und metalinguistische Beobachtungen Erfahrungen [10]zu registrieren. Ob sich ein Sprachwissenschaftler findet, der das Das ist ja wunderschön und wirklich mehr eine tiefere und reichere Fundgrube, mehr als eine große Bibliothek umfangreiche sprachwissenschaftliche Bibliothek. [11]Ich habe hatte bisher in meinem ganzen Leben überhaupt keine französischen Übersetzungen deutscher Gedichte recht ernst genommen, noch weniger zu mir aufnehmen können und jetzt überrascht mich eine solche Menge Hülle mir in solcher Fülle Fülle. Aufregend [12]ist die Frage, ob das umgekehrte Experiment in gleicher Weise möglich wäre? Ich glaube es nicht. Aber dann ergibt sich die weitere [13]Frage: Liegt darin nicht eine Überlegenheit der französischen Sprache als der überlegeneren, weil sachlicheren und bescheideneren, Mittlerin im Bereich europäischer [14]Geistigkeit? Stellen wir wenigstens diese Frage einmal unbefangen, und ohne jede politische Angst, ohne deutschen Neid und ohne französischen Geiz ohne Reflexion, [15]in aller Freiheit des europäischen Geistes, der schließlich doch stärker sein [wird] als die elende Furcht der Kleinen, [16]schlecht abzuschneiden. [17]Es hat keinen Zweck, einzelne Gedichte zu herzunehmen und zu loben, denn das Vergnügen wechselt ununterbrochen. Die Anpassungen Thérives [18]an Gedichte von Morgenstern nenne ich nur, weil sie, als surrealistische (Experimente , französische Experimente Transpositionen natürlich besonders frappieren. Ebenso [19]wäre es ärgerlich töricht, Gedichte zu nennen, die man vermißt. Ich vermisse gar nichts, und wenn ich das eine oder andere Gedicht suchte und nicht fand, [20]so hatte ich dabei nur den auf Wunsch, sie auch in den die fruchtbaren Synoptizismus einbezogen zu sehen. Von Johann Christian Günther würde das Gedicht Endlich [21](in der ersten Fassung), Trost-Aria, ein fabelhaftes Vorbild für barocke Rhetorik Beispiel dafür, daß innigste Poesie und barockste Rhetorik sich im Deutschen nicht ausschließen, was [22]sie im Französischen wahrscheinlich tun, und das Gedicht Th. Der Nachtwandler, von Theodor Däubler (im letzten Teil des Nordlicht, und [23]im Sternenkind abgedruckt) kenne ich, weil ich seinen unerhörten Expressionismus (aus dem Jahre 1910 veröffentlicht!) blitzvoll erlebte, als [24]ich, in der Nacht vom 23. zum 24. August aus den Trümmern meiner Dahlemer Wohnung herauskroch, die durch eine Luftmine weggeschleudert wurde. [25]herauskroch, Diese Verse Däublers im Kampfzustand, aus den Trümmern herauskroch mich aus den Trümmern herausarbeitete. Von An Konrad [26]Weiß, den jetzt ein spanischer Freund von ins Spanische übersetzt, hätte ich ein Gedicht dachte ich auch schon, damit ein für die Spanier wichtiger Name nicht draußen bleibt, [27]aber das sind nur die Wünsche eines Liebhabers. Auch sie gehören zu dem der Freude an einer solchen Leistung Leistung, im übrigen steht in [28]Vorrede [29]Sagen Sie Bitte auch Herrn GR. meine besten Glückwünsche Wünsche und sch zur zur Antologie. Indem ich mich an Ihre mit den besten Empfehlungen an Sie und Ihre sehr verehrte Gattin Frau Epting besten [30]Ich sage Ihnen herzliche Gl Ich sage Ihnen meine herzlichsten Wünsche zu dieser zu bewund bewundernswerten Antologie und ). Ihr stets Ihnen aufrichtig ergebener Carl Schmitt

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[1]Wenn sich das Laster erbricht, setzt sich die Tugend zu Tisch. [2]Gewiß; was aber setzt sich zu Tisch, wenn der Geist erbricht? Wie wir das in Deutschland nach dem Tode [3]Hegels oder Goethes erlebt haben.

[4]: Wieder ziehen sich die Berge in den Nebel zurück, überwältigender Nebel, flutend wie ein Meer darüber hängen, der hüllt die Berge im Westen in das tiefste [5]Patinir-Blau; alles wird nahe und verschwimmt ineinander; die Berge scheinen in das [6]Zimmer einzutreten, die Häuser werden wie Schuppen, die Zimmer wie Kajüten. Manchmal hüllt uns der Nebel ein, manchmal [7]die sonnendurchstrahlte durchsichtige Luft. [8]Dann kommt der Nebel, die Berge schwanken wie Schuppen.

[9]Wie grauenhaft, all diese Nationalhymnen, in dieser Musik stecken wir nun drin; das ist doch eine viel schlimmere [10]Erkenntnis, als sie die Strafe und andere hatten, die eine die Grauenhaftigkeit, das Ausstrahlen in die [11]damalige Sprache bekämpften. Wir sitzen in der Musik-Hölle, die furchtbarste aller Höllen; Tonika- [12]Dominanten-Hölle.

[13], an S. Maiwald (erst wollte ich ihm nicht schreiben, tiefes Mißtrauen), Antwort auf seinen Brief vom 18/10, [14]wo er sagt, solche Verluste hätten einen Sinn und Bedeutung. „Was Sie über Sinn und Bedeutung der mir widerfahrenen schreiben, [15]ist richtig. Es ist besonders ein Anlaß, über den Unterschied der Lage eines Soldaten und der eines Zivilisten im brutalen Krieg [16]nachzudenken. Der Soldat erhält eine neue Uniform, wenn er die bisherige verliert, der Zivilist, der seine Kleider [17]verloren hat, erhält einen Bezugsschein usw.; sein Schaden ist kein Opfer, sondern ruhmloses [18]Pech; es fehlt [dem] Volk der kleinste Schimmer von gloire, und die sich plötzlich verzehnfachenden Behörden, [19]mit denen man zu tun hat, behandeln einen auch dementsprechend, können auch gar nicht anders; [20]hinter dem hilflos gewordenen Soldaten steht eine Macht, konkrete Ordnung, die Wehrmacht; hinter dem [21]zerschmetterten Zivilisten steht nichts als ein soziales Nichts und der unangenehme Geruch des vom Unglück Betroffenen, vor dem [22]jeder lieber nach einer anderen Richtung schaut.“ [23](Verweis auf die These von Monentheuil über Course, 1898)

[24]1682 Nun ja, Ivano Petrowitsch, dann wandern wir [25]nur weiter. (Die Plagen Awwakums[)] [26]Mein Weib fragte: „Wie lange wird dieses Elend wohl noch dauern? [27]Und da sagte ich: Markowna, bis zum Tode ist uns auferlegt zu leiden um unseres Heilands Jesu Christi willen. [28]Nun ja Einen tiefen Seufzer tat sie dann und sagte: Nun ja, Petrowitsch, dann wandern wir nur weiter.“

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[1]Die Legende vom Stall zu Bethlehem oder das Totenreich nicht denkbar, der Schöpfer und Heiland (oder wenigstens seine Nachfolger) [2]müssen mit Pauken und Trompeten, von den berühmten Ärzten entbunden, in der Hauptstadt der Bewegung geboren werden.

[3]: Recht ergriffen von dem numinosen Elektronen-Kern der lateinischen Verse: [4]Quem jurorem rogaturus [5]cum nec justus sit securus. [6]Wiedererkannt: Raum und Klang; das Lateinische auf dem und über dem Deutsch des Mittelalters.

[7]Übermenschlich ist zum Beispiel das Maß des Neandertalmenschen. [8]Anders dem Affen, von dem wir abstammen, war wohl überhaupt der eigentliche Übermensch; für ein Relikt [9]des Ahnenkults müßte das selbstverständlich sein.

[10]Fühle ich, wenn die nur Gooohoot [(]Goohohohohoot[)] verlachten; du verdummtes vulgäres Menschlein, jetzt wird auch [11]Gott noch gleichgeschaltet, um deinen Genuß zu würzen und erhöhen, zur Tonika [12]zurück. Hier wird der Schwindel der To. [13]belebt, auch das betrügerische Ausnützen [14]überlieferter Gefühlswege [15](verdummte Schwindelsprache. [16]Organisch = nicht-organisiert[)].

[17]Immer wieder il éreuse le ciel.

[18]Die Patinir-blauen Berge [19]. An der Lenne, und , [20]der Übergang über den Acheron, [21]im Prado; glücklich für diese Begegnung mit einem solchen Blau, [22]in Spanien und in Westfalen. [23]Patinir, der blaue Nebeldunst, das alles kann man romantisch [24]nennen, Kulissenberäucherung und Kulissenzauber, nicht illusionistisch, aber introvertistisch, bezahlt mit dem grauenhaften Grau der Ernüchterung, [25]alles in dieser Gegend unter Glas,

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[1]Welche Beruhigung in den Worten des Tacitus (Hist.). Er sagt von einem Römer: [2]constans adversus metus. [3](Tröstete mich einige Tage lang; du lebst vom Wind der latinisierten Worte).

[4]‚Verfahren‘ kennen sie nicht: aber Methoden und Kunstgriffe; wenn einer mit der Methode, [5]mit der sie an den Franziskanerorden herangegangen sind und ein paar arme Teufel und Brüder wegen Sittlichkeits[6]verbrechen an der Welt brandmarkten, wenn ich mit dieser Methode an diese verschworene Gemeinschaft selber heranginge, [7]so würde die werte Welt die Krätze bekommen, das ist die Verfassung Deutschlands. Aber Verfahren ist im Deutschen sowieso [8]schon synonym mit verfahren.

[9]Meine Depressionen sind ja wirklich nichts als leeres und gesundheitsschädliches Zeitverprassen. Aber durch den Rest von [10]Christlichem, der in mir steckt, empfinde ich das gerade als Vorteil und Überlegenheit, so könnte man, in aktivistischen Momenten, [11]die Wut auf das Christentum bekommen (nicht auf das kirchliche, sondern das wahre, Apostolische, Kierkegaardsche Christentum) [12]und es in sich und den anderen Menschen auszumerzenrotten suchen, nicht weil es jüdisch, sondern weil es so [13]unjüdisch ist; so würde man sich in einen Juden verwandeln.

[14]Volk sind die Nicht-Regierenden, sind die Un-Mächtigen; [15]aber alle Macht soll sich vom Volk ableiten und ausgehen. Also die Macht abgeleitet geht aus von der Un-Macht und Ohnmacht; [16]profanistische Dialektik oder phantastischer Betrug; die Organität generiert die Macht. [17]Das alles wird mit dreister Starre gelehrt von Positivisten, die sich [18]über theologische Dogmen lustig machen. [19]Volk sind die Nicht-Organisierten,

[20]nach der Lektüre von Weizsäcker:„Nicht das Gröbste beherrscht das Feinste, sondern das Feinste das Gröbste“, Grundgesetz des Organs und [21]des Organismus (Auslösungsbegriff [22]Robert Mayers). [23]Maximal - Minimal; beides ist ja ganz egal. [24]Die alte Welt war nach der Entdeckung der neuen Welt doch nicht mehr integral, so wie [25]bisher die alte Welt; die alte Welt mit einer neuen Welt denkbar, ist eben [26]schon wesentlich geändert; das nennt man ‚Dialektik‘ der geschichtlichen Entwicklung; und das kann [27] nebeneinander entstehen.

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[1]Gewiss, Comte, es ist Herabwürdigung, mit Machthabern zu tun zu haben. [2]Machthaber unter sich, sie bezeichnen sich heute als des Fortschritts. Reich [3]sind wir auch; bedeutender Fortschritt auf dem Weg zum Bewußtsein der Freiheit. [4]Schmutzpropaganda als Werkzeug der obersten deutschen Idee. (Auf dem Weg zur Lennebrücke hinunter);

[5]Gespräch mit den guten Leuten (Karl und Josef Schröder) über den Leipziger Process; gerührt, also das ist [6]Ruhm, und ein Name: einer sagte im Eisenbahnzug: Ein Mann aus Eiringhausen führt für das Reich [7]den großen Prozeß! [8]Inzwischen bin ich also in der Lage von Papen, Seldte usw. Aber ich habe etwas voraus: Der Lev. hat mich wieder [9]ausgespien; das war die Bedeutung des Schmutzartikels im Schwarzen Korps; Zeitungsleitung war Schmutzleitung. [10]Ich bin also ausgespien; das war meine Rettung.

[11]Zum Totlachen! Was waren der Götter Sieben: Riesen, Zwerge, Prinzen? Die vollkommenen Sieben. 8 die wollten , da waren's nur noch sieben, Hauptsache, daß es 7 waren, [12]es waren 7 Götter; die Umstellung genügt für den Mythos; 7 Götter brauchen keinen Mythos, [13]Götter 7.

[14] Abends schönes Gespräch mit dem klugen Jup, [15]er ist für Rußland, gegen die Reichen, hält Schranz für einen Schlauberger, will nichts als seine Ruhe, durchschaut jeden Betrug, erklärt [16]alles für Betrug; die Dichter schreiben ihre Bildnisse auf, mit 2 Flaschen Wein und einigen Luminal-Tabletten kann ich das auch; in den Ruinen von Karthago, [17]grauenhafter Zustand. [18]Am anderen Morgen kleine Übung am Braukeller auf dem Bahnhof von Finnentrop, Don Quichotte kämpft mit dem [19]Kopf der kleinen Bürokratie; bis Attendorn mit ihm gereist.

[20]Langenbach sagte mir: Im Sauerland sagt man nasse Wiese saure Wiese; also naß = sauer und sauer = naß; [21]Hygrom des Nassauers: (ähnlich wie Land = Wurm), [22]die Rückkehr in den Mutterschoß? Im Mutterschoß ist nichts mehr los!

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[1]Dabei großes Gespräch über die Verwendung des allgemeinen Begriffes Staat, es war fürchterlich, er warf [2]ununterbrochen den Idealbegriff Staat und den allgemeinen Begriff durcheinander, machte mir zum Vorwurf, daß ich mich nicht genug der Verwertbarkeit [zuwende], [3]Geistreichelei usw. Ich versuchte immer, auf den tieferen Punkt zu kommen, aber vergeblich, schließlich löste sich der Krampf etwas, aber [4]die Sache ist aus. Traurig zu Bett. Sah den Eselskampf. Dumm, daß ich über den κατεχων sprach, in meiner Hilflosigkeit.

[5]. Um 6 wach, einige Stunden geschlafen, um 9 aufgestanden. Eine fürchterliche Nacht, Wutanfall gegen mich selbst, [6]was habe ich mich in diese Grube lenken lassen, jetzt lassen sie mich sitzen, Wut auf Popitz und seine Egalheit [7]der Staatsbegriffe. Zog mich wütend an, holte mir Wasser zum Rasieren, ging ohne Frühstück um ½ 10 weg, fuhr [8]mit dem Autobus nach Dahlem, stieg aus, im Alten Krug mitgeteilt, daß ich morgen die Sachen abhole, Walter war rührend, [9]in der zerstörten Kirche in Dahlem, ein Gegrüßt seist du Maria gebetet. Wieder munter und erleichtert, plötzliche Klärung, auf dem Weg [10]zu Rörig. Bekam eine Tasse Tee, die rührende Frau, der man ansah, daß er sie terrorisiert. Ich war nett, wir sprachen über das Interesse von Popitz, sie brachte [11]mir das Buch Verdun, sprach über das kommende Frühjahr, sprach von seinem Vortrag am Friedrichstag über die Hanse, begleitete mich zum Autobus (wir gingen nochmal [12]um, um seinen Vortrag über Kopernikus zu hören). Im Autobus zurück, wollte erst nicht ins Haus hinein, ging dann aber, telefonierte mit Sudhoff-Groß, der mich beruhigte [13]und sehr hilfsbereit war, mit Weber-Schumburg, mit Frau Hahm und Emmi Achterath. Will also doch zu ihr gehen, sie war sehr nett und gutmütig am Telefon. Wartete auf das [14]Essen, weil Corrie nicht kam, schließlich um ½ 3 gegessen und dann gleich nach Tempelhof. Es ist ein milchiges Wetter und nicht mehr so kalt. [15]In Schöneberg umgestiegen. Unerhörte Freude an dem Gegrüßt seist du Maria, und zwar auf Deutsch. Zu Hause ausgeruht, sauber gemacht, Corrie ein paar [16]Zigaretten gegeben, zum Abendessen, sehr nett unterhalten, über Rörig und (der mit einer Prinzessin verlobt ist). [17]Nachher mit Popitz, Hodler und Corrie 2 Flaschen Achkarren, bis 12 Uhr, nett geplaudert über Architektur, [18]Baustil, alles sehr friedlich.

[19]Montag . Nachts wenig geschlafen und viel gefroren. Um 7 aufgestanden, nun beginnt also der schwere Tag. Beim [20]Frühstück war die hübsche Freundin von Corrie. War Punkt 8 am Alten Krug, die Möbelwagen [21]kamen pünktlich, Herr Walter machte auf, alles klappte vorzüglich. War glücklich, die Glocke des Angelus von der zerstörten [22]Dahlemer Kirche zu hören. Frau Hahm kam um ½ 9, ich begleitete sie zur Post, schrieb Duschka, bildete mir ein, [23]heute fertig zu werden mit den Möbeln, was sich aber als Irrtum erwies. Suchte noch einige Bücher, mit Frau Hahm in ihrer Wohnung eine [24]Tasse Kaffee, dann nach Schlachtensee, auf die Möbelwagen gewartet, sie kamen gegen 12 und packten die Möbel ein. Angst [25]vor den Einpackern. Kindische Angst, unkindische Freude und Erlösungen. Die sympathische Frau Bartels. Die Zimmer werden ganz voll, nachher Krach [26]wegen des Trinkgeldes (jeder bekam schließlich 10 M! Der Älteste 20 Mark extra). Um ½ 4 mit Frau Hahm zu ihr, [27]schönen Kaffee getrunken, über Hahm gesprochen (der Zettel: Ich bin auf dem Friedhof), über Lewinski. Über das Gedicht Der Nachtwandler von [28]Däubler. Es kamen noch und seine Frau, wie sympathisch das alles.

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[1]Montag , nachmittags zum Kreuz, Quelle der Bommecke, Böddinghausen zurück, abends reiste Claire ab; hoffentlich kommt Anima Dienstag.

[2]Dienstag . 7.49 von Plettenberg nach Berlin (Ännchen und Duschka am Bahnhof), gut ausgeruht, im Zug von Hagen nach Berlin [3]nette Unterhaltung mit einer Frau (Mallinckrodt?). aus Nikolassee; über Nolde, Musik, Furtwängler, einem Herrn aus Krefeld [4](), einem jungen Mann aus Lüdenscheid (über Finanzierung), in Potsdam ausgestiegen, nach Steglitz gefahren, meinen schweren Koffer [5]geschleppt (zum Glück kam gerade der Autobus T), um 8 bei Popitz, das Haus ist doch arg mitgenommen, todmüde, [6]blieb aber auf bis 12 Uhr, aß zu Abend und trank hinterher schönen Burgunder. Hörte nachts über die Zerstörung von Berlin.

[7]Mittwoch . Todmüde um 8 aufgestanden, mit Popitz gefrühstückt und in die Stadt, in der Universität, auf dem Dekanat, beim Kurator [8](U.K.[-]Stellung), mit Siebert gesprochen (der merkwürdig fremd war), erleichtert, daß alles erledigt ist. Zum Bristol, von [9]da zur , Haare schneiden lassen, am Bahnhof Friedrichstraße Duschka geschrieben. Zu Hause zu Mittag gegessen, etwas ausgeruht, [10]nachmittags Gespräch mit Hodler über Architektur und Sozialstruktur; 7 2 zu Weber-Schumburg, mit ihm [11]in das Hotel, Betriebsversammlung, Unter den Linden, Gänsebraten gegessen, er will nach Schweden (?) [12]- wollte Brinkmann noch im treffen, nach Hause gefahren, von Steglitz zur Brentanostraße zu Fuß, [13]zu Hause ausgeruht, abends mit Popitz Wein getrunken (von der Mittwochsgesellschaft), Faß Rheinwein, er sprach über Literatur [14].

[15]Donnerstag . Morgens länger geschlafen, telefoniert, mit Grewe, dessen Buch verbrannt ist, [16]nachmittags mit Hodler Gespräch (über Architektur und Sozialstruktur), 7 Alarm, [17]mit Brinkmann im Luftschutzkeller, einige Luftminen, Popitz ärgerte sich über die Professoren, [18]Corrie weinte wegen des Historischen Seminars, abends [in die] Stube gegangen, Moselwein getrunken.

[19]Freitag länger geschlafen, zur Universität, Grohe, Reicke, Tietze getroffen, [20]zur Augustastraße, Alfons Adams, Paß zurückbrachte, nach Hause, versuchte, nach [21]Tempelhof, Nordbau der Adam hinein, Alfred Schmid, zu Emmi Achterrath , mit Wolf telefoniert, etwas geschlafen, [22]traurig, abends mit Popitz und Hodler Rotwein getrunken, also [23]morgen die Wohnung.

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[1]Dienstag . [2]Abends bei Popitz (Brentanostraße[)], wo ich gleich [3]nach dem Abendessen mit ihm und Corrie über Orpheus von Gluck [4]das Popitz mit Corrie heute Nachmittag gesehen hatte, mit Hodler

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[1]Samstag . Nachts öfters wach und die Kerze angezündet, um zu wissen, wie viel Uhr es ist. [2]Um ½ 7 aufgestanden, mit Ekel an die Sache Krupp Familienunternehmen gedacht. [3]Der verkrampfte Atavismus einer solchen Situation, ging zum Bahnhof Steglitz, in die Kante, fuhr mit der S-bahn nach [4]Schlachtensee, Punkt 8 im Haus, die Frau Bartels war nett, aber die Packer kamen nicht. Saß also [5]im Klappsessel (alles bessere Möbel als unsere), lächerliche Situation, armes Karlchen, Bruder Kellermeister, fürchte, daß [6]Duschka noch kein Gefühl der wirklichen Situation hat. Warum lasse ich mich auf solche Dinge überhaupt ein? Hörte, [7]wie nebenan telefoniert wurde, weil keine Kohlen mehr da sind und die Heizung einfriert. Wunderbarer Zustand, das hübsche [8]Frieren: Aber Frau Bartels brachte mir einen elektrischen Ofen; alles sonderbar und traumhaft; ich kann nicht mehr tun, als meine [9]Bereitwilligkeit zeigen. So verging eine Stunde. Um ½ 10 kamen Kohlen, ich gab dem Hausmeister 10 Mark für die Träger und wartete [10]weiter. Der Prokurist von meiner Speditionsfirma sagte mir, sie seien unterwegs, auch Montag werde ich den Möbelwagen schicken. [11]Diese schiefe, halbe Situation, Nachgeben gegen Popitz und Duschka, gegen mein eigenes, nihilistisches Flucht=Bedürfnis. Ich bezahlte die Kohlen, [12]10 M, [13]12 M, [14] [15]Kurz nach 10 kamen die Packer, bekamen Kaffee, fingen an. Ich war sofort erleichtert und hatte wieder kleine [16]Euphorie: lächerlich. Wärmte meine Füße, Frau Bartels war sehr nett, sah, daß ich alles falsch gemacht habe, weil ich [17]den Weg zum Eßzimmer versperrte, bezahlte die Rechnungen, um 12 ging ich nach Hause, fuhr nach Lichterfelde West, [18]holte mir 1000 Mark, dann in einer kleinen Bäckerei Brötchen und Kaffee, um ¼ 1 schon wieder zu Hause. [19]Ruhte etwas aus im Bett, aß dann mit Popitz zu Mittag, ging wieder zu Bett und schlief bis 5 Uhr, mit entsetzlichen Depressionen, [20]fast erdrückt wach geworden, meine Lage erkannt, hätte ich mich doch nicht auf das lächerliche Mittransportieren der Möbel eingelassen, hörte Corrie sagen, [21]ein unglücklicher Mensch erscheint anderen meistens komisch; erschrak vor Popitz, alles dasselbe, Hodler zog sich auch zurück, weil Montag [22]eine Sitzung mit Träger ist, ich muß den Bürgermeister noch verständigen, überflutet von Traurigkeit, Corrie interessiert sich nur noch für das [23]Historische Seminar und empfindet mich als Störung; da bin ich in eine schöne Grube gefallen. Stand im Eßzimmer des Hauses und wußte nicht, wohin. [24]Wollte mit Frau Hahm einkaufen, aber sie war nicht da. Alle meine Wunden bluten. Dachte daran, daß der arme Paul Adams seinem Bruder geschrieben hat, er [25]wolle jetzt sterben. Ging in mein Zimmer, weil ich nicht wußte, wohin, und war bald geströstet; vielleicht soll ich hier sterben, plötzlich ungeheuerliche Darstellung [26]zu all diesen Lächerlichkeiten und Menschen. Hatte den Wunsch, mit Duschka zu telefonieren, wagte es aber nicht, aus Empfindlichkeit gegen Popitz und seine [27]Art, ich empfinde alle diese Wohltaten als Formen der Versklavung und Unterwerfung; damit willst du dich wohl nur der Dreieinigkeit entziehen? [28]Habe gestern Eschweiler sehr deutlich gesehen, Verstimmung im , vielleicht komme ich durch den Tod zu ihm. Entdeckte [29]einen Aufsatz von ihm über Barock-Philosophie, Zuflucht, in den Büchern von Popitz! Vielleicht ist das ein Gruß. [30]Das fortwährende Ohrensausen ist eine Mahnung an den Tod. Ich war doch während des 1. Weltkriegs in einer schlimmen Lage, mit einer [31]kränklichen Frau, ohne Grund, in der Kaserne. So tröstete ich mich in der Ruhe des Zimmers. Um 8 aßen wir zu Abend, ich war äußerlich [32]ruhig und plauderte mit, Corrie war müde und aufgelöst, Popitz machte den Tisch, nachher trank ich mit ihm eine Flasche Achkarren.

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[1]später noch einmal (S. [)].

[2]Den großen Gedanken noch einmal denken (Klopstock, 19. Jahrhundert [)]. [3]Dann die Historiker (Ranke), die Philologen: Gedachtes noch einmal denken; [4]dann die Juristen: Gesetzgebung noch einmal denken; also immer reproduktiv. [5]Aufhören der Produktivität: Abschieben der Produktivität in eine andere Region, die einen [6]im Grunde nichts angeht: deis ? Nein? [7]Den verlorenen Weltkrieg noch einmal führen: Ergebnis: alles posthum.

[8]Immer wieder bei den Engländern: Sie haben es nicht gewollt und gedacht, die Deutschen dagegen wohl; der Vergleich mit Macbeth; Unwin. Gill. 1916. [9]Mackinder, 1919: Und gedacht, die anderen planmäßig und mit strategischer Überlegenheit; was werfen sie uns [10]also vor: unsere größere Bewußtheit; vollkommen richtig. Das mußte unsere Überlegenheit sein [11](auch wir sind Imperialisten, aber mehr unbewußt, nicht durch Programme und Pläne). [12]Seeley, Anfall von Geistesabwesenheit.

[13]Duschka kommt aus dem furchtbaren Konzert, 4. Symphonie, sehr schön. [14]5. Symphonie, lauter Sondermeldungen.

[15]Die 5. Symphonie von Beethoven: lauter Sondermeldungen.

Bellum, schöne Reihenfolge bei Thomas II, II, Quaestio 40; [16]1. q.

    [17]
  • 36: invidia
  • [18]
  • 37: discordia (quae opponitur paci) Frage: utrum disc. [19]sit filia inanis [20]gloriae, [21](oder die ira [22]Ja, sie ist eine Tochter der [23]i. gl!)
  • [24]
  • 38: contentio (ist sie ein pecc mort. [25]inordinata, ja, [26]andere nicht!) [27]Ist sie filia inanis gloriae
  • [28]
  • 39. Schisma
  • [29]
  • 40. Bellum (4 Arten: Ist er Sünde; dürfen Kleriker Krieg führen; sind im Krieg Hinterhalte erlaubt; darf man an Feiertagen Krieg führen)
  • [30]
  • 41. Rixa (filia irae)
  • [31]
  • 42. Seditio
  • [32]
  • 43. Scandalo

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[1]estoy caido en una emboscada.

[2]Klio, 35, Heft 3/4, 1942, S. 184/5: [3]Aufsatz von Albrecht [von] Blumenthal über Roma quadrata, [4]wie auch Walde (in seinem Lexikon) sagt, roma = rod-ma, [5]zu rod, ra'dati, graben, [6]roma = das Quadratische; [7]mundus = das Runde. [8]Nach Altheim heißt [9]mundus: der Eingang [10]zur Unterwelt.

[11] bellum justum est utraque parte [12]injustum! Bleibt immer Krieg? Dann scheitert doch der ganze Vitoria.

[13]Dieses Verdunkeln ist doch eigentlich nur eine Ent-hüllung (und Ver-hüllung, [14]beides zusammen: die künstlichen Rechte [15]und die künstliche Aufhebung der künstlichen Rechte [16]ist die Verhüllung!)

[17]Peman, 1943: Der Teufel sagt: [18]La Nada es libre: pero el Ser esclavo; [19]Libre es el mar y libres sus cantares [20]de huracán y de miedo. [21]Der Teufel (la bestia) die Krümmung, die la serpiente [22]que se enroscó en el árbol de la Vida [23]tenia esa figura [24]contraria en su violenta torcedura [25]a la exacta nobleza de la Crùz (S. 40).

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[1]Rupert v. Deutz, [2]de victoria verbi Dei, (1130 ?), [3]deutsch; nicht französisch (Thomas französisch), hat auch einen Kommentar zur [4]Apokalypse geschrieben (Neuss, 7/4 43).

[5]Keine Ruhe an Tag und Nacht [6]nichts, was mir Vergnügen bereitet [7]aufstehen müssen, wenn es schellt, [8]das ertrage, wem's gefällt. [9]Ich will endlich Ruhe haben, [10]will nicht länger dorten sein, [11]wie schön, wie schön ist es im Sauerland [12]wie ist es im Sunderntal [13]dort trinkt man Veltiner oder Bitter-Bier und

[14] Lassen wir den Tarentianern ihre [15]erzürnten Götter!

[16]Lassen wir den Juden ihren wütenden Ja Javeh! [17]Lassen wir den Deutschen ihren wütenden Adolf.

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[1]Heines junge und [2]kranke Liebe; [3]Liebsamkeit bald jung, bald holzig, [4]engesenges Bildungsniveau, [5]bald schwache , [6]das entlarvte Leben.

[7]Spöttelte, [8]daß der Raum [9]der Fiktionen den Menschen ins [10]kosmische Herz schleudert.

[11] [12]Kerschensteiner (von seiner Frau), [13]Erlebter Neu-Idealismus von [14]Krieck.

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[1]Komme dir bloß nicht wichtig vor, wichtig vor, [2](mache mir kein vor,) [3]denn wir sind vom Schwarzen-Korps, Schwarzenkorps. [4]Wenn ein Engländer aber, dann verstehe ich es, ja dann verstehe ich diese künstlich-natürlichen Menschen, [5]diese künstlich-germanischen; Deutsch ist der Kunst-Germane, der spricht Schriftdeutsch, [6]lutherisch, muß sich daher am Juden rächen, für seine Nicht-Natur, der Jude ist [7]sein ganz großes Alibi.

[8]„Soweit die deutsche Zunge klingt“: Nun, wir klingen zwischendurch in ausländischen Sendern auf der [9]ganzen Welt und über den Globus hinweg, neben allen anderen Sprachen. [10]Das ist, zum Unterschied von zwischen-staatlich, [11]international!

[12]Erkannte auf der Höhe nach Affeln (Ausspann) [13]in der Erinnerung an den September 1923 und [14]meinen Brief an Duschka: Die gute Duschka ist kein Geschenk dieser sauerländischen Berge. In Wahrheit haben die [15]Berge mehr der Fülle und auf eine wunderbare, immer neues Glück bringende Weise, das Gegenteil [16]der bösen Erfüllung böser Wünsche; bleibt bei mir, ihr Heiligen dieser Berge und Bäche. [17]Severin [18]Die unendlich abwartende Ruhe dieser Berge, sie wissen selbst nicht, was sie abwarten (die Berge warten ab, sie wissen, daß dann [das] Meer aus Nebel doch siegen wird. [19]So öffnen sie sich der Sonne mit vorsichtiger Anstrengung ihrer Seele[)]; aber sie warten im Nebel, [20]Schlaf des Abwartens; sie warten nicht auf etwas, sondern sie warten ab; die Hülle des Nebels [21]dient ihnen nur dazu, sich selbst in sich selbst einzuhüllen wie ein Schläfer, indem er sich in die Decke hüllt, [22]sich in sich selbst einhüllt. Wie auf alten Bildertafeln des Mittelalters die schlafenden Jünger im Garten Gethsemane, [23]dabei aber immer im Rhythmus ihrer Linie verbleibend.

[24]Seit 1850 Nach 1848 ist die Theorie von der Abstammung des Menschen entstanden und durchgedrungen; daher stammen die [25]seit etwa 1870 in Dichtungen Brehms die Menschen von solchen ab, die die Abstammung vom Affen für plausibel [26]halten; in einigen weiteren Generationen, wenn die Arten neu bemessen, er: werden sie wirklich aussehen wie Gorillas.

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[1]. Wie typisch und schön der Gegensatz: Im Augenblick des Einschlags: (Luftangriff auf Frankfurt am Tag [2]4 Tage ohne Post[)]. [3]Duschka betet, ich sage: des geringsten Eichenfalles Wirkung grinst im Weltenraum,[4]Jup: Bin ich nicht zum Glück gereift. [5]Ich epimetheisch; Jup prometheisch-aktiv; Duschka fromm.

[6]Heute kamen die 3 Kisten Wein (von Weber-Schumburg), während noch keine Bücherkiste gekommen ist; offenbar ist der Gott des Weines treuer als [7]der Geist der Bücher.

[8]Fortsetzung von: Dieser Zeit miteingegoren, [9]ging die Habe mir verloren, [10]wie ich nur mein Sein gewinne, [11]war das alles nicht von Sinnen. (Bezieht sich miteingegoren: auf mich (uns) [12]oder auf die Habe? Beides grammatisch [13]möglich und typisch für diese Art von [14]orakulando.)

[15]Unsere Angst: Wir waren schlecht und heruntergekommen genug, um dich zu ermöglichen, ja [16]zu ernötigen.

[17]Zitiert bei Egger, Das Reich von 30/1 43: Nach diesem Krieg gibt es kein Besieger und Besiegter, sondern nur noch Überlebende und Vernichtete [18](nicht: Tote, nicht Vernichter und Vernichtete,) nachher aber doch Aufforderung zum Sieg. [19]Interessante Art der Begriffsbilder (nicht Tote, sondern Vernichtete; nicht Ende der Antike, sondern Zusammenbruch). [20]Über lebende Leichname; überlebende Vernichtete; [21]der Genius des Sauerlandes liegt in seinen tiefen Tälern und dicken Wäldern wie ein [22]Schläfer in dicken sauerländischen Plumeaus (Oberbetten); er schläft im Nebel, [23]wenn die Sonne scheint, geht ein traumhaftes Lächeln über sein Gesicht; aber niemals kommt er aus seiner [24]schlafenden Innerlichkeit und Selbstbezogenheit heraus.

[25]Rede in Heidelberg Sommer 43: [26]Also, wie Goebbels sagt, eine stählerne Romantik; c'est cela, stählerne Romantik, [27]darum ist eben Romantik als solche erledigt; historisch erledigt.

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[1]Las in der Löwin von Konrad Weiß (auf der Reise von Wennemen nach Finnentrop) [2]„Wenn du dir bekannte Wege genießen willst, so danke dafür und freue ihrer[3]es brennt im Herzen, wenn der Geist verzagt.“

[4]Die Kohl-Weisslinglinge, der Niermann und Rosskopf; Rosskopf der [5]Weiss- [6]Kohl- [7]Köpfe.

[8]Zusammenhang von Lust und Furcht (alle Lust will Sicherheit, die Lust will Sicherheit, will tiefe, tiefe Sicherheit.)

[9]. [10]Auf dem Weg nach Affeln: Die Enthebung, die mir widerfuhr, war ein Zwang zum [11]Integrum; eine wahre Integrierung; woher die [12]scheußliche, falsche Bedeutung von Integrieren, im Sinne von Spener und [13]Smend? Nicht in etwas, sondern aus etwas heraus in mich selbst; [14]a.i.o.

[15]Deutliche Erkenntnis: Deutschland ist gerettet worden durch Kirchenspaltung, dadurch, daß [16]Katholiken und Protestanten sich separierten, und sich nicht entschieden, nicht eine Einheit bildeten, [17]im Sinne der damaligen staatlichen , und Gleichschaltung; Freiheit gegen Einheit. [18]Der Einheitswahn ist heute eine Folge der Selbstvernichtung; laß fahren daher,[19]was dir nicht angehört; es fehlt der Mut zum Schisma, der Mut zur Separation,[20]omnis ordo est sep., [21]Schmutz dieser Gleichschalter und Einstreicher, der mich und einen Präsidenten , [22]oder sogar in dieselbe Einheit sperrt, uns beide in gleicher Weise benutzen und betrügen [23]kann. [24]Totalität des Todes und des Nichts; Total Nichts der Totalität und des Todes.

[25]Das alte Europa ist aus lauter Separationen entstanden; das ist seine Größe und [26]sein Geheimnis; das Geheimnis Europas; selbst die Feindschaft zwischen [27]Rumänen und Ungarn, auch zwischen Kroaten und [28]Serben.

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[1]Ortega : Der Mensch ist das Seiende, das sich selbst macht. [2]In der Geschichte des Menschen konstruiert sich eine selbständige Vernunft, durch das, was dem [3]Menschen geschehen ist (sic, müßte doch heißen: was der Mensch aus sich selbst gemacht hat!). [4]Die historische Vernunft ist radikaler als die physikalische.[5]1844!! schrieb Comte (Discours sur l'esprit positif)[:] [6]„Man kann versichern, daß der Lehre, die hinlänglich das Gesamte [7]der Vergangenheit erklärt haben wird, unweigerlich dadurch allein die geistige Vorherrschaft der Zukunft [8]zufallen muß.“

[9]: Fand bei Schranz eine Notiz für Carl Schmitt von Konrad Weiss: [10]Manchmal, wenn man sich vergißt [11]nur den Schein der Sonne spürt, [12]hilflos von ihr angerührt, [13]merkt man sinnend, daß zu sein [14]und dafür der Dank allein [15]unsre ganze Habe ist. [16]Unsrer Welt miteingegoren, [17]geht die Habe uns verloren, [18]fragend, was ich sonst noch bin, [19]fahre weiter, dunkler Sinn. (Ich müßte sagen: dieser Welt [20]miteingegoren [21]ging die Habe mir verloren)

[22]Herodot III, 38 schließt seine Beschreibung der verschiedenen Sitten der verschiedenen Völker mit dem [23]Wort Pindars νόμον πάντων βασιλέα (fr. 169).

[24]Anklage gegen Sokrates: Daß er Das δεοὺϛ οὔϛ [25]ἡ πόλις νομίζει ού νομίζοντα [26]übersetzt Nilsson S. 729. Sieht mir neutral werden mit haben, [27]nicht mit glauben an!! Geschichte der griechischen Religion 1941 (Handbuch der Altertumswissenschaft).[28]Es heißt doch: Für ihn sind die Götter, die für die Stadt maßgebend sind, nicht maßgebend. Zusammenhang von πόλιϛ .

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[1]Jost Trier, Irminsul, Westfälische Forschungen, Münster, 1941, S. 99f. [2]Die I. ist die Firstsäule des Hauses, von dort auf die Welt übertragen (also ein [3]bautümliches, nicht wachstümliches Bild); sie hat eine gabelige [4]Spitze (Giebel), in der sie den Firstbaum trägt. Sustinens omnia [5]wird auf das Kreuz Christi übertragen. Firmicus Maternus in Minden, [6]die Welt als ein Haus.

[7]Ernst Wadstein, Die eschatologische Ideengruppe [8]im Mittelalter, Z. f. wiss. Theol. 49 (1896), 268f. [9]Nachsehen, ob etwas über κατέχον.

[10]Ortega y Gasset, Über das römische Imperium,[11]das Recht setzt die Verzweiflung vor dem Menschlichen voraus. Sobald die Menschen anderen mißtrauen, setzen sie etwas [12]vorsätzlich Unmenschliches zwischen sich, um miteinander umgehen und handeln zu können: [13]das Gesetz; der große Titus Livius (II 3): Leges rem [14]surdam, inexorabilem esse, nihil [15]laxamenti neque veniae habere, si [16]modum excesseris. Das Gesetz ist hart wie Stein, Eisen, [17]es kann alles verordnen, unterscheidet die Räume der Menschen, aber diese fließen dann aus dem Gesetz! [18]In der Monarchie geschieht das Gegenteil, das Gesetz wird durch den Willen des Monarchen ersetzt.[19]Dann dumme Antithese: Der Staat als Haut, der Staat als orthopädische Maschine usw. [20]Hinweis auf Rostovtzeff, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Römischen Imperiums 1926.[21]Kommentar Ciceros de re publica; was ist die Substanz der römischen Republik[?] [22]Die Auspizien und der Senat! [23]Auguste Comte sagt: Teilnahme an der Herrschaft ist grundsätzlich herabwürdigend! [24]Könige erscheinen den Amerikanern wie Schnabeltiere, erregen keinen Haß.

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[1]die Herrschaft im Luftraum kann nicht impermeabel sein, wie die Herrschaft über eine Fläche festen Landes; [2]verschiedene Elemente sind verschiedene Aggregatzustände und damit verschiedene Vorstellungen von Undurchdringlichkeit, Impermea[3]bilität. Indem einer einen fremden Sender hört, spottet er der Impermeabilitätsansprüche [4]eines totalen Staates. [5]Total heißt doch impermeabel; total heißt doch: ganz angefüllt, ohne leeren Raum, das heißt [6]ohne die Möglichkeit einer Bewegung; Totalbewegung ist entweder Veitstanz, oder völliger Widersinn.

[7]Was Picard und andere Schwabinger so tiefsinnig beschrieben (bei Veit, Tragik des technischen Menschen 35, wiederholt)[8]über die Flucht, ist doch in der Proletarierexistenz; der Proletarier ist immer auf der Flucht, oder auf dem Sprung, das heißt dem Absprung, [9]ich sehe es an mir selbst, bejahe diese Situation, sonst wirst du sie nicht überwinden; der κατέχων [10]steht hinter dem Absprung, nicht vor ihm; der Sprung ins Reich der Freiheit ist nichts als die Bewegung der Existenz des [11]Proletariers.

[12]Schrieb an Gremmels und Frau von Schnitzler (28/9 43): Die psychischen Reserven von Frau Schmitt sind anscheinend unerschöpflich, und was mich selbst [13]anbetrifft, so gilt der Satz: on se lasse de toût, excepté de penser. [14]An Frau von Schnitzler: Die Zahl der Behörden verdreifacht sich täglich, und mit den Methoden und Denkgewohnheiten des Professors des Völkerrechts und des Verfassungsrechts [15]bin ich gegenüber solchen Problemen in der qualvollen Lage eines Athleten, der gezwungen wird, mit Aufwand größter Muskelkraft leere Streichholzdosen [16]zu stemmen.

[17]Christus Dei Filius per quem [18]Pax Terminationis in terra [19]processit! (Gromatici veteres [20]ed. Lachmann I p. 362[)]

[21] in Affeln: Der schöne Altar steht noch und ist nicht eingepackt; sah die bordeauxrote Decke, von der ich [22]nachts geträumt hatte (Orléans) an der Kommunionbank der Pfarrkirche. Ist das nicht eine Einladung, [23]betete den Engel des Herrn. Wie viele geheimnisvolle Fäden halten und leiten mich; hoffentlich habe ich [24]sie nicht durch das schauerliche Gespräch mit diesem Zöberlein zerstört.

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[1]„Der Übergang zum subatlantischen Klima lag jenseits des Erkenntnisvermögens [2]der Antike (so von Dietze und Wollheim, Germanische Vorgeschichte, [3]Jahrbücher für National[ökonomie] und Statistik, S. 125, August 1943. [4]7000 - 5500 Wärmezeit (Eiche, Linde usw.) [5]5500 - 1000 atlantisch [6]zwischen 900 und 500 - subatlantisch: feucht, kühl, Buche breitet sich aus.

[7]Göbbels hat ein Buch veröffentlicht: Die Zeit ohne Beispiel (also der Geist: [8]ohne Polen?) [9](Copyright 1942) [10](des Aufsatzes: Von der Kunst, zur Welt zu sprechen, [11]und zwar zur wirklichen Welt; nicht zu den Halbwelten) (Ich bilde mir ein, diese Kunst zu beherrschen).

[12]Wie völlig neu erscheint mir jetzt das Bild von Bosch. vom Verlorenen Sohn! Der war ja [13]ausgebombt! Das bist du eben selbst, dieser unsichere Blick aufs zerstörte Heim; der schwächliche Anlauf zu [14]einer Flucht aus der Schweinerei.

[15]: Plötzlich am Severinshagen. Auf dem Weg zur Hohenwibbecke [16]moosbedeckte Steine. Der Sohn lachte rätselhaft; ich brauche also nicht nach [17]KärKärnten zu reisen.

[18]Also gut: die Beschleuniger (wider Willen) der Bewegung; Wegbereiter des Antichristen,

[19]das Mariengedicht von Poe; wie schön; gibt es überhaupt eine andere Poesie? Im Aufsagen sehe ich [20]nicht Poe, sondern Jünger.

[21]Beschloß, die Parlamentsreden des Kulturkampfes zu lesen, der schwebenden nationalliberalen Professoren, das muß doch [22]eine Fundgrube sein; sie wußten nicht, daß Bakunin ihr Verbündeter, ihr wahrer Motor war, [23]der große Beweger, sie selber Beschleuniger wider Willen; die Front: West-Ost, Amerika und Rußland, [24]der Spanien, der einzige κατέχων, nicht zurechne.

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[1]Was lähmt einen eigentlich gegenüber der politischen Machtkonzentration? Nicht ein physikalischer Druck; das wäre viel zu äußerlich erklärt, überhaupt nicht sein, sondern nur [2]umschreiben. Sondern die Erklärung: die plötzliche Erkenntnis, daß man diese Situation noch nicht kennt, nicht von innen; [3]von innen kennt sie nur der Machthaber selbst; das gibt ihm seine Überlegenheit, auch wenn er ein Geisteskenner [4]ist, verrückt; Machthabe ist schon göttlich oder Geisteskenner sein, und da es mit den Mitteln nichts mehr ist, [5]so bleibt eben nur das andere, ihm gegenüber war der Nicht-Geisteskenner gelähmt.

[6]Meine 3 Wünsche: Bernanos sehen; [7]ein Gespräch mit Quincy Wright über den Kriegsbegriff; [8]das Requiem auf den Tod der Kaiserin Maria von Vittoria hören.

[9]. „Die Macht als solche ist böse“, das kann schon sein, [10]dann ist aber der allmächtige Gott der [11]Allerböseste, erschreckend. (? [12] noch hätte, [13]das ist schon der Wille zur Macht; arme Satanisten)

[14]Otto Veit, Die Tragik des technischen Zeitalters, 1935; schildert die Verzweiflung des Zivilistentums, des Fachmenschen, [15]Herrschaft des Fachmenschen; Allgemeinbildung fehlt; das Allgemeine fehlt, eines, das macht ja heute der Politiker, [16]wenn er nunmehr noch im Nationalsozialismus eine Korrektur und Gegenbewegung gegen dieses Zivilistentum sieht, so weiß man, um was [17] es sich handelt. Der Fachmensch sucht einen Herrn; der Verrechtsstaatlicher [18]trauriges Gerede zur Kritik der Zeit; Irrwitz, schon das weckt Tragik, gib dich nicht damit ab. [19]Diese dummen Gesichter verzweifelter Menschen; nach einer Nacht des Fliegeralarms; gescheiter Schmus; [20]Otto Veit immerhin ein Kronzeuge dafür, daß man der Bewegung ihren Sinn abgewinnen konnte, bis [21]36. Wenn ich schon dieses Gequatsche von ‚Irrational‘ höre, das an die Stelle der Ratio [22]treten soll! Jenseits des Erkennens. [23]( wieder gelesen, nachdem ich an Veit einen Brief über seine Flucht vor der Freiheit geschrieben hatte).

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[1]. Lese beim Friseur in Plettenberg: Daß Kurt Eggers nicht fahren will, der Freund von [2]Rosskopf, der widerliche Kerl; an der Ostfront gefallen; was ist das? Eine Regung: Vielleicht [3]ein Quatschkopf [4]weniger, [5]dann aber: Er hat also recht behalten. Aber so billig behält man nicht recht; aber recht behalten ist überhaupt wenig, [6]ist billig, nichts.

[7]. Auf der Reise nach Köln im sauerländischen Regen. [8]Ihr Brief treibt mich an, Ihnen zu schreiben und Ihnen zu erzählen und die Güte Ihres Briefes wenigstens mit einem Bericht [zu] beantworten, der wirklich [9]vom Volks-Boden [kommt]. Solche Solche Heimatdiensterfahrungen sind wichtig, als Fronterfahrungen, Front = Dinge lehren sich bewußter, [10]indem das Kriegsheer den Boden [11]verbrennt. Die Existenz wird [12]ungeheuer durchsichtig, klar und sauber, erscheint wie ein sauerländischer Septemberabend. In der Sekunde, als die Luftmine [13]neben uns explodierte und uns aus dem Luftschutzkeller schleuderte, wurde mir der Vers Däublers ein über körperliche Bestimmtheit klar: [14]des geringsten Eichenfalles Wirkung grinst im Weltenraum. Fabre-Luce und Benito Cereno.

[15]In der Nacht . [16]Otto von Freising? In fine temporum [17]constitutus (sagt Tellenbach von ihm); das sei es ja. [18]Das ist doch schon der Untergang des Abendlandes. Und dieser ist eine dauernde, nicht nur [19]chronische Erscheinung; es ist der Kern des ‚europäischen‘ Empfindens, der κατέχων. [20]Auch Tocqueville. Sie sehen die Gefahr, sie sind nicht dumm; sie halten sich. [21]toujours en engueil. [22]Wer gibt diesen Historikern das Recht, über alles das zu sprechen? Aus welcher eigenen Existenz heraus urteilen sie, [23]ziehen sie Linien und stellen ein Bild her. [24]‚Entbildung‘ von Pseudo-Augustinus, echter bis Augustinus geläufig bei [25]den Augustinern, sagt schon Hugo Ball (bei [26], S. zitiert). [27]Seit 1789 schon der Kontakt zwischen Europa und dem Westen, Frankreich und Amerika, [28]sofort auch Rußland: der Feind und Freund zugleich; von Westen und Osten die [29]Beschleuniger. 19. Jahrhundert: europazentrische Organisation, für die wir heute [30]einstehen.

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[1]. An Mutius; Lieber Herr von Mutius, in der Nacht vom 23.[/]24. August ist unser hübsches Häuschen in Dahlem von einer [2]Luftmine zerstört worden. Die Mine ging 5 m von uns nieder; daß wir am Leben blieben, ist unerklärlich. Doch sind einige Bücher [3]und Möbel, die Bilder ‚geborgen‘, das heißt, sie liegen in einem Schuppen oder bei Bekannten in Dahlem. Alles, was noch wertvoll war [4](außer den Büchern), ist gestohlen. Ich habe hier in dem elterlichen Haus ein Obdach gefunden. Frau Schmitt ist auch hier und verbringt die Zeit [5]mit zwecklosen Besuchen und Anträgen bei Behörden aller Art, besonders, um eine Transportmöglichkeit zu beschaffen, bisher vergebens. [6]„Sie treiben uns lächelnd hinaus, die Götter..“ Ich bin nicht traurig und habe die Ruine ohne eine Träne, ohne eine Regung der Betrübnis [7]verlassen. Solche „Enthebungen“ haben etwas von einer Katharsis, und besitz[8]verhaftet bin ich nie gewesen. Die Steigerung der Durchsichtigkeit unserer Existenz ist der größte Gewinn solcher Erfahrungen, [9]größer als die Front-Erfahrungen des im Sinne des alten Kriegsbegriffes kämpfenden Soldaten, denn solche Heimat[10]erfahrungen betreffen ja unmittelbar die Heimat und die ‚Guten‘, für die die Soldaten angeblich kämpfen. Auch das [11]Problem der Herrschaft im Luftraum, die frappant, dank des Zusammenhangs von Schutz und Gehorsam; und schließlich die echte Metaphysik [12]der heutigen Physik. In der Einschlagstunde ging mir ein Vers aus dem Gedicht Däublers „Der Nachtwandler“ durch den [13]Kopf, äußerst deutlich, greifbar, mit überwältigender Bestimmtheit: [14]Des geringsten Eichenfalles [15]Wirkung grinst im Weltenraum. [16]Das ist Expressionismus, aber offenbar ist es noch aktuell. [17]Deinen Gang am Daseinsrande [18]schützen unerfaßte Bande. [19]Alles wird zu eines Balles [20]Unversuchten Rundungstraum. [21]Wie schön wäre es, wenn wir uns einmal hier im Sauerland treffen könnten! Ein Land von zauberhafter Verschlossenheit, dazu die [22]klimatische Grenze zwischen Land und Meer; morgens die Nebel vom Atlantischen Ozean über den Wäldern und Flußtälern, [23]abends die klare, rein-gewaschene Landatmosphäre vom Osten her. Ich weiß nicht, wie lange mein Asyl [24]hier dauert. Vorläufig bin ich hier gefesselt, ohne Hut, ohne Mantel, ohne Unterwäsche, mit heftigen Gehörstörungen (weil [25]Gefäß verletzt). [26]Geben Sie mir bald Nachricht, lieber Mutius, Sie machen mir durch jedes Wort eine große Freude. Teilen Sie auch Grewes unser [27]Schicksal mit; ich weiß keine Adresse mehr. Hoffentlich kommt dieser Brief an. [28]Herzlichst ihr alter und getreuer Carl Schmitt. [29]P.S. Ernst Jünger teilt mit, daß in dem 3. Band von Fabre-Luce, Tagebuch kostete im Schwarzhandel bereits über 600 für [30]Benito Cereno[-]Format; Fabre-Luce hätte das im Gespräch mit Jünger aufgeschnappt; interessante Beispiele der Fernwirkung durch Gespräche.

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[1]Aus dem Buch der 1. Frau Ludendorffs (1930 etwa): 1. Die Abbildung mit dem Kronprinzen Rupprecht; Ludendorff tobt; Recht ist, was mir nützt; ich gehe meinen eigenen Weg. [2]2. Die alles Niederreißende; 3. Der Kaiserin Auguste werden im Exil die Kirchenlieder ihrer holsteinischen Heimat gesungen. 4. Die eigene Frau als [3]Übermittler der Liebesbriefe ihrer Nebenbuhlerin , das ist deutsche Treue und Ehrlichkeit. 5. Erzberger: Würde mich ausboten, wenn er mich nicht mehr bräuchte (rührend, dieser dumme [4]Egoismus). [5]An Jünger 7/9 43 (Plettenberg): Beide Briefe sind gut angekommen. Vielen Dank. Das ist die beste Lektüre in meiner Situation, in der man sich vor allem vor Aktivismus [6]hüten muß. Der „Wille zu“ ist eine der dümmsten Tatsachen; daraus eine Philosophie zu machen, ein Zeichen der triumphierenden Bestie; und der [7]„Wille gegen“ ist nicht besser als der „Wille zu“. (Hier hätte ich ihm schreiben müssen: in verbis simus faciles!) [8]Nihilismus! Zynismus; freibleibend, [9]daß Bismarck ein Oberförster ist, wird mir täglich klarer. Sie müssen einmal Bruno Bauers Rußland und das Germanentum lesen, aus dem [10]Jahr 1853, dann werden Ihnen viele großen Zusammenhänge klar. Was Spengler in Preußentum und Sozialismus geschrieben hat, steht in einer viel tieferen [11]und älteren Kontinuität, als Spengler, der etwas an Originalitätssucht litt, selber ahnte. Die Welt-Situation war Tocqueville [12]1835 schon völlig klar. Der Schluß des ersten Bandes der D.e.A. bleibt das großartigste Dokument des [13]Untergangs des Abendlandes. [14]Das Schicksal Benito Cerenos freut mich fast diebisch. Auch diese Literaten wie Fabre-Luce sind Keimträger, sogar vorzügliche, insektenhaft [15]vollkommene Besorger notwendiger In-Kontakt-Setzungen. Ich kann Ihnen mein Vergnügen [16]gar nicht beschreiben. Im übrigen: Prediger 10,1. [17]Dann über meine Bücher, die geborgen sind. „Sie treiben uns lächelnd hinaus, die Götter.“

[18]. Das Leben, unmittelbar nichts als Leben, Stirners Tiere des Waldes und Blumen des Feldes. Rousseauismus. Was will ein Mensch, der so spricht? [19]Will er wirklich Tier oder Pflanze werden, wehrlos wie Tier und Pflanze, gebunden in seine Umwelt, gebunden in seine engen [20]Gattungsmöglichkeiten, wehrlos und ohne Rüstung gegen seine Feinde, (die Rüstung wird uns zu schwer) ohne Rüstung und Hilfe, [21]wehrlos vor allem gegen die anderen Menschen. Denn werden „wir“ auch Tiere und Pflanzen werden, was werden dann die übrigen [22]Menschen tun. Oder sollen wir sie zwingen, ebenso wehrlos zu sein. Da hei hat der Mensch wieder den politischen [23]Pferdefuß: Diese ganze Philosophie der Widerstandslosigkeit hat ja nur den Sinn, den anderen widerstandslos zu machen. [24]Erst einmal die Wehrhaften Friedlichen wehrlos, dann wird sich alles weitere finden. Grauenhafte Logik dieser Art von [25]Harmlosigkeit und Entwaffnung.

[26]: Rührender Augenblick: Wir kamen nach einem herrlichen Abendspaziergang um ½ 9 zurück. Jup tritt [27]mir entgegen, wie ein älterer Bruder, und teilt mir die Nachricht mit; wie im Alten Testament, wie patriarchalisch;

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[1]Christian Morgenstern: [2]„Oh, wenn erst die Leidenschaft für den Planeten als solchen [3]uns ergriffen haben wird, der große amor (sic) nostro (sic), dann wird es auch keine [4]Kriege mehr geben, dann werden ungleich gewaltigere Unternehmungen diese armseligen Kraftproben [5]einer noch dunklen Periode überflüssig machen! Denn freilich: Das bittere Zweckmittel des [6]Krieges durch philanthropische Mahnungen nur einfach abschaffen zu wollen, geht nicht an. Zuerst will muß der Geist der Völker [7]den neuen Aufgaben, den neuen höheren Ambitionen gewachsen sein, zuerst muß ihn der Furor jener [8]neuen Anstrengungen, Wagnisse und Opfer anfallen, ehe er den alten [9]furor bellicus entlassen darf, ehe er von sich sagen darf: Ich habe den Krieg [10]wahrhaft – überwunden.“ [11](Begegnete mir 25/8 43 in Plettenberg, auf der Flucht; werden das die Amerikaner sein? Unwahrscheinlich.).

[12]Am Saley, : Über mich selbst nachgedacht, eine freischwebende Intelligenz, fand das Wort gut, dann wieder unrichtig. [13]Bruno Bauer war eine freischwebende Intelligenz (Der Einzige und sein Eigentum ist doch ein ‚genialer‘ Titel). [14]Welche Garantien macht der Objektivität enthält die Existenz eines solchen freien Schriftstellers? Ist auch hier die Zeit der Freiheit vorbei[?] [15]Damals war es doch genau so viel, wie in der Wirtschaft und im Handel, also Wirklichkeit. Die existenzielle Wirklichkeit eines [16]bohemien enthielt damals Garantien. Warum heute nicht mehr? [17]Freischwebende Intelligenz ist immer nur Selbst-Bewußtsein; isolierter Einziger; Selbstbewußtsein, Selbstbeobachtung, [18]Selbstquälerei, Selbsthaß; dann hat sie wirklich Sinn und das Denken hat Ergebnis. In diesem Sinn ist Bauer [19]gesünder und reicher als die freischwebende jüdische Intelligenz von 1930, über deren Freiheit man nur lachen [20]kann, denn sie waren Marxisten oder Bourgeois. Vereinzelte wovon? Auch vereinzelt ist noch nichts Absolutes.

[21]Lektüre des Buches der 1. Frau Ludendorffs; das damalige München, die Quintessenz des 2. Reiches (warum gerade auf [22]bayerischem Boden?), Destillationsprozeß, aus dem der Bruder Straubinger als Sinn der Sache und alles übertreffender Sieger [23]siegreich hervorgehen mußte, weil er das Produkt, diese die Inkarnation der inneren Nichtigkeit war. [24]Dadaismus: Buddha-Katholizismus; Liberal-Bolschewismus, konservo-Bolschewismus; Wortmontagen brummen mitten herum. [25]Immer von neuem überrascht und ergriffen von der Größe des Satzes Senecas über Herakles: Nachdem er alle [26]Monster besiegt hat, bleibt er selbst als einziges Monstrum übrig. Ergriffen. Das Gegenbild zu Christus; [27]nur normativ zu lösen: Der Dulder, der alles duldet, bleibt als einziger Sieger übrig; also nur die [28]christliche Lösung.

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[1]Positivismus und Schmerzlosigkeit, Abdrängung des Schmerzes an den Rand, in der Mitte eine [2]von den Menschen erschaffene Oase, eine Insel des ‚Positiven‘; verbitterter Kampf [3]um das Schaffen dieser Insel, schmerzhafter Kampf um die Schmerzlosigkeit, innerlicher Widerspruch, [4](Gott, will ende mein Gefängnis enden).

[5]Die kaltschnäutzige ‚Echtheit‘ dieser Kunsthistoriker; mit welchem Recht erheben sie sich über den Kitsch der [6]frommen Leute? Was ist denn ‚echt‘ an einem Rembrandt? Seine Unersetzlichkeit? Echtheitsbegriff des [7]Historismus, aus welcher eigenen Existenz heraus urteilt ein solcher Historiker?

[8]Herodes ist der Feind; der Joseph der Verstand,
[9]Dem macht Gott die Gefahr im Traum – im Geist – bekannt.
[10]Die Welt ist Bethlehem, Aegypten Einsamkeit:
[11]Fleuch, meine Seele! Fleuch, sonst stirbest Du vor Leid.

[12](Schlug ich am 26/8, nach meiner Flucht aus Berlin, zufällig in Plettenberg auf. [13]Von dem geheimnisvollen, dem numinosen Summen dieser Verse beruhigt; während [14]andere mich ganz kalt lassen, besonders Horaz z.B).

[15]Des geringsten Eichenfalles, oder Eigenfalles, oder Blätterfalles? [16]Eichenfalles am unerklärlichsten; [17]unversuchtem Rundungstraum.

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[1]Das Geheimnis der Freimaurerei ist doch nur das Geheimnis eines Reiches: Solche Geheimorden sind überstaatliche Gebilde, [2]jedem Reich wesentlich und notwendig; was dem spanischen Weltreich der Jesuitenorden, wurde den Engländern die Freimaurerei, sie entstand, als England [3]ein Weltreich wurde; die Franzosen unterwarfen sich, soweit sie nicht katholisch blieben. In Deutschland fing es an, als [4]Napoleon besiegt war, Ordnungsgründungen vom Schlage Karl Follen.

[5]Der Prediger Salomo, C. 10,1: Schädliche Fliegen verderben die Salbe des Apothekers. [6]C. 9,18: Weisheit ist besser als Kriegsrüstung.

[7]Ut, cum vorandi vicerit libidinem, [8]Late triumphet imperator Spiritus.

[9]Pascal: Juden und schlechte Christen, das heißt Menschen qui ne se haissent [10]pas; Definition des Juden; ergriffen davon. (Am anderen Morgen Mißtrauen: Ist das nicht [11]nur Ressentiment eines Menschen, der sich haßt und nur nicht ertragen kann, daß andere Menschen sich nicht hassen?) [12]Mensch, der Juden haßt, statt sich selbst; der Judenhaß die primitivste Ausbruchsstellenstelle, setzen auf ihn, um [dem] Selbsthaß [13]zu entgehen. Das alles ist doch sehr tief, gerade bei den Deutschen (sie haben keine Feinde als sich selbst, [14]sagt Konrad Weiss).

[15]Vertrau auf die Führer und die Führung; [16]aber wenn ich mich selber töte, führt dann nicht auch diese Führung meinen Arm? (18/8 43, am Boden)

[17]Es gibt doch keinen anderen Haß und hat nur eine Vergebung, als die meine, perdition. [18]Das „Volk“ der Hirten; das Volk der Deportierten, das wahr und so wirklich kopieren kann; kann es [19]weder in Amerika noch in Rußland. Erkenntnis Tocqueville.

[20] Scharnhorst ein Jakobiner; und ich ein Erschreckter. [21]Was trieb mich zur Diktatur; du bist nicht weiter als Dez. 1912.

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[1]Sing him him the song of placebo [2](Bacon).

[3]Serpens nisi serpentem comederit [4]draco non fit.

[5]August 43. [6]Las (eigentlich zum ersten Mal) Spengler: Gut, daß ich das nicht früher gelesen habe. Es hätte mich selber [7]meiner Unbefangenheit beraubt und mir wenig genützt. Oberlehrerei mit geschichtlichen Allgemeinbegriffen, [8]Gram und Neid (Wille zur Macht), mit geschichtlichem Stoff ausgemalt oder besser verwurstet zu einer Art [9]historisch-soziologisch-literarischem Gesamtkunstwerk. Schrankenlos komisch, die Rolle dieser schreibenden Machtkollision und [10]Machthaberei und Machtwollerei. Sieht er sich denn nicht selber „existenzieller“, streicht ein [11]Papier beschwörend, um auf diese Weise ein bißchen ‚Macht‘ zu erschleichen , armer [12]Teufel. Die Sprache klingt hohl; die Desillusionierung der inneren Macht (schon erprobt) [13]ist ganz oberlehrerhaft; muß man denn nicht lachen, über einen, der schreibt, daß der Mensch ein Raubtier [14]ist, er schimpft und macht sich lustig über Stammtische und Kleingeisterei und ist währenddessen in einer geradezu [15]rührend gebildeten Weise „auf hohem Niveau mit großem Horizont“. Wenn er [16]uns sagt, was ein Cäsar ist, oder ein Cecil Rhodes; ich höre unseren [17]guten Ranke, ganz besonders rührend, wenn er faustisch sagt: Faustisch [18]ist die Diplomatie, faustisch ist die Geldwirtschaft usw.

[19]Alexander der Große rühmte sich, daß er den besiegten Völkern die alten Lieder und Tänze zurückgebracht hat. Diese Art von [20]Verwandlung in einen Naturschutzpark ist wohl typisch für den Imperialismus. Trotzdem hat es bei Alexander etwas Rührendes. [21]Die Menschheit ist wohl dumm genug, von uns in 1000 Jahren ähnlich gerührt zu sein.

[22]Luther hat die Bibel zerstört, indem er sie populär machte; so wird jetzt die Rassenlehre zerstört, indem sie [23]populär gemacht wird; das Ende ist immer nicht die kritische Vernichtung, sondern die unkritische Verbreitung; [24]die Kritik zerstört dann, mit billigen Mitteln, das bereits Zersetzte. Dieses Stadium ist für die Rassenlehre ebenfalls längst da. [25]Wo die Bibel nicht populär verbreitet wurde, gibt es keine so wütende Textkritik wie bei den deutschen Evangelischen.

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[1]réalité. Ils projetaient, d'avance, l'Histoire [2]que leurs lignes semblent, aujourd'hui, avoir [3]prophétiseé. Car les décrets du Destin s'incarnent, [4]peu à peu, en tout ce qui nous environne, [5]et l'Homme ne fait qu'attirer par mille [6]chaînons ce qui lui arrive. (Dazu kommt noch, daß man sich das Haar weiß puderte). [7](Dachte an die von seiner Mutter schlecht kopierten Schinken, mit denen die Wohnung von Pein angefüllt ist; an die der [8]geplünderten Ölgemälde der heutigen Besitzer; an meine eigenen Bilder von Gilles, Heldt und Nay, [9]Ausdruck der Tatsache, daß meine Frau mein Schicksal bestimmt, [10]wollte diese Stelle für Jünger abschreiben, tat es schließlich nicht[)].

[11]Konkretes Denken, sagt Kierkegaard, ist das Denken, bei dem es einen Denkenden gibt.

[12]Schrieb an Schranz: Tout ce qui arrive est adorable [13]und an Stapel (später noch an Frau Stock, an André, an Epting, es ist wohl närrisch, das zu schreiben, aber es ist [14]wahr).

[15]Il n'y a q'une tristesse, c'est de [16]n'être pas des Saints.

[17]La splendeur du style n'est pas [18]un luxe, c'est une nécessité.

[19]Bei den ersten Christen: Nicht das Neue, das Andere brach durch; die andere Substanz, das wird nicht [20]wieder dasselbe sein. Der kleine juristische Kunstgriff: das Neue zu sagen, damit die Zeituhr [21]weiterläuft.

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[1]Wie nett kann er die Sprache melken, dieser Jude Wassermann, „Bildung vernichtet Bild, [2]Gelehrsamkeit die Lehre, Gesinnung den Sinn; Erfolg [3]die Folge, Liebhaberei die Liebe, Betriebsamkeit [4]den Trieb.“ [5]Wie schlau und sogar klug, das Ergebnis ist aber doch Widerwille; das Unrecht bindet uns an das Opfer des Unrechts. [6]„Vor allem reißt dem Wüterich die Peitsche aus der Hand.“ Sagt er S. 125 (1921, Mein Weg als Deutscher [7]und Jude). [8]Wollte mit Popitz darüber sprechen; sehe aber schnell, daß es gar keinen Zweck hat.

[9]. [10]Als ich meine Gilles-Bilder in den Keller trug, stieß ich auf die Sätze von Villiers de L'Isle[-] [11]Adam über das Rokoo Rokoko: Überall fühlt man schon den Tod und den Untergang. (Das konnte er [12]übrigens nur aus der Sterbe-Lage Frankreichs im 19. Jahrhundert heraus wissen! Weil es noch seine [13]eigene Gegenwart war, herrliche Stelle übrigens: Man betrachte einmal diese Möbel; Tapisserien und jede einzeln, [14]Ces peintures trop charmantes, aux tous tons [15]crépusculaires, où des fleurs semblent si près [16]de se faner, à peine écloses, où les féminins [17]sourires paraissent empreints d'une grâce si [18]mystérieusement triste - et dites si, sur toutes ces [19]choses, ne semble pas être tombée, dès leurs [20]mélancolique survenance, la fine poussière [21]ensevelissante des siècles. Ici, tout est présage; [22]tout annonce une fin, un declin, une inévitable [23]disparition. Comment la noblesse d'un règne [24]s'est[-]elle plu, durant un quart de siècle, à vivre [25]en l'usage, l'aspect, sous le regard, enfin, de [26]semblables objets (das fragte ich mich Nov. 42, als ich im Ritz wohnte, [27]und mir klar machte: daß die ganze französische Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts doch darin geblieben ist, ja das künstlich [28]immer noch verlängert hat, mehr nicht!) Oui, ces objets appelaient leurs [29]terribles correspondances, leurs continuations, leurs [30]prolongements, pour ainsi dire, de en une plus concrète

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[1]B. Bauers Verachtung der Klein-Deutschen (später nur: das vergrößerte Kleindeutsche; gefährlicher Weg), [2]Mischung aus Frechheit und Feigheit, diese Lösung der Simson, Gagern etc. Damit war der Wegein[3]geschlagen, der nach 1918 führt (geschrieben 1943!), mehr ist auch dein Groß-Raum nicht, [4]Freundchen, und das ist das Geheimnis seines ephemeren Erfolges. [5]Die konstitutionelle Monarchie gehört als spezifisch deutsche Lösung dazu; der Kompromiß „dazwischen“, in der Mitte; das [6]juste milieu, zwischen Osten und Westen. Es hat in Deutschland von 1848 - 1918 gedauert; um das [7]kümmerliche Zwischenstadium des Monarchischen Konstitutionalismus zu absolvieren, brauchten die 80 Jahre, die Russen waren damit erst [8] Kerenski; die Russen haben es gleich übersprungen, 1917.

[9]Wahrlich, die ganze Rassentheorie und Rassenfrage war [10]une question de peau, [11]pure Papierfrage.

[12]. Trost in dem Gedanken der Isoliertheit, Bruno Bauer, aber auf diesem Weg komme ich vielleicht doch zur Ruhe, [13]will nichts; warte auf die Gnade, nicht vielleicht sogar die des Märtyrers, so lächerlich es ist, anders geht es ja [14]nicht; alle Sätze der Christenlehre werden jetzt wahr; [15]besser durch als für; aber die Schwäche: lieber selbst verderben als Spiel-Verderber.

[16]. [17]Ab illo benedicaris [18]in cujus honore cremaberis. [19]In ignem mittetur (Heiliges Evangelium, 7. Sonntag nach Pfingsten).

[20]Hegel[:] Die Figuren Shakespeares sind [21]„freie Künstler ihrer selbst“.

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[1]Bruder, jedes Buch erscheint dir wie eine Krankheit,
[2]die du bezwungen,
[3]der aber ist in der Erde, der zu dir sprach
[4]ist im Winde, ist im fließenden Bach,
[5]oder vom Nichts verschlungen.
[6]- Mit diesem Blatt schließe ich das Tor und ziehe den Schlüssel ab.
[7]Nun bin ich irgendwo unten oder irgendwo oben.
[8]Du, lösche dein Licht und frage dich:
[9]Das erlebte Geheimnis, wo ist es hingestoben?
[10]Lauert im Ohr dir noch ein Wort
[11]vom Märchen des Blutes, das zu dir drang?
[12]Wende die Seele der Wand zu
[13]und die Träne gen Untergang.

L. Blaga

[14]Hegel[:] [15]„Derselbe sorgt für sich und seine Familie und ebenso arbeitet er auch für das Allgemeine (Sesshaftmachung der Sippe!); [16]nach jener Seite heißt er bourgeois, nach dieser citoyen. [17]Spieß- und Reichsbürger, einer so sehr formaler [18]Spießbürger als der andere.“ (Hegel).

[19]Löwith über Stirner (im Anschluß an Marx), S. 333 (von Nietzsche bis Hegel). [20]Stirner hat, ohne es zu wissen (sagt Marx), das Verdienst, der Ausdruck der deutschen Kleinbürger von heute [21]zu sein, die danach trachten, bourgeois zu werden. Es war ganz in Ordnung, daß, so [22]kleinlich, zaghaft und befangen diese Bürger praktisch auftreten, ebenso marktschreierisch, bramarbasierend und vorwitzig [23]der Einzige unter ihren philosophischen Repräsentanten in die Welt hinaus renommiert... Sancho sieht [24]jetzt vielleicht, durch welche Nabelschnur sein Verein mit dem Zollverein zusammenhängt. [25]Stirner ist im ganzen privaten Egoismus der bürgerlichen Gesellschaft befangen, verabsolutiert, daß zur „Kategorie“ des Egoismus [26]„sein Gedanke (sagt Löwith) steht ebenso wie seine faktische Existenz am äußersten Rand einer substanzlos gewordenen, und ernüchterten Welt“.

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[1]Brief an Reifenberg, . [2]Unser Gespräch vom Geburtstagsabend in Frankfurt habe ich nicht vergessen. Ich wollte es in der Form weiterführen, daß ich Ihnen ein Exemplar meiner [3]Abhandlung über den Leviathan zuschicken ließ, aber eben erhalte ich – nach 3 Wochen Warten – vom Verlag die Mitteilung, [4]„fehlt z. Zt.“. Was soll ich nun tun? Ein Autor, der manches publiziert hat, ist in einer schwierigen Lage, nämlich in der [5]Alternative zwischen Selbst-Festlegung auf das Geschriebene und Selbst-Desavouierung, und wenn er beides vermeiden will, finden sich schon bald die Mitmenschen, [6]die ihn in die Sackgasse dieses Dilemmas hineinzustoßen suchen. Der L. ist geschrieben, als ich 50 Jahre alt wurde; daher bewegt [7]er sich schon mit einiger Sicherheit jenseits und über der genannten Alternative. Schade, daß der faktische L. dieses gutgemeinte Bildnis [8]inzwischen verschlungen hat. Aber, ohne mich für einen, wenn auch nur kleinen, Propheten zu halten, bin ich sicher, daß es, [9]wie Jonas, eines Tages wieder ans Tageslicht geworfen wird. Dann schicke ich es Ihnen sofort. [10]Bei unserem Gespräch habe ich, im Eifer der Diskussion zur Sache, vergessen, nach einigen Mitarbeitern der Frankfurter Zeitung zu [11]fragen, die mir im Laufe der Jahre durch ein Wort, oder einen Gedanken, durch ihren Stil oder eine Wendung aufgefallen waren. Das waren [12]besonders Eberhard Schulz (der über Filme schreibt) und Heddy Neumeister, deren soziologischer Sinn mich oft frappiert. [13]Wo leben sie und ist es nicht bedenklich, den imaginären Eindruck, der vom bloß Gedruckten stammt, durch eine persönliche Bekanntschaft [14]zu beirren? [15]Dies alles schreibe ich wie im Gespräch. Aber Gespräche muß man sprechen und so hoffe ich, daß wir uns einmal wiedersehen und auf das [16]eigentliche Thema unserer ersten Begegnung zurückkommen. Herzliche Grüße Ihres

[17]Péguy: le temporel est essentiellement [18]militaire.

[19](Renan, L'Etats des Esprits en 1849, p. 312): [20]Qu'importe que la journée de demain soit [21]sûre ou insûre incertaine? Qu'importe que [22]l'avenir nous appartienne ou ne nous appar[23]tienne pas? La vérité est-elle moins belle, [24]est Dieu est-il moins grand? Le monde [25]croulerait qu'il faudrait philosopher [26]encore? [27]Schön, dieser französische Intellektualismus und Philosophismus;

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[1]Auf die Freiheit ohne Freizeit, folgt die [2]Freizeit ohne Freiheit. [3]„Freizeitgestalter“ (ich mußte mir eine Liste der Molochswörter machen; darauf kommt dieses ekelige Wort); [4]Freitodgestaltung. Sie sind ja fast alle so traurig: Menschenbetreuung; Verstellung der Betreuten; [5]bevor ich sterbe, möchte ich noch einmal in einem großen Bogen zurück, auf diese elendste aller Sachen und auf dieses elendste aller Worte.

[6]Die Diatonik ist das musikalische Urmaterial des Bürgertums [7](sagt der psychoanalysiernde Marxist Wiesengrund; stimmt, aber indem es dieser Jude sagt, wird es sofort falsch; [8]wie grauenhaft; das war doch die westliche Rationalisierung; großartige Sache. [9]Indem der Jude ein Wort gebraucht, fälscht er etwas, notwendigerweise, in dem Licht des jüdischen Bewußtseins verändert sich die belichtete Sache, [10]indem nun der Anti-Jude polemisch darauf reagiert, wird aus der Fälschung ebenso scheußliche Verunstaltung; [11]trauriges Dilemma. Beide raus. (: Wenn Stahl-Jolson das Wort Pietät gebraucht.[)]

[12]Fand das so unsagbar entzücklich, die Reklame für ein Möbelgeschäft: [13]Von der schlechten 75 Mark-Küche bis zum raffiniert ausgestatteten Luxuszimmer für jeden Geschmack das Richtige. [14](So auch von dem feierlichen Gesetz bis zur schlichten Anordnung.)

[15]Benedetto Croce, 1942 (La Critica). [16]Perchè non possiamo non dirci [17]christiani; wie erstaunlich vorsichtig und evasiv [18]und doch wie taktvoll und schön, ist diese Formulierung!

[19]Surge, ne et tu pariter pereas [20]in scelere civitatis, Gen. 19,15. [21]Das Wort, das Fleisch, das Geld, der Arme. [22](Synonyme für Christus, sagt Bloy).

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[1]Z. f. Kirchengeschichte 56 (1937), [2]S. 259-279, Nietzsche & Bruno Bauer [3]von Ernst Benz exkursiv die Übereinstimmung mit dem Entdeckten Christentum: [4](Christentum als Ausdruck des Ekels einer Zeit an sich selbst, Untergang von Kunst und Wissenschaft, [5]des „Naturgeistes“, wie Bauer sagt (übermenschlich, aber damit nicht wahrhaft menschlich, sagt Bruno Bauer . [6]Das scheint Benz nicht zu bemerken!!), Priesterbetrug, Eunuchenlust,[7]Christentum als Haß gegen alles Schöne und Edle, Menschenopfer usw. [8]Beruft sich auf Tschizewskij, der in einer vorzüglichen Studie über Hegel und [9]Nietzsche den Nachweis erbracht hat, daß sich Nietzsches Gedanken mit Bruno Bauers ganz berühren; [10]Revue d'histoire de la philosophie, [11]3. année, fasc. 3, Juli - Sept. 1929. [12]S. 12 - 27.

[13]Wie die Römer in das kunstvoll ausbalancierte Gleichgewichtssystem der hellenistischen Mächte einbrachen (nachdem sie [14]Karthago besiegt hatten, also nach der Schlacht bei Zama), so brechen heute die Amerikaner [15]in das Gleichgewichtssystem des bisherigen Völkerrechts ein. [16]Daher hat Roosevelt recht, wenn er es verneint; auch der Aufsatz im [17]AJIL, Quincy Wright; wichtiges Problem.

[18]Sallust (selbst dem Verfall verfallen, wie Freyer von ihm sagt) schreibt, daß in dieser Zeit die [19]korrupte Fortuna beginnt zu rasen[].

[20]Kümmerlicher Caesarismus dieses „Willens“ zur Macht. Im Zeitalter des Caesarismus will Nietzsche Caesar werden; [21]wenn alle nach diesem Ziel laufen, läuft er auch, auf seine Weise; kümmerlich.

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[1]Kolonie als Abflußkanal für überflüssige Menschenmassen (in England, bei Morus[)]. [2]Für Bacon: Kolonie Plantations Essay 33 (man will nur besiedlungsfähige Gebiete [3]als Kolonie erwerben; Morus ist der Meinung, daß Gold = Macht ist (wenigstens [4]außerhalb Utopien). [5]Ausgangspunkt war die Zweiteilung von Macht und Recht im englischen Meer und in den englischen Unternehmungen: Die Könige herrschen absolut [6]auf dem Meer und in den Kolonien; auf dem Land dagegen herrschen die Ständefreiheit und der Frieden; [7]common law.

[8]M. Freund, Zur Deutung der Utopia des Thomas [9]Morus, Hist. Z. 142 (1930), S. 255. [10]„Absolut war der König auf dem Meer; unumschränkte Gewalten herrschten in den Kolonien; der [11]innere Kern des Reiches dagegen ward unter die Herrschaft des Common [12]Law und des ständischen Rechts gestellt“, S. 255. Die erste Schlacht der [13]parlamentarischen Opposition ging darum, ob Jakob I. die Grenze der See ausdehnen durfte, [14]um Zölle zu erheben. Strafford kam aus der absolutistisch regierten [15]Grenzmark des Nordens und Irland, wo der Absolutismus herrschte. [16]S. 272, schon bei Morus die Marxsche [17]Formulierung des englischen Kapitalismus. Kapital statt [18]Kanonen. [19]„Binnenmoral“ der Utopia gegenüber einem minderwertigen Feind [20](sonst bei Freund nur eine Wiedergabe der Inhalte der Utopia[)], [21]Vergleich mit Bacon, Plantation.

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[1]Hobbes: oratione homo non melior fit sed potentior.

[2]gens sans aveu (Masse der Proleten), die Freibleibenden, das ist die [3]einzige Freiheit, die sie kennen und meinen.

[4]Ἡροδότου Ἁλικαρνησσέος ἱστορίης [5]ἀπόδεξις ἥδε, ὡς μήτε τὰ γενόμενα [6]ἐξ ἀνθρώπων τῷ χρόνῳ ἐξίτηλα γένηται, [7]μήτε ἔργα μεγάλα τε καὶ θωμαστά, τὰ [8]μὲν Ἕλλησι, τὰ δὲ βαρβάροισι ἀποδεχθέν-τα, [9]ἀκλεᾶ γένηται, [10]τά τε ἄλλα καὶ δι᾽ ἣν αἰτίην [11]ἐπολέμησαν ἀλλήλοισι.

[12]Zu den eleusinischen Mysterien waren alle zugelassen, Männer und Frauen, auch Sklaven, nur eine Bluttat [13]schloss davon aus; sie kamen als Einzelne, zur Mutter und wurden von ihr empfangen. [14]Die Bluttat ja; wir hätten die Götter und den Kult der Polen übernehmen müssen, die Marienverehrung, das wäre ein Sieg [15]gewesen; und die ganze Frömmigkeit der ost-kirchlichen Völker; das war also unsere Aufgabe; schweigen wir darüber; zu traurig. [16]Die gemeinen Instinkte, die verschworene Gemeinschaft: nur gemeinsames Blut, das gemeinsame Blut ist gemeinsam [17]vergossenes Blut, gemeinsame Bluttat, [18]gemeinsame [19]Verbrechen (das heißt eine gemeinsame Bluttat) bindet sie zusammen.

[20]Das Chaos organisieren, sagt Nietzsche. Aber wer hat das denn jemals großartiger gemacht als die christlich-römische [21]Kirche in der Völkerwanderung und im Mittelalter?

[22]Sehr schön über Verfassung Mach. Disc. I 6: Geheimnis der römischen Verfassung, daß nicht alles [23]geregelt ist; peinliche, konkrete Situationen; [24]Verfassung entsteht als challenge-response (Toynbee); Antwort auf Lage, auf die Einsprüche, die sie erheben. [25]Handeln von Fall zu Fall; kein Programm!

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[1]Carr[:] „Die Politik neigt mehr und mehr dazu, sich in Führern statt in Parteien zu versinnbildlichen“ (Symbolisten?). [2]Die Eine wirkliche Gefahr liegt in der Tat darin, dass, wie es in gewisser Hinsicht 1919 und später geschah, juristische Diskretionen [3]über Souveränität, Ligen und Föderationen dazu benützt werden, die öffentliche Meinung von den praktischen Folgen der [4]militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der militärischen und wirtschaftlichen Wechselbeziehungen, abzulenken .... mit Verfassungsplänen beginnen, [5]heißt am verkehrten Ende anfangen.“

[6]Der 1. Satz von Herodots Buch Klio: [7]19/7 43 Daß die großen Taten der Griechen und der Barbaren nicht ruhmlos bleiben und vergessen werden. [8]Und warum die Griechen mit den Barbaren Krieg führen.

[9]„Was Herodot von Halikarnass erkundet hat, hat er hier aufgezeichnet, auf dass nicht mit der Zeit vergehe, [10]was von Menschen geschah, noch die großen wunderbaren Taten ruhmlos dahinsinken, die von den Hellenen wie von den Barbaren [11]vollbracht worden sind, vor allem aber, warum sie miteinander Krieg führten.“

[12]Diese Art Weltgeschichte: doch nur ein humanistisches Mittel, um sich darüber hinwegzutäuschen, [13]daß die Wirklichkeit etwas sehr Niedriges und Gemeines ist und eine höhere Art von Wirklichkeit [14]zu konstruieren; die Gemeinheit zu ornamentieren und auszuschmücken; den Lev [15]in ein Lämmchen zu verwandeln, [ihm] ein Schafsfell oder eine Toga umzuwerfen.

[16]Fabelhaft Freyer: die Juden ein theologisch rekonstruiertes Volk (Buch Esra). [17]Richtig; das ist eine Definition des Juden; aber Gott erwählt, und dann, nachdem die Erwählung entfiel, [18]theologisch rekonstruiert; [19]was wird das denn nun erst mit den biologisch rekonstruierten Völkern geben?

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[1]13/7 43. Meine Rückkehr aus Spanien nach Berlin: statt carrer Verrücktheit, folia! [2]Miré los muros de la patria mia [3]Si un tiempo fuertes, ya desmoronados, [4]De la carrera de la edad cansados [5]Por quien caduca ya su valentia. [6](moros kaltes Deutschland[)].

[7]Salime al campo, y vi que el sol bebia [8]Los arroyos del hielo desatados; [9]Y del monte quejosos los ganados, [10]Que con sombras hurtó su luz al dia.

[11]!! Entré en mi casa; vi que amancillada [12]De anciana habitación era despojos; [13]Mi báculo más corvo y menos fuerte, [14]Vencida de la edad senti mi espada, [15]Y no hallé cosa en que poner los ojos [16]Que no fuese recuerdo de la muerte.

[17] Es gibt „das kleine ironische Geheimnis“, sagt Kierkegaard, []dass ein Mensch, wenn [18]er bloß das Wie seiner Innerlichkeit beschreibt, indirekt zeigen kann, dass er ein Christ ist, [19]ohne dass er den Namen Christi zu nennen braucht.“ „Christ sein ist etwas tief Durchreflektiertes, [20]daß es die Dial ästhetische Dialektik nicht durch zulässt, die teleologisch einen Menschen etwas für andere sein lässt, was [21]er nicht für sich selbst ist.“

[22] De la Conquista del Satán [23]Antichrist. [24] Nimmt ihm keiner mehr ab.

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[1]Frau Arnold Ruge geb. Nietzsche; [2]ecco. Aber der Mythenmacher will, daß Nietzsche vom Himmel gefallen ist, fiel aus der Wolke Wagner, [3]der Übermensch, kann keine Tante haben. Die Lehre von der unbefleckten Empfängnis leuchtet mir auf einmal ein. [4]Die entsetzliche Mache des Wortes Übermensch; seine polare Entsprechung ist der Untermensch; Zerstörung [5]des Menschen zwischen Oben und Unten; die Neutralisierung ‚Mensch‘ künstlich übermontiert. [6]Der Barbar ist ja gerade kein Untermensch; mit Untermenschen ist kein Krieg mehr möglich.

[7]Die vis verborum (Valla) fehlt den Arabern, fehlt [8]Avicenna und Averros (Toff., S. 480), [9]„ubi de vi verborum agitur, quae plurimae [10]sunt in philosophia quaestiones.“ [11]Hos ego homines verear? Hos ego audiam? [12]Jawohl, die vis verborum [13]In verbis simus faciles, ha, ha, daher verzichte ich auf das v. v. [14]‚Ausradieren‘ zum Beispiel ist ein solches Wort; Freizeitgestaltung, Untermensch ein anderes; ; Freizeitgestaltung

[15]Be-sudeln, ich weiß nicht mehr den Zusammenhang, aber er hat [16]das Wort auch gebraucht, Freyer, besudeln.

[17]Die neueFolxjaßmaschke, [18]Volks-Folx-Jaß-Maexke, [19]die Volksjasmaske also hat sich nicht bewährt; dagegen der Naz. [20]Mensch rein sei; Christian Maske von Karl Sternheim ; der Volx- [21]Nietzschke und das [22]Nietzsche-Volk.

[23]Von Bauer enttäuscht: das neue Diesseits.

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[1]Auf der 2. Ausgabe der relecciones des Vitoria, 1565 in Salamanca [2]erschienen, [3]steht als Umschrift um das Wappen: [4]Consilio et Virtute Chimaeramn superari, [5]id est fortiores et deceptores. [6]Begegnete mir 8/6 43 in Salamanca, jetzt wieder 9/7 43, [7]in meinen Überlegungen, aus Anlass der Zerstörung Kölns; dann wieder 16/9 44, auf der Reise von [8]Plettenberg nach Elberfeld.

[9]Anlässlich Kölns [10]Der Krieg gegen die Zivilbevölkerung und die Vernichtung ganzer Städte ist nur scheinbar der Höhepunkt des Totalen Krieges; er [11]ist dialektisch schon ein weiteres Stadium, in dem der Krieg aufhört, total zu sein. Er ist absolut, [12]‚rein‘ und ist nicht mehr total, denn die Schädigung der Volkswirtschaft, die darin liegt, daß Tausende von [13]‚Arbeitern‘ getötet werden, ist nur scheinbar. Ein großer Teil dieser ‚Tausenden‘ war nur [14]zur Ernährung unserer selbst und zur Aufrechterhaltung des zivilen Sektors notwendig. Indem [15]er vernichtet wird, wird der wird der Gegner gezwungen, den Krieg immer rein militärisch zu gestalten, [16]alles sterben zu lassen, was nicht Soldat ist, [17]die letzten Reste des früheren nicht-kriegerischen Daseins abzustoßen und [18]sich auf den reinen Krieg einzurichten, dieser aber kann lange dauern.

[19]Dez. 12 in Köln: Die Zeit ist reif zur Diktatur; nach 30 Jahren kommt die Antwort; an diese [20]Quelle des Wissens möchte ich zurück. Die Ausstattung der Unzahmen wird ausgebrannt.

[21]Panofsky: eher werden die Recken verjuden

[22]Abraham Lincoln: Das Schaf und der Wolf haben sich über den Begriff der [23]Freiheit noch nicht geeinigt.

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[1]Wiederbegegnung mit Burkhardt: Da sind sie ja alle, meine geliebten Idealtypen: die Zerstörer, die Beschleuniger, [2]die Vereinfacher; jetzt erst erscheinen sie mir; früher sah ich sie nicht; Herr gib uns blöde Augen.

[3]Und tief im Ohre Melodei, sagt Annette; [4]ich dagegen: des Nichtsgezirps Ur-Dissonanz [5]liegt mir im Ohr; Tag und Nacht. (Nach dem Besuch bei Eicken) [6]Riesen ziehen durch mein Gehör, scheußliches Gezirpse, des Riesen

[7]Nietzsche, großer Friedrich Wilhelm, die Impression entzündet sich an der durch gute philologische Schulung präparierten Reibefläche [8]eines sensiblen Nervensystems.

[9]Begreift es doch endlich: Der Unterschied von Juristisch und Politisch ist die schmale Hintertür, [10]durch jene sich die juristische Verbindlichkeit entzieht, sich für unzuständig erklären kann, [11]sich drückt, wenn man festgelegt werden soll, eine Sache von sich abschütteln usw. [12]Und das will uns bekämpfen, armes Mückchen. Eben, ein System souveräner Rechtssymbole [13]entscheidet systematisch solche Ausweichungen.

[14]Vitoria (de Indis, 1. releccion) Get. II 345: [15]Ex timore servili accedere ad Mysteria et [16]Sacramenta Christi, sacrilegum est. [17]Ohne Gott, ja: Ex timore servili sind alle diese Sakrilegien geschehen. [18]

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[1]Wie schön: Vitoria, de arte magica (wie rational!) [2](Getino III p. 78/79) 9/7 43 [3]Hinweis auf den „Philosophen“: quod formae non imprimuntur in materia [4]ab aliqua substantia separata, sed reducuntur in [5]actum de potentia materiae per actionem formae [6]in materia existentibus ? sic !. Weil alles omne agens agit in [7]sibi simile, daher entstehen alle existere omnes res naturales per [8]generationem, non forma sine materia, vel forma [9]separata. [10]Die Dämonen können diese Gesetze nicht ändern (welcher Glaube an die ‚Natur‘ als ‚Vernunft‘); sie können sich aber, wohl der [11]Naturgesetze bedienen, cum daemones sint peritissimi astrologi! [12]Das Dämonische an Bacon

[13]Zweifeln: das erste ist: die Anziehungskraft der verlorenen Sache (dieser Ausspruch gewinnt mich plötzlich, die Anziehungskraft [14]solcher Theorien ist jedenfalls enorm und sicherer als [15]die Anziehungskraft der Sache; das Bayerisch-Dorfbubenhafte, [16]der Hallodri, sieht seine große Chance in einer ratlos gewordenen Welt. [17]Es genügt, sagt er, zu behaupten, daß man etwas weiß, über [18]Paracelsus; [19]du selber, armer Kerl, bist aus Feigheit draußen geblieben; Feigheit ist übrigens auch ein Rettungs-Instinkt [20]und inseriös zu verachten. [21]Verlorener Sohn der Kirche, [22]der Sakristei entsprungen, [23]C. [24]Ihm ist also nicht bange, [25]tief in den Geheimnissen des Herrenhauses; die rasenden Menschen [zu] hören.

[26]Carl August [27]Emge als Friedrich Wilhelm Nietzsche; oder u. u.; der U-U-Typus.

[28]Wie der blaue hellblaue Dämon auf dem rechten Flügelbild des j. d. l. del. von Bosch: ununterbrochen frißt und [29]sofort in seinem Stuhlgang wieder von sich gibt, versaut und verbraucht, so diese Art von Propaganda mit jedem Wort, [30]das sie in den Mund nehmen: gute Europäer.

[31](Anarchie: Schutz ohne Zwang) Zwang ohne Schutz. Trennung des ewigen Zusammenhangs von Schutz und Gehorsam. [32]Große Erkenntnis: der Terror ohne Okkupation; Landnahme. Die Luftwaffe ermöglicht es: zu terrorisieren, ohne zu okkupieren. [33]Doppelterror Zwang zum Gehorsam ohne jeglichsten Schutz.

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[1]Nietzsche, ein zappeliger Impressionist, phosphoresziert herum und [2]blufft uns mit lauter Sondermeldungen. Geheimnis der Bildung: die gute philologische Schulung Bildung, die er in der [3]Schule gehabt hat, präparierte Reibefläche.

[4]Ich sehe in den Hahn auf der anglikanischen Kirche; aha, da kräht also noch [5]ein Hahn; dann bleibe ich noch, sagt der , und man hat noch genug zu [6]essen.

[7]Unamuno zeichnete seiner Büste ein Kreuz auf das Herz; [8]erzählte mir Guarcia Dias 3/7 43. (Das ist mein Kreuz an der Hohen Molmert.) [9]Marañon: ein schönes Tieramulett!

[10]Genieße Freiheit der Galgenfrist, die dir der Britishman noch leiht; der Schinderknecht steht schon bereit, [11]der dir zur Zeit beschieden ist, gestaltet deine freie Zeit.

[12]Eigentümliche Dialektik: künstliche Erhellung besiegt durch Verdunkeln, [13]die Künstlichkeit künstlicher Freizeit (durch Maschinen) [14]zerstört durch Freizeitgestalter.

[15]Die Freimaurer-Melodie in der 3. Symphonie hat in Wirklichkeit schon keinen Ausweg mehr und keine Entwicklung, [16]sie kann die Dominante nicht mehr erreichen; [17]diese Tonalität hat überhaupt nur einen Ausweg: die Dominante = ein [18]illusionistischer Scheinausweg.

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[1]Jeder zieht sich in ein Klosett zurück, reinigt sich, wäscht und putzt sich, aber dann führen wir uns gegenseitig die [2]Komödie eines reinen, blühenden und duftenden Lebens vor.

[3]Groteske: mit blöden Augen, blicken nach Westen und Gemeinschaft, blicken nach Osten und Personen, [4]und so immer hin und her; und dieses Volk selbst steht da alleine noch einmal zwischendrin; erschütternd, [5]die Antwort des Weltgeistes kann doch nur ein Feuerregen vom Himmel sein.

[6]Woher der lächerliche Gedanke der dynastischen Legitimität (statt der der Krone?), woher dieses traurige Verkrampfen [7]des Königtums im 19. und 20. Jahrhundert? Aus dem Gedanken des Blutes, der race: [8]der race usw.

[9]Harrach, wir gewinnen den Propagandakrieg 14-18, umgedrehter Spieß; postum (klar darum, statt Raumlehre entdecken). [10]30/6 43.

[11]Vitoria: Hispani, cum primum navigaverunt [12]ad terras barbarorum, multum nullum jus [13]secum adferebant, occupandi provincias [14]illorum … non plus quam si illi [15]invenissent nos.

[16]Erschrak vor dieser ‚Objektivität‘ eines spanischen Monarchs, eines Europäers; Beispiel des Gegensatzes historischen und unhistorischen Denkens [17]durch Europäer, [18]für ihn war die Entdeckung Amerikas [19]offenbar keine Überraschung; Grotius behauptet (aber schon polemisch), es sei überhaupt keine [20]Entdeckung; Streit darum, was das ist. Wenn er so hoch über der geschichtlich konkreten Situation [21]steht, warum mischt er sich dann in den Streit ein? Warum, weiß er es besser, ohne auch nur einen [22]Tag bei den Indianern gewesen zu sein? (Grotius, Mare lib., cap. 2) [23]Immer die Gleichung: immer das Analoge zwischen Galli und Hispani, [24]übertragen auf das Verhältnis von Spaniern und Indianern!

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[1]Peter Oberheid gegen Ernst Jünger (Gärten und Straßen): Jünger sei jetzt der Soldat, der damals, [2]1917, bei der Offensive, während eines großen Truppenappells, auf den Hahn [3]schießt (23/5 43).

[4]Das Nichts fördert das Nichts; und nennt sich dann total.

[5]Sie spielen Rollen, Dreigroschenoper. Aber [6]die Contre-Rolle ist schon erfunden, und die [7]Contre-.

[8]Ahlmann sagte: die dreifache Indiskretion dieser jungen Leute (26/5 43[)].

[9]Vor 7 Jahren machte ich ein Gedicht: Ein Caliban verdunkelte meinen [10]Tag. [11]Heute, wo ich aus einem nicht verdunkelten Land zurückkomme, sage ich, daß er [12]mir die künstlich erhellten Nächte verdunkeln kann, nicht aber den [13]Tag (Rückkehr aus Madrid 12/6 43) [14](wieder gelesen 20/4 49 in Plettenberg).

[15]Kein Wunder: Für den Dörfler ist der Jude der einzige . Die Inkarnation der [16]; Antisemitismus; die Vollmenschen; daher die Überraschung, wenn die [17]wahre Judenfrage beginnt; unsere lieben Dorfbuben. Die romantische Schlangenbeschwörung. [18]Dialektische Notwendigkeit Herrentum, [19]der Dörfler verwandelt sich in den [20]Juden. [21]Gib dem Dorfbuben Stahl als Spielraum und [22]den deutschen Staat als Instrument Waffe und die deutsche Armee ist [23]gefallen.

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[1]Typen wie G. Ritter (Meinecke) als Konzentration; unter dem angeblich Dämonischen schmuggeln sie falsche [2]Götter ein; sehen nicht, daß das Problem der ‚Moral‘ ohne Sitte kein ethisches ist, sondern [3]das (technisch und organisierte) Problem der Einordnung der Kräfte des Bösen und [4]des Sadismus, die überall sind, aber nicht überall offen herrschen, außer bei den Menschen.

[5]. Sehr schön (Popitz zahlte Excelsior): Das Wort ist die sich öffnende Tür, führt zu [6]einem hinter dem Wort stehenden Sinn; das sagte auch Kayssler Kassner. Ich fürchte, es hält nicht stand.

[7]Der 2-Fronten-Krieg der Politik (Machiavelli, Rassenfascismus, von uns zu schweigen) [8]zwischen Theologie und Technik: integrierende Zwischenstellung: gegen die Theologie wird die [9]Wissenschaftlichkeit der Technik, gegen das Wissenschaftliche der Technik die ‚Weltanschauung‘ und Zunahme [10]der bloßen Technik miteinander gebracht; gegen die Naturwissenschaft die Geisteswissenschaft, gegen [11]die Geisteswissenschaft die Naturwissenschaft; gegen den Mythos die Exaktheit, und gegen [12]die Exaktheit der Mythos usw.

[13]Die Veröffentlichung einer Prisenordnung vom 28/8 39: Das ganze Deutsche Reich zusammen setzt den englischen Zylinder auf [14]und legt sich einen Frack zu, wie ein Anarchie-Fürst, der modern und zivilisiert erscheinen will. [15]Sich 1919 eine 100 % liberal-rechtsstaatliche Verfassung geben, wie die von Weimar, das war gewiss eine [16]Kapitulation, und eine Schande; aber im August 1939 eine Prisenordnung veröffentlichen, [17]das war entweder ein dadaistischer Witz, oder eine noch viel tiefere Schande. [18]Das ist deine Lage, armer B.C.S.

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[1]Anti-Alkoholismus, [2]Anti-Semitismus, Identität beider; [3]der Alkohol [4]der Jude; [5]‚Frei‘, aus seinen Bindungen mit ätherischen Ölen gelöst, ist [6]natürlich der Feind; aber es kommt gar nicht auf den reinen [7]Alkohol und den reinen Juden an. [8]Lieber durch als für.

[9]omine auctus, Tac. Ann. [10](Drusus) [11](oder diminutus! Könnte es ja auch sein.)

[12](Verfolgung der der Christenheit; heute der Juden[)], [13]Ann. XV 44[:] Unde miseratio oriebatur, [14]tamquam non utilitate publica, sed [15]in saevitiam unius absumerentur.

[16]Es gibt ein Auge, das dir in deiner Situation, mag sie dir noch so großartig und triumphal erscheinen, [17]nichts Anderes sieht und beobachtet, wie du eine krabbelnde Ameise im Ameisenhaufen siehst und beobachtest. [18]Diese Möglichkeit ist unbestreitbar und unwiderleglich; als bloße Möglichkeit reicht sie aus, dein Leben [19]auf eine andere Ebene zu stellen.

[20]Frage dich im Ernst, Jüngling, beneidest du einen berühmten Mann wie Hegel um seinen Ruhm, wenn [21]du daran denkst, daß sein großer Jugendfreund Hölderlin um dieselbe Zeit, da Hegel der berühmte Professor [22]in Berlin war, in jüngerer als einsamer, in sich verlorener, scheinbar verblödeter Mann [23]bei einem Tischlermeister in Tübingen lebte. Mit wem würdest du tauschen, wenn du die Wahl hättest?

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[1]Entsetzliche Ernüchterung, als ich Bruno Bauers Evangelienkritik 1850/1 las: Er kreischt (wie ein [2]Nazi!), er spricht von wimmern, Machwerk, schimpft auf den „Vater“, Rechthaberei, Schulmeisterei unter Berufung auf eine [3]konstruierte Urschrift, an der dann alles gemessen wird, mit pedantischer Wut und [4]einem widerlichen Vernichtungstrieb. Selber Jude, du armer Judenbekämpfer; wäre dein Gemüt [5]nicht judenhaft .... (22/4 43)

[6]simple comme bonjour; rührende Idylle setzt das voraus; [7]so kann man nur in einem Land sprechen, das die Zeit des Heil nicht erlebt hat; hier wird [8]simple ein polemischer Begriff.

[9]Vielleicht sind wir im Jahre 1799, und ist Stalingrad nicht mehr als das, was Suworow war: Die Russen besiegen die ‚revolutionäre‘ [10]französische Armee wie nichts; die Österreicher lassen sich imponieren durch neue Methoden und den genialen Führerentscheiden.

[11]Ostern 1943. [12]Die großen Parallelen: wie man vor 100 Jahren seit Tocqueville die Demokratie als das Schicksal empfand, [13]so greift die ‚Technisierung‘ die Erde und ihre Folge: Amerikanismus oder Bolschewismus. [14]Das bedeutet das amerikanische Jahrhundert! (Die damalige Demokratisierung war schon die Technisierung!) [15]Was setzen wir dem entgegen? Eine romantische Idylle, unwahr und verlogen? Oder eine Überbietung der [16]Technisierung? Oder den κατεχων?

[17]Die selben brechent uns die Reht und stoerent unser [18]E. [19](Walther von der Vogelweide)

[20]Deutlich, während eines erotischen Traums, daß der physisch-sexuelle Trieb dasselbe ist wie der Trieb, Macht zu [21]haben oder an der Macht beteiligt zu sein. Die Art, wie sich die Menschen an den Reichtum herandrängen, sich [22]existenziell gehoben haben, gesteigert fühlen, wenn sie d mit der Macht in Kontakt sind, das ist in der Tat [23]Bucklerei und Hurerei, wie die Schrift sagt.

[24]3 Verdorbene, 3 Bezähmer des Kakodämons. [25]Ludendorff, Kirdorf, Wilamowitz-Moellendorff; in diesen drei Dörfern ist der [26]kleine Kakodämon geboren, der über uns die Geißel schwingt - das also sei der Eindruck [27]des Dorfes, den ich am 7/4 33 hatte! Rührende , rührende Täuschung.

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[1]ex amaritudine animi scribo (Otto von [2]Freising, praef. ad Frd. imp. Immer wieder sagt er: miseriam in [3]modum tragoediae.

[4]Das Tierreich Hegels, die Bürgergesellschaft, ist doch das vor-staatliche Recht; ist das nicht dasselbe wie [5]Hobbes? Die Originalität dieser Deutschen ist immer nur plumpe Wichtigmacherei und Anmaßung. Völkerrecht = staatliches Außenrecht, das andere Völkerrecht = internationales Privatrecht, [6]Flächen-Raum - Lebens-Raum; von der Fläche her bestimmt und gemessen, von den [7]kommunistischen Verortungen her gewonnen.

[8]Die Kontinuität der Conquista; scelus infandum; auch hier [9]sind haben wir die Stelle der Juden eingenommen. Heute: die innereuropäische Conquista im [10]Namen Europas. [11]Gründonnerstag 43.

[12]Die geheimnisvolle, beschwörende Kraft, ja strahlende Gewalt des Gedichtes von Heine [13]Die beiden Grenadiere des Schlosses, das eine Art Auferstehung beschreibt: [14]Dann steig' ich gewaffnet hervor aus dem Grab, den Kaiser den Kaiser . [15]Woher diese erstaunliche Kraft? Das ist doch mehr, als alle Kunst wäre, woher bei [16]einem sonst so widerlichen und verlogenen Dichter? [17]Es ist der geheimnisvolle Zusammenhang des Juden mit dem Cäsarismus. (Bruno Bauer hat ihn gesehen, nicht aber gehabt.[)] Sie haben [18]gerufen: Wir haben keinen anderen König als den Cäsar. Seit diesem Augenblick gehören [19]sie zu jeder Wiederholung des Cäsarismus. Das war unter Napoleon; das war endlich möglich unter Wilhelm [20]II. [21]Ist das schon die Verjudung des Christentums, das Tert der I Ro-Kaiser, [22]oder ist das die Folge der Christianisierung des Römischen Imperiums; die Ent-Zäsarisierung.

[23]Wichtiger als alles Andere: Bismarck schrieb in der Nachricht vom Tode Wilhelms I (9/3 88) [24]in seine ‚Losung‘: obiit Imperate, lateinisch-sakral; [25]und dann der Imperialismus und Cäsarismus seit der Reichsgründung?

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[1] Hobbes, der Vater aller Dinge: Die einen macht er zu Schindern, die anderen zu Geschundenen ().

[2][]Le vide fascine ceux qui n'osent pas le regarder en [3]face, ils s'y jettent par crainte d'y tomber“ [4](Bernan; Curé, p. 193). ; [5]wie wir 33! Geheimnis des Fascismus. Begegnung Hitlers mit Mussolini.

[6]Die Macht ist das Unmenschliche oder Übermenschliche. Die Macht und der Besitz der Macht verwandelt ist die Umschaltung des Offenen in das Geschlossene, [7]verwandelt ein have not in ein have; den, der eine Zukunft hat, in einen, der nur noch Gegenwart [8]und Vergangenheit ist. Milde ist das Offene und das Menschliche, Machtbesitz, Machtwahrung und Machtbehauptung die furchtbare Verengung auf den [9]st. q. Die ersten Christen, Franziskaner, Rousseauisten (Jakobiner), Sozialisten und Kommunisten waren ‚Menschen‘. [10]Dann bekamen sie ein Stück Macht und verwandelten sich in Schinder und Schinderknechte, ihre verschworene Gemeinschaft zur Machtbehauptung [11]ist nun der Übermensch Nietzsche. Der Beginn der Unschuld der Macht? Das ist der Gipfel der Dreistigkeit, das hemmungsloseste [12]Selbstverschlossene gibt sich hier als Aufbruch in die Freiheit. Konnte nur ansteigen. Überwindung des Bösen durch den Willen zum [13]Bösen, Bewußtseinswille zum Bösen, verzweifelt das eine wollen, was man ist. Armer Bösewicht. [14]Nacht .

[15]Das also ist Macht. Wir drehen an einem Schalter und es geht ein Licht an; Millionen solcher Mächtigungen nimmt [16]der Großstädter täglich vor; er drückt auf den Knopf und es geht eine Tür auf usw. Das ist seine ‚Macht‘ und das sein [17]Wille zur Macht; und das ist der Übermensch; und du meldest noch den ewigen Atufall , der [18]Oberstkommandierenden der deutschen Wehrmacht und den ‚Macht‘betrug der deutschen Besatzer an? Machtrausch der Autofahrer, der Flieger. [19]Wie wunderbar richtig der Satz von Comte: Es hat etwas Herabwürdigendes, [20]daran beteiligt zu sein!

[21]Der lustige Fall Duschkas: Man hat ihr was zu Schulden kommen lassen.

[22]Einen guten Vortrag, eine gute Vorlesung halten: Du mußt die Hörer halten, du stellst eine Stange her, an die die Hörerheit angeschnallt wird, wie ein starker Mann einen am Buckel faßt und [23]eine Stunde lang zum Fenster hinaushält. Das ist sehr anstrengend, aber anders ist es nicht zu machen. [24]Andere Vorträge, die sehr selten sind: Die Hörer, oder einige von ihnen, entwickeln den Gedanken mit; das ist ein unerhörter, lustvoller [25] Prozeß, übrigens selten, pneumatisch, σπερματικοs. [26]Andere Vorträge: Du schenkst Schnaps aus, gibst ein paar Phrasen zu saufen, alle sind begeistert, weil sie begeistert sein wollen; [27]es braucht nicht einmal guter Schnaps zu sein, der Wille zum Rausch, der Wille, sich betäuben zu lassen, tut das Seine; du brauchst kaum [28]nachzuhelfen, mit deinen kümmerlichen Redensarten.

[29]Die Nachteile (d. h. deutsche , Deutsch[-]Afrika, die Sächsische Schweiz und die deutsche . [30]Pfui Teufel!

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[1]Michelet, S. 107[:] [2]La Prusse est une mosaique, [3]l'Autriche une caricature, [4]la Russie un monstre.

[5]Freischwebende Intelligenz - Verstehen ist Teilnahme; [6]teilnahmsloses Verstehen; Teilnahme ist Parteinahme, Begriff des Politischen; part-icipatio (politische Toleranz und [7]Intoleranz, [8]= Teilnahme und [9]das ganze Überwinden der [10]Teilnahme). [11]Diese Art Beteiligung kann immer nur ein Teil, nicht das Ganze umfassen.

[12]Handel ist seinem Wesen nach frei; aller Handel ist Freihandel; wo die Freiheit aufhört, hört auch der Handel auf, [13]wird aus dem Handel Verteilung, der Kaufmann wie Händler verwandelt sich, ist ein Verteiler!!

[14]Bei Sebastian bekannt, sagt ein Narr, dem man ein Teil in den Hintern gehauen hat; ich habe zwar [15]ein Teil im Hintern und werde bald sterben, aber ich habe einen Sohn, der ist ebenso ein Narr wie ich und raucht [16]seine Pfeife wie ich und der wird mich fortsetzen. (Farmer; freute mich über seinen Haß gegen den [17]biologischen Mist).

[18]Valentiner (oder jemand anderes?) hat folgende Stelle in Bern. J. d. c. d. c. angestrichen: Car si notre espèce [19]doit périr, elle périra de dégout, d'ennui. La personne [20]humaine aura été lentement rongée, comme une [21]poutre par ces champignons invisibles ... Et ces [22]guerres généralisées qui semblent témoigner d'une [23]activité prodigieuse de l'homme, alors qu'elles dénoncent [24]au contraire son apathie grandissante ... Ils finiront [25]par mener vers la boucherie, à époques fixes, d'immenses [26]troupeaux résignés.

[27]Dachte an die Menschenopfer der Azteken-Priester; an die Opfer: Einige waren begeisterte Opfer, andere apathisch, einige durch die Priester [28]berauscht und charakterisiert, andere hatten sich selbst berauscht und charakterisiert; andere waren entseelt. [29]Die Erde ist erst am Anfang ihrer geologischen und biologischen Entwicklung; Le mal, lui aussi, [30]commence. [31](Der Proudhon von den blutigen Prostrationen[)].

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[1]J. Michelet, Pologne et Russie, légende de [2]Kosciusko, Paris 1852 (Bruno Bauers: Rußland und das Germanenthum, [3]1853), [4]S. Wenn wir Rußland zulassen, lassen wir Rußland c'est la choléra zu! (132) [5]Wenn wir Rußland zulassen, communisme.

[6]La loi: la Russie simplement une force - [7]force barbare, monde sans loi, monde [8]ennemi de [9]la loi. [10]qui n'admet la [11]civilisation moderne [12]que pour dissoudre le [13]monde occidental et tuer [14]la loi elle-même (131/2)

[15]e glorieux martyre Bakounine (S. 130)

[16]Le monde de la Loi a sa [17]frontière où elle fut au [18]moyen âge, sur la [19]Vistule et le Danube. [20](132)

[21]Hier la Russie nous disait: je suis le christianisme, [22]Demain elle nous dit: je suis le socialisme [23](133).

[24]S. 126: Unsere Welt verliert allmählig ihre alte Grundlage, ihre Idee, la paternité; [25]sie hat sich noch nicht auf ihre neue Grundlage gestellt: la loi, le gouver- [26]nement de l'homme par lui-même. [27]Großartig. Ô désert, ô vide, ô néant! Plus de père, [28]Pas encore la loi.

[29]Ein Occidental ist niemals ganz skeptisch; er glaubt wenigstens an die Wissenschaft; l'âme [30]n'est jamais vide. Wohl aber ein Rußland, bei diesen Tartaren; [31]wenn hier der Mensch anfinge, wirklich zu zweifeln,, dann würden wir das spectable effroyable [32]d'une démagogie sans idée, sans principes, [33]sans sentiment haben. D'un mouvement aveugle. [34]Qui sauvera la Russie de cette infernale [35]perdition, et l'Europe de la nécessité d'exterminer ce [36]géant ivre et fou? Polen!

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[1]Ce n'est pas le tout de se tromper, [2]il faut encore être modeste.

[3]Mackinder, democratic ideals and reality. [4]S. 199: You may Die Deutschen fochten im Ersten Weltkrieg an 2 Fronten; without [5]fully making up her mind on which front [6]she meant to win; sie hatte 2 Ziele: Hamburg und die überseeische Herrschaft, [7]und Bagdad und das Heartland; und daher waren ihre strategischen Entscheidungen unsicher. [8](Merkwürdig, das ist meine Art zu argumentieren; warum versteht das niemand hier? Armer, einsamer Narr; [9]erstaunlich dieser Mackinder über the Going Concern; den Gegensatz von [10]Insel-Denken und Land-Denken

[11]oder S. 84: air-power is chiefly an arm [12]of land-power.

[13]Immer wieder: The imperious Reality of the Going Concern. [14]Die World-Islanders müssen sich verbünden, damit die Erde nicht in die Hände [15]der heart-landsmen fällt, und damit das Heartland [16]mit oceanic freedom durchdrungen wird; interessante Bemerkungen über die Juden, die er auf der deutschen Seite

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[1]Bestwig 7.32 10.32 [2]13.00 [3]an 9.13 [4]ab Hagen nach Bestw. 9.15 9.00 in Hohensyburg [5]nach Bestw. [6]ab Bestwig nach Siedl. 12.57

[7]7.14 ab [8]an 7.43 [9]ab B. 6.37 16.12 in Bestwig

[10]ab Bestwig 12.52, [11]in S. 13.39

[12]an 18.17

[13]ab H. 7.14, [14]ab Fi. 7.43. [15]in Bestw. 9 (und gefahren ¼10)

[16]ab Plettenberg 9.21 [17]13 läufig in Finnentrop. [18]ab Fi. 13.41, [19]in Meschede 15.11 [20] 15.55

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[1] Prof. Viktor Bruns [2]in Königsberg gestorben, [3]erhielt die Nachricht am 23/9 in Plettenberg.